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Ralf Neubauer auf dem Präsidiumstisch der Bezirksversammlung: „Hamburg-Mitte kann man nicht ohne die City, ohne die ­Altstadt, die Neustadt sowie die HafenCity denken. Das ist meine Überzeugung. Wir werden dabei die Attraktivität und Aufenthaltsqualität ­unser»Ich schätze das offene und klare Wort«er Plätze steigern und planen die Wiederbelebung des Quartiers durch Wohnen.“ © Catrin-Anja Eichinger
»Ich schätze das offene und klare Wort«

Hamburg-Mitte. Der neue Bezirkschef Ralf Neubauer (SPD) im exklusiven HCZ-Gespräch über das neue „Mitte machen“, eine neue Sportanlage und die Fehler in der HafenCity 

Ralf Neubauer auf dem Präsidiumstisch der Bezirksversammlung: „Hamburg-Mitte kann man nicht ohne die City, ohne die ­Altstadt, die Neustadt sowie die HafenCity denken. Das ist meine Überzeugung. Wir werden dabei die Attraktivität und Aufenthaltsqualität ­unser»Ich schätze das offene und klare Wort«er Plätze steigern und planen die Wiederbelebung des Quartiers durch Wohnen.“ © Catrin-Anja Eichinger

Herr Neubauer, Sie sind seit zwei Monaten neu im Amt des Bezirkschefs von Hamburg-Mitte. Wie ist Ihre Stimmungslage? Sehr gut! Das ist eine Aufgabe, die mir tatsächlich seit dem ersten Tag große Freude macht. Natürlich ist die Arbeit mit den vielen Aufgaben, Themen und Terminen auch sehr herausfordernd. Aber ich habe es bislang keine Sekunde bereut.
Ralf Neubauer auf dem Präsidiumstisch der Bezirksversammlung: „Hamburg-Mitte kann man nicht ohne die City, ohne die ­Altstadt, die Neustadt sowie die HafenCity denken. Das ist meine Überzeugung. Wir werden dabei die Attraktivität und Aufenthaltsqualität ­unser»Ich schätze das offene und klare Wort«er Plätze steigern und planen die Wiederbelebung des Quartiers durch Wohnen.“ © Catrin-Anja Eichinger

Was haben Sie im Moment der Wahl gedacht? Wahnsinn, es hat tatsächlich geklappt. Und dann auch noch mit einem ganz ordentlichen Ergebnis.

Ralf Neubauers Führungsstil? „Kollegialität. Ich versuche mit wenig Hierarchie und viel Gemeinsamkeit einvernehmliche Lösungen und Entscheidungen hinzubekommen. Wenn das nicht klappt, gibt es aber auch mal Klartext.“ © Catrin-Anja Eichinger
Ralf Neubauers Führungsstil? „Kollegialität. Ich versuche mit wenig Hierarchie und viel Gemeinsamkeit einvernehmliche Lösungen und Entscheidungen hinzubekommen. Wenn das nicht klappt, gibt es aber auch mal Klartext.“ © Catrin-Anja Eichinger

Sie haben das Glück des Anfangs nach zwei Jahren Pandemie, dass es seit Ende Februar keine Sperrstunde und gelockerte Regelungen und ab dem 20. März nur noch Maskenpflichten gibt. Wie hat die Pandemie den Bezirk Mitte verändert? Auf vielfältige Weise. Sie hat vor allem auch das Gesicht der Innenstadt noch einmal ein Stück weit verändert. Der Einzelhandel, der sowieso schon mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, ist weiter unter Druck geraten. Das Thema „Entwicklung der City“ bewegt uns an allen Ecken und Enden. Wir wollen uns dabei grundsätzlich breiter aufstellen, wollen auch Wohnen in der Innenstadt stärker möglich machen, kreative Zwischennutzungen bei Leerständen fördern und die Mönckebergstraße dauerhaft vom Busverkehr entlasten. 

Jetzt fahren sie leider wieder. Ja, aber nur temporär. Die Mönckebergstraße ohne Busverkehr wird am Ende kommen, davon bin ich überzeugt. Die City war auch von der Pandemie besonders hart getroffen, weil die Menschen in ihren Quartieren geblieben sind. Mitten in der Woche war sie manchmal menschenleer. Das empfand ich als extrem bedrückend.

