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»Ohne Veränderung gibt es kein Wirtschaftshandeln!«

Exklusivgespräch. Quo vadis, Hamburg? Der Unternehmer Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer und mit dem Gründerpreis Hamburg ausgezeichnet, über Innovationen als Wirtschaftsmotor, den Hafen als Herz von Hamburg und die Leuchttürme der HafenCity

Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden: den in Liebau, Schlesien, geborenen und in Delmenhorst bei Bremen aufgewachsenen Vollblut-Hamburger Prof. Norbert Aust. Wer den 82-jährigen munteren Präses der Handelskammer mit schwarzem Helm und schwarzem E-Bike nach dem Gespräch mit der HafenCity Zeitung zum nächsten Termin radeln sieht, zweifelt keine Sekunde: Bei ihm sind die Interessen der 155 Unternehmen der Handelskammer in dynamischen Unternehmerhänden gut aufgehoben. 
Foto oben: Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer ­Hamburg, im historischen Börsensaal, über den
neuen rot-grünen Koalitionsvertrag: „Die Hamburger Wirtschaft wünscht sich ein deutlich stärkeres
Zukunftsdenken. Unternehmer denken immer nach vorne, denn der unternehmerische Erfolg liegt immer in der Zukunft, nie in der Vergangenheit.“ © Catrin-Anja Eichinger

Den studierten Juristen und Volkswirt, der seine zweite Amtszeit bestreitet, ist zwar in der Präses-Rolle wie als Persönlichkeit ein Mann des Ausgleichs und Respekts gegenüber jedem, von seinen gesellschaftlichen und politischen Zielen lässt er sich jedoch nicht abbringen. 

Norbert Aust schätzt klare Kante. „Ja, natürlich!“, antwortet er auf die Frage nach der Fertigstellung des Elbtowers. Und das Opernhaus-Geschenk von Milliardär Klaus-Michael Kühne findet der Kulturfan „hervorragend“ und sieht darin künftig ein „weiteres Alleinstellungsmerkmal“ der Stadt. Und das ewige Aufregerthema Verkehr? „Die Mobilitätswende ist richtig. Die Frage ist: Wo hat sie ihre Grenzen?“, so der Handelskammer-Chef. Lesen Sie mal, wie er seine klaren Haltungen begründet und warum der Jurastudent Aust in den Sechzigerjahren den Muff aus den Talaren fegen wollte und heute „ein Verfechter des Staatssystems“ ist. Neugierig? Na, dann mal los. 

Norbert Aust zur geplanten Kühne-Oper: „Ich finde das hervorragend, weil es damit als Ergänzung zur Elbphilharmonie mit einer neuen Hamburgischen Staatsoper wie auch hoffentlich dem zu Ende gebauten Elbtower eine gute Weiterentwicklung der HafenCity geben würde. Diese neuen Leuchttürme für unsere Stadt wären neue Alleinstellungsmerkmale mit internationaler Ausstrahlung für Hamburg.“ © Catrin-Anja Eichinger

Herr Aust, Sie sind 82 Jahre jung, prägen mit Ihrer Arbeit bis heute auch als Präses der Handelskammer aktiv die Kultur- und Wirtschaftsgeschicke Hamburgs und haben zu einer Zeit Juristerei studiert, als man „Unter den Talaren – Muff von 1.000 Jahren“ oder „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ skandierte. Wie sehen Sie rund 60 Jahre später die Republik Deutschland? Mit dem ersten Zitat von Ihnen „Unter den Talaren – Muff von 1.000 Jahren“ kann ich mich identifizieren, mit dem zweiten nicht. Ich war damals am 9. November 1967 im Audimax sogar dabei, als die beiden Studierenden dieses Plakat getragen haben. Seitdem hat sich unglaublich viel verändert. Die Bundesrepublik Deutschland ist erwachsen geworden – wie auch wir, die damaligen Studierenden. Heute stehen wir jedoch vor gänzlich neuen Herausforderungen. Ich glaube, niemand hatte sich damals und auch nicht einmal vor einigen Jahren vorstellen können, dass unsere Demokratie wieder in Gefahr geraten würde. 

