Acht Fragen an drei Politiker, 24 Antworten: zur geplanten neuen Kühne-Oper auf dem Baakenhöft. Die Bürgerschaftsabgeordneten Anke Frieling (CDU), Arne Platzbecker (SPD) und Marco Hosemann (Die Linke) nehmen Stellung: zum bislang nichtöffentlichen Entscheidungsprozess, zur Standortfrage und zu Wünschen aus der HafenCity

Wie heißt es einerseits: Wer nur auf Tempo setzt und sich durch andere treiben lässt, nutzt mögliche Chancen nicht und riskiert fehlende Akzeptanz. Insofern ist die Stadt Hamburg mit dem Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und dem Kultursenator Dr. Carsten Brosda, hohes Risiko gegangen. Sie hat sich für die strikte Vertraulichkeit, den Standortwunsch und das Zeitdrängen des 88-jährigen Spenders Klaus-Michael Kühne für das neue Operngebäude der Hamburgischen Staatsoper auf dem Baakenhöft entschieden. Und musste so mögliche Widerstände aus Politik, Gesellschaft und Interessengruppen in Kauf nehmen. (Foto oben {M}: © Catrin-Anja Eichinger (2); Linksfraktion Hamburg)
Andererseits heißt es: Wer die Chance des Augenblicks nicht nutzt und nicht zügig entscheidet, verpasst Chancen und kommt nicht vor die Welle. Das haben Tschentscher und Brosda geschafft und erfolgreich einen fundierten Vertrag verhandelt. Das aufwändige Regelwerk, öffentlich online einsehbar, sichert Hamburg gegen viele Unwägbarkeiten ab. Der Vertrag hat Hand und Fuß.
Dabei ist es gut zu wissen: Ehe das Opernhaus Oslo erbaut wurde (siehe Foto oben) – es war in nur vier Jahren Bauzeit fertig und die Kosten blieben anno 2008 mit rund 550 Millionen Euro unter dem geplanten Etat –, hat sich Norwegen eine ausführliche Kultur- und Gesellschaftsdebatte für seine neue Oper gegönnt. Das war in Hamburg, angesichts der Gebäude-Schenkung durch den Stifter Klaus-MichaelKühne, wenig realistisch.
Gleichwohl: Warum hatte man denn nach der Vertragsunterzeichnung von der Stadt und der geldgebenden Kühne-Stiftung nicht den Mumm, für eine temporäre, öffentliche Debatte? Etwa zum Thema Neue Oper, zur Standortfrage und zur Auswahl, der nun beauftragten fünf international renommierten Architekturbüros, zu denen auch das norwegische Büro Snøhetta gehört? Und: Was wünschen sich eigentlich die HafenCity und ihre Anwohner:innen auf dem attraktiven Filetgrundstück des Quartiers?
Fragen über Fragen, die die HafenCity Zeitung jetzt gleichlautend den drei Politiker:innen von CDU, Dr. Anke Frieling, SPD, Arne Platzbecker, und Marco Hosemann, Die Linke, gestellt hat:

8 Fragen an… Dr. Anke Frieling – Die Bürgerschaftesabgeordnete (CDU) und stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion über neue Oper, Standort und Stadtteil-Mitsprache
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Mäzen Klaus-Michael Kühne und seine Kühne-Stiftung sowie die Stadt Hamburg haben einen Vertrag geschlossen, dass die Kühne-Stiftung der Stadt ein neues Operngebäude für den Standort Baakenhöft schenkt. Das bislang nicht-öffentliche Verfahren erntet Kritik – in der Stadtgesellschaft wie in der Bürgerschaft. Warum? Heißt es doch im Volksmund: Dem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul? Mein Eindruck ist, dass viele Menschen in unserer Stadt das großzügige Geschenk von Herrn Kühne sehr zu schätzen wissen. Die Kritik resultiert vermutlich aus dem Gefühl, dass es weder in der Stadtgesellschaft noch in der Bürgerschaft eine Diskussion zu dem Thema gegeben hat. Viele werden sich noch an die Reaktion des Fraktionsvorsitzenden der SPD auf die Ankündigung der Initiative von Herrn Kühne erinnern: Er hat das Thema weit von sich gewiesen. Danach ist die öffentliche Debatte eingeschlafen, nur ab und zu unterbrochen von Hinweisen auf Gespräche des Kultursenators in dieser Angelegenheit. Und dann wurden die Hamburgerinnen und Hamburger plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt, und zwar ohne, dass sie jemals am Diskurs teilnehmen konnten. Dieses wenig nachvollziehbare Vorgehen hat meiner Meinung nach für Kritik gesorgt und Widerstand erzeugt.
