Exklusiv-Gespräch. Yvonne Funcke und Ralf Brenner, geschäftsführende Gesellschafter der Fromm Managementseminare & -beratung, über das 100-jährige Fromm-Jubiläum, positive Corona-Erlebnisse und das ständige Sich-neu-Erfinden
Frau Funcke, Herr Brenner, Sie feiern am 2. Oktober das 100-jährige Jubiläum Ihrer Fromm Managementseminare & -beratung und führen es in fünfter Generation. Hat sich Tradition anno 2023 nicht überlebt? Yvonne Funcke: Nein. Unser Motto ist: Zukunft braucht Herkunft. Denn genau diese positive Tradition unterscheidet uns von anderen Weiterbildungsinstituten. Wir sind dabei familienunabhängig in der fünften Generation tätig. Dadurch, dass unsere Gesellschaft sich in den vergangenen 100 Jahren durch neue Partner kontinuierlich weiterentwickelt hat, musste sich das Unternehmen immer wieder neu erfinden. So hat man sich im Team immer auch mit den Themen des jeweiligen Zeitgeschehens neu auseinandergesetzt. Wir gucken immer auch mit historischer Brille: Was wiederholt sich? Was ist denn wirklich neu? Wo geht die Entwicklung hin, und wo können wir wie wachsen? Wenn ich ohne historisches Bewusstsein bin, wirkt ja alles neu, und dann merkt man womöglich nicht, dass man sich lediglich wiederholt. Wir wollen hingegen Menschen und Unternehmen in ihrer Entwicklung begleiten – auch um Wege zu finden, Neues für sich und das Unternehmen zu entdecken.
Foto oben: Yvonne Funcke und Ralf Brenner, geschäftsführende Gesellschafter bei Fromm Managementseminare & -beratung, auf der Elbterrasse der Barlounge des Hotels Ginn, wo sie am 2. Oktober 2023 ihr 100-jähriges Fromm-Jubiläum feiern: „Unser Motto ist: Zukunft braucht Herkunft. Denn genau diese positive Tradition unterscheidet uns von anderen Weiterbildungsinstituten.“ © Catrin-Anja Eichinger
Ralf Brenner: Ich stimme dir voll zu, dass Tradition sich überlebt habe, ist mir einfach zu platt. Es ist doch gerade für uns die Herausforderung und eine große Aufgabe, immer wieder neu zu entscheiden, was wir aus gutem Grund bewahren und was wir bewusst über Bord kippen wollen.
Ist das eine Wertefrage oder eine handwerklich-technische Frage? Yvonne Funcke: Beides. Nur wenn ich das Handwerkliche beherrsche und den Scan erfolgreich machen kann, was denn gut und zeitgemäß ist, komme ich zu weiterführenden Ergebnissen und Erkenntnissen. Einfach nur das Alte zu übernehmen funktioniert nicht. Alles muss sich immer wieder neu seine Berechtigung sichern, in der Welt zu sein. So gibt es Handwerksberufe, die schon als ausgestorben galten, heute trotzdem noch.
Ralf Brenner: Das ist doch gerade die Qualität, wenn das Tradierte, das Handwerk und das Wissen an folgende Generationen weitergegeben wird – ergänzt und erweitert durch Neues. Nur so kann doch eine kluge Weiterentwicklung stattfinden. So waren auch die Fromm-Gesellschafter immer in der Verantwortung, Wichtiges, Tradiertes zu überprüfen, weiterzuführen und neu zu übersetzen, sich neuen Techniken zu stellen und immer wieder Neues auszuprobieren und sich so ständig weiterzuentwickeln – mit dem Wissen, die Historie im Rücken zu haben.
Yvonne Funcke: Wenn ich Freiberufler bin und als selbstständiger Trainer arbeite, muss ich mir keine Gedanken darüber machen, welche Verantwortung und inhaltlichen Angebote ich von Vorgängern übernehme. Wenn man aber wie bei uns in ein über Jahrzehnte gewachsenes Traditionsunternehmen einsteigt, muss man sich mit dem Tradierten auseinandersetzen und auf der Basis dessen, was heute noch funktioniert und was nicht, nach vorne schauen. Wie gesagt: Zukunft braucht Herkunft!
Haben Sie sich anlässlich Ihres 100-jährigen Jubiläums gefragt: Wer sind wir? Ralf Brenner: Das ist eine permanente Auseinandersetzung. Alle unterschiedlichen Köpfe, die unser Unternehmen über Jahrzehnte geprägt haben, gaben jeweils immer auch unterschiedliche neue Richtungen vor.