Unter anderem durch die inzwischen bundesweit zweitstärkste Partei AfD und die ungelösten Migrations- und Integrationsprobleme sowie einen sich neu zeigenden Antisemitismus vor dem Hintergrund des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der Kriegsantwort Israels an die Hamas und die Zivilbevölkerung der Palästinenser in Gaza. Eine absolut schwierige Situation für unsere Gesellschaft. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir das beste Staatssystem haben, das Deutschland jemals hatte. Und das gilt es zu bewahren, zu erhalten und zu verteidigen. Das schließt selbstverständlich unsere Verantwortung für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger mit ein.

Sie sind, mit Verlaub, ein bunter Hund im besten Sinne. Sie haben die Theater der Schmidts Tivoli GmbH mitgegründet und jahrelang als Geschäftsführer geführt, die mit der Leitfigur Corny Littmann für ein diverses Off-Kultur-St.-Pauli steht. Was verbindet Sie als studierten Juristen und verheirateten sechsfachen Vater mit der Regenbogen- und Club-Community auf St. Pauli? Sehr viel. Ich habe mich schon immer bemüht, eine kulturelle Vielfalt in dieser Stadt nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu begleiten. Das begann schon, als ich Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Politik war (1980 bis 1992; Anm. d. Red.). Wir waren die Ersten, die eine Sommerhochschule für Nicht-Studierende in den jeweiligen großen Ferien eingerichtet haben. Ferner war ich Mitbegründer und später Vorsitzender des Trägervereins für das Kulturzentrum Kampnagel. Für mich war es insofern eine Weiterentwicklung, dass ich dann Theater auf St. Pauli mitgegründet habe, die bis heute ohne staatliche Subventionen auskommen und bei denen jetzt unter anderem meine Tochter Tessa und mein Schwiegersohn Hannes seit sieben Jahren in der Geschäftsführung der Schmidts Tivoli GmbH erfolgreich das Ruder in der Hand haben.

In Hamburg regiert unter dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher Rot-Grün in seiner dritten Legislaturperiode. Warum klappt unterm Michel samt St.-Pauli- und St.-Georg-Kiez sowie Elbphilharmonie, was seit Jahren sonst im Land eher krachend scheitert? Warum wird in Hamburg immer links wiedergewählt? Die Hamburgerinnen und Hamburger entscheiden und engagieren sich seit je für eine verlässliche, dauerhafte und ­grund­so­li­de Politik. 

Als Präses der Handelskammer kritisierten Sie jedoch den aktuellen Koalitionsvertrag, den der Senat als „Fortsetzung des Erfolgskurses“ charakterisierte, dass die „Wirtschaft keine Priorität“ in der Politik habe. Es gibt durchaus positive Seiten im Koalitionsvertrag des neuen Senats. Die Hamburger Wirtschaft wünscht sich ein deutlich stärkeres Zukunftsdenken. Unternehmer denken immer nach vorne, denn der unternehmerische Erfolg liegt immer in der Zukunft, nie in der Vergangenheit. 

Dass die Wirtschaft keine Priorität habe, ist ein konkreter Anwurf. Die Regierung will wie bislang weitermachen. Das driftet doch auseinander? Das ist auch verständlich, dass das auseinanderdriftet, weil ich als Präses der Handelskammer die Wirtschaft, immerhin 180.000 Unternehmen in dieser Stadt, vertrete und diesen Teil der Gesellschaft verantworte, der letztlich dafür sorgt, dass ausreichend Steuermittel zur Verfügung stehen, mit denen die Stadt wirtschaften kann. Und je größer die wirtschaftliche Freiheit für Unternehmen ist, desto mehr Steuereinnahmen und mehr Chancen gibt es für die Stadt, neue Entwicklungen voranzutreiben und noch erfolgreicher zu sein. 

Was ist für Sie das größte Hindernis, das eine dynamische Wirtschaftsentwicklung im Stadtstaat Hamburg behindert? Das, was man immer wieder hört und auch immer wieder gesagt werden muss: zu viel Bürokratie, zögerliche und viel zu lang dauernde Genehmigungsverfahren und zu langsame Digitalisierung.

