»Mit Klein-Klein kommen wir da nicht weiter!«

Interview. Im HCZ-Exklusivgespräch zeigt Dirk Kienscherf, Fraktionsgeschäftsführer
der SPD in der Bürgerschaft, klare Kante: über zu kleines Denken beim Zusammenwachsen von City und HafenCity, die neue Kühne-Oper und den Baakenhöft sowie den Wahlkampf 

Der Winterwahlkampf 2025 für den Bundestag wie für die regulär geplante Bürgerschaftswahl am 2. März – und vor allem für die Briefwähler:innen! – ist seit Neujahr in der heißen Phase. Parteien und ihre Spitzenkandidaten setzen Themen und Positionen. Ihn, Dirk Kienscherf, SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, interessiert in erster Linie nur eins: Hamburg. Seine persönlichen politischen Lebensthemen sind Verkehr und Stadtentwicklung, die in Wahlkampfzeiten besonders im Fokus stehen. Den Fraktions­chef nervt die Kleinkrämerei beim Thema Lauf- und Radwege Innenstadt-HafenCity, der neuen Mitte Hamburgs. Ihm ging „alles zu langsam voran“, und für den Fraktionschef ist die „attraktive grüne Brückenversion über die Willy-Brandt-Straße nicht vom Tisch“. Viel Spaß beim Lesen!
Foto oben: Bürofenster zum Rathausmarkt mit Mönckebergstraße. Wahlkämpfer Dirk Kienscherf: Dennis Thering „ist jemand, der allen alles verspricht, überall viel mehr Geld ausgeben will, zugleich uns aber sagt, wir müssen viel stärker sparen. Wie bei den aktuellen Haushaltsberatungen vor Weihnachten, als er überhaupt keine Alternativen aufgezeigt hat. Er kommt seinem Verfassungsauftrag nicht nach, als Opposition Alternativen zur Regierung aufzuzeigen.“ © Catrin-Anja Eichinger

Herr Kienscherf, spätestens im Frühjahr 2025 will das Westfield Hamburg-Überseequartier eröffnen. Sind die Stadt und speziell die Innenstadt auf die erwarteten täglich 45.000 Besucher:innen, die dann auch in die City kommen sollen, vorbereitet? Verkehrlich sind wir gerade hinsichtlich der ÖPNV-Anbindung mit der Verlängerung der Buslinie 4 und mit der U-Bahn 4, die direkt im neuen Quartier die Station Überseequartier hat, gut vorbereitet. Zugleich müssen wir feststellen, dass sich unsere Innenstadt gerade in einem starken Strukturwandel befindet. Insofern würde man sich als Innenstadt günstigere Zeiten für die Eröffnung des Überseequartiers wünschen.  

Vor rund einem Jahr haben Sie uns gesagt, dass Ihnen für attraktive Verbindungswege zwischen Innenstadt und HafenCity „Visionen fehlen“. Sind Sie inzwischen geflasht von einer Ideenflut? Nein, geflasht bin ich nicht. Man hat sicherlich das eine oder andere versucht zu verbessern, doch es fehlt nach wie vor der große Wurf, um die Verbindungswege zwischen Innenstadt und HafenCity für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen attraktiv zu gestalten. Das ist sicher an der einen oder anderen Stelle auch der Haushaltslage der Stadt geschuldet, aber konzeptionell reicht das, was man bislang mit der Dom-Achse umgesetzt hat, bei Weitem nicht aus. Wir sollten mit einem neuen Blick von außen zum Beispiel auf die Dom-Achse schauen, nicht nur städteplanerisch und städtebaulich. Wir müssen ein Highlight schaffen, damit die Hamburger:innen und vor allem auch die Gäste, zum Beispiel die Besucher:innen des Überseequartiers in der HafenCity, diese Verbindung Dom-Achse attraktiv finden und sich dort angesprochen fühlen. Man muss künftig mit der Dom-Achse mediale Aufmerksamkeit schaffen, unter anderem in den sozialen Medien. Das gelingt nur mit Attraktionen, die man auch fotografieren möchte und die sich wegen ihres Erlebniswertes auch für Selfies eignen.