Was ist Ihr Markenkern bei Fromm? Ralf Brenner: Der alte Charles Fromm war der Auffassung, dass er über die Rede, über die Rhetorik für das Individuum eine psychologische Sicherheit schaffen könnte. Damit hat er das Fundament gelegt, und das leitet uns bis heute immer noch.
Yvonne Funcke: Ja, psychologische Sicherheit ist hochaktuell, Charles Fromm hatte damals schon diese Vision, den Menschen durch Sprache und Rhetorik Sicherheit zu geben. Wer sich ausdrücken kann, kann reden und sich verteidigen, der kann in die Auseinandersetzung mit anderen gehen, der ist stark bei Konflikten, der kann Handel treiben und verhandeln. Wer das nicht kann, sich nicht gut ausdrückt, der ist deutlich unsicherer. Und seine Nachfolgerin, Irma Hasenbanck, hat zum Beispiel nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ab 1947 auf Sicherheit durch Regeln gesetzt. In den 40er-, 50er- und 60er-Jahren war alles zerrüttet, und man musste sich an irgendetwas festhalten. Und dabei half für sie die Etikette, das sichere Auftreten und die Regeln des Miteinanders waren enorm wichtig für sie. Ein vernünftiger Umgang miteinander, auch im Reden, führt zu Respekt gegenüber den anderen in der Gesellschaft. Das ist doch heute wieder hochaktuell: Wie gehen wir in Zeiten von Internet und Social Media und Hass-Posts miteinander um? Ist es wichtig, meinungsmäßig einfach alles hinauszudröhnen? Nein, mehr denn je geht es gerade heute darum, Dialoge miteinander zu führen, dem anderen zuzuhören und gemeinsam zu Lösungen zu kommen.
Ralf Brenner: Und beim Thema Regeln beachten ist man schnell bei der Etikette, die ein zweischneidiges Schwert ist. Die einen sagen, Etikette ist eine uncoole Tradition, und die anderen sagen, Erfinder Alfred Freiherr von Knigge hat dem einfachen Volk die Regeln nahegebracht, damit es sich seinerzeit bei Bürgertum, Wohlhabenden und Adeligen auch richtig und souverän verhalten konnte. Der gesellschaftliche Fokus treibt die Interpretation. Ich kann sagen, Knigge ist Spießer oder er ist Revoluzzer. Und das war bei Irma Hasenbanck auch so. Sie hat stark auf Regeln gesetzt, um die Menschen in ihrer jeweiligen Umgebung sicherer zu machen.
Yvonne Funcke: Mit dem Generationenthema sind wir seinerzeit ab 2014 gestartet. Das Schlüsselwort war Internationalisierung, die wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Hamburg ist eine Metropole, eine internationale Stadt mit sehr vielen Menschen aus unterschiedlichen Ländern. Wenn sie die deutsche Sprache verstehen und – gerne auch mit Akzent – sprechen können, fühlen sie sich nicht gehemmt. Wenn man kommunikativ eine innere Sicherheit hat, tritt man viel kompetenter auf.
YVONNE FUNCKE ist geschäftsführende Gesellschafterin der Fromm Managementseminare & -beratung KG und ausgebildete Betriebswirtin und Psychologin. Yvonne Funcke (50) ist verheiratet und hat zwei Kinder, 11 und 14 Jahre. In der Freizeit wandert sie gerne – u. a. in Tirol.
RALF BRENNER ist geschäftsführender Gesellschafter der Fromm Managementseminare & -beratung KG und gelernter Maschinenbau-Ingenieur. Ralf Brenner (55) ist verheiratet und hat einen Sohn. In der Freizeit fährt er gerne Motorrad – früher Moto Guzzi, jetzt Harley-Davidson.
Warum buchen Soloselbstständige, Unternehmer oder Unternehmen für ihre Führungskräfte und Mitarbeiter:innen die Fromm-Beratung und -Seminare? Was bieten Sie, was andere Coachingagenturen oder Beratungsfirmen nicht bieten? Ralf Brenner: Wir werden gebucht, weil wir maßgeschneiderte Lösungen anbieten. Das heißt: Ein Unternehmen hat ein Problem mit einzelnen Mitatbeiter:innen oder in einzelnen Abteilungen, oder Führungskräfte kommen mit ihrer Rolle oder ihren Mitarbeiter:innen nicht zurecht – wir bieten präzise Lösungen für deren Probleme. Uns zeichnet aus, dass wir mit unseren Trainern eine Tiefe in unseren Seminaren erreichen können, da diese hier in unseren Räumen an der Großen Elbstraße oder in geeigneten Räumlichkeiten beim Kunden einen Schutzraum für die Teilnehmenden durch unser Setting bieten. Bei uns können sich die Teilnehmer:innen öffnen und tief an ihrer Persönlichkeit arbeiten. Das ist unser Markenkern.