Ralf Neubauer ist seit 10. Januar 2022 neuer Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte. Der 40-Jährige wurde in Crailsheim in Baden-Württemberg geboren und wohnt auf Finkenwerder. Der von ihm geführte Bezirk Hamburg-Mitte hat stadtweit 1.700 Mit­arbeiter und erwirtschaftet unter anderem mit seinen Industrieunternehmen den größten Bruttoumsatz pro Jahr aller Bezirke und gehört so zur tragenden Finanzsäule des Stadtstaats. 
Der 40-jährige Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht war bereits von 2008 bis 2014 Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Seit 2017 war Ralf Neubauer Vorsitzender des Regionalausschusses Finkenwerder. Von Februar 2020 bis zu seiner ­Ernennung zum neuen Bezirksamtsleiter war er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und engagierte sich dort in den Ausschüssen Gesundheit und Verkehr sowie Verfassung und Bezirke. Ralf Neubauer ist verheiratet mit Nadine Neubauer (40) und lebt mir ihr, dem ­gemeinsamen Sohn (4) und einem weiteren Sohn (18) aus einer früheren Beziehung seiner Frau nahe des Fähranlegers Finkenwerder. Er wurde von der Bezirksversammlung am 17. November 2021 mit 32 von 47 Stimmen zum neuen Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Mitte gewählt. WT

Warum steht die Innenstadt für Sie ganz oben bei den Zukunftsprojekten? Die Innenstadt ist ja buchstäblich zentraler Bestandteil des Bezirks, deshalb ist sie mir auch so wichtig. Hamburg-Mitte kann man nicht ohne die City, ohne die Altstadt, die Neustadt sowie die HafenCity denken. Das ist meine Überzeugung. Der Hamburger Senat will bis zum Ende dieser Legislaturperiode 50 Millionen Euro in die in die Aufwertung, in die Attraktivitätssteigerung der Hamburger Innenstadt stecken. 

Und die Unternehmer­stimme der Innenstadt, Inhaber Ludwig Görtz, sagt selbstbewusst: Wir Unternehmer haben bislang 75 Millionen Euro investiert. Also fehlen noch 25 Millionen für Augenhöhe. Ich finde 50 Millionen Euro nicht gerade wenig. Die müssen wir erstmal auf die Straße bekommen. Wir werden dabei die Attraktivität und Aufenthaltsqualität unserer Plätze steigern und planen die Wiederbelebung der Quartiere durch Wohnen. Als ich 2004 nach Hamburg gezogen und abends um 21 Uhr durch die Mönckebergstraße gelaufen bin, konnte ich nicht nachvollziehen, dass ich mitten in der Hamburger City war. Da war nix los. Wir müssen dringend weg vom Einzelhandels- und Büro-Stadtteil.

Was macht Ralf Neubauer, wenn er sich ärgert? „ Ich spreche das direkt dort an, worüber ich mich geärgert habe. Das macht mir wahrscheinlich nicht nur Freunde. Aber ich schätze das offene und klare Wort.“ © Catrin-Anja Eichinger
Was macht Ralf Neubauer, wenn er sich ärgert? „ Ich spreche das direkt dort an, worüber ich mich geärgert habe. Das macht mir wahrscheinlich nicht nur Freunde. Aber ich schätze das offene und klare Wort.“ © Catrin-Anja Eichinger

Parteikarriere macht man häufig mit der sogenannten Ochsentour. Sie waren schon mal für Finkenwerder sechs Jahre in der Bezirksversammlung und zuletzt auch in der Bürgerschaft. Wie wird man Bezirkschef? Politische Karrieren lassen sich nach meiner Erfahrung nur sehr bedingt planen. Es gibt manchmal Gelegenheiten, wie jetzt hier in Mitte, dass sich der amtierende Bezirksamtsleiter Falko Droßmann erfolgreich für eine andere politische Aufgabe als Bundestagsabgeordneter beworben hat. Dann gibt es verschiedene mögliche Bewerber. Ich war einer davon und mich hat die Aufgabe von Beginn an sehr gereizt. 

Was hat Sie qualifiziert? Ich bin Jurist und habe eine lange bezirkspolitische Laufbahn hinter mir, bin seit 2005 durchgehend in bezirklichen Gremien tätig gewesen, u.a. als Bezirksabgeordneter und als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, und war zuletzt auch in der Hamburgischen Bürgerschaft, bringe also viel politische Erfahrung mit. Außerdem kenne ich das Haus durch meine langjährige Tätigkeit hier ganz gut. Und meine Partei, die SPD, wie auch die Koalition der Bezirksversammlung wünschten sich eine politische Amtsleitung. 