Dirk Kienscherf in seinem Fraktionsbüro im Rathaus über den Verbindungsweg Dom-Achse zwischen
Innenstadt und HafenCity: „Man muss künftig mit der Dom-Achse mediale Aufmerksamkeit schaffen, unter anderem in den sozialen Medien. Das gelingt nur mit Attraktionen, die man auch fotografieren möchte und die sich wegen ihres Erlebniswertes auch für Selfies eignen.“ © Catrin-Anja Eichinger

Was fehlt Ihnen genau? Die Dom-Achse muss ein spannender Ort werden, wie wir es jetzt im Rathausquartier mit einer hochwertigen Umsetzung auf den Weg gebracht haben. Und wenn das Nikolaiviertel rund um das frühere Commerzbank-Gebäude fertig ist, wird der Verbindungweg Rathaus über den St. Katharinenweg in die HafenCity stadthistorisch und als Erlebniswert Klasse bieten. Das muss sich in anderer Form für die Dom-Achse ähnlich entwickeln. Was bislang geplant wurde, strahlt mir zu viel Biederkeit aus.  

Was muss passieren? Die Innenstadt ist – trotz schwieriger Rahmenbedingungen – auf einem guten Weg, auch im Bereich privater Investitionen. Die Mönckebergstraße wird sich zum Beispiel am Jacobikirchhof mit neuen Hotelangeboten und neuer Außengastronomie und attraktiver Platzgestaltung nachhaltig verbessern, das städtische Programm zur Verbesserung der Aufenthaltsqualitäten der Innenstadt-Plätze, zum Beispiel vom Burchardplatz oder dem Hopfenmarkt oder auch am Jungfernstieg, ist auf den Weg gebracht. Im Bereich der Dom-Achse und da auch gerade im Bereich des Kontorhausviertels ging mir das zu langsam voran, und es bleiben Handlungsbedarfe. Es gibt nach wie vor kein überzeugendes Konzept, wie die Überquerung der Willy-Brandt-Straße vom Kontorhausviertel hinüber in die Brandstwiete und durch das Nadelöhr der Korn­hausbrücke am Zollkanal in die Speicherstadt zum St. Annen Platz und zum Überseeboulevard in die HafenCity gelöst werden kann. Das gelingt nicht mit stadtplanerischen Standardprogrammen. Man muss sich dort sicher auch mal trauen, markant mit den städtebaulichen Gegebenheiten und Traditionen zu brechen. Für mich ist eine attraktive grüne Brückenversion über die Willy-Brandt-Straße nicht vom Tisch!

Warum ist Ihnen das so wichtig? Das neue Rathausquartier mit dem Katharinenweg ist eine feine kleine Flaniermeile für Insider mit Interesse an Stadt- und Städtebaugeschichte. Wir brauchen jedoch auch eine starke Fuß- und Radwegeverbindung für viele Menschen von der City in die HafenCity und umgekehrt. Da müssen wir alle noch einmal neu denken, und die neue Legislaturperiode wird dazu nach der Bürgerschaftswahl im März eine gute Gelegenheit für den künftigen neuen Senat bieten. Wir haben auch schon mit dem City Management gesprochen, dass wir für die Dom-Achse und auch für den Hammaburgplatz noch mal einen ganz neuen Aufschlag im kommenden Jahr brauchen. Mit Klein-Klein kommen wir da jedenfalls nicht weiter. 

Warum gibt es zum Beispiel nicht längst eine kleine feine, elektrisch und autonom fahrende City-HafenCity-Bus-Circle-Line, die im 15-Minuten-Takt vom Rathausmarkt auf einer Rundstrecke mit den Stationen Rathaus, Hammaburg-Platz, Speicherstadt/St. Annen Platz, Überseequartier, Elbphilharmonie, Rödingsmarkt, Hopfenmarkt, Rathaus fährt. Das ist doch kein Hexenwerk! Nein, und autonom fahrende Buslinien werden auch kommen. Wir werden 2025 im Norden Hamburgs mit einer Teststrecke beginnen, und das wird dann bei Erfolg auch die Vorlage sein, es in anderen Stadtteilen umzusetzen. Also Ihre autonom fahrende City-HafenCity-Bus-Circle-Line, wie Sie es nennen, ist nicht vom Tisch. 

Dafür hat man aber, wissend, dass das Überseequartier kommt, viele Jahre Zeit verloren. Fehlt die Leidenschaft? Nein. Man muss auch mal sagen, was da in den Behörden an wie vielen Stellen gleichzeitig in der ganzen Stadt geplant und umgesetzt werden muss, ist absolut herausfordernd. Es geht eben nicht alles auf einmal. Einfach, aber wahr. Auch wahr ist, dass alles seriös finanziert sein muss. 