Yvonne Funcke: In den Bewertungen unserer Kunden erzielen zwei Aspekte durchgängig ein Topranking: erstens dass wir es mit unseren Trainerteams regelmäßig schaffen, eine offene Atmosphäre und ein gutes Lernklima für die Teilnehmenden zu erzielen. Und zweitens, und das ist mit das Wichtigste, dass die Teilnehmer:innen ihre Scham verlieren, sich zu outen. Dass sie sich trauen und Vertrauen bei uns fassen, an- und auszusprechen, was sie bewegt. Sie sprechen dann aus, was sie sich im ihrem Job, bei ihrer Führungsposition oder in der Work-Life-Balance gegenüber ihrem Unternehmen nicht trauen zu sagen. Wenn zum Beispiel Führungskräfte sich offen und authentisch dazu äußern, was ihnen nicht gelingt, kollidiert das mit der Rolle, die sie als Führungskraft im Unternehmen oder in einer Abteilung haben. Wir und unser Team sehen uns bei Fromm nicht als Trainer, sondern eher als Prozessbegleiter – für einen Entwicklungsprozess bei den Teilnehmer:innen und im Unternehmen.
Was gefällt Ihnen am Begriff Trainer nicht? Yvonne Funcke: Wenn ich Prozessbegleiter bin, dann ist die Bühne für unsere Teilnehmenden da, die stehen im Vordergrund und müssen natürlich, sonst kann es nicht erfolgreich werden, auch mitarbeiten. Bei einem unserer jüngsten „Boxenstopp“-Seminare für Manager sagte ein Teilnehmer nach fünf Minuten: „Mist, das wird ja richtig ernst hier.“ (lacht) Wenn das die Teilnehmenden an unsere Auftraggeber weiterreichen, sind wir glücklich.
Was ist für Sie beide jeweils der wichtigste Punkt Ihrer Unternehmensgeschichte? Yvonne Funcke: Der Generationswechsel, den wir selbst in unserem Unternehmen durchgemacht haben, damit das Unternehmen weiter in nun schon fünfter Generation existieren kann
Sie als junge Nachfolgerin und junger Nachfolger? Yvonne Funcke: Ja, genau. Das war für mich 2014 die größte Motivation, als Unternehmerin das von vorherigen Generationen Geschaffene, was gut war, weiterzuführen – weil es das wert ist.
Ralf Brenner: Mir war wichtig, selbstständig zu sein und für eigene Entscheidungen ganz allein geradezustehen. Aber eben nicht nur allein dazustehen, sondern auch zu zweit zu sein, also Gesellschafter, Partner zu werden, um in den Dialog zu gehen. Wenn Sie so wollen: Lernen aus dem Dialog. Das konnte ich schlecht mit mir selbst machen, ich wollte keine Zwiegespräche führen.
Das kann auch zu Autismus führen. Ralf Brenner: Ja, zu Autismus oder auch zu Schizophrenie. Da wollte ich lieber gesund bleiben und habe mich 2016 für Fromm Managementseminare & -beratung entschieden. Und das bis heute nicht bereut (lacht).
Was war für Sie persönlich in den vergangenen Jahren jeweils Ihr wichtigstes Erlebnis in Ihrer Fromm-Karriere? Yvonne Funcke: Die Vision unseres Gründers, sich sicher im Sprechen und Auftreten zu fühlen, hat auch mich persönlich bewegt, denn ich hatte eigentlich mein ganzes Leben fürchterliches Lampenfieber. Und jetzt Menschen dabei zu begleiten, dass sie sagen, was sie möchten, ist für mich eine große Erfüllung.
Ralf Brenner: Unser Umzug hier an die Große Elbstraße, das war sicher unsere erste große Managemententscheidung, weil wir da auch finanziell richtig etwas zu stemmen hatten. Und dann natürlich Corona und die Pandemie. Wir standen plötzlich im Frühjahr 2020 vor dem absoluten Nichts. Es gab keine geregelten Gehälter, es war kein Umsatz da. Durch diesen Veränderungsprozess zu gehen war für mich das Härteste, was ich bislang in meinem Leben mitgemacht habe. An manchen Tagen fragten wir uns: Hallo, war es das jetzt? Nein, zum Glück nicht. Im Gegenteil. Das Schönste an diesem durch die Pandemie erzwungenen Prozess ist, dass wir als Unternehmen mit unseren Teams daraus gestärkt hervorgegangen sind. Durch diese Situation haben wir schnell strategisch richtige Entscheidungen getroffen und zum Beispiel in die Digitalisierung, das Online-Coaching, investiert, und heute freuen wir uns über einen ordentlichen Kundenzuwachs. Aus diesen beiden Prozessen, Umzug und Corona, sind wir deutlich gestärkt hervorgegangen.
