Manuel Muja, Fraktionschef der Grünen in der Bezirksversammlung, will im Wahlkreis 18 für Hamburg-Mitte in den Deutschen Bundestag einziehen
Sie haben sich mit 20 Jahren direkt nach dem Abitur, nicht eingezogen zur Bundeswehr und ohne Freiwilligenjahr gleich ins Studium der Politikwissenschaft gestürzt. Warum? Weil ich wusste, was ich wollte. Mir war früh klar, dass ich politische Wissenschaft studieren wollte, weil mich schon früh in der Schule gesellschaftliche Themen und demokratische Strukturen – wie funktionieren Staat und Gesellschaft – interessiert haben. Dass es dann hauptberuflich politische Arbeit und ein Politikerweg geworden sind, war zu Beginn nicht klar.
Foto oben: Grünen-Fraktionschef Bezirk Hamburg-Mitte und MdB-Kandidat: „Bei der Energiewende- und Klimapolitik stehen wir in Deutschland mehr auf der Bremse anstatt Gas zu geben und klimaneutraler Vorreiter zu sein. Das schadet uns wirtschaftlich enorm. Europa und Deutschland haben es verdient, dass Politik endlich wieder aktiv gestaltet und nicht mehr nur verwaltet wird.“ © Henning Angerer
Was hat Sie denn inhaltlich politisiert und Sie früh in die Grüne Jugend eintreten lassen? Ich wollte einfach schon früh verstehen, was, warum und wie passiert, wenn ich zum Beispiel Nachrichten geschaut habe. Darüber habe ich geschichtliches Interesse entwickelt, um politische Hintergründe zu begreifen. Außerdem hat mich die Schulzeit politisiert. Ich habe ich mich damals gegen Nazi-Gruppen in Bergedorf und den Vier- und Marschlanden engagiert und in der Oberstufe wurde ich dann Schulsprecher und habe mich in Schulpolitik eingearbeitet. Da bin ich mit den Jusos und der Grünen Jugend in Kontakt gekommen und, weil ich meine Vorstellung dort am umfassendsten wiedergefunden habe, bei den Grünen gelandet. In der ökologischen Ecke und mit der klaren Pro-Europapolitik habe ich mich wohler gefühlt.
Um Europa steht es gerade nicht so gut? Wir Grüne stehen zu Europa als Friedensprojekt und gehen mit Themen wie Flucht- und Migrationsbewegungen nicht populistisch um. Und wir stehen zur engen Bindung an unseren französischen Nachbarn und zeigen klare Kante in Osteuropa zum Beispiel gegen die antidemokratischen Gesetze unter Regierungschef Viktor Orbán in Ungarn. Ich trete trotz des Brexits für ein starkes weiteres Zusammenwachsen der Staaten in Europa und die gemeinsamen Werte wie Demokratie, Menschenrechte und die Freiheit des Einzelnen ein. Es sind also auch die liberalen Werte, die mich als Grünen antreiben.
Mit dann 30 Jahren werden Sie für die Grünen im Wahlkreis 18 in Hamburg-Mitte im September als Bundestagskandidat antreten. Was suchen Sie als junger Grüner in Berlin? Nur zur Einordnung: Mit 30 gilt man im Leben und in der Arbeitswelt nirgends mehr als jung – nur erstaunlicherweise immer noch in der Politik. Außerdem empfinde ich mich nicht als jung, weil ich nun schon seit über neun Jahren Politik mache und durch meine Arbeit für Abgeordnete im Bundestag wie im Europäischen Parlament den Betrieb gut kenne. Deshalb engagiere ich mich in der Bundestagswahl und möchte nach Berlin, weil wir endlich eine andere Politik als unter Bundeskanzlerin Angela Merkel brauchen und ja, wir brauchen jetzt vor allem einen Generationswechsel in der Berliner Politik. Wir müssen die Chance nutzen, dass eine Kanzlerin nicht wieder antritt, und unser Land fit für die Zukunft machen. Es hat sich in den vergangenen Jahren ein erheblicher Reformstau gebildet, bei der Energiewende- und Klimapolitik stehen wir in Deutschland mehr auf der Bremse anstatt Gas zu geben und klimaneutraler Vorreiter in Europa und der Welt zu sein. Das schadet uns auch wirtschaftlich enorm. Europa und Deutschland haben es verdient, dass Politik endlich wieder aktiv gestaltet und nicht mehr nur verwaltet wird.