Die Innenstadt wünscht sich ein eigenes Budget im Bezirk Hamburg-Mitte, unter anderem für Veranstaltungen sowie Kunst und Kultur im öffentlichen Raum, weniger bürokratische Hürden und preiswertere Sondernutzungsgebühren. Können Sie Ihrem Parteifreund Ralf Neubauer, dem Bezirkschef von Hamburg-Mitte, eine Finanzspritze für die Verbindungswege City-HafenCity nach der Bürgerschaftswahl versprechen? Eine Sonderinvestitions-Zone wird es definitiv nicht geben. Da müssen wir uns schon auf die ganze Stadt ausrichten. Wir werden jedoch, nicht zuletzt durch den Strukturwandel im Einzelhandel, die Bezirkszentren und die Innenstadt stärken. Ja, auch die Verfahren für Veranstaltungen sollen entbürokratisiert und die Sondernutzungsgebühren überprüft werden. Zum Teil könnten bestimmte Feste in den Bezirken wegen zu hoher Sondernutzungsaufwendungen nicht mehr stattfinden. Das geht nicht, da müssen wir ran. 

Dirk Kienscherf auf dem 13 Meter hohen View Point auf dem Baakenhöft: „Ob ein Opernhaus auf dem Baakenhöft oder ein Elbtower mit Naturkundemuseum kommt, bleibt abzuwarten. Wir haben als Stadt viele Angebote und warten mal ab, was wir am Ende Schwarz auf Weiß vorliegen haben.“ © Catrin-Anja Eichinger

Apropos Versprechen: Die Bürgerschaft hat auf Ihre Initiative hin beschlossen, dass bis Sommer 2028 für das letzte große, sogenannte Filetstück der HafenCity, den Baakenhöft mit dem Schuppen 29 und dem temporären Kreuzfahrtterminal HafenCity, keine Nutzungsentscheidung fällt. Steht der Beschluss noch? Der Beschluss gilt, dass wir auf dem Baakenhöft nicht kurzfristig etwas bauen wollen. Es soll dort etwas Besonders für die Stadt und den Stadtteil entstehen. Was, ist vollkommen offen. Wenn ein konkretes Projekt um die Ecke kommt, das überzeugend ist, müsste sich die Bürgerschaft erneut mit dem Baakenhöft befassen. 

Nicht wirklich. Investor Klaus-Michael Kühne will dort für Hamburg ein neues Opernhaus für über 300 Millionen Euro errichten. Kühnes Konzept und ein schon fertiger Architektenentwurf begeisterten jüngst offenbar den Kultursenator und den Kulturausschuss Ihrer SPD-Fraktion im Rathaus. Auch städtische Gründungsinvestitionen (Infrastruktur, Tiefbau und Sockelgeschoss) sollen mit rund 150 Millionen Euro taxiert sein. Kommt die Kühne-Oper? Erst einmal muss man das alles in Ruhe weiter beraten. Fakt ist, dass wir die Situation haben, dass die heutige Oper und ihre Technik stark sanierungsbedürftig sind. Und wir haben die Beispiele aus anderen Ländern und Städten, dass solche Standorte dann für mehrere Jahre geschlossen werden müssen und man Alternativstandorte finden muss. Da kämen also erhebliche herausfordernde Kosten auf uns zu. Das wird jetzt alles geprüft.

Der Kultursenator Carsten Brosda ist vom Kühne-Konzept der neuen Oper offenbar angetan? Der Kultursenator ist immer motiviert, wenn sich Kultur weiter gut entwickeln kann. Auch er sieht die enormen – auch finanziellen – Herausforderungen der heutigen Opernsanierung und alternativer Spielorte. Er ist deswegen mit allen im Gespräch, um eine Lösung zu finden, die vielleicht beides schafft: eine neue attraktive Oper mit neuem Standort und einen historischen Opernstandort, der in Ruhe saniert werden und danach wieder kulturellen Zwecken dienen kann. Dass die heutige Oper abgerissen und das Grundstück für nichtkulturelle Zwecken genutzt wird, ist ausgeschlossen. 

