Exklusiv-Gespräch Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, verlangt vom Senat, dass der Hafen als Wohlstandsmotor für Hamburg auf Platz eins der Agenda kommt, die Hafen-Infrastruktur modernisiert wird und findet den HHLA-Cosco-Deal okay
Wehe, wenn er, Mr. Hafen, so richtig in Fahrt kommt. Dann kennt Gunther Bonz, Präsident der Hafenunternehmer, keine Verwandten. Da werden Bürgermeister, oder Verwaltungsmitarbeiter schon mal ratzfatz als inkompetent geschuriegelt – wenn‘s für „seinen“ Hafen in seinem Unternehmersinn viel, viel zu langsam vorangeht. Dann haut der parteilose frühere Wirtschaftsstaatsrat und langjährige Eurogate-Chef schon mal ein knackiges Mantra raus: „Der Hafen hat bis heute im Senat nicht die erforderliche Priorität.“
Foto oben: Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH): „Nach der deutschen Einheit haben wir die Abhängigkeit von russischem Gas auf über 55 Prozent geschraubt – gegen massive Warnungen schon damals. Man wollte aus allen fossilen Energien aussteigen, u.a. aus Kohle und Kernkraft, ohne die sinnvolle Umstellung auf regenerative Energien auch nur ansatzweise auf den Weg gebracht zu haben. Das hat uns in die russische Abhängigkeit gebracht. Das war ideologische Politik, die uns jetzt knallhart auf die Füße fällt.“ © Wolfgang Timpe
Herr Bonz, die halbe (Medien-)Welt warnt vor der Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco Shipping Port Limited (CSPL) mit 35 Prozent am Terminal Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) im Hafen Hamburg. Bie Bundesregierung stimmte jetzt nach Verhandlungen einem Kompromiss zu, bei dem Cosco sich mit 24,9 Prozent beteiligen kann und so als Gesellschafter keine Sperrminorität hat. Ist denn die Angst vor China gerechtfertigt? Wir als Unternehmensverband Hafen Hamburg sind offen für strategisch sinnvolle Beteiligungen und nie gegen eine Beteiligung von Cosco am HHLA-Terminal Tollerort gewesen, schließlich steht die HHLA im internationalen Wettbewerb und ist frei, Kooperationen abzuschließen – unter bestimmten Voraussetzungen: Dass erstens eine Terminal-Beteiligung weder die Stadt noch die HPA von ihren finanziellen Verpflichtungen zur Erhaltung der Infrastruktur des Hamburger Hafens entlastet und zweitens die vertraglichen Voraussetzungen für eine positive investitionsrechtliche Prüfung des Bundes gegeben sind. Das Verfahren läuft ja noch, aber man sollte davon ausgehen, dass die Verträge professionell okay sind.
Warum gibt es dann die große Medienwelle, sind sechs Bundesministerien gegen die Bewilligung und auch europäische Regierungsvertreter warnen vor Cosco und den angeblichen Zugriff Chinas auf den Hamburger Hafen? Die Aufregung kommt daher, dass man seit Beginn des Ukraine-Kriegs die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gaslieferungen und damit das enorme Erpressungspotenzial deutlich geworden ist. Man befürchtet offenbar, dass das auch auf andere Bereiche wie etwa die Infrastruktur übergreifen kann. Doch man darf Äpfel nicht mit Birnen vergleichen.
Was heißt das? Dass eine Minderheitsbeteiligung an einer Betreibertochter eines Terminals, wenn sie die vorgesehenen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, Deutschland in keinerlei Abhängigkeit bringen kann. Das ist beim Thema Gas und Russland etwas ganz anderes. Da sind trotz aller frühen Warnungen schon vor vielen Jahren gravierende Fehlentscheidungen getroffen worden.
VITA: Gunther Bonz ist seit 2011 Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg und berät den privaten Terminalbetreiber Eurogate, den er zwölf Jahre lang bis zu seiner Pension im Sommer 2021 als Generalbevollmächtigter führte. Der 66-Jährige ist seit 2010 auch Präsident der FEPORT (Federation of European Private Port Operators) in Brüssel. Gunther Bonz ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Hamburg-Marienthal.
Etwa dass Russland Gastanks in Mecklenburg-Vorpommern allein gehören, die sie einfach nicht mehr gefüllt haben? Ja, doch das können sie aber auch auf Hamburg beziehen. Der Senat von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat 2005 bewusst entschieden, dass Moorburg kein Gaskraftwerk, sondern ein Kohlekraftwerk wird, weil man schon damals die Abhängigkeit von Russland in Bezug auf Gaslieferungen nicht weiter erhöhen wollte. Wir können auch auf das Jahr 1970 zurückgehen, als der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) zu einem geplanten Gasröhrengeschäft mit der damaligen UdSSR sagte, bis max. zehn Prozent russischen Anteil an Gaslieferungen seien für Deutschland verträglich. Nach der deutschen Einheit haben wir die Abhängigkeit von russischem Gas auf über 55 Prozent geschraubt – gegen massive Warnungen schon damals. Man wollte aus allen fossilen Energien aussteigen, u.a. aus Kohle und Kernkraft, ohne die sinnvolle Umstellung auf regenerative Energien auch nur ansatzweise auf den Weg gebracht zu haben. Das hat uns in die russische Abhängigkeit gebracht. Das war ideologische Politik, die uns jetzt knallhart auf die Füße fällt. Jedes erfolgreiche Unternehmen achtet handwerklich darauf, nicht existenziell von einem Kunden oder Dienstleister zu abhängig zu sein.
