Kultur. Nach einem aktuellen Bericht der Bild-Zeitung steht der Kulturausschuss der SPD-Bürgerschaftsfraktion einer geschenkten Oper für 300 Millionen Euro von Investor Klaus-Michael Kühne positiv gegenüber. Wahlkampf oder ernsthafte Projektplanung?
Steter Tropfen höhlt den Stein. „Ein Weihnachtsgeschenk für die Freunde der Hochkultur“ jubelt die Bild-Zeitung in einem aktuellen Bericht, dass es offenbar „extrem“ gut aussehe, „dass Deutschlands reichster Mann, Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne, 87, Kühne +Nagel, seiner Heimatstadt ein neues Opernhaus in der HafenCity baut“. Neu an den Eckdaten des Berichts ist, dass es neben der schon bekannten Schenkungssumme von 300 Millionen Euro der gemeinnützigen Kühne-Stiftung nun auch die Stadt bereit sein soll, „150 Millionen Euro zum Projekt beizutragen“, für das Grundstück und die Gründung des Gebäudes so die Bild.
Foto oben: Bleibt sie oder bleibt sie nicht, wenn Investor Klaus-Michael Kühne der Stadt Hamburg eine neue Oper für 300 Millionen Euro „schenken“ will? Die denkmalgeschützte Hamburgische Staatsoper, die 1955 im Stil der Nachkriegsmoderne wieder aufgebaut wurde. © picture alliance / imageBROKER/Torsten Krüger
Die Kulturbehörde von Kultursenator Dr. Carsten Brosda wollte das nicht bestätigen, aber Brosda habe die Zahlen laut Bild „bereits bei einer Sitzung des Arbeitskreises Kultur der SPD-Fraktion (in der Bürgerschaft; d. Red.) genannt. Die Teilnehmer sollen großteils euphorisch reagiert haben“. Ansonsten werden frühere Zitate aus einem FAZ-Interview mit Klaus-Michael Kühne zum Opernprojekt präsentiert: „Ich tue das für Hamburg.“ Die zuständige Behörde von Kultursenator Brosda, der der neuen Opernidee generell nicht abgeneigt ist, hält sich bedeckt. Weder hat man dort die bislang kursieren Zahlen bestätigt, noch sich offiziell dazu geäußert. Doch dass das Opernthema wieder neu glüht, lässt man offenbar auch gerne geschehen. Offenbar um der Sache willen wie auch als rot-grünes Kultur-Wahlkampf-Aufreger-Thema für die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025. Wie gesagt steter Tropfen höhlt den Stein.
„Der Vorhang zu und alle Fragen offen“, wie es so schön heißt. Das Geschenk nimmt die Stadt – theoretisch nachvollziehbar – gerne an und die eigenen Kosten sind keine Peanuts, aber wenn man als kulturelle Weltstadt neben dem Konzerthaus der Elbphilharmonie weiter wachsen will, macht das strategisch Sinn. Wie bei Schenkungen liegt jedoch der sprichwörtliche Teufel im Detail, denn der laufende Betrieb einer solchen Oper würde auf rund 250 Euro pro Platz und Aufführung veranschlagt. Genau das ist eben leider keine Portokasse und sind Dauerkosten. Also: Braucht Hamburg eine neue Oper? Im internationalen künstlerischen und architektonischen Wettbewerb mit den Opern-Weltmetropolen: ja.
Muss dafür, wie Kühne es bislang gefordert und bislang nicht widerrufen hat, die heutige Staatsoper in der Innenstadt abgerissen werden, um das riesige Innenstadtgrundstück von Kühne dann privat mit Wohnungen und Büros bebauen zu lassen? Das wäre voraussichtlich ein schlechter Deal für Hamburg und die Innenstadt und würde auch überhaupt nicht in die Strategie des rot-grünen Senats passen, über attraktive Grundstücke wieder selbst zu verfügen. Also: nein. Hat die heutige denkmalgeschützte Staatsoper eine Exitenz- und Erhaltungsberechtigung? Ja. Eine neue Nutzung ist für viele Branchen (u.a. Musicals) denkbar. Und als Standort der neuen Oper wird immer wieder in der HafenCity der Baakenhöft, das Filetstück im Baakenhafen und als Landspitze in die Elbe ragend, ins Spiel gebracht. Muss es zwingend der Baakenhöft sein? Nein. nie architektonisch spektakuläre Oper könnte überall in Hamburg je nach Standort strahlen.
Was jedoch den Reiz der Verführung einer neuen Oper mit Standort Baakenhöft ausmacht ist, dass es eine höchstwertige kulturelle und städtebauliche Highlight-Perlenkette in der HafenCity direkt an der Elbe gäbe. Von Westen her die Elbphilharmonie am Platz der Deutschen Einheit, dann die mögliche neue Hamburger Oper auf dem Baakenhöft (heute mit dem temporären Innenstadt-Kreuzfahrtterminal) und das neue UBS Digital Art Museum am Amerigo-Vespucchi-Platz sowie im Osten dann als Abschluss der HafenCity der Elbtower mit seinen geplanten 245 Metern Höhe und seinem weißen eleganten Architektenentwurf von Chipperfield mit der öffentlichen Aussichtsterrasse im 55. Stock.
Für den Stadtteil HafenCity wird es wichtig sein, was für eine Zwischennutzung der Baakenhöft nach Eröffnung des Cruise Terminals HafenCity im Überseequartier bis zur Entscheidung des Senats über eine endgültige Nutzung, laut Bürgerschaftsbeschluss nicht vor 2027, erfahren wird. Erste Ideen liegen unter anderem vom Nachbarschaftsverein, Netzwerk HafenCity e.V. (NWHC), vor und wurden auch der Eigentümerin des Grundstücks, der HafenCity Hamburg GmbH, schon präsentiert. Das NWHC will dort – gerade wegen seiner Ruppigkeit mit dem historischen Hafenschuppen 29 und seiner zentralen Stadtteillage ohne Wohnen – als grünen alternativen Begegnungsort für die HafenCity initiieren, wo Kultur, Kunst, Sport, Musik und Freizeit (Gastronomie) sich in Selbstbestimmung organisieren können. Wie gesagt: temporär bis 2027/2028. Man darf gespannt sein, ob die aktuell wieder angezündete Operndebatte nur Wahlkampfmunition ist oder ernsthaftes Kulturanliegen der Stadt und des Senats mit Beihilfe des milliardenschweren Investors Klaus-Michel Kühne. Wie gesagt: Vorhang zunächst zu und alle Fragen offen. Wolfgang Timpe