Der Chansonabend „Kleine große Liebe“ mit Annett Louisan im Großen Saal der Elbphilharmonie
Dieser Auftritt setzt wohl einen Meilenstein in Annett Louisans Karriere: Die Sängerin gastiert zum ersten Mal in der Elbphilharmonie. Obwohl sie in ihren High Heels zielstrebig auf die Bühne kommt, wirkt sie beim ersten Lied „Kleine große Liebe“, Titelsong ihres Jüngsten Albums und der aktuellen Tournee, ziemlich nervös. Der Grund hierfür ist wahrscheinlich nicht nur ihre zweijährige Babypause, sondern vor allem der Respekt vor der Konzerthalle. „Für mich als Hamburgerin ist es doppelt schön, hier ein Konzert zu geben“, sagt sie ehrfürchtig.
(Foto oben: Annett Louisiana wurde bei der Hamburg-Premiere ihrer Konzerttour „Kleine große Liebe“ vom Publikum gefeiert. ©Christoph Köstlin)
Wie gut, dass ihre Band ihr mit einem Mix aus Chanson und Pop musikalisch souverän den Rücken stärkt. Da kann sich bei „Zweites erstes Mal“ der Charme ihrer Kleinmädchenstimme vollends entfalten. Das Lied „Wir sind verwandt“ moderiert sie mit einem Eckhart-Tolle-Zitat an: „Wenn du glaubst, erleuchtet zu sein, dann besuche deine Familie.“ Sie ist ihr wichtig, dafür liefert ihr aktuelles Album „Kleine große Liebe“ jede Menge Beweise. Es setzt sich zum Beispiel mit dem Muttersein auseinander. „Meine Tochter“, versichert die 42-Jährige, „ist das Schönste, was mir passiert ist.“ Wie sehr sie für sie schon während ihrer Schwangerschaft ihr Leben umgekrempelt hat, erzählt sie in dem Stück „Ein besserer Mensch“.
Selbstredend hat sie an diesem Abend auch „Ich bin klein“ im Repertoire. Diese Nummer nutzt sie, um einen kurzen Spaziergang durch die vorderen Sitzreihen zu machen. Mit „Eine Frage der Ehre“ animiert Annett Louisan das Publikum zum Mitklatschen, bevor sie sich in die Pause verabschiedet. Den zweiten Teil ihrer Show leitet sie mit einer Anekdote ein. Die gebürtige Sachsen-Anhaltinerin erinnert sich daran, wie sie mit zwölf zum allerersten Mal nach Hamburg kam. Die Gerüche, die sie im Hauptbahnhof wahrnahm, sind ihr unvergesslich geblieben: „Die Wendezeit war ein einschneidendes Erlebnis.“ An diese Ära knüpft sie mit dem Titel „Straße der Millionäre“ an. „Meine Kleine“ widmet sie ihrem Mann Marcus Brosch, mit dem sie „Two Shades of Torsten“ geschrieben hat.
Gerade dieser Song belegt, wo Annett Louisans Stärke liegt. Sie versteht es, das Thema Zweisamkeit mit Humor auf den Punkt zu bringen. Beziehungskrisen, heimliche Sehnsüchte, Koketterie – nichts ist ihr fremd. Coolness war für sie nie eine Option. Sie ist ein emphathischer Mensch, eine kluge Beobachterin. Wenn sie ihre Geschichten erzählt, steht ihr Gesang im Mittelpunkt. Ohne Bühnenpomp. Einzig Scheinwerfer, deren Farben changieren, tauchen sie ins passende Licht.
Bei diesem Konzert wird klar: Ihr Lolita-Image hat Annett Louisan längst abgestreift.
Selbst Kritiker erkennen sie mittlerweile als ernsthafte Künstlerin an, die mehr als ihr eigenes Repertoire beherrscht. Mit „Spiel Zigeuner“, das sie dank ihres Idols Charles Aznavour kennt, schnuppert sie in die Welt der russischen Volkslieder hinein – mit Erfolg. Völlig in den Bann zieht sie die Zuschauer mit der letzten Zugabe „Das Spiel“. Ihren Hit präsentiert sie in einer minimalistischen Version, nur ein Piano begleitet sie. Das ist großartig. Da gibt es am Schluss verdientermaßen Standing Ovations. Dagmar Leischow