Baukrise: »Trendwende zuerst in der HafenCity«

Interview. Der Hamburger Dr. Andreas Kleinau, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, über Immobilien- und Bürokrisen sowie die Resilienz des Quartiers und positive Lebensdevisen

Der Trend is your friend“ heißt es im neudeutschen Denglisch. Klar, es gab für den HafenCity-Chef schon wesentlich angenehmere Nachrichten als die Stilllegung der ­Baustelle des Elbtowers seit Oktober 2023 wegen der Firmeninsolvenz des Ex-Bauherrn René Benko oder die jüngst um vier Monate verschobene Eröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers wegen eines Wassereinbruchs in technische Zentralräume für das Premium-Center – auch wenn Dr. Andreas Kleinau, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) und seit November 2021 im Amt, operativ für die beiden Projekte keine Verantwortung trägt. Jedoch leidet das Image seiner Arbeit, die des gesamten HCH-Teams wie auch der gesamten HafenCity und ja, auch von ganz Hamburg darunter. 

Doch Trübsal blasen kommt dem distinguiert-freundlichen, gebürtigem Hanseaten mit seinem typischen Andreas-Kleinau-Schmunzeln nicht in die Tüte. Großprojekte haben halt ihre Fallstricke, so sein Manager-Credo. Wichtig ist ihm, dass sie – so oder so – vollendet werden. Immerhin kann sich die Bilanz der HafenCity bis hierhin ja trotz aller Finanz-, Corona- und Baukosten-Krisen sehen lassen. Inzwischen sind 4.000 Wohnungen fertig gestellt, und es leben rund 8.000 Bewohner:innen in Hamburgs jüngstem Stadtteil. Für 2024 erwartet Stadtteil-Bauherr Kleinau die Fertigstellung weiterer 1.000 Wohnungen. Am Ende sollen insgesamt 16.000 Menschen in der HafenCity leben, und noch einmal so viel werden hier arbeiten. 

Die neuen Gemeinschaftshäuser wie im Grasbrookpark (Foto oben) sollen für HafenCity-Chef Dr. Andreas Kleinau künftig wichtige Treffpunkte des ­Quartiers werden: „Die zentrale Idee am Anfang war, dass die HafenCity eine Erweiterung der inneren Stadt darstellt und dass man neben Wohnen und Arbeiten im Stadtteil auch soziale Strukturen und Verbindungen sowie Aufenthaltsräume schaffen möchte – unabhängig von der öffentlichen Hand. Das soll sich aus dem Quartier heraus selbst entwickeln und sich auch finanziell durch die Wohneigentümer, Gewerbetreibenden und Mieter auch finanziell selbst tragen.“ © Miguel Ferraz

Was häufig unter den Tisch fällt, ist, dass die HafenCity eines der größten innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekte Europas ist und dass das Quartier sich dadurch auszeichnet, dass circa 20 Prozent der Einwohner unter 20 Jahre alt sind. Ferner leben in über 26 Prozent der Haushalte Kinder unter 18 Jahren. Das sind immerhin acht Prozent mehr als in Hamburgs Durchschnitt. Die HafenCity übertrifft damit zum Beispiel das Nachbarquartier Hamburg-Altstadt um 13,5 Prozent. Salopp gesprochen: Die HafenCity ist doppelt so jung wie ihr Nachbar-Stadtteil. Und die Krisen? Ach ja, HafenCity-Mann Andreas Kleinau: „Ich bin für den Stadtteil weiterhin optimistisch.“ Das Gespräch:  

Herr Kleinau, Sie sind seit rund dreieinhalb Jahren in der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) und führen sie als Vorsitzender seit November 2021. Als Chefmanager der HafenCity Hamburg GmbH müssen Sie unter anderem Europas größtes Stadtentwicklungsprojekt in Innenstadtlage erfolgreich zu Ende bauen. Wie beschreiben Sie Ihre aktuelle Seelenlage?  Ich bin noch immer ausgeglichen. Als ich damals die Entscheidung getroffen habe, in die HafenCity zu kommen, hat man manche Dinge natürlich nicht so erkennen können, wie sie sich heute darstellen. Und manche sind eindeutig herausfordernd und halten mich auch von Dingen ab, die ich genauso tun müsste. Wir sind ja nicht nur für die HafenCity und ihr Fertigstellen verantwortlich, was an sich schon eine herausfordernde Aufgabe ist, sondern wir haben als HafenCity Hamburg GmbH auch noch weitere Gebiete in der Entwicklung wie den neuen Stadtteil Grasbrook, den Billebogen mit dem Stadteingang Elbbrücken und die ­Science City Hamburg Bahrenfeld.  