Das fordern die meisten Parteien und Interessenverbände, und doch geht es kaum voran. Warum? Weil es ein schwieriges Unterfangen ist. Eine gewachsene Verwaltung kann nicht von heute auf morgen umgestellt werden. Trotzdem gilt, so schnell wie möglich: Wir müssen uns für eine stärkere Digitalisierung und für eine immer stärkere Nutzung von künstlicher Intelligenz einsetzen. Das gilt für die Verwaltung, aber auch für Unternehmen.

Welches Thema wäre mit Ihnen als Erster Bürgermeister das brennendste, das Sie sofort angehen würden – und wie? Ich maß’ mir nicht an, mich mit dem Ersten Bürgermeister zu vergleichen. 

Nicht so bescheiden, Herr Aust! Wir müssen noch viel stärker auf Innovationen setzen. Die sind die Kraft der Wirtschaft und der Unternehmen. Das ist notwendig für die Zukunft unserer Stadt. 

Zu Beginn Ihrer ersten Amtszeit als Präses wurde die Standortstrategie „Hamburg 2040: Wie wollen wir künftig leben – und wovon?“ der Handelskammer verabschiedet. Welche Zukunftsfragen sind auf dem Weg, welche sind liegen geblieben? Unsere Strategie haben wir mitten in der Coronazeit entwickelt, weil für uns klar war, dass wir über den Tag der Pandemie hinausdenken müssen. Es ist ein sorgfältiges, weitreichendes Programm mit vielen Schwerpunkten. Die damaligen Themen sind nach wie vor aktuell und bleiben auch 2025 von Bedeutung. Außerdem sind neue Herausforderungen hinzugekommen, daher haben wir ein Update vorgenommen. Ich finde es wichtig, dass sich so ein Programm immer weiterentwickeln und neu positionieren muss – wie das gesamte Leben!  

Seinen 80. Geburtstag feierte Prof. Norbert Aust, Kulturmanager und langjähriger Gründungsgeschäftsführer der Schmidts Tivoli GmbH, der Schmidt-Theater am Spielbudenplatz, im Kreis der großen bunten Theater-Familie. Seit sieben Jahren führen Austs Tochter Tessa und sein Schwiegersohn Hannes erfolgreich die Theater auf dem St.-Pauli-Kiez. © picture alliance / dpa | Christian Charisius

Was ist für Sie das wichtigste Update? Das kann man nicht einfach auf einen Nenner bringen, denn so vielfältig wie das Wirtschaftsleben muss auch die weiterentwickelte Standortstrategie sein. Sie reagiert einerseits auf die veränderte weltpolitische Lage mit dem Ukrainekrieg und der sich immer stärker verändernden Weltpolitik sowie die Klimakrise. Diese Themen sind so vor fünf Jahren entweder noch gar nicht oder nicht in dieser Dimension aufgetreten. Andererseits bin ich der Überzeugung, dass bestimmte Themen nach wie vor und auch in den nächsten 20 Jahren relevant sein werden: zum Beispiel die Themen Arbeitskräfte und Energiewende. Denen kann man nur mit einer zukünftigen strategischen Entwicklung unserer Wirtschaft durch Innovation und in Zusammenarbeit zum Beispiel mit der Wissenschaft, mit den Universitäten und dem Entrepreneurship, das jeder Unternehmer verinnerlicht hat, begegnen. 

Das heißt mehr Freiheiten für Unternehmer und Unternehmen. Das ist die Grundlage. Unternehmerische Freiheit ist die Basis jeder unternehmerischen Entwicklung. Dafür hat der Staat den Rahmen bereitzustellen, so sieht es auch unser Grundgesetz vor. Und innerhalb dieses Rahmens muss die Wirtschaft eine größtmögliche Freiheit haben. 

