Schwimmbad: Der Reiz des Eintauchens

HCZ-Autor Jan Ehlert erkundet in seiner Juni-Kolumne „Literatur zur Lage“ den literarischen Reiz vom Baden oder Abtauchen in Schwimmbad, See oder Meer

Die junge Tilda hat es nicht leicht. Ihre Mutter ist Alkoholikerin, ihre kleine Schwester Ida auf sie angewiesen – und sie selbst ist mittendrin im Prüfungsstress an der Uni. Oft droht ihr das alles zu viel zu werden, aber es gibt einen Ort, an dem sie sich wohlfühlt: „Ich atme den Chlorgeruch ein, schmeiße meinen Rucksack auf die Bank, ziehe das Kleid über meinen Kopf, springe kopfüber ins Wasser und schwimme das erste Mal wieder meine 22 Bahnen.“
Foto oben: Baden gehen: „Ich atme den Chlorgeruch ein, schmeiße meinen Rucksack auf die Bank, ziehe das Kleid über meinen Kopf, springe kopfüber ins Wasser und schwimme das erste Mal wieder meine 22 Bahnen.“ aus: »22 Bahnen« von Caroline Wahl | © picture alliance / dpa | Daniel Reinhardt

Kolumnist Jan Ehlert zitiert den Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert in Bezug zum Corona-Lockdown: Die Tür schließt sich hinter ihm und nun, so Borchert, „hatte man mich mit dem Wesen allein gelassen, nein, nicht nur allein gelassen, zusammen eingesperrt, vor dem ich am meisten Angst habe: Mit mir selbst“. © Privat
Der Überraschungserfolg von Caroline Wahl aus dem vergangenen Frühjahr heißt „22 Bahnen“, der neben vielem anderen auch ein Loblied auf das Schwimmbad ist. Foto: Jan Ehlert. © Privat

„22 Bahnen“, so heißt der Überraschungserfolg von Caroline Wahl aus dem vergangenen Frühjahr, der neben vielem anderen auch ein Loblied auf das Schwimmbad ist. Gerade ist die Fortsetzung erschienen: „Windstärke 17“, erzählt aus der Sicht von Tildas Schwester. Auch hier wird gebadet. Zwar nicht im Schwimmbad, dafür aber umso mehr im Meer. 

Schaut man auf den Buchmarkt des vergangenen Jahres, dann fällt auf, wie viele Titel mit Schwimmbadmotiven es gab: „Seemann vom Siebener“ von Arno Frank lässt die Erinnerungen an Kindheiten im Freibad wieder hochkommen, die Hamburger Satirikerin Ella Carina Werner lässt in ihrem neuen Buch „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“ eine Frau auf einem Steg die Füße ins Wasser baumeln lassen. Und Annika Büsing lässt in „Nordstadt“ ihre Protagonistin ausgerechnet in einem heruntergekommenen Hallenbad die große Liebe finden.

Was macht ihn also aus, den Reiz des Eintauchens ins Wasser? Die US-amerikanische Schriftstellerin Julie Otsuka sucht in ihrem großartigen neuen Buch „Solange wir schwimmen“ nach Antworten: „Im Schwimmbad gelingt es uns an den meisten Tagen, unsere Landsorgen hinter uns zu lassen. Aus gescheiterten Künstlern werden elegante Brustschwimmer. Grübler hören auf zu grübeln. Witwen hören auf zu trauern. Angekommen!“ Jan Ehlert

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Jan Ehlert lebt in der HafenCity. Seine Passion sind Bücher. Er schreibt monatlich für die HafenCity Zeitung seine ­Kolumne »Literatur zur Lage«.

Dass Wasser eine solche beruhigende Wirkung haben kann, das wissen wir in der HafenCity natürlich nur zu gut. Der Blick auf das sanft dahinplätschernde Wasser im Museumshafen oder auf die aufgepeitschten Wellen der Elbe bei Wind bringt den Puls oft besser zur Ruhe als jede Meditationstechnik. Und für alle, denen dieser Blick fehlt bleiben die Bücher. Hemingways „Der alte Mann und das Meer“, Siegfried Lenz‘ Der Mann im Strom“, Hermann Melvilles „Moby Dick“ – die Zahl der Liebeserklärungen an die Meere ist riesig. Wer einen kleinen Eindruck davon gewinnen will, der sollte unbedingt die Buchhandlung Hafenfuchs in der HafenCity besuchen. Oder an diesen heißen Tagen am besten selbst Eintauchen ins Wasser. Denn noch schöner als es anzuschauen ist es, sich darin treiben zu lassen. Vielleicht nicht gerade bei „Windstärke 17“ in der Elbe, im Freibad oder im Hallenbad dafür umso mehr.

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