Also doch angespannter als gedacht? Nein. Wie gesagt immer noch ausgeglichen, auch wenn man auf neue Herausforderungen nicht immer hundert Prozent zufriedenstellende Antworten entwickeln kann. Doch das gehört zu einer sich ständig verändernden, sich entwickelnden Stadt.  

Die ganze Stadt wie auch die Mieter:innen und Anwohner:innen des Quartiers wurden von der Verschiebung der eigentlich am 25. April geplanten großen Eröffnung des Westfield Hamburg-Übersequartiers überrascht. Jetzt ist das wichtigste Infrastrukturprojekt für die HafenCity und die Innenstadt erst einmal bis Ende August offenbar wegen eines Wassereinbruchs weiter Baustelle. Sind Sie auch frustriert? Ich bedauere die Entwicklung für die Bauherrin ebenso wie für die direkt und indirekt Betroffenen ganz außerordentlich. 

Der St. Annen Platz macht sich hübsch – für die von Unibail-Rodamco-Westfield abgesagte Eröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers. Andreas Kleinau zur erwarteten Eröffnung in 2024: „Hoffentlich kommt dann auch für alle Beteiligten der Gegenbeweis zum Tragen, dass nicht alle Befürchtungen der Kritiker:innen eintreten und man gemeinsam für die verkehrlichen Lärm- und Emissionsbelastungen gute Lösungen finden wird.“
© Catrin-Anja Eichinger

Was für Folgen hat das? Die Verschiebung sollte nicht den Blick darauf verstellen, dass die Bauherrin Unibail-Rodamco-Westfield seit dem ersten Spatenstich im April 2017 die außerordentlich anspruchsvolle, komplexe Bauleistung für 14 Einzelgebäude herausragend bewältigt hat. Vor allem ändert sich nichts an der künftigen Rolle des Quartiers: Das Überseequartier wird das großstädtischste und publikumsintensivste Quartier der HafenCity. Gemeinsam werden das bereits fertiggestellte nördliche Überseequartier und das Westfield Hamburg-Überseequartier eine besondere Dynamik und Strahlkraft entfalten, die weit über die HafenCity hinausreicht und insbesondere dazu beiträgt, die Verknüpfung mit der City zu stärken. Wir freuen uns jetzt auf den neuen Eröffnungstermin und wünschen allen Beteiligten dafür gutes Gelingen. 

Welches ist Ihre aktuell größte Herausforderung? Die Themen, die in den Medien im Mittelpunkt stehen, sind für mich nicht die drängendsten Fragen. Die werden kurz- oder mittelfristig gelöst. Wir haben nach wie vor die großen gesellschaftlichen Fragen zu beantworten: Wie schaffen wir es, bezahlbaren Wohnraum zu errichten? Oder unsere Städte attraktiv für alle Menschen zu machen, die dort leben und arbeiten wollen? Und wie können wir den Kindern, die in der Stadt zur Welt kommen, eine Erziehung und Bildung ermöglichen, die ihnen eine Chance gibt, auch in dieser Stadt zu bleiben? Ebenso wichtig: Wie gehen wir in der Stadtentwicklung weiterhin mit der Herausforderung des Klimawandels um? Darauf Antworten zu finden, ist die wahre Auf­gabe. Trotz der aktuellen Themen – und dabei müssen wir auch auf ganz andere Krisen, Kriege und Konflikte etwa in der Ukraine, im Gazastreifen und im Nahen Osten gucken – dürfen wir wesentliche Zukunftsfragen nicht aus den Augen verlieren und nicht nur auf das Kurzfristige schauen. Das beschäftigt mich sehr. 

Was haben Sie sich mit der jetzigen Erfahrung anders vorgestellt? Dass sich der Immobilienmarkt von einem Verkäufer- in einen Käufermarkt verwandelt hat. Die aktuellen Rahmenbedingungen für das Errichten von Wohnraum, und das hat nichts mit der HafenCity zu tun, sind unglaublich anspruchsvoll geworden. 