Und die Verkehrsfrage darf nicht fehlen: Wie sind die Hunderte von Baustellen und die Parkplatzvernichtung in der Innenstadt besser zu managen? Das gehört zu den Aufgaben des Verkehrssenators, nicht zu denen des Präses. Mobilität ist eine Lebensgrundlage des Menschen. Sie muss gefördert werden, darf möglichst nicht begrenzt werden, aber: unter Berücksichtigung der Freiheit des anderen! Insofern ist auch die Mobilität ständigen Anpassungen ausgesetzt. Die Städte verändern sich permanent. Paris hat erfolgreich die 15-Minuten-Stadt eingerichtet. Wer heute nach 20 Jahren nach Paris kommt, wird die Stadt kaum wiedererkennen. Und die Menschen leben in einem gesünderen Umfeld. Aber natürlich zählen zu einer guten Erreichbarkeit weiterhin ausreichend Parkmöglichkeiten – auch in der Innenstadt. 

Weniger Autos und mehr Grün sind auch die Ziele des rot-grünen Senats und des Verkehrssenators. Ist die Hamburger Mobilitätswende richtig? Ja, die Idee der Mobilitätswende ist grundsätzlich nicht falsch. Die Frage ist: Wo hat sie ihre Grenzen, und wie kann man dennoch allen Mobilitätsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Unternehmen im Einzelnen gerecht werden? Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in Hamburg ist ein zwingend notwendiger Schritt. Trotzdem kann man nicht alle Autos aus der Stadt verbannen. In den Quartieren setzen wir uns zum Beispiel für eine Anpassung des Bewohnerparkens ein, hier müssen die Interessen der ansässigen Unternehmen zwingend gleichberechtigt behandelt werden. 

Alle bezeichnen den Hafen als Motor des Hamburger Wohlstands. Warum ist er denn dann so selten, eigentlich nur zum Hafengeburtstag, positiv in den Schlagzeilen? Der Hafen ist das Herz der Stadt, und das schon seit Jahrhunderten. Er ist Wirtschaftsmotor und für diese Stadt unverzichtbar. Niemand will, kann und darf auf den Hafen verzichten. Gleichwohl sind auch dort Veränderungs- und Anpassungsprozesse für die Zukunft erforderlich. Ohne Veränderung gibt es kein erfolgreiches Wirtschaftshandeln, gibt es keine wirtschaftliche Zukunft. Hier ist auch der Senat gefragt, damit der Hafen über neue Projekte wieder positiv in die Schlagzeilen kommt. 

Pierdrei-Unternehmer Norbert Aust: „Ich bin sehr zufrieden mit unserem Familienhotel, das aber auch von Gästen ohne Kinder gut genutzt wird.“ © Catrin-Anja Eichinger

Der wichtige Neubau der Köhlbrandbrücke dauert offenbar noch bis Anfang der 2040er-Jahre, über 15 Jahre. Warum bekommen die Dänen zum Beispiel ihren Teil des Fehmarnbelttunnels dreimal so schnell genehmigt und gebaut, während wir immer noch herumprozessieren für den Baustart auf unserer Seite? Was läuft schief – in Deutschland und in Hamburg? Man kann Vorschriften nicht von einem Tag auf den anderen aushebeln. Den Bürokratieabbau und beschleunigte Genehmigungsverfahren hatten wir dazu schon erörtert. Da muss was passieren, und das tut es in Hamburg zum Beispiel mit der Initiative zum kostensparenden Bauen auch. Baukosten für den Wohnungsbau werden spürbar gesenkt durch beschleunigte Verfahren und den Verzicht auf überbordende Vorschriften. Dieses Hamburg-Modell wird sich bundesweit durchsetzen. 

Viele Flächen im Hafen machen einen ungenutzten Eindruck. Verpasst der Hafen den Wandel? Richtig ist, dass wir das Flächenmanagement im Hafen noch mehr für die Ansiedlung neuer Industrien nutzen müssen. Der Hafen ist das größte zusammenhängende Industriegebiet Deutschlands, und seine Wertschöpfung für ganz Deutschland ist mit jährlich 50 Milliarden Euro immens. Die Produktivität der Hafenunternehmen ist nach wie vor groß, hier bedarf es aber beispielsweise einer konsequenten Automatisierungsstrategie, um konkurrenzfähig zu bleiben. 

