Essay: »Gerne möchte ich es schönreden«

Ausblick 2023. Neues Jahr, neue Chancen – auf Glück, Erfolg und viel mehr Leichtigkeit hoffen alle. Gastronom Antonio Fabrizi blickt nach vorn, bleibt Optimist, kreiert neue Produkte – und will uns allen die bleierne Rückschau 2022 nicht ersparen. Eine lebensnahe Bilanz

Natürlich ergreife ich gerne die Gelegenheit, meinen persönlichen Jahresrückblick zu schrei-ben: 2022 – gerne möchte ich es schönreden. Jetzt blicke ich auf die Monate zurück und fühle wieder, wie sich ein unangenehmes Bauchgefühl in mir regt, welches mich das ganze Jahr begleitet hat. Wer mich kennt, weiß um meinen Optimismus. Das Leben sehe ich grundsätzlich wie ein Gesellschaftsspiel. Es gibt klare Regeln, und man braucht immer wieder Glück, Durchhaltevermögen und Humor, wenn man verliert. Was war letztes Jahr also anders? 
Foto oben: Gastronom, Kämpfer und in Deutschland geborener Lebensakrobat aus Apulien, Antonio „Toni“ Fabrizi vom Club 20457: „Es wird ein eigenes 20457-Bier geben, der Club-Gin wird international vermarktet, und vielleicht – und das ist mein ganz großes Herz-Projekt – kommt ein eigener Rotwein aus der Heimat meiner Eltern!“ © Michael Hinsch

Das Jahr 2022 möchte ich mit dem Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“ vergleichen und als folgendes Bild beschreiben: Das Spielbrett liegt auf einem Tisch, und während du unter Einhaltung aller Spielregeln ans Ziel willst, schmettert immer wieder eine Faust unerwartet auf die Tischplatte und schmeißt dich und alle Mitspieler gleichzeitig um! Ob die Faust nun Corona oder dem Ukraine-Krieg gehört, ist egal – du kannst niemanden dafür verantwortlich machen, und in den Spielregeln steht dazu auch nichts! Du stellst also alles wieder an seinen Platz und fängst von vorn an, obwohl dein bereits erwähntes Bauchgefühl mit dem nächsten Schlag rechnet. 

HafenCity-Marke Antonio Fabrizi: »Du kannst es einfach nicht allen recht machen – also lass ich es. Wir sind alle nicht von dem Glück anderer abhängig, aber wir haben das Recht, selbst glücklich zu sein.« © Michael Hinsch

Während du spielst, flüstert dir dein Mitspieler aus der Politik leise „Zeitenwende“, „Blackout“, „Energiekrise“ und „Gaspreisbremse“ ins Ohr. Ein anderer Mitspieler aus den Social Media wispert etwas über „Empörung“ und „Shitstorm“. Der Spieler aus dem Gesundheitswesen ist längst weg, weil er stattdessen in einer Talkshow sitzt. Wer hat da noch Lust auf die nächste „Mensch ärgere Dich nicht“-Runde?

Dieses Bild mag vielleicht die Situation von vielen auf den Punkt bringen, aber es hilft niemandem weiter. Weder beeindruckt es das Finanzamt noch die Bank, und es macht unsere Wohnungen nicht wärmer und den Kühlschrank nicht voller. 

2023 werde ich trotzdem das Spielfeld weiter auf den Tisch stellen. Mir ist es wichtig, das Spiel nicht aufzugeben und meinen Weg fortzusetzen, egal wie langsam es geht oder wie oft ich bei „Monopoly“ wieder „zurück auf Los“ gehen muss. Als Gastronom erlebe ich seit der Pandemie verstärkt das Phänomen, dass wir mehr über andere urteilen und moralisch bewerten. 

Auch diese Spirale aus negativen Gedanken und Gefühlen erlebe ich täglich. Gerade hier in der HafenCity bist du ständig dem Flurfunk und der Aufmerksamkeit ausgesetzt. Erfährst du morgens beim Bäcker, dass dein „Laden“ ja ständig voll ist, begegnet dir abends ein besorgter Passant, der sich erkundigt, „ob alles in Ordnung“ ist. Weil doch letztens „nicht so viel los war“. Du kannst es einfach nicht allen recht machen – also lass ich es. Wir sind alle nicht von dem Glück anderer abhängig, aber wir haben das Recht, selbst glücklich zu sein.

Am Ende bin ich weiter Optimist. Erschöpfende Grübeleien sind einfach nicht meine Natur. Für das neue Jahr richtet sich meine Ausdauer und Willenskraft auf viele Aktivitäten. Es wird ein eigenes 20457-Bier geben, der Club-Gin wird international vermarktet, und vielleicht – und das ist mein ganz großes Herz-Projekt – kommt ein eigener Rotwein aus der Heimat meiner Eltern! 

Das Fazit meiner Rückschau: 2022 kann und muss ich nicht schönreden, 2023 werde ich alles versuchen, um es besser zu machen. Antonio Fabrizi

INFO

Antonio „Toni“ Fabrizi ist ­Inhaber und Gründer des Club 20457 und 1. Vorsitzender der Werbegemeinschaft Überseeboulevard.

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