Hamburg verfehlt aktuell sein Ziel, 10.000 neue Wohnungen im Jahr zu bauen deutlich? Wir sind in den vergangenen Jahren von einem Wachstumsklima im Wohnungs- und Immobilienmarkt getragen worden. Das ist vorbei. Heute ist es erklärungsbedürftiger, dass wir als HafenCity Hamburg GmbH weiterhin sehr hohe qualitative Anforderungen an die Stadtentwicklung stellen. Das wird aktuell und in Zukunft nicht mehr ganz so einfach durchzusetzen sein wie noch vor fünf oder sechs Jahren, als man aufseiten der Investor:innen und Bauher:innen stärker bereit war, gewisse Dinge mitzugehen, weil es eine klare Perspektive und deutlich bessere Finanzierungsbedingungen gab.  

Andreas Kleinau zum Wettbewerb des ehrenamtlichen Netzwerks HafenCity e. V. und dem neuen privat finanzierten Quartiersmangement: „Das kann ich durchaus nachvollziehen. Wir waren sehr froh, dass das Netzwerk HafenCity e. V. auch Gründungsmitglied des Quartiersmanagements geworden ist. Schließlich wollen wir nicht bereits gewachsene Strukturen überflüssig machen, sondern eben schauen, an welchen Stellen kann die private, ehrenamtlich arbeitende Initiative des Netzwerks HafenCity e. V. unter Umständen mit dem Quartiersmanagement noch mehr bewirken.“ © HafenCity Hamburg GmbH

Inzwischen auch bei Büro­immobilien. Ich glaube nach wie vor an den Bürostandort HafenCity! Man spürt inzwischen eine Gegenbewegung zu den fundamentalen Fragen: Brauchen wir angesichts von Homeoffice überhaupt noch Präsenzbüros? Wie wollen wir in Zukunft arbeiten, und wer arbeitet wo mit welchem Anteil? Es wird eine Rückbesinnung auf das Büro geben, jedoch differenzierter, nicht in dem früheren Stil. Der Markt wird sich auch wieder beruhigen, und zwar zuerst in den sorgfältig und resilient geplanten, urbanen Gebieten und in Stadtteilen wie der HafenCity, weil sie eben hochattraktiv sind für Menschen, die dort leben und arbeiten. 

Die Hoffnung stirbt zuletzt? Wenn es eine Trendwende auf dem Büromarkt geben wird, dann zuerst in der HafenCity! Ich bin für den Stadtteil weiterhin optimistisch. 

Die Experten malen schwarz? Schon bei früheren Krisen der Branche war ich immer davon überzeugt, dass es uns in der HafenCity durch unsere Standortqualität und die innovativen Bau- und Stadtplanungskonzepte zuletzt trifft. Ja, wir sind keine Insel der Glückseligen, doch wenn es sich wieder zum Besseren dreht, sind wir die Ersten, die wieder dabei sind. Im Übrigen können wir feststellen, dass Unternehmen immer wieder ihre Ansiedlungsentscheidung für die HafenCity treffen – wie jüngst die HPA, die ins frühere Unilever- beziehungsweise New-Work-SE-Gebäude am Strandkai ziehen wird. Oder die Reederei MSC, die, unter anderem wegen der Nähe zum Hafen, ihre neue Hauptverwaltung in der HafenCity bauen wird. Also bewegen sich auch schon heute Arbeitsplätze in die HafenCity hinein. Außerdem freuen wir uns, dass der Energieversorger Vattenfall inzwischen seine neuen Büros am Amerigo-Vespucci-Platz bezogen hat und die östliche HafenCity beleben wird. 

Die HPA hätten Sie ja mal ursprünglich im Lohsepark neben der Schule Campus HafenCity gehabt, was jedoch auf massive Widerstände bei Eltern und Initiativen stieß. Haben Sie der HPA den Strandkai als Alternative aufgedrängt? Weder wollten noch konnten wir das, da wir nicht Eigentümer des Gebäudes von New Work SE waren. Das war eine eigenständige Entscheidung der Geschäftsführung der HPA, dort hinzuziehen. Die HPA musste uns nicht um Erlaubnis fragen. 

Aber ohne Sie geht wenig in der HafenCity? Nun wollen wir mich in der Rolle als Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH mal nicht überhöhen. 

Als Standortvermarkter waren Sie doch aber sicher beteiligt? Wir wurden freundlich mitgenommen. 