Teil des Hafens ist auch Hamburgs jüngster Stadtteil HafenCity, in dem einerseits nach zehn Jahren Bauzeit gerade das Shopping-Entertainment-Center Westfield-Überseequartier eröffnet hat und im Osten des Quartiers andererseits der Elbtower, der „kurze Olaf“, seit anderthalb Jahren als Ruine den Stadteingang prägt. Wie sieht der Handelskammerchef die Zukunft der HafenCity? Mit der HafenCity hat Hamburg einen riesengroßen Wurf für die Zukunft gelandet. Die HafenCity zeigt auch, dass man die Lehren aus den Anfängen mit der westlichen HafenCity gezogen hat und zum Beispiel mit dem gelungenen Baakenhafen oder auch den Genossenschaftsbauten auf dem Strandkai ein neues qualitatives Wohnen für viele umgesetzt und weiterentwickelt hat. Das soll selbstverständlich alle Beteiligten nicht daran hindern, die Wege von der HafenCity zur Innenstadt und umgekehrt besser zu verbinden. Es gibt zwar einige Versuche, aber richtig konsequent scheint mir bislang noch keiner. 

Man wusste zehn Jahre lang, dass das neue Überseequartier kommen wird. Warum tut sich Hamburg so schwer damit? Das ist immer eine politische Entscheidung und eine der Finanzierung. Leider hat man damals den Handelskammervorschlag nie ernsthaft verfolgt, die Willy-Brandt-Straße zu untertunneln. Es gab ein tragfähiges Konzept einschließlich Finanzierungsideen. Ein schöner Nebeneffekt wäre auch gewesen, dass das Hamburger Wahrzeichen St. Michaelis, also der Michel, wieder zur Innenstadt gehört hätte. Heute ist das alles nicht mehr finanzierbar, damals war es jedoch machbar. Doch es bringt nichts, die Vergangenheit zu bedauern, man muss in die Zukunft schauen. Und egal, welche guten Ideen man hoffentlich künftig für gelungene Fußgänger- und Radfahrverbindungen zwischen City und HafenCity entwickeln wird: Einen Vorschlag, der nichts kostet, wird es nicht geben. 

Warum findet man keine Lösung für die Verbindungswege zwischen Binnenalster und Elbe, zum Beispiel auf der Domachse vom Rathaus zum Überseequartier, für die alle brennen? Vielleicht ist das zögerliche Handeln ein Merkmal dieser Stadt – das muss nicht immer schlecht sein. Hier dürfen wir jetzt aber keine Zeit mehr verlieren, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. 

Sie sind Jurist, Unternehmer und Kulturfan. Gehen Sie überhaupt shoppen, eventuell auch im Überseequartier? Natürlich gehe ich shoppen, aber nicht im Internet – schon aus ökologischen Gründen. Ich benutze meine Füße, nicht das Handy. 

Apropos Stadteingang. Wird der Elbtower fertig gebaut? Ja, natürlich! Und die aktuellen Ideen mit dem möglichen Einzug des Naturkundemuseums in den Elbtower sprechen dafür. Man muss ihn fertig bauen, sonst wäre es ein besonders negatives Zeichen für Nichtgelingen in Hamburg. Das hat unsere Stadt nicht verdient. 

Bürgerschaft und Senat haben den Elbtower gewollt. Macht sich die Stadt jetzt mit dem Verweis auf die privaten Investoren nicht einen schlanken Fuß? Nein. Der Elbtower ist eine private Investition, und Bürgerschaft und Senat sind nicht der Reparaturbetrieb für fehlgeleitete Privatinvestitionen. Das kann und darf nicht sein. Wenn man jetzt die Chance nutzt, dort das Naturkundemuseum unterzubringen, kann es beiden Seiten helfen. Diese Idee gab es auch schon vor der Benko-Insolvenz. 

Nach der Elbphilharmonie auf dem früheren Kaispeicher A soll jetzt auf dem Baakenhöft eine neue Oper gebaut werden, ein Geschenk des Milliardärs Klaus-Michael Kühne. Finden Sie das gut? Ich finde das hervorragend, weil es damit als Ergänzung zur Elbphilharmonie mit einer neuen Hamburgischen Staatsoper wie auch hoffentlich dem zu Ende gebauten Elbtower eine gute Weiterentwicklung der HafenCity geben würde. Diese neuen Leuchttürme für unsere Stadt wären neue Alleinstellungsmerkmale mit internationaler Ausstrahlung für Hamburg. 