Apropos Baakenhöft: Initiativen wie auch das Netzwerk HafenCity e. V. mit seiner AG Kultur und AG Grün würden gerne einen Dialogprozess starten, der eine temporäre Nutzung für die kommenden drei Jahre vorsieht, wo man aus dem Stadtteil HafenCity für den Stadtteil in verantwortlicher Selbstverwaltung einen öffentlichen Raum gestaltet: für Sport, Begegnung, Ausstellungen, Skater-Angebote, Probenräume für junge Musiker:innen, also Kultur- und Freizeitabgebote. Ein Leuchtturm nachhaltiger öffentlicher Nutzung, ein grüner Park mit unterschiedlichsten Nutzungen aus und für die Community HafenCity. Denkbar? Ich finde, temporäre Nutzungen sind immer gut, wenn jeder, auch wirklich jeder der Beteiligten weiß, dass es temporär ist. Da haben wir als Stadt die Erfahrung gemacht, dass das bei Zwischennutzungen nicht immer der Fall ist. Und so gilt auch für den Baakenhöft: Wenn man so etwas mit Eigeninitiative startet, muss man immer auch an das Ende denken. Und das Ende heißt, wenn ich erfolgreich attraktive Angebote schaffe, die auch wahrgenommen werden, dass sie, zum Beispiel Baakenhöft, in drei Jahren wieder beendet werden müssen. Man muss also gleich am Anfang die Frage ehrlich beantworten, wie es danach dann weitergehen soll.

Sie sind also gegen eine temporäre Nutzung? Nein. Der Baakenhöft ist eine besondere Fläche, die wir zwingend attraktiv und sinnvoll nutzen wollen. Deshalb auch unser Bürgerschaftsbeschluss, nicht einfach irgendwelche Planungen zu starten. Ich stimme zu, dass sich das Gelände gut für viel Temporäres eignen könnte. Das bedeutet, dass die Menschen, die etwas temporär organisieren wollen, auch mit der zeitlichen Begrenzung verantwortungsvoll arbeiten müssen.  

Die berühmten Spatzen pfeifen von den Dächern, dass Anfang 2025 die Hamburger Investorengruppe um Dieter Becken und Klaus-Michael Kühne den Elbtower zu Ende bauen soll. Der Elbtower soll als Hauptmieter das neue Naturkundemuseum bekommen, und parallel soll der Opernwunsch von Mäzen Kühne auf dem Baakenhöft erfüllt werden. Was halten Sie von dem begründeten „Wenn-dann-Deal“? Das ist reine Spekulation. Ich halte mich an Recht und Gesetz, und der Elbtower ist in einem unabgeschlossenen Insolvenzverfahren. Es muss erstens abgewartet werden, was da herauskommt. Jetzt hat der Insolvenzverwalter einen Vorschlag gemacht, der genau geprüft werden muss. Zweitens haben wir wie beim Vorgänger-Großprojekt Westfield Hamburg-Überseequartier gesagt, dass wir nicht durch erhebliche Mittelzuwendung oder teure Anmietungen Projekte von privaten Investoren rechenbar machen. Dazu gibt es auch einen klaren Beschluss der Bürgerschaft. 

Aber ein Naturkundemuseum wollen Sie machen? Ja, das ist nicht aus der Luft gegriffen, und wir wollen das Naturkundemuseum realisieren. Bisher sind schon erhebliche Anstrengungen unternommen worden, einen Standort zu finden. Einerseits waren bislang jedoch die Flächen, wie zum Beispiel in der HafenCity, zu klein, und andererseits sind die Kosten für einen eigenen Neubau relativ hoch. 

Also spricht offenbar vieles für die, wie Sie es nennen, Spekulation und die Wenn-dann-Lösung Elbtower mit dem Naturkundemuseum und der neuen Kühne-Oper auf dem Baakenhöft-Gelände? So oder so werden wir, wird die Bürgerschaft in der nächsten Legislaturperiode eine gute Entscheidung treffen müssen. Ob ein Opernhaus auf dem Baakenhöft oder ein Elbtower mit Naturkundemuseum kommt, bleibt abzuwarten. Wir haben als Stadt viele Angebote und warten mal ab, was wir am Ende Schwarz auf Weiß vorliegen haben. Und dann werden wir intensiv beraten. Ich bin optimistisch, dass wir Gutes hinbekommen. 

