Auf Wiedersehen! Pastor Frank Engelbrecht, 20 Jahre lang der fast immer gut gelaunte Kümmerer in allen Kirchen-, Quartiers- und Menschenthemen von Hamburg, Altstadt und HafenCity, wechselt am 1. Oktober zur Kirchengemeinde Blankenese. Ein Verlust
Gehört es sich für einen „Farewell“-Text, eine kleine Auf-Wiedersehen-Schrift, mit einer menschlichen Tragödie zu beginnen? Für mich ja, weil sie den Pastor und Menschen, den Nachbarn an einem lebendigen Lebensort der vergangenen 20 Jahre in der HafenCity ganzheitlich identifiziert: Pastor und Bürger Frank Engelbrecht. Noch lange nach der öffentlichen Trauerfeier des Stadtteils an der Magdeburger Brücke, Kreuzung Überseeallee/Osakaallee, zum tödlichen Unfall einer jungen Mutter und Radfahrerin aus dem Baakenhafen bewegte die Trauerrede von „Frank“, wie ihn alle nur rufen, die große Trauergemeinde im Quartier. Foto Oben. Bürger Frank Engelbrecht setzt sich immer – wie hier im März 2022 während der Pandemie für das große Kulturfest „Play Out Loud“ – für gelebte und vorgelebte Hoffnung ein. © Catrin-Anja Eichinger
Die nachdenkliche und ermutigende Ansprache vereinte alle humanistischen und christlichen Stärken des Stadtteilpastors Frank Engelbrecht von der Hauptkirche St. Katharinen. Dass gestandene Unternehmer:innen wie auch Nachbarn der HafenCity, die sich nicht kannten, von seiner Trauerrede sichtlich berührt waren, pointiert seine Persönlichkeit.
Die Kreuzung an der Magdeburger Brücke ist auch deshalb ein erzählender Ort für Frank Engelbrecht, weil sich hier alle wichtigen Alltagsthemen, die immer auch seine persönlichen Bürger-Themen waren und sind, wie im Brennglas fokussieren: lebenswerte Großstadt, alternative Mobilität, neue Stadtentwicklung und ganz nahe Nachbarschaft – wenn’s wichtig wird. Halt, wenn Themen und Menschen einfach einen Fürsprecher, ja, gerne auch einen Pastor als Lautsprecher brauchen.
Er ist ein fröhlicher, nachdenklicher Melancholiker, der ins gesellschaftliche Machen verliebt ist. Kein Ausschuss für lebenswerte Stadtentwicklung, wichtiges Kulturprojekt oder allzu menschliches Problem eines Gemeindemitglieds waren und sind ihm zu klein, um sich nachhaltig zu kümmern und selbst Hand anzulegen. Und kein Politgremium und keine Konzernmacht konnten ihn von seinen Ideen für ein besseres Leben in der Großstadtgemeinde von Altstadt und HafenCity abbringen. Ob er sich neben klassischer Pastorenarbeit für St. Katharinen in unzähligen – manchmal auch zu vielen – Stadtteil-AGs, Architektur-Jurys und Politikausschüssen engagierte oder in seine geliebte Mundharmonika blies und sich bei jazzigen Rock-’n’-Roll-Jam-Sessions auf der Bühne verausgabte: Neben seinen Gesprächen mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, Bildung und gesellschaftlicher Stellung prägen ihn seine überbordende Motivation zum Machen und seine Hartnäckigkeit, es im Zweifel „denen da oben“ zeigen zu wollen – zumindest alles Persönliche für das Gute und die Nachbarschaft getan zu haben.
Frank Engelbrechts Mitte prägen zu allererst seine Familie und die Seelenlage seiner Kirchengemeinde – einerseits. Andererseits drängt ihn deckungsgleich die unstillbare Sehnsucht, das Leben und die Lebensbedingungen fortwährend zum Besseren für die Einzelnen und das menschliche Miteinander zu bewegen. Er ist ein tätiger Veränderungsträumer, der die Realität austestet, Grenzen sinnlich erlebbar machen möchte – für sich und Interessierte oder gerade auch Benachteiligte. Was er nicht versucht, besprochen oder ausprobiert hat, kann und will er nicht verloren geben. Im gemeinsamen Miteinander, im Ringen um ein menschlicheres Sosein für alle, liegt für ihn der Sinn der christlichen Kirchenarbeit – und seines eigenen Lebens.
Natürlich kamen die drei Kinder Muriel (21), Tali (19) und Moritz (15) und auch seine Frau Dr. Sunniva Engelbrecht in regelmäßiger Unregelmäßigkeit zu kurz. Und wenn er dann im Hamsterrad des persönlichen Engagements merkte, dass er nicht nur ein wenig sich, sondern auch seine Familie oder das direkt ihn umgebende Kirchenteam „vergessen“ hatte, zieht er die Reißlinie und ist für angemessene Zeit auf das eigene Ich und seine Familie fokussiert.
So ist es eben kein Zufall, dass sich Frank Engelbrecht nach 20 Dienst- und Lebensjahren für St. Katharinen einer neuen, komplett anderen Kirchengemeinde anschließt. Wäre doch gelacht, wenn er, der Kümmerer in allen Kirchen-, Stadtteil- und Menschenthemen, dem Image des überalterten und gut situierten Blankenese zum Trotz, dort nicht Neues aufspüren und initieren könnte. Im Zweifel das geistig junge Blankenese, das noch nicht über den Stadtteil hinaus bekannt geworden ist. Gerne, Frank, auf Wiedersehen! – in der HafenCity oder St. Katharinen. Einfach so. Wolfgang Timpe
Info
Pastor Frank Engelbrecht hält seinen Abschiedsgottesdienst am So., 10. September 2023, 11 Uhr, in der Hauptkirche St. Katharinen. Sein Thema: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, die kommende suchen wir.“ | Katharinenkirchhof 1, 20457 Hamburg