Was ist eine politische Amtsleitung? Wir haben einen Verwaltungsdezernenten, der sich vorrangig um die Belange wie Ressourcensteuerung, Personal und weitere interne Angelegenheiten in der Verwaltung kümmert. Das mache ich weniger. Der Bezirksamtsleiter bestimmt u.a. die politische Kommunikation mit der Bezirksversammlung und nach außen mit den Bürgerschaftsabgeordneten und -fraktionen sowie mit anderen Behördenleitern. Das ist der politische Part der Aufgabe. 

„Eigentlich sollte der Anckelmannsplatz ertüchtigt werden, das ist ins Stocken geraten, zudem ist vielen in der HafenCity die Anlage zu weit weg. Trotzdem reicht die Sportanlage, die auf dem Grasbrook entstehen soll, nicht aus, um den Bedarf in der HafenCity zu decken, zumal der Grasbrook auch die Sportanlage auf der Veddel entlasten soll. Wir sind dazu in Gesprächen, auch die Idee einer Sportanlage im Entenwerder Elbpark wird aktuell wieder diskutiert. Apropos: Für mich ist der Entenwerder Elbpark immer noch ein unterentwickeltes Juwel.“
Ralf Neubauer über den Bau eines wettkampftaugliches Großspielfelds für die HafenCity

Sie sind also eine Art Außenminister für Hamburg-Mitte? Nein, aber ich bin für die Kontakte nach außen, gerade in die Öffentlichkeit und in den politischen Raum, zuständig. Wenn Sie unbedingt nach einem Titel suchen …

… ja, das macht Aufgaben transparenter … dann bin ich eher eine Art Bezirksbürgermeister, aber nur, wenn ich in meiner baden-württembergischen Heimat gefragt werde, was ich mache. In Hamburg bin ich Bezirksamtsleiter. 

Sie sind von einer relativ breiten Mehrheit in der Bezirksversammlung gewählt worden. Sind Sie als SPD-Mitglied nun ein roter Mitte-Chef oder ein überparteilicher Verwaltungsleiter? Als Beamter auf Zeit bin ich der politischen Neutralität verpflichtet. Deswegen habe ich zwar nicht meine politische Haltung mit der Wahl abgegeben. Aber ich arbeite mit allen demokratischen Fraktionen in der Bezirksversammlung zusammen und das allermeistens sehr gerne. 

Ihr Kerngeschäft ist auf Bezirksebene das Führen von Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen in den 19 Stadtteilen von Mitte. Was überwiegt: Aktenstudium oder Ideenwerkstatt? Das ist die große Kunst, das in die Balance zu bringen. Am Aktenstudium kommt man nicht vorbei, aber ohne Ideen wird man in diesem Job auch nichts. Da ist man gefordert, zumal ich gerne draußen im Bezirk unterwegs bin. Ich bin schon immer ein großer Fan davon, mir Sachen vor Ort anzugucken. Man erhält ein ganz anderes, authentisches Bild, als wenn man die Dinge nur vom Schreibtisch aus, durch das Aktenstudium betrachtet. Für mich ist es wichtig, Dinge so oft wie möglich selbst wahrzunehmen und zu erleben und mit Menschen und Verantwortlichen vor Ort zu sprechen, damit wir gute, richtige Entscheidungen treffen.

Gabentisch zur Amtseinführung von Ralf Neubauer durch die SPD-Bürgerschaftsfraktion: Das Bild ohne Titel der Kiezkünstlerin Julia Staron taufte Neubauer kurzerhand „Fraktion“, das maritime Kapitänsgeschenk ist ein Steuerrad für den Bezirkschef, der 1.700 Mitarbeiter führt. © Catrin-Anja eichinger
Gabentisch zur Amtseinführung von Ralf Neubauer durch die SPD-Bürgerschaftsfraktion: Das Bild ohne Titel der Kiezkünstlerin Julia Staron taufte Neubauer kurzerhand „Fraktion“, das maritime Kapitänsgeschenk ist ein Steuerrad für den Bezirkschef, der 1.700 Mitarbeiter führt. © Catrin-Anja Eichinger

Sie leben in Finkenwerder. Wie sieht Hamburg von der Südseite der Elbe aus? Also: Selbst der bis heute ländlich geprägte Süden Finkenwerders ist schon seit 1937 ein Teil von Hamburg, wir gehören schon dazu (lacht). Vom Gorch-Fock-Park in Finkenwerder hat man einen herrlichen Panoramablick auf die Elbe und auf Hamburg, von dort kann man bis zur Elbphilharmonie in der HafenCity blicken. Ich habe insoweit einen tollen Weg zur Arbeit. Wenn ich mit der Fähre auf die Innenstadt zusteuere und auch noch einen Sonnenaufgang erlebe, bietet sich mir das einzigartige Hamburg-Panorama vom Wasser aus. 

Von Finkenwerder bis Wilhelmsburg, von Billbrook über St. Pauli und die Innenstadt bis zur HafenCity sind Sie für rund 300.000 Menschen mitverantwortlich. In welchem Srtadtteil gibt es den dringendsten Handlungsbedarf? Wir haben in allen Stadtteilen dringende Themen, die jedoch ganz unterschiedlicher Natur sind in der HafenCity geht es aktuell mehr um Grün- und Sportanlagen, aber auch um Verkehrsthemen, in anderen Stadtteilen überwiegen wiederum eher sozialpolitische Fragen. 

Sie müssen wie ein Konzernchef für Ihre 1.700 Mitarbeiter ja eine Agenda haben. Wie sieht die aus? Mir liegt neben der Entwicklung der Innenstadt und unserer Stadtteile und Wohnquartiere auch die soziale Infrastruktur sehr am Herzen, Gerade in und nach der Pandemie müssen wir denen helfen, die es auch so schon nicht einfach haben. 

Was heißt soziale Infrastruktur? Dass wir Angebote für alle Bevölkerungsgruppen haben, für Familien, Kinder, Jugendliche und Senioren. „Mitte machen“ ist unser aktuelles Projekt im Bezirk, bei dem wir jetzt der Reihe nach gucken, was im jeweiligen Quartier vordringlich fehlt. Etwa ein Stadtteilzentrum auf der Veddel, das womöglich in der Immanuel-Kirche Platz findet, weil der Kirchenkreis das Gebäude nicht länger unterhalten kann. Mein Ziel mit allen Mitarbeiter:innen im Bezirk-Mitte ist, Angebote und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, die alle Menschen abholen. Wir wollen keinen zurücklassen. 

Der Bezirk Mitte ist zerrissen. Einerseits ist er Hamburgs wirtschaftsstärkster Faktor mit viel Industrie, andererseits prägt ihn auch gravierende Armut, und er braucht überproportional starke soziale Transferleistungen. Können Sie versöhnen? Ich will es versuchen. Die Schwierigkeit ist unter anderen, dass sie die Ursachen von Armut auf bezirklicher Ebene nur sehr eingeschränkt bekämpfen können. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht. Ein wichtiges Thema ist die Obdachlosigkeit von Menschen, zu dem die Bezirksversammlung dem Senat ein Modellprojekt vorgeschlagen hat, dass auf Landesebene auch im Koalitionsvertrag steht: „Housing First“. Es soll nach finnischem Vorbild dafür sorgen, dass möglichst alle obdachlosen Menschen ohne Vorbedingungen ein Dach überm Kopf bekommen. Aber: Der Bezirk allein kann nicht Armut abschaffen. Das gehört zur Wahrheit dazu. 

Ihr Vorgänger Falko Droßmann sah dringenden Handlungsbedarf in der HafenCity, weil, salopp gesagt, das noch gar kein Stadtteil sei. Es gebe keine Mütterberatungsstelle und keine Eckkneipen. Wie sehen Sie Hamburgs jüngsten Stadtteil? Die Kritik daran, dass der Stadtteil bestimmte Dinge, die man sonst eigentlich von vorneherein mit einplant, noch nicht hat, kann ich ausdrücklich teilen. Das machen wir als Bezirk deutlich anders, wenn wir ein Quartier planen. Zurzeit diskutieren wir ja wieder einmal, wo für die HafenCity ein wettkampftaugliches Großspielfeld verwirklicht werden kann. 

„Ich finde sie grüner, als man gemeinhin so denkt. Aber ich finde ehrlich gesagt, gerade innerstädtische Räume könnten durchaus noch mehr Grün vertragen. Das ist auch unter Klimaschutz-Aspekten und der Biodiversität immer wieder ein Thema.“
Ralf Neubauer zur Debatte „Mehr Grün“ in der HafenCity

Was für Sportvereine wie zum Beispiel den Störtebeker SV HafenCity Alt- und Neustadt Sport e. V. und andere von zentraler Bedeutung ist. Zurzeit fallen wegen fehlender Sportstätten ganze Jugendgruppen aus der sportlichen Betreuung. Das stimmt und muss dringend positiv gelöst werden. Haben wir aber noch nicht. Eigentlich sollte der Anckelmannsplatz ertüchtigt werden, das ist ins Stocken geraten, zudem ist vielen in der HafenCity die Anlage zu weit weg. Trotzdem reicht die Sportanlage, die auf dem Grasbrook entstehen soll, nicht aus, um den Bedarf in der HafenCity zu decken, zumal der Grasbrook auch die Sportanlage auf der Veddel entlasten soll. Wir sind dazu in Gesprächen, auch die Idee einer Sportanlage im Entenwerder Elbpark wird aktuell wieder diskutiert. Apropos: Für mich ist der Entenwerder Elbpark immer noch ein unterentwickeltes Juwel. 

Wenn Sie als Bezirk das anders geplant hätten, ist das auch eine deutliche Kritik an der HafenCity Hamburg GmbH. Die hat das verbockt. Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Lösungen. Das Bezirksamt ist in einem regelmäßigen Austausch mit der HafenCity Hamburg GmbH, ich stehe in Kontakt mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Herrn Dr. Kleinau. Da steht nicht nur das Sportanlagen-Thema, sondern auch die Entwicklung des Grasbrooks, des Billebogens und des Stadteingangs Elbbrücken auf der Agenda. Für die HafenCity habe ich einfach den dringenden Wunsch, dass wir endlich das wettkampftaugliche Großspielfeld realisieren. Eine solche Anlage fehlt wirklich. 

Anwohner:innen und Initiativen wie das Netzwerk HafenCity e. V. fordern mehr Grün fürs Quartier, und es wird dazu einen runden Tisch, initiiert von der Bürgerschaft, geben. Für Sie nachvollziehbar? Ich finde sie grüner, als man gemeinhin so denkt. Aber ich finde ehrlich gesagt, gerade innerstädtische Räume könnten durchaus noch mehr Grün vertragen. Das ist auch unter Klimaschutz-Aspekten und der Biodiversität immer wieder ein Thema. Ich persönlich bin da offen. Zugleich ist das Thema komplex. Ich stehe zum Beispiel wie mein Vorgänger dazu, dass unsere 0,40 Euro pro Quadratmeter Grünpflege in den Stadtteilen auch für die HafenCity gilt. Das könnten Sie anderen Stadtteilen nicht vermitteln, dass man in der HafenCity zurzeit bis zu 4,50 Euro für den Quadratmeter Grünpflege ausgibt und der Rest mit einem Bruchteil davon auskommen muss. Wir brauchen für die Grünunterhaltung in allen Stadtteilen mehr Geld und keine Sonderbehandlung für die HafenCity. Das müssen Senat und Bürgerschaft klären und uns dann gegebenenfalls, wenn der Bezirk die HafenCity komplett übernehmen wird, als Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Das geht nur so.

Für Gewerbetreibende und Wohnungseigentümer kommt der Bezirk oftmals als Paragrafenreiter daher, der vorschreibt, dass es keine oder nur zwei statt drei Blumentöpfe vorm Ladenlokal geben darf und man als Eigentümer zweimal Gebühren für öffentlichen Grund zahlt, beim Erwerb der Immobilie und später noch mal anteilig bei Unterhalt und Pflege öffentlicher Freiräume wie etwa von Promenaden am Grasbrookhafen. Wollen Sie das ändern? Der Bezirk entscheidet ja nicht darüber, was er prüft. Zum Beispiel prüfen wir Baugenehmigungen, wie zum Beispiel bei der Frage, ob ich eine Reklame außen an meinem Laden anbringen darf. Dafür ist eine Baugenehmigung erforderlich. Das schreibt uns die Hamburgische Bauordnung vor und die macht der Gesetzgeber, also die Hamburgische Bürgerschaft. Ich bin manchmal selbst unglücklich darüber, wenn wir Baugenehmigungen ablehnen müssen, die ich viel lieber erteilen würde, weil sie Sinn machen. Das Recht lässt keine andere Möglichkeit zu. Weder der Bezirk noch ich können und wollen geltendes Recht außer Kraft setzen. 