Wir führen dieses ­Gespräch im neuen gelben Gemeinschaftshaus im Grasbrookpark. Wie erleben Sie die Rolle der Hafen­City-Bewohner:innen? Dass man durch die vielen neuen Bewohner:innen immer mehr in der Realität eines wirklichen Stadtteils ankommt. Warum gibt es zum Beispiel so wenig öffentlichen Parkraum in den Straßen? Warum werden umständehalber mal hier im jungen Stadtteil gewachsene Bäume gefällt und dann wieder durch neue ersetzt? In der HafenCity muss man mehr als in anderen Stadtteilen bestimmte Vorgänge erklären, und das ist auch in Ordnung, weil oftmals auch nicht klar ist, wo die Zuständigkeit der HafenCity Hamburg GmbH beginnt und wo sie aufhört. Oder wo, wie zum Teil schon heute wie in der westlichen HafenCity, der Bezirk Hamburg-Mitte zuständig ist.  

Die Stimmung ist nervös, weil man sich nicht gut genug informiert fühlt. Es fehlt offenbar an Vertrauen, dass gefällte Bäume in gleichem Umfang und gleicher Qualität wieder angepflanzt werden. Oder dass dem Wunsch nach einem jeder und jedem verständlichen Verkehrskonzept an der Magdeburger Brücke, dem Nadelöhr zur Einfahrt ins neue Überseequartier, immer ausgewichen wird. Können Sie Besserung versprechen? Die HafenCity ist immer noch ein Stadtteil, der nicht fertig ist und in dem eben auch immer noch viel neu gebaut und geplant wird. Das begeistert und inspiriert viele Menschen. Es kann aber auch anstrengend sein, nicht nur durch die Tätigkeiten auf den Baufeldern samt Lärmbelastungen sowie Bau- und Schwerlastverkehr, sondern auch die häufig provisorischen Verkehrsführungen. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns in einem komplett gesunden Stadtteil bewegen. Und es ist, auch für mich, immer wieder anstrengend und zugleich ein besonderes Privileg, einen Stadtteil mit dieser extremen, engagierten Bewohnerschaft zu entwickeln und irgendwann fertigzustellen. Glauben Sie mir, wenn das Überseequartier Süd als zentraler Baustein der HafenCity eröffnet und fertiggestellt ist, wird insgesamt in den Stadtteil deutlich mehr Ruhe einkehren. 

Der neue Hammaburg-Platz mausert sich als Aufenthaltsfläche und grüne Flaniermeile auf dem Weg vom Rathaus über die Dom-Achse in die HafenCity. © Catrin-Anja Eichinger

Wirklich? Zurzeit sieht unter anderem der Elternrat der Schule Campus HafenCity durch den geplanten Neubau der Hauptverwaltung für die Reederei MSC am Ericusfleet einen geordneten Unterricht in den direkt gegenüberliegenden temporären Schulcontainern nicht gewährleistet – unter anderem durch die hohe Lärmbelästigung des Hoch- und Tiefbaus. Der Hauptvorwurf: Man rede nicht mit ihnen, den betroffenen Eltern. Und auf einen Protestbrief an die zuständigen Senatorinnen  hätte man erst gar nicht und nun jüngst mit einer „enttäuschenden“ Antwort durch die Schulsenatorin Ksenija Bekeris reagiert, in der nur Bekanntes wiederholt werde und in der es „leider keine Einladung zu einem notwendigen Dialog“ gebe (siehe Interview Site 12). Warum fällt hier den Behörden und auch Ihnen das Live-Gespräch mit Betroffenen offenbar so schwer? Erst einmal möchte ich herausstellen, dass auch uns das Wohl der Kinder am Herzen liegt und ich grundsätzlich die Sorgen nachvollziehen kann. Die Lage ist nicht einfach, weil wir hier über eine temporäre Unterbringung des „Schuldorfs“ der Campus-Schule sprechen, das es hätte eigentlich nicht geben sollen. Aber die Dinge haben sich zeitlich nicht so entwickelt wie ursprünglich geplant, und wir müssen nun damit umgehen. Uns fällt das Gespräch nicht schwer. Es gab umfassende Gespräche mit den Elternvertretungen im Vorfeld der Standortauswahl. Wir haben transparent die Rahmenbedingungen erläutert. Es ist dann eine Entscheidung zugunsten des Standorts im Lohsepark getroffen worden. Dies entsprach dem Wunsch der Elternschaft. 