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In der „Auslobung“ für fünf internationale Architektur- und Freiraumbüros heißt es, dass die Kühne-Oper auf dem Baakenhöft „ein Ort für alle“ Hamburger:innen und „ein offenes, einladendes, schwellenloses und helles, beschwingtes Haus frei von Pomp und Pathos“ sein soll. Das klingt nach einer zweiten Elbphilharmonie als Oper. Was spricht gegen ein solches Haus? ? Aus meiner Sicht spricht nichts gegen ein solches Haus. Interessante Architektur ist immer eine Bereicherung für eine Stadt (selbst wenn sie nicht jedem gefällt). Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Architekturbüros diese anspruchsvolle Aufgabe lösen.
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Die Hamburger Architektenkammer und ihr Pressesprecher Claas Gefroi fordern „mehr Öffentlichkeit“ über den Auswahlprozess der Architektenbüros mit einer Expertenjury und „eine Einbeziehung der Stadtgesellschaft“. Warum hört niemand auf Hamburger Architekten? Sind sie Besserwisser? Es gab zu wenig offene Kommunikation und öffentlichen Diskurs im Vorlauf der Entscheidung. Die Stadt hat mit Herrn Kühne einen Vertrag ausgehandelt und erst danach über die Einzelheiten informiert.
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Der Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e.V. und seine 1. Vorsitzende Marianne Wellershoff ärgern sich darüber, dass der Stadtteil HafenCity und seine Repräsentanten zur Nutzung des sogenannten letzten großen Filetgrundstücks Baakenhöft mit dreiseitiger Wasserlage nicht beteiligt und gefragt werden. Ist die von der Politik immer wieder beschworene Bürgerbeteiligung bei wichtigen Planungsprozessen nur eine Alibi-Schutzbehauptung, die zur nachhaltigen Politikverdrossenheit führt? Für dieses Grundstück war aufgrund seiner exponierten Lage immer eine besondere Nutzung vorgesehen. Insofern überrascht es nicht, dass keine Bürgerbeteiligung vorgesehen wurde, auch wenn ich die Verärgerung nachvollziehen kann.
5
Die HafenCity ist das Quartier mit dem relativ zweithöchsten Familienanteil in Hamburg. Anwohner:innen und Initiativen fordern selbstbestimmte freie Begegnungsorte unter anderem für Jugendliche wie Clubs oder Sport- und Freizeitmöglichkeiten sowie für eine klimatechnisch aufgeheizte Großstadt nachhaltig mehr Erholungs- und Grünflächen. Sind das elitäre Bewohner:innenwünsche von HafenCity-Menschen und -Initiativen? Begegnungsorte für Jugendliche, Clubs, Sport- und Freizeitmöglichkeiten, mehr Erholungs- und Grünflächen – das alles braucht es ganz besonders dringend in dicht besiedelten Stadtquartieren – aus stadtklimatischen Gründen, aber natürlich auch für ein gutes Miteinander und eine funktionierende Gemeinschaft.
6
Viele Innenstadt-Akteure wie BID-Investoren, Grundeigentümer, Händler und Gastronomen fordern die neue Kühne-Oper als Standort-Attraktion für die Innenstadt sowie die kulturelle und gesellschaftliche Belebung der City. Was hat das Baakenhöft, was die Innenstadt nicht hat? Das ausgewählte Grundstück am Baakenhöft mit seiner dreiseitigen Wasserlage ist schon etwas ganz Besonderes, das man in Hamburg kein zweites Mal finden wird. Insofern verdient es eine besondere Nutzung, die die Einzigartigkeit des Standorts unterstreicht. Ich kann verstehen, dass ein Mäzen dieses Grundstück auswählt und bereit ist, an dieser Stelle ein Gebäude von besonderer architektonischer Qualität zu schaffen. Allerdings mache ich mir durchaus Sorgen um die Entwicklung der Innenstadt. Auch hier muss mindestens ein Leuchtturmprojekt entstehen. Ganz besonders wichtig ist es auch, dass der Senat ein überzeugendes Konzept für die Sanierung und Nutzung des heutigen, denkmalgeschützten Opernhauses entwickelt. Er darf auf keinen Fall damit warten bis das neue Opernhaus steht!
