Skater und Boarddesigner Richie Löffler, hier beim „Kickflip“ auf der Magdeburger Brücke, hat sich der Unabhängigkeit und Freiheit verschrieben: „Ich möchte kein Leben einfach nur ableben, was ich nicht führen möchte.“ © Tim Börner
Skate-Parcour HafenCity: Vollkommen losgelöst

Straßenkunst. Sie springen hoch, federn ihre Boards in die Luft oder sausen die Kanten der Quartiers-Architektur entlang: die Skater. Ihre Bühne: die HafenCity. Ihr Publikum: die Öffentlichkeit. Ihr Motiv: die Freiheit. Die HCZ traf Richard „Richie“ Löffler, Lebens-Skater, Board-Designer und Profi-Skater sowie Board- und Skatemode-Unternehmer

Die Nachmittagssonne taucht den Magdeburger Hafen und das Internationale Maritime Museum Hamburg samt goldener Schiffsschraube in ein mildes Herbstlicht. Die Menschen flanieren vorüber, sitzen auf den Mauern oder genießen im Museums-Café „Catch of the Day“ ihren Afterwork. Einige schauen gebannt zur gülden schimmernden Schiffsschraube, in der ein weiß gekleideter Skater mit blauer Beanie und wehenden blonden Locken im Schiffsschraubenblatt seine Skater-Künste zelebriert. Er macht seine „Wallrides“, lässt sich und sein Board entspannt durch die sanften Rundungen des Schiffsblatts rollen.
Foto oben: Skater und Boarddesigner Richie Löffler, hier beim „Kickflip“ auf der Magdeburger Brücke, hat sich der Unabhängigkeit und Freiheit verschrieben: „Ich möchte kein Leben einfach nur ableben, was ich nicht führen möchte.“ © Tim Börner

Skater Richie Löffler beim „Wallride“ in der goldenen Schiffsschraube vorm Internationalen Maritimen Museum. © Tim Börner
Skater Richie Löffler beim „Wallride“ in der goldenen Schiffsschraube vorm Internationalen Maritimen Museum. © Tim Börner

Er, das ist Richard „Richie“ Löffler, HafenCity-Bewohner, Profi-Skater sowie Board- und Skatemode-Unternehmer mit zwei Shops in der Großen Theaterstraße hinterm Hotel Vierjahreszeiten an der Binnenalster. Es sind diese Skatemomente – mit oder ohne Publikum – auf öffentlichen Plätzen und in der jeweils vorgegebenen Stadtlandschaft und ihrer Architektur, die den leidenschaftlichen Skater Richie schon mit acht Jahren aufs Board trieben, als noch niemand von Trend oder gar wie heute von Straßenkunst redete. „Für mich hatte Skaten schon von klein auf das Gefühl von Unbeschwertheit und Freiheit, etwas nur für mich, was mir Spaß machte“, erinnert sich Richie an die ersten Skateversuche im Grindelviertel Hamburgs, wo er aufgewachsen ist.

VITA – Richard „Richie“ Löffler ist Profi-Skater sowie Board- und Skatemode-Unternehmer mit zwei Läden an der Binnenalster. Er designt selber Boards und entwickelt eigene Brands wie die TRAP Skateboards und den MANTIS Skateshop sowie die Marke ANIMAL TRACKS für Sneaker and Streetwear. Richie Löffler (47) ist gebürtiger Hamburger, Mutter Inga Schwedin und Krankenschwester, Vater Winfried Münchner und selbst­ständiger Autoverkäufer. Richie begann seine Skater-Laufbahn mit acht Jahren, verfeinerte seine Board-Leidenschaft in Kalifornien und wurde 1994 Vierter bei der Skater-WM. Ab 1997 wurde Richie professioneller Skater, als „Pro“ für die Marken Vans und Brooklyn Boards. Ferner bietet er strategische Beratung für Unternehmen an, die in der Jugendkultur vermarkten wollen, und arbeitete unter anderem mit Samy Deluxe fürs Goethe Institut. Richie Löffler lebt mit seiner Partnerin, der argentinischen Videokünstlerin Leyla Rodriguez, und ihren beiden griechischen Straßenhunden Sonja (4) und Yamas (9) in der HafenCity.

Skater Benny Voges beim „Boardslide“ an den HafenCity-Jersey-Banks an der U4-Bahnstation Überseequartier: „Skaten ist Straßenkunst.“ © Patrik Runte

Dieses ganz persönliche Beisichsein im Sport, auf dem Skateboard war es, das ihn ziemlich schnell als Kind, als früh erwachsenen Jugendlichen, jede freie Minute auf der Straße verbringen ließ. „Für mich bedeutet Skaten, damals im Grindel wie heute hier in HafenCity oder wo immer ich gerade in der Welt unterwegs bin, die Freude an den Tricks, den ,Kickflips‘, dem ,Grinding‘ oder ,Sliding‘“ (siehe Skate-Lexikon S. 10), sprudelt es aus dem 47-jährigen Selfmade-Skateunternehmer heraus. „Es ist der rebellische Charakter des Skatens“, so Richie, „dass man einfach radikal sein Ding macht und mit Normen und Vorgaben bricht. Mir hat das Skaten die Tür zu meiner Freiheit, auch als Board- und Skatemode-Unternehmer, geöffnet.“ Dabei spürte der Sohn einer schwedischen Krankenschwester und eines bayerischen Autoverkäufers früh die Zerrissenheit von Kulturen. In Schweden war er immer nur „der Deutsche“ und in Hamburg, eben auch durch seine Statur und seine blonden Locken, „der Schwede“. Nein, im Wortsinn gelitten hat er nicht, und er wurde auch nicht offen diskriminiert, aber ein Sichzuhausefühlen, eine Heimatempfindung kennt Richard Löffler bis heute nicht. Dazu hat sicher auch die frühe Trennung der Eltern beigetragen. Er wuchs bei Mutter Inga Jacobsen auf, während Vater Winfried Löffler wieder als selbstständiger Autoverkäufer im Süden arbeitete. Für Löffler ist eine Art „Zerrissenheit“ in vielen Skater-Biografien anzutreffen. „Und meine Eigenschaften als im Sternzeichen Krebs Geborener, der sich gerne mal zurückzieht und irgendwie auch eigenbrötlerisch sein kann“, passen für ihn zum Skaten. 

Top Ten: Skate-Lexikon

1.  Skate-Park – ist ein Platz, der extra für das Skaten designt und gebaut wurde – der fehlt noch in der HafenCity.

2. Ollie, das ist die Bezeichnung eines Tricks, bei dem man hinten auf das „Tail“ tritt und gleichzeitig mit dem Körper hochspringt und mit dem vorderen Fuß das
Board in die Luft zieht. Richtig ausgeführt sieht es so aus, als klebe das Board an den Füßen.

3.  Skate-Shop, der kulturelle Hub und Treffpunkt, an dem sich die Szene trifft und Skate-Events plant.

4. Grinding, wenn man mit den Achsen auf einem Hindernis wie Bordsteinkante, Sitzbank oder Handlauf „raspelt“.

5. Sliding, wenn man mit dem Board auf dem Holz rutscht (auf einem Hindernis siehe „Grinding“, 4.). Allerdings eignet sich nicht alles zum Grinden oder Sliden.

6. Kickflip, „do a Kickflip“ ist etwas, was man gerne einem Skater sagt, um zu schauen, ob er spontan den Trick schafft, bei dem man einen „Ollie“ (2.) macht und dabei
mit dem vorderen Fuß das Board so anschnippt, dass es sich dreht.

7. 360 Flip oder auch Treflip wird der „Kickflip“ (6.) genannt, wenn sich das Board dabei gleichzeitig zusätzlich um 360 Grad horizontal dreht. Das Geheimnis eines
guten Treflips liegt in der Spannung, die man mit dem großen Zeh aufbaut.

8. Pop bezeichnet die Fähigkeit, seine Tricks mit einer schönen Höhe auszuführen.

9. Regular oder Goofy sind Grundhaltungen auf dem Board. Von „Regular“ spricht man, wenn der linke Fuß vorn ist und von „Goofy“, wenn der rechte vorn ist – mit
rechts- oder linkshändig hat dies nichts zu tun.

10.Style hat ein Skater, wenn ein Trick für Zuschauer sehr locker wirkt und lässig ausgeführt wird. Dabei zählt nicht der Schwierigkeitsgrad des Tricks, sondern die
Eleganz. HCZ

Skater Michi von Fintel beim „Blunt Slide“ vor der Elbphilharmonie auf den Beton-Handläufen der großen Freitreppe zur Elbe: „Der Skater ist eine Persönlichkeit im Stadtbild.“ © Patrik Runte

Ist Skaten ein Ego-Sport? „Überhaupt nicht“, lacht Richie, „ganz im Gegenteil, wir sind eine lässige und verschworene Community, die Lust hat, miteinander abzuhängen und verrückte Skatertricks in merkwürdigen urbanen Landschaften zu machen. Eins stimmt jedoch: Ständig quatschen müssen wir nicht. Darin sind wir uns alle ähnlich.“ 

Inzwischen treffe ich Richie immer wieder mal, einfach so in der HafenCity, und sehe ihn zum Beispiel oft an der Großbaustelle Überseequartier San-Francisco-Straße / Am Dalmannkai. Was die Anwohner:innen als Dauerbaustelle nervt, ist für Skater Richie perfektes Entertainmentgelände. Ist es doch immer wieder ähnlich und doch jedesmal neu, wie er auf den Betonsockeln der Straßenabsperrungen seine „Switch Rock to Fakie“-Übungen machen kann.

Anwohner Richie Löffler beim „Switch Rock to Fakie“ auf den Baustellen-Betonsockeln der Baustelle Am Dalmannkai / San-Francisco-Straße: „Dem Skaten wohnt ein rebellischer Charakter inne.“ © Patrik Runte

Und wie ist er nun vom Straßenkünstler zum Unternehmer geworden? „Ich habe Talent zum Handeln“, schmunzelt er. „Als ich zum Schüleraustausch ein Jahr in Kalifornien war und meine Skaterleidenschaft vollends ausgelebt habe, stellte ich fest, dass die Streetwear da drüben viel preiswerter als in Deutschland und Europa war.“ Also bestellte er in Übersee und vertickte die Sachen hier mit Gewinn.

Bleibt für den 47-Jährigen Skaten ewige Passion? „Na klar“, lacht Richie. Und was fasziniert ihn sonst noch so? „Das Herumstromern mit unseren griechischen Straßenhunden Sonja (4) und Yamas (9), in der HafenCity oder in der Natur“ – natürlich nie „ohne mein Board“. Apropos Sonja und Yamas. Was haben Hunde, was Menschen nicht haben? „Sie sind immer präsent und lieben uneingeschränkt.“ Na, dann mal auf Wiedersehen an einer Bordsteinkante oder auf einer Baustelle. Die gibt’s noch lange in der HafenCity. Wolfgang Timpe

Der „Mantis“-Skate-Shop von Richie Löffler ist auch ein „Skater-Hub“ fürs Abhängen der Skater:innen und das Planen von Skate-Events – an öffentlichen Orten und im Skate-Park am Berliner Tor: „Ich habe Talent zum Handeln.“ © Richie Löffler

Infos

www.animaltracks.dewww.trapskateboards.comwww.mantisshop.de
Richie Löffler, MDCN Distribution GmbH, Große Theaterstraße 7, 20354 Hamburg, T. 040-20 94 39 13, M. 0170-807 04 29, Richie@Mdcn.de

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!

Das könnte Ihnen auch gefallen

»Lust am Mitmachen und Einmischen!«

Augenzeuge. Der langjährige St.-Katharinen-Pastor Frank Engelbrecht war ein gestaltender Zuhörer, Voranbringer und Seelenbetreuer der Menschen