Der Elternrat wünscht sich von Ihnen, dass die Reederei MSC woanders bauen solle. Hat das eine Chance? Aus meiner Sicht ist das nicht die richtige Frage. Wir spielen hier die Interessen nicht gegeneinander aus. MSC hat sich bewusst für dieses Grundstück interessiert und ausgesprochen. Der Bebauungsplan sieht hier auch eine Bebauung vor ebenso wie für die Grundstücke, auf die jetzt die temporäre Schule umziehen wird.   

Mussten Sie sich zuletzt im Amt vom Stadtplanungs- und Projektmanager eher zu einem Krisenmanager entwickeln? Wenn man als Projektmanager nicht auch anspruchsvolle Situationen beherrscht, die man durchaus als Krisen bezeichnen kann, sollte man keine Projekte machen. Ich würde da auch nicht zwischen Projekt- und Krisenmanagement unterscheiden. Sie müssen mit den Themen umgehen, die sich stellen, und man hat ja nie alle Parameter in der Hand, um eine mögliche Krise zu beenden. Man muss auch ein Verständnis dafür entwickeln, in welcher Situation sich die jeweiligen Partner:innen befinden, und dann erkennen, an welchen Stellen man gemeinsam in der Lage und willens ist, sich unterzuhaken. 

Was sind für Sie die wichtigsten Projekte, die in den kommenden drei Jahren fertiggestellt werden müssen? Wie schon erwähnt ist die Eröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers für den Stadtteil wie auch uns als HafenCity Hamburg GmbH von zentraler Bedeutung, und sie wird sicher noch in diesem Jahr stattfinden. Hoffentlich kommt dann auch für alle Beteiligten der Gegenbeweis zum Tragen, dass nicht alle Befürchtungen der Kritiker:innen eintreten und man gemeinsam für die verkehrlichen Lärm- und Emissionsbelastungen gemeinsam gute Lösungen finden wird. Gerne würde ich auch voraussichtlich 2027 die neue weiterführende Schule Campus HafenCity eröffnen …  

… macht das Ihr Vertrag möglich? Da der noch viereinhalb Jahre läuft, kann das klappen (lacht). Im Ernst: Mitten im Lohsepark, einem angemessenen Ort für die Ausbildung unserer Kinder, eine so tolle, neue Maßstäbe setzende, weiterführende Schule von der fünften Klasse bis zum Abitur für 1.500 nis 1.600  Schüler:innen aus HafenCity, Rothenburgsort, Veddel und Grasbrook zu begleiten und mit eröffnen zu können, wäre mir eine große Freude. 

Und der Elbtower? Hand aufs Herz: Rückbau oder zu Ende bauen? Ergebnisoffen bleiben. 

Da spricht der frühere Unternehmensberater? Nein, als Verantwortlicher der HafenCity Hamburg GmbH sage ich: Wir haben das Projekt in private Hände gegeben, weil wir von dem Konzept an der Stelle der Stadt überzeugt gewesen sind. Man muss jetzt jemand finden, der es unter den Vorgaben der Bürgerschaft fertig baut. Dann muss man nicht über Rückbau sprechen. Aber das muss dann auch funktionieren, und man muss alle möglichen Lösungen emotionslos ansehen. 

Mein Chefredaktionskollege Matthias Iken vom „Hamburger Abendblatt“ befürchtete im HCZ-Gespräch, wenn der Elbtower nicht fertig gebaut würde, entstehe eine „Ruine des Provinzialismus“. Hat er recht? Ich glaube nicht, dass der Elb­tower eine dauerhafte Ruine werden wird. 

Apropos Bauen: Wann wird denn Ihr eigener neuer Hauptsitz der Hafen­City Hamburg GmbH fertig, das Nullemissionshaus am Dalmannkai? Auch wir müssen uns mit den Realitäten abfinden, dass sich die Baukosten deutlich anders entwickelt haben, als wir es ursprünglich antizipiert haben. Deswegen nehmen wir uns jetzt auch die Zeit, das sehr sorgfältig zu betrachten, um auch noch zu optimieren, ohne dass wir die Qualität des Gebäudes, insbesondere was seine ökologische Qualität angeht, infrage stellen. Ich gehe momentan von einer Fertigstellung 2025/2026 aus. 

Können Sie denn angesichts der kritischen Lage im Büromarkt von der Fremdvermietung Ihrer geplanten Büroflächen ausgehen? Keine Sorge. Wir könnten die zur Vermietung vorgesehenen Büroflächen im Nullemissionshaus schon heute vermieten, weil offenbar unser Produkt mit unserer grünen Agenda eine Sonderstellung für Unternehmen bietet, die nachhaltige Arbeitsplätze bieten wollen. 

Gleich nebenan soll jetzt Ende August das Überseequartier Süd eröffnen. Was versprechen Sie sich persönlich eigentlich für die HafenCity davon? Mir fällt auf, dass in den M­edien beim Überseequartier gerne von Mega-Mall oder Mega-Center gesprochen wird und diese Begriffe eher für Masse und Qualitätsverlust stehen, was ich nicht erwarte. Es wird, glaube ich, erst einmal einen riesigen Neugier-Effekt geben, und man wird überrascht sein, dass es nicht nur ein Shopping-Quartier ist. Dass man sich im Freien zwischen den vielfältigen Gebäuden bewegen kann und man von den Promenaden an der Elbe Hamburg und den Hafen neu sehen kann. Der Hafen wird näher an die HafenCity heranrücken und damit auch für alle fühlbar werden. Und es wird sicher Besucher:innen geben, die, angelockt vom Überseequartier, vielleicht erstmals auf dem Weg zu Fuß durchs nördliche Überseequartier mit seinem Überseeboulevard über die Dom-Achse die Innenstadt neu oder wieder entdecken. Ich bin da überhaupt nicht kulturpessimistisch. 

Sind Sie nicht auch verblüfft, dass sich die Stadt erst in diesem Jahr kurz vor der geplanten Eröffnung mit den Verbindungswegen und wie man sie attraktiv für Flanierende gestalten kann, beschäftigt hat? Sicher hätte man da früher anfangen können. Man darf jedoch nicht unterschätzen, wie viele Themen in einer Großstadt wie Hamburg gleichzeitig bewegt werden müssen. 

Gute Führung legt die Wichtigkeit von Maßnahmen fest. Wusste man nicht spätestens seit rund zwei Jahren, nach der Beendigung des Rohbaus der wesentlichen Gebäude, wann die Eröffnung realistisch ist? Ganz widersprechen kann ich Ihnen da nicht. Doch wir werden schon gute Verbindungswege bekommen, und eine Busverbindung direkt zum Überseequartier ist auch beschlossen. Das wird sich noch alles positiv entwickeln. 

Das hoffen Sie ja sicher auch von den beiden neuen Gemeinschaftshäusern im Grasbrookpark und im Baakenpark, die in diesem Sommer vollständig eröffnet werden sollen. Was ist die Idee der Häuser? Die zentrale Idee am Anfang war, dass die HafenCity eine Erweiterung der inneren Stadt darstellt und dass man neben Wohnen und Arbeiten im Stadtteil auch soziale Strukturen und Verbindungen sowie Aufenthaltsräume schaffen möchte – unabhängig von der öffentlichen Hand. Das soll sich aus dem Quartier heraus selbst entwickeln und sich auch finanziell durch die Wohneigentümer, Gewerbetreibenden und Mieter finanziell selbst tragen. Dafür wurde jetzt das Quartiers­management gegründet. Am 23. April fand die erste Mitgliederversammlung statt, und der Vorstand wurde vollständig gewählt. Man kann rund um die Gemeinschaftshäuser zusammenkommen, um sich zu unterhalten, zu spielen, sich gegenseitig Hilfe zu geben. Das Quartiersmanagement ist dafür da, das zu ermöglichen. Auch um die Isolation von Bewohner:innen in der Nachbarschaft zu vermeiden und das Leben in der HafenCity ganz praktisch lebenswerter zu machen. Das ist eine soziale Innovation, die es unserer Kenntnis nach so, privat getragen, noch nirgendwo in den Großstädten Europas gibt. Ich wünsche mir, dass man aber nicht nur fragt, wie man von den Häusern und dem Quartiersmanagement profitieren kann, sondern ebenso dazu angeregt wird, mit eigenen ­Ideen dem Stadtteil und den dort lebenden Menschen etwas zurückzugeben. Ohne jeden Luxus und Nimbus einfach mit dabei zu helfen, soziale Strukturen zu etablieren oder zu intensivieren.  