Wie muss man sich Digitalisierung bei Managementseminaren und Beratung vorstellen? Yvonne Funcke: Dass wir live Online-Seminare anbieten und beispielsweise auch unsere Coachausbildung inzwischen im ersten Modul komplett online läuft. Wir haben nicht nur festgestellt, dass es funktioniert, sondern dass es auch unglaublich viel Spaß machen kann. Zurzeit führe ich 60 Prozent meiner Trainings online durch. Den Wegfall des vielen Reisens erlebe ich zusätzlich als Gewinn.
Was haben Sie in den vergangenen Jahren am meisten schätzen gelernt? Yvonne Funcke: Dass ich meinen Geschäftspartner und mein Team an meiner Seite habe.
Ralf Brenner: Dass jeder neue Kunde immer wieder eine neue Herausforderung ist und man bei null anfängt. Es gibt ja zu Beginn keine Basis einer Beziehung, sondern man muss sich jeden Kunden neu erkämpfen. .
Das hört sich bei allem Handwerklichen Ihrer Arbeit durchaus mühsam an. Yvonne Funcke: Ach wissen Sie, bei vielen Wettbewerbern steht „maßgeschneiderte Lösungen“ auf der Eigenwerbung, nur bei uns ist es wirklich maßgeschneidert, weil wir, gerade auch mit neuen Kunden und neuen Anforderungen, uns selbst und unsere Teams weiterentwickeln und aus dieser Arbeit heraus auch neue Produkte entstehen und wir dadurch unsere Angebote fortlaufend erweitern – bis es für unsere Kunden passt.
Wie muss man sich das vorstellen? Yvonne Funcke: Zunächst beschäftigt man sich ganz klassisch mit dem Unternehmen des Kunden, man macht halt eine gute Vorbereitung und lernt dann die Kunden und die Herausforderungen in den Briefing-Gesprächen kennen. Und wenn es dann mal nicht matcht, wie wir sagen, und Kunden uns nicht weiter buchen, sind wir auch nicht traurig darüber, weil es dann im Einzelfall eben mal nicht passt. „Natürliche“ Auslese! (lacht herzlich)
Ralf Brenner: Zu Beginn tauchen wir bei einem neuen Kunden in das Unternehmen ein, indem wir nicht nur mit unseren Auftraggebern aus Geschäftsführung oder der Personalentwicklung Gespräche führen, sondern auch gezielt Interviews führen mit den Betroffenen, den Teilnehmer:innen künftiger Angebote. Wir gehen bei neuen Kunden immer gern direkt in das Unternehmen, um den sogenannten Stallgeruch kennenzulernen. Das sind, ob es nun eine Spedition oder eine Bank ist, oft komplett unterschiedliche Unternehmenskulturen, die wir in unserer Arbeit berücksichtigen müssen.
Eine solche Herangehensweise, sich live und persönlich zu informieren, ist klassisch. Sind Sie beide konservativ? Ralf Brenner: Ich bin in einer solchen Anfangsphase des Kennenlernens mit modernen Techniken auf die sprichwörtliche Schnauze gefallen, das brauche ich nicht mehr. Oder wo sich im Internet Unternehmen als „Big“ darstellen und dann in Wahrheit eine One-Man-Show und Dampfplauderer oder Blender sind. Für uns ist es dagegen ein enorm wichtiger Input, die Menschen vor Ort in ihrem Unternehmen zu erleben, das ist einfach sehr wertvoll für die spätere gemeinsame Arbeit.
Yvonne Funcke: Das sehe ich genauso, ich muss in jedem Fall ein Gespür für die Leute bekommen. Natürlich kann das in einem ersten Schritt heute auch in einem Telefongespräch oder in einem Online-Meeting passieren, doch ich möchte ja ein Gespür für die Menschen, das Unternehmen und das Geschäft, das sie betreiben, bekommen. Ich will das verstehen, sonst fühle ich mich unwohl. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich vor Fromm auch schon ein Berufsleben hatte und in der Dienstleistungsbranche tätig war, und schon da war die Kundenorientierung der höchste Wert.
Was war der überraschendste Moment in der Pandemie? Yvonne Funcke: Das war noch in der Corona-Zeit, als ein Kunde die Rechnung schon vorab bezahlt hatte. Als die Veranstaltungen dann aufgrund der Pandemie nicht stattfinden konnten, sagte er: Behalten Sie das Geld, wir holen das nach.
Ralf Brenner: Genau, dass Kunden gesagt haben, kommen Sie vorbei, Sie brauchen das Geld, und bei uns ist es im Etat. Das hat überrascht. Und dass wir auch keinen Rechnungen hinterherlaufen mussten.
Was hat Ihnen am Nachhaltigsten aus der Pandemie herausgeholfen? Ralf Brenner: Das Team. Erstens der Austausch von uns beiden untereinander und zweitens, als wir alle zu Hause waren, der Online-Austausch mit unseren Teams. Wir haben zum Beispiel zusammen auch online gekocht, und das war so überraschend und schön in Zeiten, wo wir nach anderen Menschen und Austausch gelechzt haben, das hat uns wie ein verbindender Kokon umschlossen. Wir haben die Lockdowns zusammen gemeistert und sind da wieder herausgekommen. Na, und wir haben in der Zeit Themen besprochen, die uns bewegt haben, jenseits des jeweiligen Status im Team. Und wir haben uns mit unseren Mitarbeitern frei ausgetauscht, auch über manchen Schwachsinn, den wir verzapft haben.
Yvonne Funcke: Das war ein sehr offener Dialog in alle Richtungen, der erlaubt und gewollt war und den wir alle geschätzt haben. Uns die Zeit nehmen zu können, die Perspektive des anderen präziser wahrzunehmen. Das ist eine Haltung, die wir einnehmen. Und Stimme und Haltung ist in unserer Arbeit immer mit dabei: Dazu gehört, dass ich die Sicht des anderen sehe, sie verstehe und mich darauf einlasse und dann auch in die Auseinandersetzung gehe. Das hat mir in den Pandemie-Zeiten am meisten geholfen. Genau diese Haltung, diesen Anspruch, den wir beruflich und handwerklich haben, selbst zu leben und nicht nur darüber zu reden.
Wenn ein Unternehmen schlecht performt, Mitarbeiter unmotiviert sind oder Mitarbeiter:innen bei Ihnen Hilfe zum Führen suchen oder sich selbst behaupten wollen und deswegen bei Ihnen sind: Woher holen Sie Ihre Energie, um anderen Energie zu spenden? Yvonne Funcke: Ich laufe gerade den grünen Ring um Hamburg, und ansonsten ist natürlich Selbstfürsorge ganz wichtig. Man kann nichts von sich geben, ohne nicht auch was von sich zu geben. Das ist Teil unseres Berufes, und es ist deshalb zentral, für sich selbst zu sorgen. Und eine weitere Ressource bildet sicherlich das Team mit den Auseinandersetzungen, die wir haben, dass ich mich selbst weiterbilde. Die Dinge noch weiter mit Neugier zu erkunden ist meine größte Batterie.
Ralf Brenner: Den Flow, wie es in der Psychologie genannt wird, das Glücksgefühl völliger Vertiefung in sich führt bei mir dazu, dass anstrengende Dinge auch Spaß machen können. Da fällt mir gleich das Motorradfahren ein, das sich viele ja wegen Wind und Wetter anstrengend vorstellen, während ich es wunderbar finde. Wenn ich für Trainings in Unternehmen viel unterwegs bin, brauche ich den Fokus auf mich. Ich möchte wissen, was ich kann und wo ich gut bin. Und genau das möchte ich natürlich auch meinen Kunden oder meinen Teilnehmenden liefern. Und wenn dann noch persönliche Anerkennung dazukommt, kann man richtig viel leisten.
Sie haben doch wahrscheinlich wie viele Unternehmer:innen und Kommunikationsberater:innen ein Thema: Sie können immer arbeiten zum Besseren. Wie schalten Sie ab? Yvonne Funcke: Da gibt es einen Knopf am Handy, um es auszuschalten (lacht). Und ich kann gut faul sein, auf dem Sofa liegen. Einfach mal nichts tun tut gut.
Ralf Brenner: Sie haben schon recht, man kann immer noch mal schnell eine Mail schicken, um etwas abzuschließen, und schon hat man wieder gearbeitet. Ich brauche schon einen Fokus auf das Abschalten, weil ich sonst schnell aus der Kurve fliege. Ich habe gelernt, nicht auf etwas Großartiges zu warten, sondern Augenblicke zu genießen. Mal bei uns im Büro einfach auf die Fischauktionshalle und die Elbe gucken oder im Zug mich entscheiden, nichts für den Job zu machen und mich treiben zu lassen.