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Der Vertrag zwischen Stadt und Kühne-Stiftung ist fix. Die Architektenbüros sind beauftragt und müssen bis Ende September liefern. Im Herbst wird es einen Gewinner geben. Bis Sommer 2026 wird es im Eilverfahren die Planung geben. Dann beginnt die Baakenhöft-Ertüchtigung des Grundstücks und der Kaianlagen durch die Stadt. Ist dieser durchgetaktete Prozess noch aufzuhalten und lässt die Stadt noch qualitative Bürger- und Experten-Ergänzungen zu?Zu einer Bürgerbeteiligung ist mir nichts bekannt. Laut Vertrag wird ein Fachlicher Beirat errichtet, der die Sicherung der theater- und opernfachlichen Anforderungen bei Planung und Betrieb des Opernhauses sicherstellen soll.
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Falls die Kühne-Oper auf das Baakenhöft kommen sollte und wesentliche Stadtteilinteressen nicht verwirklicht werden: Soll dann die HafenCity Hamburg GmbH dem Stadtteil HafenCity ein geeignetes Grundstück anbieten, um den Interessen des jüngsten Stadtteils von Hamburg gerecht zu werden? Schon jetzt leben rund 10.000 Menschen in der HafenCity, mit der Entwicklung des Grasbrooks werden es später 16.000 Menschen sein – das entspricht einer deutschen Kleinstadt. Insofern muss dieser Stadtteil alles an Infrastruktur, Treffpunkten und Angeboten bereithalten, was eine lebenswerte Stadt ausmacht.
Die Fragen stellte Wolfgang Timpe

8 Fragen an… Arne Platzbecker – Der Bürgerschaftesabgeordnete (SPD) und Vorsitzende des Kulturausschusses der Bürgerschaft über neue Oper, Standort und Stadtteil-Mitsprache
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Mäzen Klaus-Michael Kühne und seine Kühne-Stiftung sowie die Stadt Hamburg haben einen Vertrag geschlossen, dass die Kühne-Stiftung der Stadt ein neues Operngebäude für den Standort Baakenhöft schenkt. Das bislang nicht-öffentliche Verfahren erntet Kritik – in der Stadtgesellschaft wie in der Bürgerschaft. Warum? Heißt es doch im Volksmund: Dem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul? Ja, das ist eine besondere Situation. In Zeiten, in denen Kulturförderung oft auf dem Rückzug ist, investiert ein Hamburger Mäzen freiwillig in ein Opernhaus – das ist erst einmal ein starkes Zeichen. Und doch gilt auch hier: Einem geschenkten Gaul sollte man ins Maul schauen. Die Stadt beziehungsweise unser Kultursenator haben das getan – und intensiv verhandelt. Kühnes ursprünglicher Wunsch nach einem Grundstückstausch ist vom Tisch. Natürlich hätte man sich an mancher Stelle mehr Transparenz gewünscht, aber als Jurist weiß ich, dass der Erfolg von Verhandlungen im vertraulichen Umgang begründet ist. Wir reden darüber nicht erst seit gestern – der Senat hat den Vertrag nach Unterzeichnung sofort online gestellt. Jetzt liegt es an Bürgerschaft und Öffentlichkeit, konstruktiv zu prüfen, wie aus dem Angebot ein echter Gewinn für ganz Hamburg werden kann.
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In der „Auslobung“ für fünf internationale Architektur- und Freiraumbüros heißt es, dass die Kühne-Oper auf dem Baakenhöft „ein Ort für alle“ Hamburger:innen und „ein offenes, einladendes, schwellenloses und helles, beschwingtes Haus frei von Pomp und Pathos“ sein soll. Das klingt nach einer zweiten Elbphilharmonie als Oper. Was spricht gegen ein solches Haus? In der Theorie spricht wenig gegen ein offenes, helles Opernhaus „für alle“ – das ist ein schönes Versprechen. Aber genau daran wird sich das Projekt auch messen lassen müssen. Einige Menschen zweifeln, ob sich diese Offenheit in der Realität wirklich einlöst – im Bau, im Betrieb und nicht zuletzt im Nutzungskonzept, das seit jeher allein in städtischer Verantwortung liegt. Es wird entscheidend sein, dass hier auch Angebote für neue Zielgruppen entstehen und es nicht bei der architektonischen Zugänglichkeit bleibt.
