Der Fernehstar Hinnerk Schönemann aus der Krimiserie „Nord bei Nordwest“ im Gespräch mit HCZ-Autor Manfred Ertel über Küstenkrimis, das zu laute Hamburg und den Luxus des Landlebens
Eigentlich hat der Mann am liebsten seine Ruhe und meidet große Öffentlichkeit. Zur Fortsetzung der beliebten Krimi-Reihe „Nord bei Nordwest“ macht der Schauspieler Hinnerk Schönemann eine Ausnahme und trifft HafenCity-Zeitung-Autor Manfred Ertel unter Corona-Bedingungen zum sehr entspannten und persönlichen FaceTime-Gespräch.
Sind Sie eigentlich ein typisches Nordlicht? Hinnerk Schönemann: Absolut, ja. So etwas müssten zwar immer andere über einen sagen. Aber ich kenne mich: Privat bin ich sehr maulfaul im wahrsten Sinne des Wortes. Und will meine Ruhe haben. Und das zeichnet doch ein bisschen die Nordlichter aus.
Foto oben: Hinnerk Schönemann über den Drehort Küste: „Man bekommt eine Weite, hat Sand und Dünengras und auch dieses Möwengeschrei, viele verbinden damit auch so eine Art Gelassenheit, egal woher sie kommen. Sie verbinden damit Urlaub, finden das irgendwie schön, keiner hat etwas dagegen, höchsten was dagegen, ins Wasser zu gehen, weil es zu kalt ist – so wie ich halt.“ © NDR/ARD Degeto / Sandra Hoever
Sie spielen oft diesen kühlen Klaren aus dem Norden – dröge, schüchtern, manchmal auch dösig, wie man in Norddeutschland sagt, aber immer sehr nett. Weil Sie solche Typen besonders gut können? Das weiß ich nicht, das müssen Sie sagen. Aber es fällt mir vielleicht nicht allzu schwer diesen Typus Nordlicht zu verkörpern. Obwohl ich, wenn ich drehe, komischerweise immer versuche wie ein Entertainer gute Stimmung zu machen. Da macht’s mir Spaß eine Bühne zu haben. Sobald es aber privat wird, bin ich gern ganz allein, wahlweise mit der Familie.
Die Dreharbeiten für die neuen Filme fanden wieder zum Teil in Hamburg statt. Was macht Hamburg und die Küste so interessant für viele Krimis? An der Küste sieht vieles einfach visuell besser aus, als wenn man nur in einer Hochhauslandschaft drehen muss. Man bekommt eine Weite, hat Sand und Dünengras und auch dieses Möwengeschrei, viele verbinden damit auch so eine Art Gelassenheit, egal woher sie kommen. Sie verbinden damit Urlaub, finden das irgendwie schön, keiner hat etwas dagegen, höchsten was dagegen, ins Wasser zu gehen, weil es zu kalt ist – so wie ich halt.
Eine der beiden weiblichen Hauptfiguren an Ihrer Seite wird in den neuen Folgen von „Nord bei Nordwest“ durch eine neue ersetzt. Was bedeutet das für die Reihe? Es ist sicherlich eine Herausforderung. Denn es rückt eine neue Ermittlerin mit ins Zentrum der erzählten Fälle, die es erst mal nicht leicht hat. Sie muss sich irgendwie behaupten und Hauke mag sie nicht. Der hat ganz andere Sorgen als sich um eine junge Polizistin zu kümmern, die versucht ihr Ding zu machen. Filmisch ist das natürlich auch ein bisschen Risiko, weil für die Zuschauer ein wesentlicher Faktor wegfällt: eine sehr gute Schauspielerin und eine wichtige Figur für die Gesamtdramaturgie. Allerdings glaube ich, dass die Bücher so unberechenbar und gut sind und so schwarz im Humor, dass die Leute die Filme auch weiter lieben werden.
I. Hinnerk Schönemann ist der Ermittler in deutschen Fernsehkrimis, den sich die meisten Zuschauer*innen gut als Schwiegersohn vorstellen können: sympathisch, liebenswürdig, manchmal etwas dröge oder liebenswert linkisch. In zahllosen TV-Thrillern verkörpert er das typische Nordlicht. In der Serie „Finn Zehnder“, als Privatermittler vor den Toren der Hansestadt zum Beispiel, beim „Einsatz in Hamburg“, als junger Insel-Polizist auf der Suche nach dem „Mörder auf Amrum“ oder als Kommissar Simmel in der ZDF-Serie „Marie Brand“. Besonders erfolgreich ist er in der Reihe „Nord bei Nordwest“, in der er seit 2014 als Hamburger Ermittler Hauke Witt mit neuer Identität als Tierarzt in einem Kaff an der Ostsee untertauchen muss. Elf Folgen lang kämpfen dort zwei rothaarige Dorfschönheiten, die örtliche Polizistin und die Tierarzthelferin, um seine Gunst, bis die Dorfpolizistin im letzten Film ums Leben kommt. Die beliebte Reihe ist trotz harter Konkurrenz der erfolgreichste Donnerstags-Krimi der ARD und konkurriert in den Einschaltquoten mit vielen „Tatorten“.
Worauf müssen sich die Zuschauer also einstellen? Sie kriegen richtig was Neues. Um es ganz einfach zu sagen: Wir sind etwas erwachsener geworden. Die Tierarzthelferin Jule und ich agieren in unseren Rollen jetzt sehr auf Augenhöhe, wir sind noch mehr Team als vorher. Dazu kommt die neue Polizistin, die natürlich ganz anders ist. Wir wollten das so, damit die Zuschauer nicht anfangen zu vergleichen, zwischen der tollen Kollegin Henny Reents früher und der ebenfalls tollen Jana Klinge heute. Insofern musste was ganz Neues her.
Was bedeutet die Krimireihe „Nord bei Nordwest“ für Sie persönlich? Ich arbeite mit der Produktion jetzt seit 20 Jahren zusammen, immer in diesen Nord-Filmen. Das schafft natürlich ein absolutes Vertrauen. Es ist wie eine Filmfamilie und es ist toll bei „Nord bei Nordwest“ so lange ein Teil davon zu sein, seinen Platz zu füllen und wahlweise auch mit zu führen – zusammen mit den Autoren, den Regisseuren und den Kolleginnen. Das ist besser als ein Sechser im Lotto. Ich liebe es, die Rolle immer wieder weiterzutreiben.
II. Hinnerk Schönemann (46) ist in Rostock geboren und in Ost-Berlin aufgewachsen. Nachdem er an der Schauspielschule „Ernst Busch“ wegen seiner Stimme nicht erfolgreich war, schloss er sein Studium an der Berliner Hochschule der Künste ab. Trotzdem ist Hamburg, wo er auch zwei Jahre am Thalia-Theater spielte, fast so etwas wie Heimat für ihn. Privat fühlt er sich am wohlsten auf seinem kleinen Hof mit Wald und Wiesen im Mecklenburgischen, wo er seine Ruhe hat. „Ich mag einfach die Lebensart an sich“, sagt er, nicht nur die Einsamkeit. „Man denkt immer, auf dem Land ist es beschaulich und ruhig. Das ist es aber überhaupt nicht. Auf dem Land hat man immer was zu tun, auf dem Land steht immer jemand am Tor und will irgendwas. In der Stadt kann ich die Tür hinter mir zumachen und wenn es klingelt, einfach nicht öffnen. Das kann man auf dem Land nicht. Man wird gesehen, alle wissen ob man da ist. Auf dem Land ist das Sozialleben viel doller,“ sagt Schönemann. Die neuen Folgen von „Nord bei Nordwest“ startet die ARD gleich nach Neujahr mit Episode 12 „Der Anschlag“ am 7. Januar 2021, 20.15 Uhr.
Fühlen Sie sich auch ein bisschen abgestempelt? Nein, ich habe kein Problem damit, zehn oder zwanzig Filme in derselben Rolle zu machen. Andere Kollegen kriegen da vielleicht den Rappel. Das Gefühl habe ich nie. Jeder Film ist anders und ich muss arbeiten, arbeiten, arbeiten, um die Rolle am Leben zu halten. Ich muss immer wieder was Neues geben. Es macht mir sogar fast mehr Spaß, diese Rolle immer wieder neu und mehr zu verfeinern.
Ihre Frau arbeitet in Hamburg, waren die Dreharbeiten dort für Sie deswegen ein Heimspiel? Nö, gar nicht. Ich arbeite ja seit 20, 30 Jahren in Hamburg und habe da auch selber gewohnt.
Was bedeutet Hamburg für Sie? Ich bin ja im Osten groß geworden bis ich 12 oder 13 Jahre alt war und konnte dann zwei Jahre vor der Wende in einer Nacht- und Nebelaktion mit der Familie nach Hamburg übersiedeln. Wir haben dann praktisch direkt auf der Reeperbahn gewohnt. Insofern ist Hamburg richtig in mir drin. Ich will inzwischen da nicht wohnen, ich kann da auch nicht wohnen, weil ich mich hier in Mecklenburg auf dem Land sehr wohl fühle. Aber Hamburg hat eine enorme Bedeutung für mich, Hamburg ist ganz tief in meiner Blutbahn, in meiner Genetik drin. Die ersten großen pubertären Gefühle verbinde ich mit Hamburg, ich weiß gar nicht, wie ich das anders sagen soll. Es war ja ein ganz großer Kulturschock vom Arbeiterbezirk Berlin-Friedrichshain im tiefen Osten nach Hamburg zu ziehen und dort im wahrsten Sinne des Wortes die Welt kennen zu lernen.
Welche Erinnerungen sind aus dieser Zeit für Sie besonders präsent? Ich weiß noch, dass wir abends um 18.00 Uhr in Friedrichshain mit der Bahn losgefahren sind. Die Fahrt hat mit den ganzen Kontrollen damals ewig gedauert. Das war im Februar und im Osten war es nachts immer dunkel gewesen. Da gab es mal eine Straßenbeleuchtung oder eine Funzel auf Bahnhöfen, aber im Grunde war es stockdunkle Nacht. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wir sind die ganze Nacht gefahren, wir waren müde, konnten nicht schlafen und kamen kurz vor Mitternacht in Hamburg an und das Leben dort tobte, egal wo. Dann fuhren wir auf die Reeperbahn, wo wir in der Silbersacktwiete gewohnt haben, einer kleinen Seitenstraße. Überall waren Lichter, überall waren Leute. Und wir dachten, warum seid ihr nicht zu Hause im Bett? Warum ist hier so viel Licht, sind hier so viele Gerüche? Das habe ich als erstes wahrgenommen, ein ganz toller Eindruck, den ich bis heute in mir habe.
Sind Sie trotz oder wegen dieser Eindrücke aufs platte Land gezogen? Das habe ich mich auch schon öfters gefragt. Weil ich früher dachte, dass man als Künstler in Berlin oder in Hamburg leben muss, am Nabel der Zeit sozusagen. Ich selbst hatte ja auch immer eine Wohnung in Berlin oder in Hamburg, habe in der Stadt studiert. Bis ich dann irgendwann gemerkt habe, dass ich dem nachgeben muss, wie es in mir drin aussieht. Ich fand die Stadt zum Arbeiten immer toll, weil ich diese Eindrücke mag. Aber zum Leben ist mir Hamburg zu laut und zu schnell. Irgendwann, vor 20 Jahren, habe ich mir dann gesagt, nee, ich mache es anders und gehe dahin, wo es ruhig ist. Ich bin froh, dass ich die ganzen Erfahrungen gemacht habe, aber jetzt kann ich mir den Luxus erlauben, wirklich in der tiefsten Einöde zu leben, glücklich zu sein. Und wenn es mich drängt, kann ich immer in die Stadt, weil ich ja dort arbeite. Das ist total perfekt.
Wenn Sie als Ermittler die Szene betreten, bekommen Zuschauer schnell ein Schmunzeln ins Gesicht und den Eindruck, so schlimm kann es eigentlich nicht mehr werden. Ist das gewollt? Das habe ich so noch nie gehört und finde den Gedanken interessant. Aber es macht mir einfach Spaß, wenn ich die Rollen etwas runterstapeln kann. Es macht mir Spaß, den offenkundig etwas einfacheren Typ zu spielen, den etwas lieberen und manchmal verträumten, der eher die Tür eintritt, als zu gucken, ob die Klinke funktioniert und die Tür vielleicht offen ist. Und der am Ende doch als eine Art Sieger herausgeht. Ich mag keine direkten Liebesfilme, ich mag auch keine Action- oder Heldenfilme, wo jedes Wort stimmen muss und man immer mit so einer dunklen Stimme sprechen muss. Ich möchte meinen Rollen immer eine zweite Ebene geben oder etwas spielen was ganz nah am Zuschauer dran ist, und die sich in den Rollen auch wiedererkennen. Wenn ich auf diese Art und Weise glänzen und überzeugen kann, freut es mich.
Als Partygänger seien Sie asozial, haben Sie mal gesagt. Sind Sie menschenscheu? Ja wirklich, das kann ich mittlerweile sagen. Ich habe es immer probiert, auch mit diesen roten Teppichen, aber es ist für mich einfach ein Graus. Ich weiß nicht, warum man sich dort trifft, was man dort sagt. Ich bin dafür irgendwie nicht geboren. Ich habe nie gelernt, Smalltalk zu machen. Interviews sind okay, das ist auch Arbeit und das kann ich. Auch beim Drehen bin ich null menschenscheu, ganz im Gegenteil. Aber sobald Drehschluss ist und jemand auf mich zukommt und fragt, ob ich mit auf ein Bier komme, denke ich sofort: Was soll ich da? Ich habe da keinen Spaß, ich will nicht mit. Abgesehen davon, dass ich kein Bier trinke. Mittlerweile sage ich das auch ganz direkt. Das Gespräch führte Manfred Ertel
Satzanfänge vervollständigt von Hinnerk Schönemann:
Immer wenn ich in Hamburg bin, muss ich … komischerweise an die Elbphilharmonie denken, obwohl ich mit Philharmonie nichts zu tun habe. Ich habe in Hamburg so viel erlebt, die kenne ich nur vom Sehen, würde aber gern mal reingehen.
An Hamburg gefällt mir nicht … das Schnelle und Laute.
Wenn ich zwischen Fischbrötchen und Currywurst wählen muss … nehme ich Currywurst, am liebsten die Berliner ohne Darm.
Meine größte Stärke ist, … wenn ich mich irgendwo festgebissen habe, bin ich festgebissen und bleibe dran.
Wenn ich auf der Straße erkannt werde … bleibe ich höflich. Wenn man sechs Filme im Jahr macht, kann man nicht mehr einfach so einkaufen gehen. Aber ich schütze meine Familie und rede auch nicht über sie.