Die Generationen Y und Z gelten manchen als Work-Life-Balance-Warmduscher und Führungsstress-Verweigerer mit Hang zu flachen Hierarchien. Bestätigen Ihre Seminar- und Trainingserfahrungen diese Klischees? Yvonne Funcke: Definitiv nein. Im Gegenteil. Ich glaube, dass diese Generationen es komplett richtig machen. Weil das, was wir mit unseren Smartphones an Informations- und Reizflut in dieser digitalisierten Welt haben, absolut nicht vergleichbar ist mit dem Leben und der Arbeitswelt vor 20 Jahren. Die Jungen können es sich nicht leisten, den Haken bei den schnellen und vielen Multithemen falsch zu setzen. Sie müssen konzentriert und ganz klar bei sich sein, um erfolgreich und zufrieden zu sein. Es ist mehr denn je in der heutigen Gesellschaft absolut vernünftig, im Job und gegenüber Vorgesetzten Grenzen zu setzen.
Ralf Brenner: Dazu kommt noch, dass in den Generationen zuvor viele Ego-Driver unterwegs waren, die Führung missverstanden haben und sich auf Kosten anderer hervortun mussten. Das funktioniert mit der jungen Generation, ob nun Y oder Z, nicht mehr. Unsere heute wahnsinnig komplexe Welt braucht unsere ganze Aufmerksamkeit, um beruflich zu bestehen und auch mit sich und seinem Leben oder auch der Familie im Einklang zu sein. Da kann ich mich nicht auch noch mit Egomanen beschäftigen, die vollkommen fehl am Platze sind. Ich bin kein Freund des Klischees der Work-Life-Balance …
Yvonne Funcke: … genau!
Ralf Brenner: Man braucht doch heute eine Balance, um diese komplexen Anforderungen auch managen zu können.
»Zukunft braucht Herkunft«
- In der Zeit der Digitalisierung ist die Aufmerksamkeit die Ware, doch für den Geschäftserfolg zählt weiterhin die Wirkung.
- 1923 gründete Charles Fromm als weltweit gereister Kaufmann die Fromm-Rede-Schule. Fromm wird heute in der fünften Generation geführt und lebt weiterhin die Liebe zur Kommunikation. Die Vision des Firmengründers Charles Fromm, rhetorische Techniken mit der Ausstrahlung der Persönlichkeit zu verbinden, prägt die Arbeit der Fromm Managementseminare & -beratung bis heute.
- Die Unternehmens-Geschichte
- Am 2. Oktober 1923 gründet Charles Fromm die Fromm-Rede-Schule.
- 1927 Wachstum des Geschäfts und Umzug aus der Wohnung von Charles Fromm in die Colonnaden 17 in Hamburg. Charles Fromm wird stadtbekannt durch seine öffentlichen Rednerabende.
- 1947 Irma Hasenbanck steigt in das Unternehmen ein und eröffnet Fromm nach dem Krieg neu. Ein guter Umgang, Hochdeutsch, Artikulation und Wortwahl sind die neuen Schwerpunkte der Fromm-Rede-Schule. Irma Hasenbanck wird in Hamburg dafür bekannt, jungen Hamburger Kaufleuten freies Reden und den höflichen Umgang beizubringen. Als neues Geschäftsfeld etabliert sich die Ausbildung von Fest- und Grabrednern.
- 1973 Ortwin Klose übernimmt das Unternehmen. Er verbindet die rhetorische Ausbildung mit der Persönlichkeitspsychologie. Die Grundlagen der Transaktionsanalyse, der Gruppendynamik und die Methoden des Psychodramas werden ein festes Fundament der Fromm-Trainings. Fromm bietet erstmals Trainerausbildungen, Verkaufs- und Kommunikationstrainings an. Es folgt der Einstieg ins Firmen-Seminargeschäft.
- 1975 Fromm wächst weiter und zieht in neue Räumlichkeiten in St. Georg in die Lange Reihe 27 ein. Ein Stadtviertel, in dem viele Gewerbetreibende ihre Werkstätten hatten.
- 1983 Das Modell zur ganzheitlichen Rednerpersönlichkeit wird bei Fromm entwickelt.
- 1990 Umzug an den Stadtdeich 5. Fromm firmiert in Fromm Rhetorik & Kommunikation um. Das Angebot in der neuen Firma OK Team umfasst Abendkurse, Wochenendkurse, Tagesseminare und firmeninterne Seminare.