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Die Hamburger Architektenkammer und ihr Pressesprecher Claas Gefroi fordern „mehr Öffentlichkeit“ über den Auswahlprozess der Architektenbüros mit einer Expertenjury und „eine Einbeziehung der Stadtgesellschaft“. Warum hört niemand auf Hamburger Architekten? Sind sie Besserwisser? Die Forderung nach Transparenz ist berechtigt – gerade bei einem Projekt mit so großer Symbolkraft. Beteiligung schafft Vertrauen und ermöglicht bessere Ergebnisse. Dass die Architektenkammer hier den Finger hebt, ist Teil ihres fachlichen Auftrags. Denn hier entsteht nicht nur ein Gebäude – sondern ein Haus, das städtebaulich wie kulturell ein neues Kapitel aufschlagen und zu einem prägenden Wahrzeichen für das Hamburg von morgen werden könnte. Mit fünf renommierten Büros, die vergleichbare Projekte realisiert haben, sind die Weichen gestellt. Die Jury ist fachlich stark, divers besetzt und mehrheitlich mit Vertreter:innen öffentlicher Belange. Auch wir Parlamentarier bringen die Stadtgesellschaft ein. Und klar ist: Gegen die Stadt wird es hier keine Entscheidung geben.
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Der Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e.V. und seine 1. Vorsitzende Marianne Wellershoff ärgern sich darüber, dass der Stadtteil HafenCity und seine Repräsentanten zur Nutzung des sogenannten letzten großen Filetgrundstücks Baakenhöft mit dreiseitiger Wasserlage nicht beteiligt und gefragt werden. Ist die von der Politik immer wieder beschworene Bürgerbeteiligung bei wichtigen Planungsprozessen nur eine Alibi-Schutzbehauptung, die zur nachhaltigen Politikverdrossenheit führt? Beteiligung muss immer mehr sein als ein Feigenblatt. Aber es gibt in solchen Prozessen auch immer eine Schrittfolge: Zunächst gilt es, eine tragfähige Idee zu entwickeln und dafür eine Vereinbarung mit der Kühne-Stiftung zu schnüren. Parallel konnte und wurde ja auch öffentlich diskutiert. Nun läuft der Architekturwettbewerb, die Bürgerschaft entscheidet. Im weiteren Verlauf gibt es vorgeschriebene Beteiligungsschritte – und dann wird so ein Ort, wenn er denn letztlich kommt, am Ende immer auch dadurch definiert, wie er angenommen und genutzt wird. Hier entsteht ein offenes Haus inmitten einer öffentlichen Anlage. Da besteht eine echte Möglichkeit, Impulsen aus dem Quartier eine Resonanz zu geben.
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Die HafenCity ist das Quartier mit dem relativ zweithöchsten Familienanteil in Hamburg. Anwohner:innen und Initiativen fordern selbstbestimmte freie Begegnungsorte unter anderem für Jugendliche wie Clubs oder Sport- und Freizeitmöglichkeiten sowie für eine klimatechnisch aufgeheizte Großstadt nachhaltig mehr Erholungs- und Grünflächen. Sind das elitäre Bewohner:innenwünsche von HafenCity-Menschen und -Initiativen? Nein – das sind keine elitären Wünsche, sondern berechtigte Anliegen. Gerade weil die HafenCity ein wachsendes Familienquartier ist, braucht es hier Räume für Begegnung, Bewegung und Erholung. In einem verdichteten, klimageplagten Stadtraum sind solche Forderungen alles andere als Luxus. Besonders Jugendliche brauchen Orte, die ihnen gehören. Dass sich Bewohner:innen hier engagieren und artikulieren, ist kein Makel, sondern ein Glücksfall – und sollte Vorbild sein. Gleichzeitig ist die HafenCity Teil einer Gesamtstadt. Auch in anderen Quartieren fehlen solche Räume. Stadtentwicklung lebt davon, dass wir lokale Wünsche ernst nehmen – und sie gleichzeitig in ein gesamtstädtisches Gleichgewicht bringen. Dass dieser herausragende Ort am Baakenhöft für etwas genutzt werden soll, was Strahlkraft weit über die HafenCity entwickelt, stand sehr früh bei der Entwicklung der HafenCity fest.
