Auf dem Baakenhöft in der HafenCity soll ein neues Opernhaus mit internationaler Strahlkraft entstehen. Geplant ist ein architektonisch herausragendes Gebäude, das beste Bedingungen für die Hamburgische Staatsoper bieten und diesen besonderen Ort an der Elbe für alle zugänglich machen soll. Die Stadt erschließt und stellt das Grundstück zur Verfügung, die Kühne-Stiftung finanziert den Bau des Opernhauses. Das traditionsreiche und denkmalgeschützte Operngebäude an der Dammtorstraße soll danach anderweitig kulturell genutzt werden. Neben der Freude der beteiligten gibt es auch kritische Stimmen, die die bislang fehlende Beteiligung der Stadtgesellschaft monieren
High Moon im Rathaus. Mit einem hanseatischen Knall ist die Entscheidung sm Freitag, 7. Februar 2025, 12 Uhr mittags, in Raum 151 im Rathaus verkündet worden: Die „Hamburgische Staatsoper“ soll mit gleichen Namen als neue Oper mit der mäzenatischen Spende des Milliardärs Klaus-Michael Kühne von rund 330 Millionen Euro auf dem Baakenhöft in der HafenCity errichtet werden. Die Stadt Hamburg finanziert, als Partner der Kühne-Stiftung, die den eigentlichen Opernbau realisiert, mit 147,5 Millionen Euro die Ertüchtigung des Filetstücks an der Elbe. Sie wird dafür ein fertiges „Sockelgeschoss“ mit Tiefbau, Ufer- und Flutschutz-Ertüchtigung sowie Infrastruktur der Kühne-Stiftung bereitstellen, die das neue Opern-Gebäude dann komplett selbst finanzieren und nach Fertigstellung als Schenkung an die Stadt übergeben wird.
Foto oben: Dr. Peter Tschentscher (SPD, r-l), Hamburgs Erster Bürgermeister, Karl Gernandt, Kühne-Holding-AG, Dr. Jörg Dräger, Geschäftsführender Stiftungsrat der Kühne-Stiftung, und Dr. Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien in Hamburg, stellen das Projekt neue Oper auf dem Baakenhöft im Rathaus vor. Carsten Brosda: „Eine Schenkung der Kühne-Stiftung eröffnet die einmalige Chance, ein herausragendes Opernhaus neu zu errichten, das nicht nur die Ansprüche an ein Haus von internationalem Rang erfüllt, sondern durch seine Lage und Architektur auch zu einem Haus für alle wird.“ © picture alliance/dpa | Christian Charisius
Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher zum neuen Opernprojekt: „„Musik und Kultur sind in Hamburg seit jeher verbunden mit bürgerschaftlichem Engagement und Mäzenatentum. Sie bildeten auch vor 350 Jahren den Grundstein der Hamburgischen Staatsoper, die heute zu den beliebtesten und bekanntesten Opern in Deutschland zählt. Mit einem herausragenden Opernhaus an der Elbe sollen die Staatsoper, das Hamburg Ballett und das Philharmonische Staatsorchester eine neue Wirkungsstätte erhalten, die beste Bedingungen für Kulturschaffende bietet. Zugleich soll mit einer neuen Oper der Baakenhöft mit seiner unmittelbaren Elblage ansprechend gestaltet und für alle Hamburgerinnen und Hamburger geöffnet werden. Gemeinsam mit der Kühne-Stiftung wollen wir diese Chance nutzen, um Hamburgs Kultur und ihre internationale Strahlkraft zu fördern. Ich danke Klaus-Michael Kühne und seiner Stiftung für dieses außergewöhnliche Engagement.“ Peter Tschentscher wünscht sich wie mit dem Konzerthaus Elbphilharmonie ein „Opernhaus von Weltrang“ wie der Bürgermeister es auf der Sonder-Landespressekonferenz im Rathaus formulierte.
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Und Stifter Klaus-Michael Kühne, Präsident des Stiftungsrats der Kühne-Stiftung, betont: „Hamburg wäre als weltoffene, internationale, bedeutende und kulturell führende Stadt ohne ein Opernhaus von hohem internationalen Rang nicht komplett. Deshalb freue ich mich, gemeinsam mit der Stadt Hamburg ein derart anspruchsvolles Vorhaben verwirklichen zu können. Meine Kühne-Stiftung möchte in der HafenCity einen besonderen Ort für alle Hamburgerinnen und Hamburger schaffen, an dem die Elbe und ihr Hafen, die Stadt und ihre Kultur gleichermaßen erlebbar sind.“
Die Hamburgische Staatsoper habe, so die Erklärung, eine jahrhundertelange Geschichte. Das neue Opernhaus in der HafenCity solle an diese Tradition anknüpfen und der Staatsoper, dem Hamburg Ballett und dem Philharmonischen Staatsorchester ein neues Zuhause von „herausragender Qualität und internationaler Strahlkraft“ bieten. Zugleich solle mit dem Baakenhöft ein besonderer Ort in Hamburg erschlossen und für alle zugänglich gemacht werden.
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Kultursenator Dr. Carsten Brosda, Hauptverhandlungsführer für die Stadt, hatte zu Beginn der Pressekonferenz den Schriftsteller und Filmemacher Alexander Kluge zitiert und seinen emphatischen und freudig-sachlichen Startschuss zur Nachricht des neuen Operntempels in der HafenCity gegeben: „Die Oper ist ein Kraftwerk der Gefühle.“ Hatte er doch zum kurz zuvorgeplatzten Notartermin tiefenentspannt gesagt: „Fertig ist es, wenn es fertig ist. Und das war nun der Fall. Während der Opern-PK im Rathaus wurde das gemeinsame Vertragswerk von Stadt und Kühne-Stiftung notariell beglaubigt, Dabei soll allein das Vorlesen der Vertragswerks beim Notar sechs Stunden dauern. Das Konvolut ist auch deshalb so umfangreich, weil man alle „Worst worst cases“ alle Supergaus des scheitern durchformuliert habe, damit nicht, wie so viele vermuten, am Ende die Stadt auf gestiegenen Kosten oder dem möglicherweise gescheiterten Projekt sitzenbleibe. „Alle möglichen Kostensteigerungen beim Bau des Gebäudes“, so Brosda, „trägt im Zweifel die Kühne-Stiftung.“
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Wie der Bürgermeister möchte auch der Kultursenator über das Gelingen und die Chance einer solchen Spende sprechen: „Die Oper hat in Hamburg eine lange Tradition und zählt zu den wichtigen Säulen der Stadt. Eine Schenkung der Kühne-Stiftung eröffnet die einmalige Chance“, so Brosda, „ein herausragendes Opernhaus neu zu errichten, das nicht nur die Ansprüche an ein Haus von internationalem Rang erfüllt, sondern durch seine Lage und Architektur auch zu einem Haus für alle wird. Wir wollen diese Chance nutzen und mit dem neuen Opernhaus die Grundlage dafür schaffen, die Kulturstadt Hamburg weiter auf der internationalen Karte fest zu verankern. Dies soll ein Ort für herausragende Kunst werden, der alle willkommen heißt! Wir können jetzt an die lange Tradition der Bürgeroper anknüpfen und die Operngeschichte in Hamburg weiterschreiben. Dazu gehört auch, dass der traditionsreiche Standort an der Dammtorstraße weiterhin kulturell genutzt werden wird.“
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Für die Planung und den Bau des Opernhauses hat die Stiftung eine Gesellschaft gegründet, an der die Stadt und die Staatsoper als Minderheitsgesellschafter beteiligt werden. Aufsetzend auf einer theaterfachlichen Vorplanung wird zuerst ein architektonisches Qualifizierungsverfahren durchgeführt. Nach Fertigstellung der Vorplanung und einer entsprechenden Kostenschätzung wird die Kühne-Stiftung abschließend über die Realisierung des Opernbaus entscheiden. Die Stadt verpflichtet sich dann, für den Neubau das Grundstück am Baakenhöft zur Verfügung zu stellen und herzurichten. Sie wird außerdem die standortspezifischen Mehrkosten zum Beispiel hinsichtlich Gründung und Flutschutz, gedeckelt auf eine Höhe von 147,5 Millionen Euro tragen. Nach Fertigstellung und Abnahme soll das Opernhaus der Stadt als Schenkung überlassen werden. Der Betrieb der Hamburgischen Staatsoper verbleibt unverändert in der Verantwortung der Stadt.
Das denkmalgeschützte Opernhaus an der Dammtorstraße wird in jedem Fall erhalten und soll auch weiterhin kulturell genutzt werden. Sollte der Neubau nicht umgesetzt werden, ist eine umfangreiche Sanierung und Modernisierung des Bestandsgebäudes erforderlich, um einen zeitgemäßen Opernbetrieb auch in Zukunft zu ermöglichen. Dr. Jörg Dräger, Geschäftsführender Stiftungsrat der Kühne-Stiftung, empfindet das Projekt herausfordernd: „Der Bau eines neuen Opernhauses ist ein äußerst anspruchsvolles Projekt. Nach intensiven Verhandlungen mit der Stadt freuen wir uns, jetzt loslegen zu können. Das neue Haus soll nicht nur ein Ort für zehntausende Opern- und Ballettbegeisterte sein, sondern auch Bürger wie Gäste einladen, eine großzügige Parkanlage am Wasser zu genießen.“
Für Michael Stier, Vorsitzender des Netzwerks HafenCity e.V., dem Nachbarschaftsverein in der HafenCity, ist eine Beteiligung des Stadtteils und der Hamburger Öffentlichkeit unerlässlich für eine nachhaltige Akzeptanz der neuen Oper. Er sieht das bisherige verfahren kritisch: „Dass der Senat den Bau der Kühne-Oper am Baakenhöft einfach festlegt, ist nicht zeitgemäß und gefährdet das Vertrauen in Senat und Bürgerschaft, die doch eigentlich Wert auf Beteiligung legen. Eine Entscheidung über die Nutzung des Baakenhöft muss die Stadtgesellschaft einbeziehen. Denn nur in einem breiten Beteiligungsverfahren kann ermittelt werden, was die Stadt Hamburg und die HafenCity, die Nachbarschaft, an dieser Stelle wirklich brauchen.“
Auf eine öffentliche Diskussion zur neuen Oper, weist die Pressemeldung selbst hin: „Die Bürgerschaft muss dem Vertrag zwischen der Stadt und der Kühne-Stiftung noch zustimmen. Der Vertrag wird zeitnah im Transparenzportal veröffentlicht.“ Und dürfte einige Kontroversen auslösen. Die grüne Bürgerschaftsfraktion setzt – neben der grundsätzlichen Zustimmung zum Projekt – einen Ideen- und Beteiligungsprozess zur Nutzung des Baakenhöft wie auch das Thema postkoloniales Erbe auf der Agenda: „Klaus-Michael Kühne schenkt unserer Stadt eine Oper, das ist eine gute Nachricht“, so Dominik Lorenzen, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft.
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Und Lorenzen weiter: „Wenn Reiche ihrer Stadt etwas zurückgeben, ist das eine erfreuliche Entwicklung. Als Grüne haben wir Ende vergangenen Jahres klare Bedingungen für eine neue Oper gestellt: Die Finanzierung des Baus muss allein vom Stifter getragen werden – Hamburg zahlt dafür keinen Cent. Außerdem darf es keine inhaltliche Einflussnahme auf das Programm geben, also keine ‚Kühne-Oper‘, und das Projekt darf niemals auf Kosten der vielen, sehr wichtigen kleineren Projekte in der Kunst- und Kulturszene gehen. Es freut uns sehr, dass diese Bedingungen mit dem heutigen Tag erfüllt sind. Zugleich bedeutet die heutige Entscheidung kein Ende der Planungen, sondern einen neuen Ausgangspunkt. Als parlamentarische Kraft werden wir das Projekt Schritt für Schritt begleiten, mit kritischem Blick und guten, konstruktiven Ideen. Bei einem so großen Bauprojekt ist ein umfassender Dialog in der Stadtgesellschaft unerlässlich. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass mit der neuen Oper kein reines Elitenprojekt an den Start geht, sondern die Menschen aktiv mitgenommen und beteiligt werden.“
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Die linke Opposition in der Bürgerschaft sieht hingegen beim Projekt neue Oper existenzielle Stolpersteine. „Ein Geschenk über hunderte Millionen Euro ersetzt weder die notwendige öffentliche Beteiligung noch Transparenz. Braucht Hamburg eine neue Staatsoper? Wie entwickelt sich die Innenstadt bei einer Verlegung der Staatsoper?“, fragt Heike Sudmann, die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. Und sie kritisiert: „Bis heute ist nicht bekannt, wie teuer die Sanierung der Staatsoper an der Dammtorstraße ist, die die Stadt als Eigentümerin durchführen muss. Kühnes Wunschstandort für den Neubau auf dem Baakenhöft ist das Sahnestück der HafenCity. Seit Jahren gibt es viele Ideen, aber keine breite öffentliche Diskussion, ein Bebauungsplan wurde bis heute nicht in Angriff genommen. Dafür entscheidet mal eben ein Milliardär mit einem Griff in seine Portokasse, wie die Stadt sich entwickelt. Und ohne mit der Wimper zu zucken, nimmt die Stadt das Geld.“
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Nun, „mal eben“, ist das Projekt neue Oper im mehrfachen Sinn sicher nicht entstanden. Nicht nur viele Gespräche zwischen Ersten Bürgermeister und Kultursenator sowie Stifter Klaus-Michael Kühne und seiner Kühne-Stiftung sind über Monate und Jahre vorausgegangen sowie jetzt auch erst einmal ein rund zweijähriger Planungsprozess anlaufen wird, in dem u.a. die opern- und theatertechnischen Voraussetzungen für eine Oper mit „Weltrang“ erhoben werden sollen. Ferner werde darüberhinaus ganz klassisch ein Bebauungsplan, ein B-Plan Baakenhöft entwickelt und in einem „gutachterlichen Verfahren“ fünf Architekten- und Freiraumplanerbüros mit ihrer Expertise und Entwürfen zum Operngebäude wie zur Gestaltung und Nutzung des Baakenhöft beauftragt werden. Davon unabhängig will der Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e.V. mit seinen Arbeitsgruppen AG Kultur, AG Grün, AG Jugend & Kultur sowie der AG Baakenhafen einen Dialogprozess mit Partnern initiieren, der u.a. die Anliegen der HafenCity-Bewohner:innen und -Gewerbetreibenden herausarbeiten und sichern soll, in dem gewünschten „breiten Beteiligungsverfahren“ der Stadtgesellschaft.
Das realistische Zeitziel zur Eröffnung der neuen Oper liegt laut Kühne-Holding-Vorsitzendem Karl Gernandt im Jahr 2032. Kultursenator Carsten Brosda hätte eher für die erste Hälfte der 30er Jahre als Zeitkorridor plädiert, doch Gernandt verwies grundsätzlich auf das terminorientierte privatwirtschaftliche Bauen und darauf, „dass der 88-jährige Stifter Klaus-Michael Kühne Tempo machen will“. Die Schlussnote setzte der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher, der es sich trotz aller „notwendigen kritischen Nachfragen“ nicht nehmen lassen will, „sich über das Geschenk der Oper des Stifters an die Stadt einfach freuen will“. Wolfgang Timpe