Engagierte Anwohner:in­nen und Initiativen fordern einen öffentlichen Beteiligungsprozess für das letzte Filetgrundstück am Wasser. Sie stellen sich eher eine grüne Parkanlage mit diversen öffentlichen Nutzungen vor. Und jetzt gerade hat auch die Hamburgische Architektenkammer einen transparenten öffentlichen Diskussionsprozess zum Standort angemahnt und wünscht sich eine kulturelle Stärkung der Innenstadt durch den Standort Oper in der City. Wie beurteilen Sie diese Anliegen? Es ist ein menschlicher Reflex, dass man lieber einen Park oder eine Freifläche vor der Tür hätte als ein Gebäude. Wenn dies aber immer die Grundlage aller Entscheidungen wäre, hätten wir heute keine HafenCity. Erst einmal sollte man sich über das Geschenk von Herrn Kühne, das er seiner Heimatstadt machen will, freuen und dies nicht madig machen. Darüber hinaus steht fest, dass eine Renovierung der heutigen Oper an der Dammtorstraße gewaltige Kosten verursachen würde und zugleich die Oper auf Jahre stillgelegt wäre oder an einen temporären Ausweichstandort umziehen müsste, was auch zusätzlich viel Geld kosten würde. Aber natürlich müssen wir auch überlegen, wie wir die Attraktivität der Innenstadt stärken. 

Zusammen mit der Braun-Familie (Miniatur Wunder­land) und Kai Hollmann (25hours Hotels, Gastwerk) haben Sie im September 2019 das Familien-Boutique­hotel Pierdrei in der HafenCity eröffnet – mit einem eigenen Kulturort, der Hafenbühne. Wie zufrieden ist der Unternehmer Norbert Aust? Ich bin sehr zufrieden mit unserem Familienhotel, das aber auch von Gästen ohne Kinder gut genutzt wird. Wir haben uns gefreut, dass wir beim Travellers’ Choice Award 2024 von den Gästen der Buchungsplattform Tripadvisor auf einen beeindruckenden fünften Platz in den Top Ten der besten Hotels Deutschland gewählt wurden. Wir freuen uns auch über das erfolgreiche Konzept unseres Restaurants Kitchens, das in regelmäßigen Abständen unterschiedliche Länder und deren Speisen und Essgewohnheiten auf unsere Bedürfnisse hier weiterentwickelt. 

Wie ist denn die Idee entstanden? Durch einen Zufall. In der Coronazeit, als sich die Eröffnung des Pierdrei Hotels um Monate verschob, haben wir unseren Küchenchef Markus van Doorn nach Asien geschickt, um für uns die besten asiatischen Gerichte zu entdecken. Daraus wurde dann das wechselnde Länderkonzept von Kitchens. 

Passt gut zu Ihrer kosmopolitischen Haltung. Ja, es war uns allen ein Anliegen, ein einzigartiges Küchenkonzept nach Hamburg zu bringen. Das ist geglückt. 

Haben Sie noch neue Projekte im Köcher? Meine Ideen brauchen immer eine Zeit, um konkret zu werden. 

Im März 2028 endet Ihre zweite Amtszeit als Präses der Handelskammer. Was machen Sie danach? Ich werde versuchen, so gesund und munter zu bleiben, wie ich es bis heute bin. 

Sie stehen als Unternehmerpersönlichkeit seit über 60 Jahren im öffentlichen Leben und wurden 2013 mit der Hamburger Biermann-Ratjen-Medaille für Ihr Kulturengagement und 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande für Ihr gesellschaftspolitisches Wirken ausgezeichnet. Zudem erhielten Sie 2019 den Hamburger Gründerpreis für Ihr Lebenswerk. Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen? Ich freue mich darüber, dass ich sie bekommen habe, und sie behindern nicht meine Arbeit (er schmunzelt). Auf so etwas kann man nicht hinarbeiten. 

Was sind für Sie Glück und Zufriedenheit? Wenn Sie bitte noch Gesundheit und Familie hinzufügen, ist es das alles. Ich bin dankbar und zufrieden für das, was ich bislang tun durfte und auch konnte. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

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