- 1998 Sabine Fischer tritt in die Gesellschaft ein und übernimmt in der vierten Generation. Mit der Organisationsberatung wird ein weiteres Geschäftsfeld aufgebaut. Methodisch werden Coachingformate und Workshops im Produktportfolio verankert.
- 2008 Fromm firmiert jetzt unter Fromm Managementseminare & -beratung KG, neue Gesellschafter treten ein.
- 2011 Relaunch der Rhetorik, das Modell der integrativen Rhetorik wird im Fromm-Team entwickelt.
- 2014 Yvonne Funcke tritt als Gesellschafterin bei Fromm ein und erweitert die Geschäftsbereiche mit der Leadership-Akademie durch ein breites Seminarangebot für Führungskräfte. Mit den drei Geschäftsbereichen Training & Weiterbildung, Leadership-Akademie und Beratung bietet Fromm ein umfassendes Kompetenzportfolio für seine Kunden an.
- 2016 Ralf Brenner tritt in die Gesellschaft ein und übernimmt mit Gesellschafterin Yvonne Funcke die Geschäftsführung von Fromm. In der fünften Generation geht Fromm erste Schritte in die Internationalisierung.
- 2017 Um die digitale Infrastruktur zu verbessern, zieht Fromm in die Große Elbstraße 38. Es wird damit begonnen, Blendend-Learning-Konzepte sowie digitale Trainingsformate auszuarbeiten.
- 2018 Fromm startet mit einem neuen Blendend-Learning-Angebot mit den Themen Führen und Vertrieb. Mit einem Kooperationsanbieter wird ein App-gestütztes Trainingsangebot getestet und angeboten.
- 2020 Start der Fromm-Coachingkompetenz kompakt als Ausbildung online. Ein neues Online-Shorty-Angebot wird etabliert.
- 2022 Das Fromm-Team tritt dem dvct – Deutscher Verband für Coaching und Training bei. Die Fromm-Trainer:innen lassen sich zertifizieren.
Sie nennen sich wie in der Branche auch üblich Trainer und Coaches. Was ist der Unterschied? Yvonne Funcke: Ein Trainer gibt die Inhalte schon bis zu einem gewissen Grad vor, auch wenn es jetzt moderner Seminarworkshop heißt, das meint, dass die Teilnehmenden sich die Inhalte zum Teil auch gemeinsam erarbeiten. Bei einem Training ist der Anspruch, dass die Teilnehmenden am Ende etwas wissen und können, was sie vorher nicht wussten oder konnten. Beim Coaching steht stringent die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund. Beim Coaching müssen sich die Teilnehmer:innen streng genommen alles komplett selbst erarbeiten, und der Coach hat die Rolle, die richtigen Fragen zu stellen.
Ralf Brenner: Als Trainer arbeite ich auftragsbezogen mit meinen Kunden, während es zum Coaching gehört, den Anfangsauftrag, warum jemand ein Coaching möchte, infrage zu stellen.
Yvonne Funcke: So arbeitet man zum Beispiel in einem Training beim Thema Zeitmanagement bestimmte Tools ab, die weiterhelfen sollen. Beim Coaching geht es darum, warum jemand überhaupt ein Bedürfnis nach Zeitmanagement hat.
Im Fußball gilt für den Trainer: „Entscheidend ist aufm Platz.“ Also: gewinnen. Woran messen Sie Ihren Erfolg anno 2023? Ralf Brenner: Zuallererst sind wir erfolgreich, wenn die Teilnehmenden für sich und in ihren Unternehmen etwas erreichen. Ein weiterer Maßstab ist auch, ob Aufträge verlängert werden oder ob wir wiederkommen dürfen. Wir machen uns um unseren Umsatz und das Gewinnen keine Sorgen, wenn wir wieder gebucht werden.
Alle reden davon, dass die künstliche Intelligenz (KI) schon heute Jobs von Menschen übernimmt und immer empathischer wird. Werden Sie arbeitslos? Yvonne Funcke: Aktuell haben wir eine Anfrage vorliegen, wo wir unsere Techniken in Programme übersetzt werden sollen, und es gibt auch vereinzelt schon gute Coaching-Apps. Dennoch werden wir nicht arbeitslos, weil das, was im Zwischenmenschlichen passiert, also zum Beispiel Resonanz und Perspektivwechsel, eine KI nur stark eingeschränkt erfüllen kann.
