Dialog. Bezirkspolitiker stellten sich beim Gespräch Wie wird die HafenCity zukunftsfähig? den kritischen Fragen der Bewohner:innen zu Verkehr, Klima und mehr Grün
Nehmen wir einen Tag im Juli oder August, 17,8 Grad Tagesdurchschnittstemperatur in Fuhlsbüttel, sonnenlos, kaum Wind. Eine Wetterlage, die es im Schnitt an jedem fünften Tag im Sommer gibt. Tagsüber wird es in der HafenCity bis zu 32 Grad heiß; nachts liegt die Temperatur noch bei 20 Grad. In Harvestehude ist es am Tag genauso heiß. In der Nacht aber kühlt dieses Quartier auf 15 Grad herunter. So das Ergebnis der neuen Stadtklimaanalyse der Umweltbehörde. Ihr Fazit: In Harvestehude ist das Bioklima „sehr günstig“. In der HafenCity dagegen „sehr ungünstig“. Anders gesagt: viel zu heiß. Maßnahmen seien „notwendig und prioritär“, nämlich zusätzliche Grünflächen und keine weitere Versiegelung.
Foto oben: Dialog von Bewohner:innen mit Bezirksabgeordneten: Marianne Wellershoff (r.), 2. Vorsitzende des Netzwerks HafenCity präsentiert die Klimastudie der Umweltbehörde. Auf dem Podium: Marinus Stehmeier (l.–r.; Die Linke), Jörg Behrschmidt (Grüne), Dr. Gunter M. Böttcher (CDU), James Robert „Jimmy“ Blum: es sei „eine Banalisierung der Klimakatastrophe“. © Sebastian Vollmert
Für einige sind Kälteräume ein Mittel gegen die aufgeheizte HafenCity, andere wollen keine „Symptomlinderung“, sondern einen Richtungswechsel zur grünen kühlenden Stadtplanung.
Mit diesem Einblick in die Klimastudie der BUKEA, der behörde für Umwelt, Klima, Energieund Agrarwirtschaft, startete der Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity in der Kantine des Campus HafenCity die Diskussion zwischen Bezirksabgeordneten und Bewohner:innen des Quartiers. Titel der Veranstaltung: „Wie wird die HafenCity zukunftsfähig?“ Auf dem Podium: die Bezirkspolitiker Dr. Gunter M. Böttcher (CDU), Jörg Behrschmidt (Grüne), Marinus Stehmeier (Linke), Jimmy Blum (FDP) und Fatih Karismaz (SPD), der für den tagesaktuell verhinderten SPD-Bezirksfraktionschef Oliver Sträter einsprang.
Was denn für Politiker die Konsequenz aus dem „sehr ungünstigen“ Klima in der HafenCity sei, wollte Moderator Wolfgang Timpe, Chefredakteur dieser Zeitung, von den Podiumsteilnehmern wissen. „Ich liebe Paris“, lautete die Antwort von Jimmy Blum (FDP), gerade im Hochsommer, und sowieso könne es ihm nie warm genug sein. CDU-Fraktionschef Gunter Böttcher schloss sich dem an und erklärte, die Menschen in den südeuropäischen Städten würden doch ganz offensichtlich „die Sommer überleben“.
Das sei „eine Banalisierung“, reagierte eine Bewohnerin direkt auf die beiden Bezirkspolitiker. Sie nähmen die Klimakatastrophe und deren Folgen nicht ernst und ebensowenig die Gesundheit der älteren Menschen im Quartier, die besonders empfindlich gegenüber Hitze seien. Eine andere Bewohnerin wies in der lebhaften Diskussion darauf hin, dass gerade in Frankreich viele Senioren den heißen Sommer 2022 leider nicht überlebt hätten, dass es damals „Tausende von Toten“ gegeben habe, dass die grüne Bürgermeisterin von Paris deshalb Teile der City in einen Park verwandeln wolle und Kälteräume für die Senioren gebaut werden würden.
Kälteräume als Mittel gegen die aufgeheizte HafenCity – mit dieser Idee konnten sich im weiteren Verlauf der Debatte dann auch Böttcher und Blum anfreunden. Marinus Stehmeier (Linke) und Jörg Behrschmidt (Grüne) forderten dagegen statt der Symptomlinderung einen Richtungswechsel in der Stadtentwicklung: Die HafenCity brauche „zusätzliche Grünflächen, um das Quartier nachts zu kühlen“ (Behrschmidt), es dürfe eben nicht mehr „jedes Grundstück von der Stadt verscherbelt und bebaut werden. Aber das scheitere an der HafenCity Hamburg GmbH“, so Stehmeier .
Warum die Grünen denn dann dem Verkauf der fürs Mikro-Klima wichtigen Grünfläche am Ericusfleet an die Reederei MSC zugestimmt hätten, wo sie doch die Grünflächen in der HafenCity ausweiten wollten, fragte eine Anwohnerin. Er persönlich sei auch gegen den Verkauf, antwortete der Grünen-Abgeordnete Behrschmidt und wirkte dabei einigermaßen zerknirscht. Den Abgeordneten in der Bürgerschaft werde er die Kritik an dem Grundstücksgeschäft übermitteln.
Auch der massive Verkehr und die schweren Unfälle waren an diesem Abend Thema. Das Netzwerk HafenCity erläuterte die offizielle Verkehrsprognose für die Versmannstraße, die den künftigen Verkehr mit einem Trick schön rechne: Ein Drittel der erwarteten mehr als 40.000 Kfz pro Tag werde über die Großmarktbrücke abgeleitet – auf dem Papier, da die Brücke nicht existiert. Die Versmannstraße stand auch im Fokus vieler Anwohner:innen: Eine Elternrätin der Grundschule Baakenhafen kritisierte, dass die Anforderungsampeln an der Versmannstraße immer noch nicht zusammengeschaltet sind, obwohl hier schon zwei Menschen bei Unfällen schwer verletzt wurden.
Ein Anwohner forderte einen Dauerblitzer als Maßnahme gegen Raser und Autoposer. Die Bezirkspolitiker gaben die Verantwortung einhellig an die Behörden weiter und erklärten, an diesen oft „genauso zu scheitern wie auch immer wieder an der HafenCity Hamburg GmbH“.
Warum wird der abfließende Verkehr vom Überseequartier künftig nicht über den Großen Grasbrook, wo es keine Wohnungen gibt, geführt?
Eine andere Anwohnerin überraschte die Abgeordneten mit einem Vorschlag zum WestfieldÜberseequartier: Die Fahrzeuge aus der Tiefgarage sollten nicht wie geplant über die Straße Am Sandtorpark mit seinen vielen Wohnungen abgeleitet werden, sondern über den Kleinen Grasbrook, wo es nur Büros, Einzelhandel und Gastronomie gebe. Die Bezirkspolitiker fanden das einleuchtend und versprachen, die Idee aufzugreifen – siehe auch Seite 17 mit Fragen zur Bezirkswahl am 9. Juni an die regierungsvertreter von SPD, CDU und FDP. Bleibt abzuwarten, ob die zuständigen Behörden und die HafenCity Hamburg GmbH eine echte Verkehrsdebatte zulassen. Vor dem Aufgeben stehen ja noch Bezirkswahlen an. Jens Fischer