Nach dem D-Day-Knall der Bundesregierung und dem FDP-Finanzminister-Rausschmiss bekommen wir neben der schon vorher feststehenden Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 auch noch eine Woche vorher die Bundestagswahl. Haben Sie in die Tischkante gebissen, dass die Hamburg-Wahl nun womöglich die negative Ampel-Suppe aus Berlin mit auslöffeln muss? Ich will mal was zu Ihrer Fragestellung sagen: Wir müssen langsam in unserem Land auch darauf achten, was wir geschafft haben. Viele Menschen auf der Welt würden sich freuen, wenn sie wählen könnten und gerne auch zweimal innerhalb kurzer Zeit wählen könnten. Wie sah es denn hier bei uns vor 80, 90 Jahren, vor der Bundesrepublik Deutschland aus? Zweimal hintereinander wählen zu können sind für mich erst einmal zwei Feste der Demokratie!  

Trotzdem ist die Bundestagswahl mit Bundeskanzler Olaf Scholz eine Woche vor der Bürgerschaftswahl für die SPD ja kein Selbstläufer – gerade weil in Hamburg die SPD-Uhren nun mal anders und auch erfolgreicher ticken. Natürlich hätten wir uns das aus Hamburger Sicht anders gewünscht, einfach weil wir glauben, dass diese Stadt es verdient hat, dass man über Hamburger Themen spricht. Jetzt wird das zum Teil überlagert von bundespolitischen Themen. 

Die jüngste Wahlumfrage von Radio Hamburg und „Zeit Online“ vom 16. Dezember ergab, dass Rot und Grün zwar jeweils sieben und vier Prozentpunkte verlieren, jedoch jeweils mit 32 und 20 Prozentpunkten rot-grün weiterregieren können. Warum gibt es offenbar immer noch stimmungsmäßig Zustimmung zum rot-grünen Tschentscher-Senat II? Wir haben eine Koalition, bei der es, anders als im Bund, gut läuft. Natürlich rüttelt es manchmal in der Verkehrspolitik mit den Grünen, und das wollen wir auch in der nächsten Legislaturperiode deutlich verbessern, aber was wir in den Bereichen Stadtentwicklung, Innovation, soziale Gerechtigkeit und Bildung erreicht haben, ist beachtlich. In der Bildung sind wir von den hinteren Plätzen deutlich nach vorn gekommen, wir geben inzwischen jedes Jahr fünf Milliarden Euro für Bildung aus. Und die Beliebtheitswerte unseres Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher stimmen mich besonders zuversichtlich. 

Und warum kann der Bürgermeister-Herausforderer Dennis Thering, Ihr Fraktionschefkollege von der CDU in der Bürgerschaft, zugleich die CDU-Stimmen um plus sechs Prozentpunkte auf 16 Prozentpunkte deutlich verbessern? Also schlechter konnte es eigentlich für die CDU nicht mehr werden mit elf Prozent bei der letzten Bürgerschaftswahl. Das war ein desaströses Ergebnis vor dem Hintergrund, dass die Hamburger CDU in den letzten 40 Jahre eigentlich nie eine schwache Partei war. Allerdings liegt der Herausforderer bei den Beliebtheitswerten noch hinter der Fraktionsvorsitzenden der Linken. Da würde ich mir an seiner Stelle schon Sorgen machen. Und noch eins: Auch wenn die Hamburger SPD immer ein Stück konservativer bei Wirtschaftsthemen ist als anderswo, sind wir trotzdem immer sozial unterwegs gewesen. Das zeichnet uns aus!

Aber das erfolgreiche Bonmot von Peter Tschen­tscher, dass in Hamburg CDU-Wähler SPD wählen, bröckelt. Sagen wir mal so: Wir sind rund neun Wochen vor der Bürgerschaftswahl, und die Zuspitzung der drei Spitzenkandidaten untereinander hat noch nicht so richtig begonnen. Jeder konservative Wähler, der womöglich überlegt, sein Kreuz bei der CDU zu machen, sollte bedenken, dass ein Erster Bürgermeister Peter Tschentscher ein Garant für eine verlässlich Politik ist und ein starkes SPD-Ergebnis dies ermöglicht.

Was hat Dennis Thering als Bürgermeister-Herausforderer, was der „Altbürgermeister“ Peter Tschentscher nicht hat? Man sollte die Frage umgekehrt stellen … 

… warum? Der eine ist ein kluger Kopf, der auch kluge Konzepte für die Zukunft unserer Stadt hat, der Hamburg aber auch durch die Coronakrise gebracht und verantwortungsvoll in den letzten Jahren geführt und regiert hat. Und der andere ist jemand, der allen alles verspricht, überall viel mehr Geld ausgeben will und zugleich aber uns sagt, wir müssen viel stärker sparen. Wie bei den aktuellen Haushaltsberatungen vor Weihnachten, als er überhaupt keine Alternativen aufgezeigt hat. Er kommt seinem Verfassungsauftrag nicht nach, als Opposition Alternativen zur Regierung aufzuzeigen, dessen müssen sich alle bewusst sein, die bei ihm womöglich ein Kreuz machen wollen. Der amtierende Erste Bürgermeister hat ein großes Leistungsspektrum sowie eine erfolgreiche Leistungsbilanz und hat aktuell wichtige Richtungsentscheidungen getroffen. Der Oppositionsführer führt verbal harte Angriffe, produziert jedoch Sprechblasen.