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Viele Innenstadt-Akteure wie BID-Investoren, Grundeigentümer, Händler und Gastronomen fordern die neue Kühne-Oper als Standort-Attraktion für die Innenstadt sowie die kulturelle und gesellschaftliche Belebung der City. Was hat das Baakenhöft, was die Innenstadt nicht hat? Das Baakenhöft hat vor allem eines: Platz, Wasserlage und Potenzial. Anders als in der City ist hier keine Rücksicht auf Nachbarbebauung nötig – es kann neu gedacht werden. Gleichzeitig liegt der Ort prominent, am Wasser, sichtbar für alle. Die Oper könnte hier Teil einer neuen kulturellen Achse zwischen Elbphilharmonie und Elbtower werden. Wenn es gelingt, drumherum ein öffentliches Areal zu gestalten – mit einem Park, direktem Zugang zur Elbe und einem offenen Haus für alle im Zentrum – kann das neue Impulse setzen, ohne andere Orte zu verdrängen.
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Der Vertrag zwischen Stadt und Kühne-Stiftung ist fix. Die Architektenbüros sind beauftragt und müssen bis Ende September liefern. Im Herbst wird es einen Gewinner geben. Bis Sommer 2026 wird es im Eilverfahren die Planung geben. Dann beginnt die Baakenhöft-Ertüchtigung des Grundstücks und der Kaianlagen durch die Stadt. Ist dieser durchgetaktete Prozess noch aufzuhalten und lässt die Stadt noch qualitative Bürger- und Experten-Ergänzungen zu?Fakt ist: Die Verträge sind verhandelt, der Wettbewerb läuft, und die Grundlagenermittlung ist weit fortgeschritten – große Richtungsänderungen sind kaum noch möglich. Wer suggeriert, man könne jetzt noch alles neu verhandeln, weckt falsche Erwartungen. Allerdings muss die Bürgerschaft dem Ganzen noch zustimmen. Und das ist keine Formalie. Ihr Einfluss bleibt: bei der konkreten Gestaltung, der Umsetzung sowie den Nutzungen. Nicht alles ist verhandelbar – aber entscheidende Aspekte der Nutzung, Einbindung und Gestaltung können gestaltet werden. Diese Verantwortung liegt jetzt bei Politik und Verwaltung – und bei allen, die sich weiterhin konstruktiv einbringen.
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Falls die Kühne-Oper auf das Baakenhöft kommen sollte und wesentliche Stadtteilinteressen nicht verwirklicht werden: Soll dann die HafenCity Hamburg GmbH dem Stadtteil HafenCity ein geeignetes Grundstück anbieten, um den Interessen des jüngsten Stadtteils Hamburg gerecht zu werden? In der HafenCity gibt es ein bemerkenswert aktives, zivilgesellschaftliches Engagement – das verdient Respekt und Gehör. Die Forderung nach Jugendflächen, offenen Räumen und kreativen Nischen ist berechtigt. Trotz großer Fortschritte bei Schulen, Spielplätzen und Parks fehlt es dem Stadtteil in Teilen noch an dem, was andernorts zur sozialen Infrastruktur gehört. Es gibt viel – aber nicht alles, was ein vielfältiges urbanes Leben braucht. Gerade für Jugendliche fehlen selbstbestimmte Orte. Spätestens mit dem geplanten Umzug der HafenCity Hamburg GmbH sollte das dortige Gebäude für solche Bedarfe zur Verfügung stehen.
Zugleich gilt: Es gibt 104 Stadtteile in Hamburg – alle mit legitimen Bedürfnissen. Ich frage mich als Anwohner von St. Pauli oder Borgfelde auch, wo bei uns die „wilden Orte“ und Freiräume sind, die hier für den Baakenhöft gefordert werden. Das ist keine Kritik – im Gegenteil. Aber es braucht Maß und Augenmaß. Die HafenCity ist kein Inselstaat mit Sonderrechten, sondern Teil einer Gesamtstadt. Wer Ressourcen fordert, muss sie auch mit anderen teilen. Stadtentwicklung ist ein solidarischer Prozess – nicht jeder Wunsch wird erfüllt, aber jeder Bedarf soll gehört werden. Die Fragen stellte Wolfgang Timpe

8 Fragen an … Marco Hosemann – Der Bürgerschaftsabgeordnete (Die Linke) und stadtentwicklungspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion über neue Oper, Standort und Stadtteil-Mitsprache
1
Mäzen Klaus-Michael Kühne und seine Kühne-Stiftung sowie die Stadt Hamburg haben einen Vertrag geschlossen, dass die Kühne-Stiftung der Stadt ein neues Operngebäude für den Standort Baakenhöft schenkt. Das bislang nicht-öffentliche Verfahren erntet Kritik – in der Stadtgesellschaft wie in der Bürgerschaft. Warum? Heißt es doch im Volksmund: Dem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul? So weitreichende Entscheidungen dürfen nicht in Hinterzimmern beschlossen werden. Die Öffentlichkeit muss bei den Fragen einbezogen werden, ob die Staatsoper in der Innenstadt bleiben oder in einen Neubau ziehen und wie das letzte für eine öffentliche Nutzung vorgesehene Grundstück in der HafenCity genutzt werden soll. Die geplante Oper auf dem Bakenhöft ist kein „geschenkter Gaul“. Die Stadt will 147,5 Millionen Euro dazugeben und es kommen weitere öffentliche Kosten unter anderem für die Räumung des Grundstücks und Instandhaltung eines zusätzlichen Gebäudes neben der denkmalgeschützten Staatsoper an der Dammtorstraße hinzu.
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In der „Auslobung“ für fünf internationale Architektur- und Freiraumbüros heißt es, dass die Kühne-Oper auf dem Baakenhöft „ein Ort für alle“ Hamburger:innen und „ein offenes, einladendes, schwellenloses und helles, beschwingtes Haus frei von Pomp und Pathos“ sein soll. Das klingt nach einer zweiten Elbphilharmonie als Oper. Was spricht gegen ein solches Haus? Die Elbphilharmonie ist kein Ort für alle und eine von Kühne gesponserte Oper würde das auch nicht sein. Sie wird jetzt mit wohlklingenden Worten und bald mit schöngefärbten Visualisierungen von der Architektur beworben. Ein Ort für alle kann nur gelingen, wenn alle von Anfang an mitgenommen werden. Neben der Kritik an dem Verfahren gibt es auch welche an dem Standort und dem Sponsor, die ernst genommen und berücksichtigt werden muss. Der Baakenhafen war Drehkreuz deutscher Kolonialverbrechen und Kühne verweigert die öffentliche und unabhängige Aufarbeitung der NS-Vergangenheit seines Unternehmens, auf der sein Vermögen basiert.
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Die Hamburger Architektenkammer und ihr Pressesprecher Claas Gefroi fordern „mehr Öffentlichkeit“ über den Auswahlprozess der Architektenbüros mit einer Expertenjury und „eine Einbeziehung der Stadtgesellschaft“. Warum hört niemand auf Hamburger Architekten? Sind sie Besserwisser? Es ist beschämend, dass Transparenz und eine demokratische Planungskultur überhaupt noch eingefordert werden müssen. Die sollten selbstverständlich sein und sind keine Besserwisserei. Des Weiteren kritisiert die Architektenkammer zu Recht, dass es keinen Architekturwettbewerb, sondern nur ein Qualifizierungsverfahren mit fünf Architekturbüros gibt, zu wenig Fachleute in der Jury sitzen und der Siegerentwurf nur mit den Stimmen von Kühne bestimmt werden und er somit allein über die Architektur entscheiden kann.
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Der Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e.V. und seine 1. Vorsitzende Marianne Wellershoff ärgern sich darüber, dass der Stadtteil HafenCity und seine Repräsentanten zur Nutzung des sogenannten letzten großen Filetgrundstücks Baakenhöft mit dreiseitiger Wasserlage nicht beteiligt und gefragt werden. Ist die von der Politik immer wieder beschworene Bürgerbeteiligung bei wichtigen Planungsprozessen nur eine Alibi-Schutzbehauptung, die zur nachhaltigen Politikverdrossenheit führt? Leider werden die Bürger:innen immer nur dann und so beteiligt, wenn und wie es den Regierenden gerade passt. Weil der Senat genau wusste, dass es große Kritik an den Opernplänen geben wird, hat er es allein entschieden. Mit diesem Verhalten schadet er dem Vertrauen in die Politik und das demokratische Staatswesen.