Manuel Muja ist am 3. August 1991 in Hamburg-Bergedorf aufgewachsen und hat sich in der Gesamtschule Bergedorf gegen Neonazis in Bergedorf und den Vier- und Marschlanden sowie für schulische Mitbestimmung eingesetzt. Nach dem Abitur hat er an der Uni Hamburg Politikwissenschaft studiert – mit einem halbjährigen europäischen Erasmus-Stipendium in Oslo – und als Master of Arts abgeschlossen. Während des Studiums hat er sich der Grünen Jugend angeschlossen und war von 2012 bis 2017 Mitarbeiter in den Wahlkreisbüros der MdBs Krista Sager und Manuel Sarrazin und leitet seit 2018 das Regionalbüro grüner Europaabgeordneten. Seit Juni 2019 leitet er die Grünen-Fraktion im Bezirk Mitte.
Der Wahlkreis 18 hat u.a. mit Mitte, Uhlenhorst, Barmbek oder Dulsberg wohlhabende bürgerliche und auch stark benachteiligte Stadtteile. Wie wollen Sie Ihre Wähler:innen mit welchen Themen in Berlin vertreten? Die Mischung im Wahlkreis ist doch total spannend. Ja, der Wahlkreis ist eine Herausforderung und genau das macht mir Spaß. Die Wähler:innen als Einheit gibt es nicht, sondern wir müssen unterschiedlichste Erwartungen erfüllen. Ich möchte erstens inhaltlich unsere Gesellschaft klimaneutral gestalten und gegen die Anfeindungen der radikalen Rechten schützen, die leider bei uns in den Parlamenten sitzen und wohl auch weiter sitzen werden. Und ich möchte zweitens ein Sprachrohr der Berliner Politik im Wahlkreis sein und mich durch Präsenz im Wahlkreis auszeichnen. Ich werde hier vor Ort weiterhin für alle Themen ansprechbar und transparent sein und meine Politik erklären. Das reicht von Unternehmen in der Corona-Krise bis zu praktischen Fragen, wo mein Auto in der Mobilitätswende bleibt. Diese Nähe zu den Themen hier und den Wähler:innen ist mir bei dieser Berlin-Kandidatur besonders wichtig.
Wie muss man sich das vorstellen? Ich werde auf die Menschen zugehen und Ihnen eine realistische Perspektive und auch eine Planungssicherheit geben. Wir müssen als Politiker verlässlich sein. Auch deshalb bin ich froh, dass das Vorgeplänkel des Wahlkampfs langsam ausläuft und im August endlich die Gespräche mit den Menschen an der Haustür beginnen. Der digitale Wahlkampf in den sozialen Netzwerken muss auch sein, aber ich liebe es, Klinken zu putzen und in persönlichen Gesprächen meine Überzeugungen zu erläutern und meinem Gegenüber zuzuhören.
Aber Sie sind schon noch grün hinter den Ohren? Nein (lacht), da muss ich Sie enttäuschen. Erstens führe ich als Fraktionschef im Bezirk nun schon zwei Jahre lang die juristische Aufarbeitung um die Verfehlungen meines Vorgängers und muss zugleich mit dafür sorgen, dass wir Grünen in der Fraktion alle weiter motiviert arbeiten. Diese Aufgabe hat mir viele Erfahrungen beschert und mich auch gestärkt. Ich strahle Ruhe nach innen und nach außen aus und kann Krisen managen. Und ich kenne zweitens aus meiner mehrjährigen politischen Arbeit den Bundestag wie das Europäische Parlament, weiß wie Abgeordnete arbeiten, ein Abgeordnetenbüro funktioniert und ich kenne die Abläufe in den Parlamenten selbst. Da macht man mir nichts vor und: Ich kenne den Bundestag vor Ort und werde mich da auch nicht verlaufen! (lacht) Ich kenne den Kosmos Bundestag und weiß, wie er funktioniert. Und das ist wichtig für erfolgreiches politisches Arbeiten als Abgeordneter in Berlin – für unsere grünen Themen wie vor allem auch die unserer und meiner Wähler:innen.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe