Exklusiv: Fragen der HafenCity Zeitung an den ersten Bürgermeister Hamburgs und Spitzenkandidat Dr. Peter Tschentscher für die Bürgerschaftswahl am 23. Februar
Peter Tschentscher, SPD, will Erster Bürgermeister bleiben. Der Chef des rot-grünen Senats und Spitzenkandidat von Hamburgs Sozialdemokraten setzt u.a. auf sozialen Ausgleich, günstige Mieten und kostenfreie Kitas sowie gute Schulen. „Mit einer umfassenden Innovations- und Digitalstrategie bringen wir Wissenschaft und Wirtschaft zusammen.“
Mein Ziel ist es, Erster Bürgermeister zu bleiben und das Regierungsprogramm der SPD als stärkste Kraft im Senat umzusetzen.“ Foto oben: © Senatskanzlei Hamburg
Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
Herr Tschentscher, Sie sind seit knapp zwei Jahren Erster Bürgermeister, nachdem Olaf Scholz als Finanzminister ins Bundeskabinett gewechselt ist, und Sie sind Spitzenkandiat der SPD für die Bürgerschaftswahl am 23. Februar. Wie hat das Amt Sie in den 24 Monaten verändert? Peter Tschentscher: Als Person wenig. Ich musste mich aber erstmal darauf einstellen, im Amt des Bürgermeisters stärker in der Öffentlichkeit zu stehen als früher als Finanzsenator.
Welche Ihrer Eigenschaften hilft Ihnen, die Herausforderungen des Ersten Bürgermeisters, des Vertreters aller Hamburger und als Senatschef einer rot-grünen Koalition gut zu bewältigen? Ich bin ein ruhigerer Typ und kann mich auch dann gut auf meine Aufgaben konzentrieren, wenn es um mich herum hektisch wird.
VITA
Dr. Peter Tschentscher ist ist seit 28. März 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg – als Nachfolger von Olaf Scholz (SPD), der als Finanzminister nach Berlin ging – und Spitzenkandidat der SPD in der kommenden Bürgerschaftswahl am 23. Februar. Der 54-jährige gebürtige Bremer machte am Gymnasium Eversten in Oldenburg sein Abitur, studierte an der Uni Hamburg Humanmedizin und Molekularbiologie, promovierte 1995 zum Dr. med. und habilitierte sich 2008 auf dem Gebiet der Klinischen Chemie und Laboratoriumsmedizin. Von 2011 bis 2018 war er Finanzsenator beim Hamburger Regierungschef Olaf Scholz. Tschentscher arbeitete ab 1994 als Assistenzarzt in der Laboratoriumsmedizin, Inneren Medizin, Transfusionsmedizin und Medizinischen Mikrobiologie und erhielt die Anerkennung als Klinischer Chemiker (2003) und Facharzt für Labormedizin (2006). Der Privatdozent der Uni Hamburg ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.
Nach zwei Jahren als Regierungschef: Was hätten Sie gerne besser hinbekommen? Das müssen Sie andere fragen. Ich finde, wir haben unsere Arbeit gut gemacht. Vor allem freut mich, dass wir durch den Wohnungsneubau den Mietenanstieg gestoppt haben.
Sie gehen bei der Wahl aufs Ganze: Nach der Wahl stehen Sie nur als Erster Bürgermeister weiter zur Verfügung, nicht etwa als kleinerer Koalitionspartner mit den Grünen. Warum? Weil es mein Ziel ist, Erster Bürgermeister zu bleiben und das Regierungsprogramm der SPD als stärkste Kraft im Senat umzusetzen. Wir wollen den erfolgreichen Kurs der vergangenen Jahre fortsetzen und müssen dafür ein möglichst gutes Ergebnis bei der Hamburg-Wahl erreichen.
Bitte so knapp es irgendwie geht: Warum sollen die Wähler*innen Sie und nicht die grüne Zweite Bürgermeisterin wählen? Weil wir die Stadt seit 2011 auf einen guten Kurs gebracht haben, den wir fortsetzen sollten. Wir müssen dabei die ganze Stadt im Blick behalten und den Klimaschutz mit einer weiterhin starken Wirtschaft verbinden. Die SPD sorgt für den sozialen Ausgleich und hat in Hamburg bewiesen, dass sie die Stadt voranbringen kann. Im Wohnungsbau, mit kostenlosen KITA-Plätzen, innerer Sicherheit und einem soliden Haushalt, der uns Investitionen in wichtige Zukunftsprojekte ermöglicht. Dazu gehören der Bau neuer U- und S-Bahnen, der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Modernisierung des Hafens und einer Stärkung von Schulen und Hochschulen. Mit einer umfassenden Innovations- und Digitalstrategie bringen wir Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, um Hamburg zu einer starken und dynamischen Metropole des 21. Jahrhunderts zu machen.
Was ist das wichtigste, das eine rot-grüne Thema, dass nur Sie und Frau Fegebank in einer rot-grünen Koalition für Hamburg verwirklichen können? Es geht bei der Hamburg-Wahl gerade nicht um ein einzelnes Thema. Wir müssen die ganze Stadt im Blick haben, wenn Hamburg weiter erfolgreich sein soll. Dazu wollen wir den Klimaschutz mit einer starken Wirtschaft verbinden und für einen sozialen Ausgleich sorgen – mit günstigen Mieten, kostenfreien Kitas und guten Schulen.
Mehr als 500.000 Menschen setzen sich in ihrer freien Zeit für das Zusammenleben in unserer Stadt ein. Für junge und alte Menschen, in den Bereichen Sport, Naturschutz, Kultur oder bei Vereinen und Hilfsorganisationen, die in Hamburg wichtige Aufgaben übernehmen.“
Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
Sie betonen im Wahlkampf immer wieder, dass die Hamburger stolz auf ihre Stadtteile seien. Warum? Weil es zeigt, dass wir unsere Stadt insgesamt gut entwickelt haben, und weil es eine besondere Stärke ist, dass sich Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwesen engagieren. Mehr als 500.000 Menschen setzen sich in ihrer freien Zeit für das Zusammenleben in unserer Stadt ein. Für junge und alte Menschen, in den Bereichen Sport, Naturschutz, Kultur oder bei Vereinen und Hilfsorganisationen, die in Hamburg wichtige Aufgaben übernehmen.
Apropos HafenCity: Wann waren Sie zuletzt in Hamburgs jüngstem Stadtteil und aus welchem Grund? Erst vor kurzem war ich zu einem Konzert in der Elbphilharmonie. Bei Interviews wählen Journalisten gerne einen Ort in der HafenCity, weil sie sich in kurzer Zeit zu einem Stadtteil entwickelt hat, für den Hamburg bekannt ist. Es gibt für einen Bürgermeister viele Anlässe, den neuen Stadtteil zu besuchen. Zum Richtfest oder bei der Einweihung eines neuen Gebäudes zum Beispiel. Im November haben wir dem Platz an der HafenCity Universität feierlich den Namen Henning-Voscherau-Platz gegeben, weil er die Idee der Umwandlung früherer Hafenflächen in einen neuen Stadtteil ins Werk gesetzt hat.
Könnten Sie sich vorstellen, in der HafenCity zu wohnen? Ja. Wir wohnen aber seit über 20 Jahren in Barmbek, fühlen uns dort sehr wohl und haben nicht vor umzuziehen.
Was gefällt Ihnen an der HafenCity? Die Nähe zum Wasser. Es ist ein moderner Stadtteil und trotzdem spürt man die Tradition als Hafenstadt.
Sie sind als Erster Bürgermeister u.a. auch im Aufsichtsrat der HafenCity Hamburg GmbH. Was fehlt Ihnen in der HafenCity und warum ist es nicht umgesetzt? Die Entwicklung der HafenCity erfolgt vom Westen in den Osten und ist dort noch nicht abgeschlossen. Wir wollen die Entwicklung neuer Wohn- und Gewerbequartiere weiterführen in den Hamburger Osten, mit einer Verbindung auf die Veddel und nach Süden auf den Grasbrook.
Wie erklären Sie sich, dass die HafenCity innerhalb Hamburgs in den Medien ein schlechtes Image als Reichenviertel hat, in dem kaum jemand wohnt, und das abends menschenleer sei? Ich finde nicht, dass die HafenCity ein schlechtes Image hat. Wir haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass hier viele Wohnungen gebaut werden, auch von Genossenschaften und als öffentlich geförderte Wohnungen für Menschen mit kleineren Einkommen. Dazu kommen Grünanlagen, Kitas, Schulen, Sport- und Grünflächen. Ich bin sicher, dass sich in den kommenden Jahren durch die Bewohnerinnen und Bewohner die besondere urbane und maritime Identität des Stadtteils noch stärker herausbildet. So wie in den vielen anderen Stadtteilen Hamburgs, die alle ihren eigenen Charakter haben und zusammen die Vielfalt unserer Stadt ausmachen.
Wie stehen Sie zur Forderung der Initiativen des Netzwerks HafenCity e.V. und Lebenswerte HafenCity e.V., die HafenCity generell zum Tempo-30-Stadtteil zu machen? Mehr als die Hälfte der Straßen in Hamburg sind schon Tempo-30-Zonen. Vor allem vor Einrichtungen wie Schulen, Kitas oder Seniorenwohnheimen führen wir Tempo 30 ein. Ganze Stadtteile zu Tempo-30-Zonen zu machen, ist nicht sinnvoll, weil dann die Lenkungswirkung verloren geht, mit der wir besondere Bereiche vom Durchgangsverkehr freihalten wollen.
Die Anwohner der HafenCity bekommen besonders viel und direkt die Luftverschmutzung durch Kreuzfahrt- und andere Schiffe ab. Will Ihre Partei, die SPD, das ändern und zu wann? Ja, unbedingt. Wir bauen deshalb jetzt an allen Kreuzfahrtterminals und an den großen Containerterminals Landstromanlagen. Die Reedereien rüsten ihre Schiffe ebenfalls mit Landstromtechnik aus. Insgesamt wird die Schifffahrt in den kommenden Jahren sehr viel umwelt- und klimafreundlicher. Die internationalen Vorschriften zu Schadstoffgrenzwerten werden strenger, und viele Reedereien beginnen damit, ihre Schiffe auf das umweltfreundliche Flüssigerdgas (LNG) umzurüsten.
Sie sind ein großer Fan des Digitalen Museums, das Sie in Tokio kennengelernt haben, und das in der HafenCity im Elbbrücken-Quartier verwirklicht werden soll. Warum brauchen Hamburg und die HafenCity noch ein Museum? Es gibt bisher in Europa kein modernes Museum dieser Art. Die östliche HafenCity wäre ein guter Standort für ein solches Projekt, mit dem die Menschen einen vielfältigen Einblick in die Welt der digitalen Kunst und Technik erhalten können.
Gegenüber der HafenCity entsteht mit dem Grasbrook ein weiterer neuer Stadtteil. Warum ist kein „großer“ Grasbrook-Wurf ohne Hafenwirtschaft gelungen, deren Nutzung dort endlich sein wird? Der Entwurf für die künftige Entwicklung des Grasbrooks ist sehr gelungen. Er grenzt die urbane Nutzung mit einem anspruchsvollen städtebaulichen Konzept von der Hafennutzung ab. Der Hafen ist von größter Bedeutung für unsere Stadt und muss deshalb auch die Flächen erhalten, die er benötigt
Denkt die Hafenwirtschaft noch zu konventionell und beharrt auf alten Besitzflächen? Nein. Unsere Hafenunternehmen sind modern und orientieren sich an den Herausforderungen der Zeit. Sie nutzen den digitalen Wandel und stellen sich den Anforderungen des Klimaschutzes.
Ihre zahlreichen Veröffentlichungen und Bücher drehen sich vor allem um Medizin. Was lesen Sie privat und wie entspannen Sie vom 24/7-Wahlkampf zur Bürgerschaft am 23. Februar? Ich lese gern historische Kriminalromane, komme derzeit aber nicht viel dazu. Zur Entspannung höre ich gern Musik oder gehe spazieren, zum Beispiel im Stadtpark oder an der Alster.
Die Fragen stellte Wolfgang Timpe