Also muss die Bürgerschaft Teile der Bauordnung ändern, um flexibler im Bürgersinne zu werden? Ja, das wäre ein ganz klarer Auftrag an die Bürgerschaft! 

Viele Menschen, auch in der HafenCity, empfinden Bürgerbeteiligung als Alibi-Aktivität, als Beteiligungsfeigenblatt, um am Ende doch alles so zu machen, wie Verwaltung, Behörden und Politik das wollen. Stimmt das Klischee? Der Vorwurf ist sehr pauschal. Ich nehme für mich in Anspruch, dass wir Bürger:innen und Bürgerbeteiligung als Bezirksamt ernst nehmen. Aber wir können es nicht immer jedem recht machen. Bürgerbeteiligung heißt ja nicht, dass am Ende genauso gemacht werden kann, wie sich Bürger:innen das wünschen, zumal es da ja auch selten eine einheitliche Meinung gibt. Zugleich wollen wir Ideen aufgreifen und Initiativen fördern.

Die HafenCity-Anwohner:­innen und das Netzwerk HafenCity e. V. fordern den Rückbau vierspuriger Straßen und eine generelle Tempo-30-Zone für den gesamten Stadtteil. Wie sehen Sie das? Das kann man nicht isoliert für die HafenCity betrachten. Die Idee des Senats einer Mobilitätswende gilt für die ganze Stadt. Auch in angrenzenden Stadtteilen zur HafenCity haben wir massive Verkehrsbelastungen. Und dass man jetzt sagt, man baut nur in der HafenCity alles zurück und macht Tempo 30, und dann kann der Rest sich mit dem Verkehr herumschlagen, ist kein ganzheitlicher Ansatz. Mit der Brechstange funktioniert Mobilitätswende allerdings auch nicht. Wir brauchen Angebote, die überzeugen, und von den Menschen angenommen werden. 

Wie schalten Sie vom Berufsalltag ab? Wenn ich auf Finkenwerder von der Fähre steige, bin ich die meisten Themen tatsächlich los. Und wenn ich dann abends mit meiner Frau und dem Hund noch mal aufs Vorland, wie wir Finkenwerder den Gorch-Fock-Park direkt an der Elbe nennen, gehe, ist der berufliche Alltag erst einmal vergessen. 

Sie sind Sternzeichen Steinbock. Die gelten als fleißig, ehrgeizig und geduldig. Was machen Sie, wenn Sie sich ärgern? Ich spreche das direkt dort an, worüber ich mich geärgert habe. Das macht mir wahrscheinlich nicht nur Freunde. Aber ich schätze das offene und klare Wort.

Sie sind Baden-Württemberger und kommen aus Crailsheim, das zwischen Stuttgart und Nürnberg liegt. Was hat Sie geprägt? Ich bin in einem 5.000-Seelen-Dorf in der Nähe von Crailsheim, in einer protestantischen Gegend, aufgewachsen. Deswegen bin ich auch so gerne auf Finkenwerder. Es ist dörflich, man kennt und hilft sich und achtet aufeinander. Das hat mich insoweit schon geprägt. Und ein gewisses protestantisches Arbeitsethos bekommt man dort wahrscheinlich auch in die Wiege gelegt. 

Wie und wo machen Sie Urlaub, etwa zu Ostern? Ich bin in der Karwoche vor Ostern mit meiner Familie auf Rügen und über Ostern bei meinen Eltern in Baden-Württemberg.  Wir hoffen auf viel Sonne und möglichst wenig Corona. 

Als maritimes Geschenk zum Dienstantritt haben Sie von Ihrer SPD-Bezirksfraktion ein Gemälde von der St.-Pauli-Künstlerin Julia Staron und ein Steuerrad bekommen. Wie sehen Sie die Geschenke? Beide Geschenke symbolisieren für mich, dass sowohl Politik als auch Verwaltung eine Teamleistung ist. Auf Julia Starons Gemälde sind viele verschiedene Köpfe zu sehen und so vielfältig ist das auch hier im Bezirk. Wir sind 1.700 Mitarbeiter:innen im Bezirksamt und 51 Bezirksabgeordnete in der Bezirksversammlung und stehen alle gemeinsam als Team am Steuerrad. Allein geht es nicht. 

Und Ihre Führungsphilosophie? Kollegialität. Ich versuche mit wenig Hierarchie und viel Gemeinsamkeit einvernehmliche Lösungen und Entscheidungen hinzubekommen. Wenn das nicht klappt, gibt es aber auch mal Klartext. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

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