Das Schlagwort des Monats ist „kritische Infrastruktur“. Was betrifft da den Hafen konkret? Kritische Infrastruktur für den Hafen bedeutet, dass bestimmte Wasserwege, vor allem die Elbe, Straßen, Schienen, Brücken und Bereiche von bestimmten Hafenunternehmen, etwa der Lürssen Werft, früher Blohm+Voss, für das Funktionieren einer Wirtschaft oder im Verteidigungsfall für das Funktionieren des militärischen Nachschubs zwingend erforderlich sind. Und dazu gehören auch bestimmte Terminals, wenn zum Beispiel militärisches Gut über Containerterminals verladen werden soll. Insofern ist es Teil der kritischen Infrastruktur und der rechtliche Anlass für die Überprüfung durch die entsprechenden Bundesministerien und am Ende steht dann die Entscheidung der Bundesregierung.
Sind Beteiligungen nicht irgendwie auch Business as usual im Globalisierungswettbewerb von Hafenunternehmen? Das ist einerseits richtig. Andererseits muss man auch wissen, dass China mit seinen Staatsunternehmen schon viele Jahre geostrategische Ziele der chinesischen Politik u.a. in Europa verfolgt. Das ist schon beim Thema Seidenstraße deutlich geworden und erst recht bei dem Hafen von Piräus. Es war unser damaliger Finanzminister Wolfgang Schäuble, der beim europäischen Rettungspaket für Griechenland die Griechen dazu gezwungen hat, sogenannte Assets als Sicherheiten für die Finanzrettung zu verkaufen. Deshalb ist heute zum Beispiel der Hafen von Piräus zu 100 Prozent – samt Grund und Boden! – im Besitz einer chinesischen Staatsreederei.
Da wirkt der Cosco-Deal wie eine Lappalie? Mich stört einfach die Irrationalität der öffentlichen Debatte, die in der Folge des furchtbaren Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und den Gasabhängigkeiten Deutschlands von Russland so aufgeladen ist. Wir haben selbst die Fehler begangen und man kann nicht über 16 Jahre verfehlte Energiepolitik mit einem Fingerschnipp ändern. Die „New York Times“ schrieb neulich zugespitzt: „Die dümmste Energiepolitik der Welt kommt aus Deutschland.“ Das kann man nicht mit einer unsachlichen Drohdebatte über eine chinesische Minderheitsbeteiligung im Hamburger Hafen wieder wettmachen. Im Übrigen arbeitet die HHLA mit dem Partner Cosco seit 40 Jahren verlässlich zusammen.
Wenn man eine Barkassenrundfahrt macht, sieht man zahlreiche ungenutzte Flächen. Verkümmert der Hamburger Hafen? Nein, der Hafen ist Hamburgs Wirtschaftsmotor Nummer eins. Mit seinen circa 114.000 direkt und indirekt Beschäftigten und der guten Lohnstruktur der Beschäftigten ist der Hafen nach wie vor ein Sozial- und Wohlstandsmotor für die Stadt. Richtig ist, dass es einige Flächen gibt, die nicht genutzt werden. Nehmen Sie beispielsweise den jüngsten Fall, wo die Stadt eine über 50 Hektar große Hafenfläche von Shell erworben hat. Die liegt zurzeit brach, wird saniert und aufbereitet und dann wieder in den Markt gegeben. Solche Transformationsprozesse gehören zum Hafen.
Also alles in Butter? Nein. Zur Wahrheit gehört, dass viele Flächen ungenutzt sind, weil im Hamburger Hafen die Infrastruktur, zum Beispiel die Mietpreise der Hafenflächen viel zu teuer sind. Das können mittelständische Unternehmen kaum finanzieren. Im Vergleich zu unseren Wettbewerbshäfen zum Beispiel in Rotterdam und Antwerpen sind die Flächenmieten im Hafen Hamburg oft fünf- bis zehnmal so hoch wie in Holland oder Belgien.
