Sterben in der HafenCity …

ChatGPT (3). Unser HCZ-Autor Harald Nebel hat diesmal die künstliche Intelligenz (KI) mit symbolischen Schlagworten der HafenCity getestet. Kann KI kritisch? 

Wer den Textroboter ChatGPT, offiziell zertifiziert als künstliche Intelligenz (KI), auffordert, einen Artikel über die HafenCity in Hamburg zu ­schreiben, muss sich aufs „Sterben“ gefasst machen. Unter diversen möglichen Startwörtern eines Textes zum Thema taucht einige Male „Sterben“ auf. Daraus wird am Ende aber keine Geschichte, sodass Raum für Fragen bleibt. Hat einer ’ne Ahnung, was die HafenCity mit Sterben zu tun hat? – Ich nicht! Von wegen intelligent. 
Foto oben: Blick auf den Elbtower von Hamburgs Osten, von Rothrenburgsort aus: „So weit, so schön. Und wer baut das Ding? Leider keine Idee der KI dazu.“ © Signa / Chipperfield

Künstliche-Intelligenz-Schild. © picture alliance/CHROMORANGE | Christian Ohde

Also habe ich mal bei Google geguckt – und nicht ein einziges Bestattungsinstitut in der HafenCity finden können. Da bleibt als Erklärung quasi (Achtung: italienisch!) nur noch der aus Neapel bekannte Sehnsuchtsseufzer: „Die HafenCity sehen – und sterben.“ Die Neapolitaner werden das Plagiat verschmerzen, denn es macht sie zum Hamburg des Südens. Wenn das kein Kompliment ist … 

Elbtower wow! Und René Benko? Unbekannt

Ansonsten enthüllt ChatGPT allerdings harte Fakten über die HafenCity, die garantiert nicht jedem ihrer Bewohner:innen und erst recht Besucher:innen bekannt sind. Oder hätten Sie’s gewusst? „Sie liegt direkt an der Elbe und erstreckt sich über eine Fläche von etwa 157 Hektar.“ Okay, das mit der Elbe dürften alle wissen, aber wohl kaum die Größe der Fläche. Na bitte, man kann doch was lernen von der KI.

Auffällig ist auf der anderen Seite, auf der Seite des Nicht-Lernens, die Selektion der vermittelten Fakten, genauer das Auslassen kritischer Anmerkungen und negativer Entwicklungen. Die von ChatGPT ausgespuckten Texte lesen sich wie Werbeprospekte der Stadtentwicklungs- oder der Wirtschaftsbehörde oder der Touristeniformation. Kostprobe gefällig? Voilà:

„Ein weiteres Highlight ist der Elbtower, ein geplanter Wolkenkratzer, der das neue Wahrzeichen der HafenCity werden soll. Mit einer Höhe von etwa 245 Metern wird er das höchste Gebäude in Hamburg und eines der höchsten Gebäude Deutschlands sein. Der Elbtower wird Büroflächen, ein Hotel, Aussichtsplattformen und möglicherweise auch Einzelhandelsflächen bieten. Von den Aussichtsplattformen aus können Besucher einen atemberaubenden Blick über die Stadt, den Hafen und die Elbe genießen.“ So weit, so schön. Und wer baut das Ding? Leider keine Idee der KI dazu – etwa über René Benko, den österreichischen Immobilienmogul (in Hamburg unter anderem Eigentümer der immer mal wieder insolvent gehenden Galeria-Kaufhof-Karstadt-Kaufhäuser) und eben, genau, Elbtower-Investor mit seiner Projektentwicklungsfirma Signa. 

Der KI-Roboter erzählt: „Der Elbtower wird Büroflächen, ein Hotel, Aussichtsplattformen und möglicherweise auch Einzelhandelsflächen bieten. Von den Aussichtsplattformen aus können Besucher einen atemberaubenden Blick über die Stadt, den Hafen und die Elbe genießen.“ © SIGNA / Chipperfield

Tut sich die KI womöglich schwer damit, Kritisches im Netz zu finden? Neutral gefragt, ja; gezielt gefordert, dagegen nein. Auf mein Verlangen an ChatGPT: „Schreiben Sie einen kritischen Text über Fehlentwicklungen in der HafenCity Hamburg“, ging es dann doch. Und zwar so: „Die HafenCity Hamburg ist trotz all ihrer Glanzpunkte und Fehlerschaften auch mit einigen Herausforderungen und Fehlentwicklungen konfrontiert.“ Jetzt wissen wir endlich, was in der HafenCity wirklich stirbt: der Glaube an die Intelligenz der KI. Wer „Fehlerschaften”, was immer das sein soll, in einem Atemzug mit „Glanzpunkten“ nennt, hat allenfalls einen IQ wie zehn Meter Feldweg. 

Südliches Übersee­quartier. Noch mehr „Kommerzialisierung“? 

Nach dem etwas holprigen Auftakt geht dann aber doch noch was: „Einige Kritiker bemängeln, dass die HafenCity zu stark auf eine wirtschaftliche und touristische Entwicklung ausgerichtet ist, während soziale Aspekte vernachlässigt werden. Es wird argumentiert, dass das Viertel mehr sozialen Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnraum benötigt, um eine gemischte Bevölkerung anzuziehen und soziale Ungleichheiten zu reduzieren.“ Na, geht doch – zumal genau diese Aspekte unter anderem das Quartier Baakenhafen inzwischen prägen.

Ob womöglich das neu entstehende „Überseequartier“ die sozialen Aspekte nach vorne bringt? Dazu die KI: „Auf der anderen Seite gibt es Kritiker, die Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Überseequartiers auf die soziale und städtebauliche Entwicklung der HafenCity haben. Ein Kritikpunkt ist, dass das Einkaufszentrum zu einer weiteren Kommerzialisierung des Viertels führt und möglicherweise die urbane und kulturelle Vielfalt beeinträchtigt.“ Klingt zwar auch nicht nach sozialem Wohnungsbau, Kommerzialisierungsvorbehalte gibt es jedoch bei einigen Anwohner:innen. 

Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend. ChatGPT weiß durchaus auch noch: „Es ist wichtig anzumerken, dass einige dieser Herausforderungen und Kritikpunkte Gegenstand von Diskussionen und Planungsprozessen sind. Die künftigen Verantwortlichen sind sich der Bedenken bewusst, und es werden Maßnahmen ergriffen, um die Mietproblematik anzugehen, das öffentliche Leben zu fördern und mehr Grünflächen  zu schaffen.“ 

So wissen wir, zum Glück, dann am Ende doch noch, was nicht stirbt in der HafenCity: die Hoffnung! Harald Nebel

Info Experimentieren Sie mal mit Künstlicher Intelligez, unter anderem mit Texten bei ChatGPT-4 unter https://chat.openai.com/auth/login

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