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Die HafenCity ist das Quartier mit dem relativ zweithöchsten Familienanteil in Hamburg. Anwohner:innen und Initiativen fordern selbstbestimmte freie Begegnungsorte unter anderem für Jugendliche wie Clubs oder Sport- und Freizeitmöglichkeiten sowie für eine klimatechnisch aufgeheizte Großstadt nachhaltig mehr Erholungs- und Grünflächen. Sind das elitäre Bewohner:innenwünsche von HafenCity-Menschen und -Initiativen? Das sind berechtigte Wünsche, von denen nicht nur Bewohner:innen aus der HafenCity profitieren würden. Für solche Orte gibt es im Vergleich zu einer neuen Oper konkrete Bedarfe. Es gibt viele Spielplätze für Kinder in der HafenCity, aber kaum Räume für Jugendliche und junge Menschen. Die soziale und grüne Infrastruktur steht in keinem guten Verhältnis zu den anderen Nutzungen. Und die Beton- und Steinwüsten, die in den letzten Jahren in der HafenCity entstanden, werden nicht den Anforderungen der Anpassung unserer Stadt an die Folgen des Klimawandels gerecht.
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Viele Innenstadt-Akteure wie BID-Investoren, Grundeigentümer, Händler und Gastronomen fordern die neue Kühne-Oper als Standort-Attraktion für die Innenstadt sowie die kulturelle und gesellschaftliche Belebung der City. Was hat das Baakenhöft, was die Innenstadt nicht hat? Eine freie Fläche, auf die Kühne und Senat sich ein Denkmal bauen lassen können. Und Elbblick. Mehr nicht. Die Staatsoper an der Dammtorstraße spielt eine wichtige Rolle für die Innenstadt und belebt sie in Zeiten, wenn die Geschäfte längst geschlossen sind und in den Büros Feierabend gemacht wurde. Sie ist dort auch viel besser an den Fern- und Nahverkehr angebunden. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2020 hat gezeigt, dass die Staatsoper für 146,5 Mio. Euro saniert und an heutige Anforderungen eines Opernbetriebs angepasst werden kann. Die Oper in der Innenstadt zu lassen, ist auch aus ökologischen Gründen sinnvoll. In Zeiten des Klimawandels sollten wir uns gut überlegen, wofür wir neu bauen und was wir im Bestand lösen.
7
Der Vertrag zwischen Stadt und Kühne-Stiftung ist fix. Die Architektenbüros sind beauftragt und müssen bis Ende September liefern. Im Herbst wird es einen Gewinner geben. Bis Sommer 2026 wird es im Eilverfahren die Planung geben. Dann beginnt die Baakenhöft-Ertüchtigung des Grundstücks und der Kaianlagen durch die Stadt. Ist dieser durchgetaktete Prozess noch aufzuhalten und lässt die Stadt noch qualitative Bürger- und Experten-Ergänzungen zu?Zunächst braucht es noch einen Beschluss der Bürgerschaft. Die öffentliche Debatte über den geplanten Bau der Oper kommt gerade erst richtig ins Rollen. Es gibt so viel berechtigte Kritik und gute Argumente, die gegen die Pläne einer neuen Oper und eine andere Nutzung des Baakenhöft in der HafenCity sprechen. Wenn diese gebündelt und der Druck auf Kühne und Senat erhöht wird, kann das Projekt gekippt werden.
8
Falls die Kühne-Oper auf das Baakenhöft kommen sollte und wesentliche Stadtteilinteressen nicht verwirklicht werden: Soll dann die HafenCity Hamburg GmbH dem Stadtteil HafenCity ein geeignetes Grundstück anbieten, um den Interessen des jüngsten Stadtteils Hamburg gerecht zu werden? Die Oper ist noch lange nicht gebaut und es wird noch viel Wasser die Elbe hinunterfließen. Auch wenn SPD und Grüne den Beschluss in der Bürgerschaft durchpeitscht haben, kann noch viel passieren. Die von Kühne in Aussicht gestellten 330 Millionen Euro werden nicht annähernd reichen. Das Vorbild von Kühne ist die Oper von Snøhetta in Oslo. Die wurde vor 20 Jahren gebaut und hat damals bereits rund 550 Millionen Euro gekostet. Seitdem sind die Baukosten massiv gestiegen. Die Fragen stellte Wolfgang Timpe