Ralf Brenner: Gerade die Pandemie hat doch gezeigt, dass das soziale Miteinander viel mehr wert ist, als wir uns immer eingeredet haben. Man kann das auch von der Hirnforschung aus betrachten, dass eben im gemeinschaftlichen Erleben bestimmte Enzyme, wie das Hormon Oxytocin, ausgeschüttet werden, die zum Wohlfühlen in einer Gruppe führen können. Genau das kann KI nicht. Gleichwohl können wir natürlich nicht in die Zukunft gucken. Und wenn ich irgendwann mit der Arbeitslosigkeit konfrontiert sein sollte, finde ich was Neues.
Yvonne Funcke: Sie kennen das schon: Oder wir machen einfach mal nix (lacht herzlich).
Sie sind gelernter Maschinenbauer und Betriebswirtin und Psychologin. Was können Roboter besser als diese Ausbildungsberufe? Yvonne Funcke: Ich muss leider offen zugeben (lacht), dass KI in jedem Fall viel mehr Volumen verarbeiten kann als mein Gehirn. Vielleicht werden wir dann Dienstleister der KI, schalten die Dinger ein und aus oder dichten die Bedienungsanleitungen.
Ralf Brenner: Noch mal ganz im Ernst: Unsere Gesellschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen, und da ist der aktuelle Fachkräftemangel noch ein kleines Problem. Doch uns ist nicht bange. Technische Innovationen haben doch das Arbeitsleben ständig auf den Kopf gestellt und komplett neue Jobs geschaffen. Ich mache mal ein großes Fragezeichen dahinter, ob wir künftig noch Taxifahrer oder Dolmetscher brauchen. Unsere Fromm-Gesellschafter und -Partner haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer erfolgreich den gewaltigen Veränderungsprozessen gestellt. Und das werden auch wir tun. Wenn die KI uns immer öfter Dinge abnimmt, können wir uns neuen Dingen zuwenden. Gefährlich wird es nur, wenn der Computer schneller ist als unser Biocomputer.
Haben Sie als Coaches noch den Vorteil, dass KI keine Gefühle ausdrücken und noch nicht individuell in einem Wertesystem reagieren kann? Ralf Brenner: Es heißt doch so schön: Geld schießt keine Tore. Übertragen auf unseren Job und KI heißt das: Ohne Gefühle führt sich kein Unternehmen!
Yvonne Funcke: Wozu auch! Wir wollen doch alle ein Teil von etwas sein und auf unterschiedlichste individuelle Art und Weise mitmachen und uns einbringen. Man sieht doch etwa auf YouTube, dass dort Menschen millionenfach authentisch und sympathisch wirken wollen. Und genau dabei unterstützen wir sie mit unseren Rhetorikkursen, dass sie von sich selbst überzeugter sind und so überzeugend wirken.
Was erwarten Sie von den kommenden zehn Jahren? Yvonne Funcke: Ich freue mich auf junge kompetente Menschen, die im Beruf jetzt Verantwortung übernehmen und zeigen, dass es auch anders als bisher geht. Ich bin gespannt, welche Lösungen es geben wird zum Nutzen für junge Unternehmen und für unsere Gesamtgesellschaft.
Ralf Brenner: Ich erwarte durch den enormen Fachkräftemangel einen starken Wandel in den Grundhaltungen uns gegenüber. Es verschiebt sich das Bild, dass man immer öfter nicht eingestellt wird, sondern sich heute schon Unternehmen bei Kandidaten bewerben. Das ist ein spannender Prozess, bei dem ich mich gern beteiligen möchte. Ich habe jetzt schon das Glück, dass ich Trainings habe, in denen wir sämtliche Generationen an einem Tisch haben. Und das funktioniert oft schon gut, weil die Alten von den Jungen und die Jungen von den Alten profitieren können. Und wenn wir das einmal verstanden haben, dann haben wir gute Karten für die Zukunft.
Hand aufs Herz: Was können Frauen besser als Männer? Ralf Brenner: Im Moment alles. Wenn ich mir unseren Planeten angucke, ob beim Klima oder dem Angriffskrieg in der Ukraine, haben das vor allem Männer angerichtet.
Yvonne Funcke: Ja und nein. Wir Frauen haben da auch mitgemacht, und es gehören immer zwei zum Tango. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir die Vielfalt brauchen, weibliche und männliche Elemente. Und ich finde es eben auch gut, dass wir als Tandem unterwegs sind. Wir sind verschiedene Perspektiven.
Herr Brenner, wollen Sie uns beide abschaffen? Ralf Brenner: Will ich nicht. Aber vielleicht sollten wir uns einmal mehr faul zurücklehnen und den Flow genießen. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe