»Uns einander zuhören und zusammenhalten!«

Exklusivgespräch. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Droßmann, verteidigungspolitischer ­Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, über Kriegsangst, Drohnenabwehr und die Berliner Politikblase

Er ist SPD-Verteidigungsexperte, inzwischen ein Zweidrittel-Berliner und doch mit Leib und Seele immer noch Bürger und Abgeordneter des Wahlkreises Hamburg-Mitte: Falko Droßmann. Seine Jahresschlussbilanz 2025: 
Foto oben: Falko Droßmann:„Die HafenCity und unsere schöne Genossenschaftswohnung sind für uns ein echtes Zuhause geworden. Ich mag die Mischung aus Wasser, Weite und Urbanität.“ © Catrin-Anja Eichinger

Herr Droßmann, das Jahr 2025 geht zu Ende. Der Ukraine-Krieg geht in den dritten Winter, der Waffenstillstand in Nahost ist brüchig und die Hamas nicht entwaffnet, und als verteidigungspolitischer SPD-Sprecher bestimmen Sie die milliardenschwere Aufrüstung der Bundeswehr mit. Wie fällt Ihre Bilanz 2025 aus? 2025 hat gezeigt, wie stark westliche Demokratien unter Druck stehen. Autokratische Mächte gewinnen an Einfluss, Kriege und Krisen wie in der Ukraine, im Nahen Osten oder humanitäre Katastrophen wie im Sudan stellen fundamentale Menschenrechte und das Völkerrecht mehr denn je infrage. Deshalb ist es richtig, dass wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken – die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ist eine der zentralen Aufgaben des Staates. Dies parlamentarisch als verteidigungspolitischer Sprecher der SPD begleiten zu dürfen, ist ein Privileg und kaum zu bewältigende Herausforderung zugleich. Aber es gibt auch positive Entwicklungen in 2025: Die Freilassung der Geiseln aus den Händen der Hamas ist ein Meilenstein, und der Friedensplan der USA bietet die Chance, das Leid in Gaza zu beenden und den Wiederaufbau zu starten. Es liegt nun an der Hamas, die Waffen abzugeben. Die Menschen dort brauchen diese Perspektive. Es liegt aber auch an der internationalen Gemeinschaft, den Menschen in den palästinensischen Gebieten eine echte Chance auf eine friedliche Zukunft zu geben – und dabei können sich auch die arabischen Nachbarstaaten nicht weiter wegducken.  

Alle reden aktuell vom Drohnenkrieg. Glauben Sie, dass es Krieg zwischen Russland und EU- beziehungsweise Nato-Ländern geben kann? Es kommt darauf an, wie wir Krieg definieren. Schon heute sehen wir Desinformationskampagnen, Sabotageakte und Verletzungen des Nato-Luftraums. Salopp gesagt: Es ist schon geografisch unwahrscheinlich, dass 2029 russische Panzer vor deutschen Schützengräben in Brandenburg stehen werden. Gleichzeitig ist aber eine Verschärfung der Lage mit hybriden Angriffen jederzeit möglich, und deshalb sind Reformen und Investitionen in die Verteidigung notwendig – einschließlich der Resilienz unserer Infrastruktur. Die rasante Veränderung von Krieg stellt auch unser Grundgesetz vor Herausforderungen: Es gibt mehr als die Unterscheidung zwischen Frieden, Spannungsfall und Verteidigungsfall.
Die Entwicklung zum Beispiel bei Drohnen schreitet rasant voran, und wir müssen sicherstellen, dass wir in der Lage sind, die jeweils aktuellen Drohnen abzuwehren. Dafür haben wir das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz verabschiedet, das unseren Rüstungspartnern ermöglicht, im Falle einer akuten Bedrohung schnell, zielgerichtet und rechtssicher zu liefern. Zur Erinnerung: Eine Drohnengeneration dauert heutzutage nicht länger als ein bis zwei Monate, danach gibt es technische Neu- und Weiterentwicklungen, die auch neue Abwehrtechnik nötig machen.

Falko Droßmann kurz nach den Hamas-Attentaten vom 7. Oktober 2023 in Israel. © Büro Droßmann

Was ist für Sie als Hamburger Bundestagsabgeordneter aktuell die größte Herausforderung? Zum einen eine ganz praktische Sache: die Bauarbeiten auf der Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Ich pendle ständig zwischen den beiden Städten, und die Verzögerungen machen es nicht leichter, meine Pflichten in Berlin mit meinen Wahlkreisterminen unter einen Hut zu bringen. Es ist zeitlich und organisatorisch wirklich anspruchsvoll. Ich kann aber auch nicht leugnen, dass die beinahe ausschließliche Beschäftigung mit Krieg und humanitären Katastrophen auch einen Effekt auf mich hat.

Sie sind auch immer wieder in Ihrem Wahlkreis unterwegs. Was unterscheidet das Leben in Berlin und Hamburg? Ist die Hauptstadt eine Politikblase, und hier atmen Sie reales Leben? In Berlin eile ich von frühmorgens bis spätabends von Termin zu Termin. Politik funktioniert dort in einem rasanten Tempo, manchmal auch in einer eigenen Sprache. In Hamburg ist das anders. Hier komme ich mit Menschen ins Gespräch, ehrlich und direkt. Das erdet mich und erinnert mich immer daran, wofür ich das alles eigentlich mache. Spannend sind aber auch die Unterschiede: Themen und die Art der Gespräche sind in Billstedt und auf dem Dulsberg völlig anders als auf der Uhlenhorst oder der HafenCity.

Sie wohnen seit Jahren mit Ihrem Mann in der HafenCity. Wie erleben Sie aktuell den Stadtteil? Die HafenCity und unsere schöne Genossenschaftswohnung sind für uns ein echtes Zuhause geworden. Ich mag die Mischung aus Wasser, Weite und Urbanität. Hier bewegt sich ständig etwas – Menschen, Ideen, die ganze Stadt. Natürlich sind die Baustellen manchmal nervig, aber sie zeigen eben auch: Hamburg wächst und entwickelt sich weiter.

Mit Elbtower und Naturkundemuseum sowie dem immersiven UBS Digital Art Museum am Amerigo-Vespucci-Platz und der neuen Oper auf dem Baakenhöft sollen neue Leuchtturmprojekte in die HafenCity kommen. Wie finden Sie das? Ich freue mich sehr, dass das Naturkundemuseum endlich eine Heimat gefunden hat. Das wurde auch Zeit – und in der HafenCity ist es genau richtig. Ich mag es, wenn Hamburg sich etwas traut und solche großen Projekte anpackt. Entscheidend ist, dass daraus keine Prestige­orte werden, sondern lebendige Räume, die Kultur und Wissenschaft für alle erlebbar machen.

Wie erleben Sie die Entwicklung der Nachbarschaft im Quartier, Ihrem Zuhause? Die HafenCity wird langsam erwachsen. Es ist schön zu sehen, dass der Stadtteil immer bunter wird – mehr Familien, mehr Gastronomie, mehr Leben. Hier sind Touristen unterwegs, aber auch viele Hamburgerinnen und Hamburger, die den Stadtteil einfach mögen. Das belebt den Stadtteil und tut ihm gut. Ich wünsche mir, dass dieser Mix bleibt und noch mehr Menschen hier dauerhaft leben. Ein Stadtteil braucht echte Nachbarschaft, nicht nur moderne Architektur.

Was fehlt Ihnen in der HafenCity? Hamburg ist ja eigentlich eine sehr grüne Stadt – da ist in der HafenCity noch Luft nach oben. Ein paar mehr Bäume, kleine Parks und schattige Plätze würden dem Viertel guttun. Gerne ermutige ich aber die Hamburger Verkehrsbehörde auch, den Schutz von Fußgängern und Radfahrern vor die Bedürfnisse der Autofahrer zu stellen.

Vita: FALKO DROßMANN
ist seit September 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er vertritt als SPD-Abgeordneter den Hamburger Wahlkreis 18 – den Bezirk Mitte ohne Wilhelmsburg, aber mit den Stadtteilen Barmbek, Dulsberg, Hohenfelde und der Uhlenhorst. Er ist verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sprecher im Abrüstungsausschuss sowie Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Droßmann ist seit Februar 2022 queerpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2025 der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ist er zum zweiten Mal als direkt gewähltes Mitglied in den Bundestag eingezogen. 
Der 51-Jährige wurde im Oberbergischen, in Wipperfürth bei Köln, als Sohn eines Busfahrers und einer Putzfrau geboren, ging mit 17 Jahren zur Polizei in Nordrhein-Westfalen und holte dann sein Abitur nach. Er studierte an der Universität der Bundeswehr in Hamburg Geschichtswissenschaften, schloss mit dem Magister Artium ab und wurde Berufsoffizier. Der beurlaubte Oberstleutnant ist seit 2001 in der SPD und wurde 2011 Chef der SPD-Bezirksfraktion in Mitte. Ab Februar 2016 war er bis zu seinem Wechsel in den Bundestag im September 2021 Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte. Falko Droßmann ist seit 1. Oktober 2017, dem Tag der Einführung der Ehe für alle, verheiratet und lebt in der HafenCity.

Beruflich haben Sie täglich mit Krieg, Krisen und menschlichem Leid zu tun. Wie bewahren Sie Ihren Optimismus? Ehrlich gesagt: durch meinen Kleingarten auf der Billerhuder Insel. Da kann ich abschalten, herumwerkeln und einfach draußen sein. Nichts Politisches, einfach Natur, Wasser und Ruhe. Und manchmal steige ich in mein kleines Boot und fahre eine Runde über die Bille – das ist mein persönliches Gegenprogramm zu stressigen Sitzungswochen in Berlin und den vielen großen Herausforderungen unserer Zeit. Es geht hier nicht um einen Rückzug ins Biedermeier, durchaus aber um einen kurzen Rückzug in mich.

Was wünschen Sie sich ganz persönlich für das Jahr 2026? Haben Sie Vorsätze? Mehr Zeit für die Dinge, die im Alltag oft zu kurz kommen: Sport, gute Gespräche, gemeinsames Essen. Und politisch wünsche ich mir, dass wir solidarisch bleiben, uns einander zuhören und zusammenhalten – gerade in Zeiten, in denen Hass und Hetze immer lauter werden. Fast scheint es, als ob es vielen Menschen nur noch um das individuelle Glück geht – auf wessen Kosten auch immer. Dem möchte ich gerne Helmut Schmidts Bekenntnis der „res publica“ entgegenstellen. Denn ein funktionierendes Gemeinwohl ist Voraussetzung für das individuelle Wohl.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

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