Falls die Grünen weniger stark abschneiden sollten, müssen Sie vielleicht mit Dennis Thering und der CDU koalieren? Wir haben doch zurzeit schon eine große Koalition mit zwei großen Parteien im Landesparlament und einer Zweidrittelmehrheit.

Na, na, berauschend ist das Minus von sieben Prozentpunkten der SPD und nur 32 Prozent laut Umfrage nicht. Natürlich wünsche ich mir für den Bürgermeister und für die SPD, dass wir auf deutlich mehr als 32 Prozent kommen. Und wenn dann die Grünen etwas weniger Zustimmung haben sollten, reicht es für Rot-Grün trotzdem. Aber natürlich wird es nach dem Wahltag um Inhalte gehen. 

Kommen Sie, es ist nicht alles Gold, was rot-grün glänzt. Was kann die SPD denn nun nach zwei Legislaturperioden rot-grünem Senat künftig besser machen, zum Beispiel bei der Hafenautobahn Ost A26 oder der Köhlbrandbrücke? Wir müssen meiner Meinung nach nicht unbedingt neuer und schneller werden, sondern die Projekte, die jetzt alle eingeplant sind, auch erfolgreich umsetzen. Das wird schon anspruchsvoll: die Science City Bahrenfeld, die Entwicklung der Wilhelmsburger Mitte, die Entwicklungen im Süderelberaum, die Verkehrs-Infrastruktur-Projekte A26 Ost, die Köhlbrandbrücken-Erneuerung, der A1-Ausbau, das Thema S4 nach Bad Oldesloe, der Bau der U5, die S-Bahn nach Kaltenkirchen und nicht zuletzt in der HafenCity die Verlängerung der U4 über den Moldauhafen nach Wilhelmsburg, der Sprung über die Elbe in den Hamburger Süden. 

Hat man im Wahlkampf als SPD-Fraktionschef keine Sorgen? Doch! Wo wir wirklich ranmüssen und wo wir deutlich schneller werden müssen, ist der Hauptbahnhof, der deutschlandweit die höchste Frequenz hat. Da haben wir nicht so viel Zeit, wie es die Deutsche Bahn eigentlich nach dem Motto möchte: „Wir fangen da mal in sechs, sieben Jahren an.“ Das geht überhaupt nicht. Es muss eine schnelle Entscheidung geben, ob der Verbindungsbahnentlastungstunnel kommt oder nicht, und dann muss es in die Umsetzung gehen. Für das Nadelöhr Hauptbahnhof muss es schnell eine Entlastung geben. Und bei vielen Stadtentwicklungsprojekten, die jeweils bis zu zehn, zwölf oder 20 Jahre lang dauern können, bewegt mich die entscheidende soziale Frage, dass wir für den sozialen Wohnungsbau weiterhin viel Geld in die Hand nehmen werden, damit wir ihn weiterführen und auf diesem hohen Niveau halten können. 

Wie fällt rund neun Wochen vor der Bürgerschaftswahl Ihr persönlicher Prozenttipp für SPD, Grüne, CDU, AfD, Die Linke, BSW, Volt und FDP aus? Oh, da muss ich aufpassen, was ich tippe. Na gut: SPD 36 Prozent, Grüne 20, CDU 16, AfD 8, Die Linke 6, BSW 4, Volt 4 und FDP 2 sowie Sonstige 4.

Was wünschen Sie sich für das neue Jahr 2025? Zuallererst ein gutes Hamburger Wahlergebnis mit einer starken SPD. Und insbesondere wünsche ich mir für 2025 eine Bundesregierung, die gut funktioniert und die zeigt, dass es Politiker:innen gibt, die Ahnung von ihrem Geschäft haben. Das braucht unser Land dringend, denn die Ampel hat leider für eine Politikermüdung gesorgt, und dieser Schaden ist relativ groß.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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