Der Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e. V. ist besorgt, dass mit dem „großen“ Geld der Gemeinschaftshäuser ihrer ehrenamtlichen Arbeit direkte Konkurrenz gemacht wird. Wie sehen Sie das? Das kann ich durchaus nachvollziehen. Wir waren sehr froh, dass das Netzwerk HafenCity e. V. auch Gründungsmitglied des Quartiersmanagements geworden ist. Schließlich wollen wir nicht bereits gewachsene Strukturen überflüssig machen, sondern eben schauen, an welchen Stellen kann die private, ehrenamtlich arbeitende Initiative des Netzwerks HafenCity e. V. unter Umständen mit dem Quartiersmanagement noch mehr bewirken. Es sollte um das gemeinsame Gestalten im Quartier gehen. 

Noch einmal: Wirken Quartiersmangement und Netzwerk HafenCity nicht doppelt gemoppelt? Sicher sind die jeweiligen Aufgaben nicht überschneidungsfrei, und zugleich gibt es komplett unterschiedliche Wirkungsebenen, wie man wen mit welchem Angebot anspricht. Es ist in jedem Fall ein guter Hinweis, dass man kommunikativ klar die unterschiedlichen Beweggründe kommuniziert, im Quartiersmanagement oder im Netzwerk HafenCity zu sein – oder eben gerne auch in beiden. 

Die AG Kultur des Netzwerks HafenCity e. V. möchte eine temporäre Nutzung – zum Beispiel für drei Jahre – des heutigen Schuppen 29 auf dem Baakenhöft als Kultur-, Erholungs- und Freizeit-Sportzentrum für die ganze HafenCity erreichen – in Selbstverwaltung mit einem professionell erfahrenen Betreiber. Was halten Sie grundsätzlich von solchen Initiativen? Ich hoffe, dass Sie den Ober hafen als Ort der Kultur kennen und nutzen, denn dort machen sich die Nutzer:innen in einem Verein gemeinsam Gedanken, mit welchen Konzepten man das ungewöhnliche Quartier bespielen kann. Das Engagement, das sie dort zeigen, schätze ich sehr, und wir versuchen es, wann immer es geht, an vielen Stellen zu unterstützen. 

Der Schuppen 29 und der Baakenhöft liegen im Herzen der HafenCity und haben eine einzigartige Hafentradition. Das Gelände ist auf beste Weise ruppig und braucht unkonventionelle freie Nutzungen – von Ausstellungen über Probenräume und Begegnungsstätten bis zu Ateliers oder Sportmöglichkeiten. Die HafenCity Hamburg GmbH ist momentan Eigentümerin des Grundstücks, und die Stadt hat erklärt, fünf Jahre lang dort nichts neu zu planen. Was muss passieren, damit das klappt? Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass man zwischen der Elbphilharmonie und dem Digital Art Museum am Baakenhafen nichtoffizielle Kultur­räume braucht. Doch der Schuppen 29 ist in einem so schlechten baulichen Zustand, dass wir ihn niemanden geben können. Das wäre verantwortungslos. Das geht von Brandschutzthemen bis zu Versicherungsfragen und der Verkehrssicherungspflicht. Sie glauben nicht, welche Kosten und welcher Aufwand nötig sind, um dort auch nur eine temporäre Ausstellung zu realisieren. Daher können wir das der AG Kultur oder ihrem Netzwerk nicht einfach übergeben, zumal es sonst auch viele weitere Interessenten gäbe. Warten Sie doch mal unsere neuen öffentlichen Flächen wie das Amphitheater am Strandkai ab. Da wird viel Lebendiges passieren. 

Sie sind Hamburger und können das beantworten: Viele freuen sich, wenn der Elbtower wieder abgerissen würde. Quo vadis HafenCity und Hamburg? Mögen wir trotz des weltläufigen Selbstbildes eher das Kleinbürgerliche? Hamburger:innen sind nicht rückwärtsgewandt, da mache ich mir keine Sorgen. Sie sind nur nicht so extrovertiert, weshalb sie gerne konservativ wahrgenommen werden. Wir müssen uns sicher öfter die Frage stellen, ob Hamburg wettbewerbsfähig bleibt. Manchmal braucht man den Druck von außen, muss auch ein wenig unbequem werden, damit sich Dinge ändern. Ich glaube, darin sind wir alle Hamburger:innen. 

Woher nehmen Sie die Energie, morgens frohgemut aufzustehen und den Tag positiv anzugehen? Meine Lebensdevise ist: Auch wenn du es nicht glaubst, erlebst du jeden Tag Positives. Und wenn ich dann am Abend nach Hause komme und ich mich frage, was ich heute Positives erlebt habe, fällt mir jeden Tag etwas ein! Daraus schöpfe ich die Energie für den nächsten Tag.
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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