»Wir erfinden uns gerne mal neu!«

Comedy. Nach der Premiere von »Reeperbahn Royale« sprach HCZ-Autorin Dagmar Leischow mit Showmoderator Henning Mehrtens über Kreativität, Talent und seine Karriere

Bei der Premiere von ­„Reeperbahn Royale“, der neuen Late-Night-Show im Schmidt Theater, braucht man ziemlich viel Stehvermögen. Gut zweieinhalb Stunden bespaßt Gastgeber Henning Mehrtens mit seinen Gästen das Publikum. Eine Gruppe im Saal ist bis zum Schluss putzmunter und hält sich mit Zwischenrufen nicht zurück. „Die Ultras haben richtig einen getankt“, witzelt der Moderator. Als Verstärkung hat er sich die Comedienne Sara Karas, „Mr. Bingo“ Otto Puttel sowie die Rockröhre Lia Joham ins Boot geholt. Als Team treten sie jeden zweiten Samstag in der „Schmidt Mitternachtsshow“ an – unterstützt von immer wieder anderen Comedy-Acts.
Foto oben: Kiezkultur. „Reeperbahn Royale“-Moderator Henning Mehrtens (2. v. r.): „Ein Haus der offenen Türen. Man muss nur den Mut haben, auch durchzugehen.“ © Morris Mac Matzen | mmacm.com

Ein Höhepunkt beim Opening ist auf jeden Fall Maladée, eine glamouröse Chaos-Chantöse im Glitzerkleid. Einfach hinreißend ist ihr französischer Akzent, beeindruckend ihr Selbstbewusstsein. „Ich bin ganz ergriffen von mir selbst“, flötet sie, bevor sie „Je suis Maladée“ trällert. Mit ihrer Darbietung weiß sie die Zuschauer:innen zu verführen, die bei „Reeperbahn Royale“ von allen Akteur:innen hier und da einbezogen werden.

„Wer ein Ticket kauft, wird Teil des Abends“, erklärt Henning Mehrtens. Er hat zuvor etliche Jahre die „Schmidt Mitternachtsshow“ moderiert. Als sie 1988 an der Start ging, war er noch ein Kind. Er wohnte damals in der Nähe von Bremerhaven. Ab und zu sah er Kultfiguren wie Marlene Jaschke oder Lilo Wanders im Fernsehen: „Das war für mich das Fenster in eine andere Welt.“ Bis er nach seinem Schulabschluss eine Schauspielschule in Hamburg besuchte. Weil er auf der Suche nach einem Nebenjob war, heuerte er 2001 im Schmidt Theater an. Erst war er Garderobier, dann Brezelverkäufer: „Zu diesem Zeitpunkt wollte ich noch als Schauspieler Fuß fassen.“

Lia Joham alias Chantöse Maladée in „Reeperbahn Royale“: „Ich bin ganz ergriffen von mir selbst“, flötet sie, bevor sie „Je suis Maladée“ trällert. © Morris Mac Matzen | mmacm.com

Tatsächlich bekam er ein Engagement in einem Lübecker Privattheater, bloß gingen dort ziemlich schnell die Lichter aus. Im buchstäblichen Sinne. Der Intendant war nämlich kein besonders korrekter Mensch. Also kehrte Henning Mehrtens auf den Kiez zurück. Er kellnerte im Schmidts Tivoli. 2005 wurde er Saalchef im wiedereröffneten Schmidt Theater, er reaktivierte die „Tresenshow“ und legte den Grundstein für die Karaoke-Show in der Hausbar, die er 13 Jahre moderierte.

Hat er sich nie in einem der Schmidt-Häuser um eine Rolle in einer Produktion beworben? „Ich habe bei einem Casting für ,Die Salome vom Spielbudenplatz‘ mitgemacht“, plaudert er aus. „Aber für diese Inszenierung konnte ich nicht gut genug singen.“ Später ist er mal spontan als Lottofee in „Die Königs schenken nach“ für einen Kollegen eingesprungen, dessen Flug verspätet war. Zum Glück hatte er auf der Bühne Moderationskarten, die Tanzschritte musste er sich ganz flott draufschaffen: „Bevor bei uns eine Show ausfällt, wird eben improvisiert.“

Eine wirkliche Heimat wurde für den Rahlstedter das Schmidtchen. Seit vielen Jahren ist er der Hausherr, die gute Seele dieses kleinen Saals. Anfangs stand er jeden Abend selber an der Tür, um die Gäste zu begrüßen, heute arbeitet er mehr hinter den Kulissen. Er hat schon ein paar Showkonzepte entwickelt und wählt die Gastkünstler:innen aus. Zudem moderiert er „Reeperbahn Royale“. Wieso die legendäre „Schmidt Mitternachtsshow“ diesem Format weichen musste? „Wir erfinden uns gerne mal neu“, sagt Henning Mehrtens. Im Laufe der Jahre sei dem Vorgänger das Wilde und Unberechenbare ein Stück weit abhandengekommen, das Publikum sei müder geworden. Eine Comedy-Mixed-Show mit Gameshow-Charakter soll den Funken nun wieder entfachen, zum Beispiel mit einem interaktiven Quiz: „Normalerweise müssen die Handys ausgeschaltet werden, wir beziehen sie einfach ein.“ 

In den Kiez-Theatern ist halt manches ein bisschen anders. Henning Mehrtens beschreibt seinen Arbeitsplatz als „Haus der offenen Türen“: „Man muss nur den Mut haben, auch durchzugehen.“ Dagmar Leischow

Info „Reeperbahn Royale“ findet alle zwei Wochen samstags um 23.59 Uhr im Schmidt Theater statt. Karten und weitere Informationen unter www.tivoli.de

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