Innovation. Premiere im Zeichen der Ringe – der neue Audi Q6 e-tron strebt wieder Vorsprung durch Technik an. HCZ-Autor Thomas Geiger fuhr ihn vorab für die HafenCity Zeitung. Wird er zum Rettungswagen für Audi?
Audi sieht endlich Licht am Ende des Tunnels. Nachdem die Bayern in den letzten Jahren durch den Dieselskandal, lähmende Personalrochaden und die Probleme bei der Software-Schwester Cariad so ziemlich alles verspielt hatten, was mal ihr Vorsprung durch Technik war, und sich über eine zwei Jahre währende Durststrecke ohne nennenswerte Neuheit quälen mussten, werfen jetzt große Ereignisse ihre Schatten voraus. Selbst wenn die gerade wieder etwas länger geworden sind. Denn nachdem der neue Chef Gernot Döllner noch einmal den Terminplan korrigiert hat, soll der überfällige Audi Q6 e-tron nun im nächsten Sommer zu Schätzpreisen von zunächst einmal gut 70.000 Euro endlich den verfahrenen Karren mit seinem sauberen Elektroantrieb wieder aus dem Dreck ziehen. Weil das selbst den geduldigsten Geheimniskrämern zu lange ist, durften zumindest schon mal ein paar Journalisten ans Steuer und den fast finalen Prototypen auf den Zahn fühlen.
Foto oben: HCZ-Mobilitäts-Autor Thomas Geiger testete den neuen Audi Q6 e-tron in der einzigartigen Natur der dänischen Färöer-Inseln im Nordatlantik: Audi sieht endlich Licht am Ende des Tunnels. © Thomas Geiger
Schon für sich genommen wäre der Q6 als Konkurrent für Teslas Model X, das SUV des Mercedes EQE, den BMW iX und das Heer der chinesischen Elektro-Herausforderer ein Highlight. Erst recht nach der endlosen Funkstille auf der Ingolstädter Premierenbühne. Doch was den elektrischen Geländewagen zum womöglich wichtigsten Audi des Jahrzehnts macht, ist seine Plattform. Denn sie ist – zugegeben, gemeinsam mit Porsche – in Ingolstadt unter der Regie der Ringe entwickelt worden und soll nach dem Q6 allein im nächsten Jahr noch drei weitere Modelle tragen: Erst kommt das SUV auch als Sportback, dann bauen die Bayern darauf mit flacher Silhouette die Nachfolger von A6 Avant und A7.
Dafür wechselt nun auch Audi endlich auf eine 800-Volt-Architektur, die im Q6 bis zu 270 kW Ladeleistung ermöglicht. Damit sollten zehn Minuten für 250 Kilometer reichen, stellen die Entwickler in Aussicht. Es gibt eine neue Batteriegeneration mit zunächst mal rund 100 kWh Kapazität, die in der Theorie bis zu 600 Kilometer Fahrstrecke ermöglichen. Und damit die Praxis davon nicht allzu weit abweicht, baut Audi serienmäßig eine neue Generation von Wärmepumpen ein und optimiert das Thermomanagement im Batteriepaket.
Auch die Motoren stammen aus einer neuen Generation und werden im Q6 erstmals paarweise eingebaut: Im Q6 55 leisten sie zusammen 402 PS, haben 535 Nm und schaffen den Sprint von 0 auf 100 km/h in weniger als sechs Sekunden, und beim SQ6 stehen 517 PS, 820 Nm und weniger als 4,5 Sekunden im Datenblatt. Und wenn sie es ernst meinen mit der Aufholjagd auf der Electric Avenue, dann müssten 200 km/h schon drin sein. Und dabei soll es nicht bleiben: Zur Preiskorrektur kommt noch eine Version mit einem Motor und mit kleinerem Akku für die Performance sowie auch noch eine mit mehr Power und dem Kürzel RS auf dem Heckdeckel.
Während die Plattform für Audi einen Riesensprung markiert, wirkt die Karosserie darauf vergleichsweise vertraut. Die Form ist nur eine Evolution der bekannten Stilform, und lediglich bei der Lichttechnik zeichnet sich mit dynamischen Signaturen in der Front und aktiven, ja sogar kommunikativen OLED-Elementen am Heck eine kleine Revolution ab. Und das Format passt perfekt in die Palette. Genaue Daten gibt es zwar noch nicht, aber wer die Länge auf 4,80 und den Radstand auf knapp drei Meter schätzt, der erntet von den Entwicklern zumindest keine schrägen Blicke.
Damit wäre der Q6 zwar eine halbe Nummer kleiner als der elektrische Erstling e-tron, der noch auf dem konventionellen Q5 basiert. Aber er bietet dank der designierten Elektroplattform vor allem den Hinterbänklern mehr Platz, hat den größeren Kofferraum und zum ersten Mal bei Audi auch einen nennenswerten Frunk (ein Mischwort aus den englischen Begriffen „Front“ für Vorderseite und „Trunk“ für den Kofferraum), also einen Kofferraum unter der Fronthaube.
Dem Fahrer empfiehlt sich der Q6 als Prototyp endlich wieder als typischer Audi, weil er ihn mit Progressivlenkung, hecklastigem Quattro, aktiver Stahl- oder komfortabler Luftfeder etwas stärker ins Geschehen einbindet und sich nicht so beliebig anfühlt wie der aus dem Wolfsburger MEB, dem Modularen E-Antriebs-Baukasten, konstruierte Q4.
Er ist der erste Audi der nächsten Generation und verspicht deshalb viele neue Erlebnisse – schließlich soll sich die Plackerei mit der Softwareschmiede Cariad ja lohnen. Deshalb gibt es nicht nur schlauere Assistenzsysteme denn je und das größte und beste Head-up-Dispaly und die besten Augmented-Reality-Grafiken am Markt, sondern eben auch eine neue Bildschirmlandschaft und ein neues Bediensystem mit frei stehendem Bildschirm bis über die Mittelkonsole, einer neuen Bedieninsel in der Tür und ansonsten einer cleanen Eleganz ohne viele Schalter und Taster.
Also alles wie immer, nur neuer und besser? Nein, eine weitere Premiere haben die Bayern schon verraten – nur dass man dem Q6 dafür tief in die Augen schauen muss. Denn vorn in den Scheinwerfern schimmert nun eine aktive Signatur, die der Fahrer selbst wählen kann, und hinten flackern und flimmern pro Seite 180 OLED-Elemente und kommunizieren über ein paar leuchtende Piktogramme auch mit dem nachfolgenden Verkehr. Zumindest in dieser Disziplin muss man Audi also künftig wohl doch in einem neuen Licht betrachten. Thomas Geiger
Info Mehr Informationen unter https://www.audi-mediacenter.com/de/audi-q6-e-tron-prototyp-15442