Warum ändern das der Bürgermeister, Senat oder die Wirtschaftsbehörde und der Flächeninhaber Hamburg Port Authority (HPA) nicht? Wir als Unternehmensverband Hafen Hamburg kritisieren seit langem die Prioritätensetzung in der Politik. Der Hafen war in den letzten zehn Jahren eher ein Steinbruch für die Stadtentwicklung. Dem Hafen, also der HPA und der Wirtschaftsbehörde, wurden finanzielle Mittel gekürzt, das Geld in andere Bereiche des Staatshaushalts gepackt. HPA und die Wirtschaftsbehörde hatten nicht mehr genug Geld, um richtig in die Infrastruktur zu investieren. Das schwächt schon heute die Wettbewerbsposition des Hamburger Hafens. Allein bei den längst nicht mehr ordnungsgemäß unterhaltenen Kaimauern besteht offenbar ein Investitionsstau von zwei Milliarden Euro.
Warum werden Sie und die Hafenunternehmer von der Politik nicht gehört? Entschuldigung, weil der Fisch immer vom Kopf her stinkt. Der Hafen hat bis heute im Senat nicht die erforderliche Priorität.
Alle politisch Verantwortlichen fahren regelmäßig am Hafen vorbei. Wie kann der aus dem Blick geraten? Weil man im Senat vor zwölf Jahren die Parole verkündet hat, dass sich der gesamte Hafen selbst tragen müsse. Also müssen HPA und Wirtschaftsbehörde an der Gebühren- und Kostenschraube gegenüber den Unternehmen drehen. Die fehlenden Hauhsaltsmittel auch für die öffentliche Infrastruktur versucht die HPA sich von den im harten internationalen Wettbewerb stehenden Hafenunternehmen zu holen. Das schränkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Hafens massiv ein und kann auf Dauer nicht gut gehen.
Wie wirkt sich der Ukraine-Krieg auf den Hamburger Hafen aus? Russland gehörte vor dem Embargo, das aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängt wurde, zu den fünf größten Handelspartnern des Hafens. Das Volumen des Warenaustauschs mit Russland hat sich stark reduziert, der Handelspartner Russland ist auf Platz 15 abgerutscht. Bitter für den Hafen, da er eine zentrale Schnittstelle für den Handel an Nord- und Ostsee ist.
Hat denn Hamburg ein ausreichendes Standing im internationalen Hafen-Netzwerk? Bevor man international mitgestalten will, sollte man erst einmal seine Hausaufgaben machen. In Rotterdam und Antwerpen stehen die Häfen ganz oben auf der politischen Agenda – wie in Deutschland zum Beispiel die Autoindustrie. Die niederländischen oder belgischen Regierungen würden keine Grundsatzentscheidung treffen, die gegen die dortigen Häfen Rotterdam oder Antwerpen gerichtet sind. Hamburg und die deutschen Seehäfen laufen in der Politik unter ferner liefen. Und es fehlen bis in die Verwaltung hinein die Topinformation und Topkenntnisse, um zu entscheiden und zu bewerten, was sich international abspielt.
Ein neuer Hafenentwicklungsplan entsteht. Was sind Ihre Forderungen? Wir begrüßen die Erarbeitung einer nationalen Hafenstrategie durch die neue Bundesregierung. Neben einem stärkeren finanziellen Engagement des Bundes bei der Infrastruktur sind auch zeitnah Lösungen zur künftigen Baggergut-Unterbringung aus der Elbe-Fahrrinne zu finden. Darüber hinaus muss endlich die absurde deutsche Einfuhrumsatzsteuerregelung bei uns an die europäische Regelung angpasst werden. Hier muss der Spediteur mit Empfang der Ware an der Kaikante sofort die volle Umsatzsteuer gegenüber dem Zoll zahlen oder mit Bankbürgschaften absichern, die dann später der Warenempfänger zahlt. In unseren Konkurrenzhäfen wie Rotterdam und Antwerpen ist das nicht der Fall, die Einfuhrumsatzsteuer muß erst der Endkunde zahlen. Die deutsche Sonderreglung verursacht für Importe über deutsche Häfen Unsummen an Mehrkosten für die Spediteure und ist ein klarer Wettbewerbsnachteil. Ferner brauchen wir den schon geplanten Neubau der A26-Ost, der sogenannten Hafenquerspange, und den Köhlbrand-Tunnel für eine nachhaltige Infrastruktur der Zukunft.
Ist das realistisch? Wir müssen alle gemeinsam die Zukunft des Hafens gestalten. Doch nach allem, was wir hören und wissen, befürchten wir, dass der neue Hafenentwicklungsplan das Thema Ökologie zu stark in den Vordergrund stellt, anstatt die entscheidenden internationalen, ökonomischen und wettbewerblichen Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Der Patient Deutschland kann nicht effizient planen. Alles dauert viel zu lange. Der Hafenentwicklungsplan ist jetzt schon weit über sechs Jahre in Arbeit. Dieser elendig lange Prozess spricht leider für sich selbst und dafür, dass da wenig Gutes bei herauskommen kann.
Warum so pessimistisch? Da antworte ich mit einem Satz des deutschen Soziologen Max Weber: „Planung ist die Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum.“
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe