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Die Stadt ist anders aufgestellt als noch vor einigen Jahren. So war es auch möglich, dass Sozialsenatorin Melanie Leonhard in kürzester Zeit über 15.000 zusätzliche Unterkunftsplätze auf die Beine stellen konnte – zum Teil war diese Anstrengung in der Stadt ja gar nicht im gleichen Maß zu spüren wie in der Situation vor sieben Jahren. © picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt
»Der Zustrom reißt nicht ab«

Einwanderung Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, über stark steigende Zahlen von Ukraine-Kriegsflüchtlingen und neue Flüchtlingsunterkunfte – auch in Rothenburgsort

Herr Helfrich, zurzeit befinden sich rund 45.000 Flüchtlinge, vorwiegend aus der Ukraine und Afghanistan, in Hamburger Unterkünften. Für Herbst und Winter rechnet der Senat mit stark ansteigenden Flüchtlingszahlen, die u.a. in der neu entstehenden Container-Flüchtlingsunterkunft in Rothenburgsort (RBO) untergebracht werden sollen. Mit wie vielen Flüchtlingen rechnet die Sozialbehörde für den Bezirk Hamburg-Mitte in den kommenden Monaten? Wie viele Menschen vor dem Krieg aus der Ukraine fliehen, ist kaum zu prognostizieren. Die Ereignisse dort verändern sich ständig, und mit dem anstehenden Winter und vielen zerstörten Gebäuden ist nicht auszuschließen, dass sogar noch mehr Menschen anderswo Schutz suchen müssen. Nach wie vor ist es so, dass mitunter um die 100 Schutzsuchenden allein aus der Ukraine pro Tag hier in Hamburg ankommen. Dieser Zustrom reißt nicht ab. Wir können zwar nicht genau planen, müssen uns aber zugleich darauf einstellen, dass stadtweit noch mehrere Tausend Menschen in den kommenden Monaten untergebracht werden müssen.
Foto oben: Die Stadt ist anders aufgestellt als noch vor einigen Jahren. So war es auch möglich, dass Sozialsenatorin Melanie Leonhard in kürzester Zeit über 15.000 zusätzliche Unterkunftsplätze auf die Beine stellen konnte – zum Teil war diese Anstrengung in der Stadt ja gar nicht im gleichen Maß zu spüren wie in der Situation vor sieben Jahren. © picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt

Für wie viele Flüchtlinge ist die Unterkunft am in RBO geplant, wer finanziert das temporäre Projekt und woher werden die dort eingeplanten Flüchtlinge kommen? Rund 500 Menschen sollen an diesem Standort unterkommen. Das städtische Sozialunternehmen Fördern und Wohnen wird sich auch hier um die organisatorischen Belange kümmern. Untergebracht werden Menschen, die in Hamburg ankommen oder schon angekommen sind – beispielsweise versuchen wir, Menschen, für die zunächst nur eine Unterbringung in Zelten möglich ist, möglichst rasch in eine feste Unterkunft zu bringen. Im Moment kommen mit weitem Abstand am meisten Menschen aus der Ukraine.

Auf dem ehemaligen Huckepack-Bahnhofsgelände im Stadtteil Rothenburgsort entsteht eine neue Großunterkunft für 500 Flüchtlinge. Die Baumaßnahmen haben begonnen.“ © www.citynewstv.de
Auf dem ehemaligen Huckepack-Bahnhofsgelände im Stadtteil Rothenburgsort entsteht eine neue Großunterkunft für 500 Flüchtlinge. Die Baumaßnahmen haben begonnen.“ © www.citynewstv.de

Die SPD-Fraktion der ­Hamburgischen Bürgerschaft fordert „Flächen und Gebäude in jedem Stadtteil“ Hamburgs, da man mit rasant ansteigenden Zahlen von Hilfesuchenden in Hamburg rechnet. Wo werden die zentralen neuen Unterkünfte in Hamburg-Mitte sein und aus welchen Ländern sollen dort neue Flüchtlinge unterkommen? Nur aus der Ukraine und dem Iran? Wir suchen laufend nach weiteren, geeigneten Standorten – die müssen aber einige Anforderungen erfüllen. Momentan geht es auch um den Faktor Zeit: Wir haben nur noch einzelne freie Betten, aber es kommen mehrere Dutzend Menschen pro Tag. Zwar errichten wir auch neue Unterkunftsgebäude, aber das dauert. Die Baumaßnahmen werden zum Teil erst in Monaten abgeschlossen sein. Daher benötigen wir auch bestehende Gebäude, bei denen einige Umbauten genügen, um Menschen eine vorübergehende Unterkunft bieten zu können. Wo neue Standorte entstehen, ist daher zum Teil auch von der Verfügbarkeit geeigneter Flächen und dem entsprechenden Umfeld abhängig.

Auch für Hamburg galt u.a. die Angela-Merkel-Haltung: „Wir schaffen das.“ Gilt dies für Sie, für Hamburg, auch in diesen Zeiten der Gas- und Energiekrise sowie einer Inflation von über zehn Prozent, wo das Geld knapp und die Existenzsorgen der Menschen riesengroß sind? Die Stadt ist anders aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Für ein Szenario, in dem unerwartet viele Menschen kommen, gab es Vorbereitungen – Flächen, die als Reserve vorgehalten wurden, Baupläne, die schon gezeichnet und Anträge, die schon gestellt waren. Das geht bis hin zu Material, was schon eingelagert war. So war es auch möglich, dass Sozialsenatorin Melanie Leonhard in kürzester Zeit über 15.000 zusätzliche Unterkunftsplätze auf die Beine stellen konnte – zum Teil war diese Anstrengung in der Stadt ja gar nicht im gleichen Maß zu spüren wie in der Situation vor sieben Jahren. 

Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde: „Das größte praktische Problem in Hamburg ist aber derzeit, überhaupt geeignete Flächen für die Unterbringung zu finden. Wie schon in den Vorjahren erleben wir, dass die Hamburger:innen gastfreundlich und hilfsbereit sind. Das ist für die Schutzsuchenden nicht nur praktisch eine große Hilfe, sondern auch ein gutes Signal: Dass sie in ihrer Not trotzdem an einem Ort sind, an dem man ihnen helfen mag.“ © www.citynewstv.de
Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde; Flüchtlingsunterkunft am Ex-Huckebahnhof in RBO wächst schnell: „Das größte praktische Problem in Hamburg ist aber derzeit, überhaupt geeignete Flächen für die Unterbringung zu finden. Wie schon in den Vorjahren erleben wir, dass die Hamburger:innen gastfreundlich und hilfsbereit sind. Das ist für die Schutzsuchenden nicht nur praktisch eine große Hilfe, sondern auch ein gutes Signal: Dass sie in ihrer Not trotzdem an einem Ort sind, an dem man ihnen helfen mag.“ © www.citynewstv.de

Warum? Möglich ist das jedoch nur, indem viele Stellen Hand in Hand zusammenarbeiten und besprochene Abläufe gut funktionieren. Es gab insgesamt viele vorbereitete Strukturen. Das ist natürlich einerseits ein Vorteil. Andererseits kommen wir jetzt an den Rand der Möglichkeiten, denn mit einem Krieg auf europäischem Boden kann man nicht ohne weiteres rechnen. Und die Flächen sind nun mal, gerade in einem Stadtstaat, begrenzt. Ressourcenknappheit, auch bei Baumaterialien, aufgrund unterbrochener Lieferketten kommt noch hinzu. Und die finanzielle Belastung wird uns noch einige Jahre begleiten. Es wird also nicht einfach, selbst wenn der Krieg in der Ukraine hoffentlich bald zu einem Ende gekommen sein wird.

Wann kommt für Sie staatliche Asyl-Verantwortung unter Finanzaspekten an Ihre Grenzen und muss zivilgesellschaftliches Engagement eine führende Rolle übernehmen? Es ist eine humanitäre Pflicht, Menschen, die Schutz vor Krieg suchen, eine Zuflucht zu bieten. Europa trägt diese Verantwortung gemeinsam, Deutschland ein Teil davon, und wir in Hamburg wiederum ein Teil davon. So wird die Last ja etwas verteilt. Dieser Verantwortung wollen wir auch nachkommen. Dass das viel Geld kostet, ist ohne Zweifel. Viele Kommunen in Deutschland sind davon gerade sehr belastet. Das größte praktische Problem in Hamburg ist aber derzeit, überhaupt geeignete Flächen für die Unterbringung zu finden. Wie schon in den Vorjahren erleben wir, dass die Hamburger:innen gastfreundlich und hilfsbereit sind. Das ist für die Schutzsuchenden nicht nur praktisch eine große Hilfe, sondern auch ein gutes Signal: Dass sie in ihrer Not trotzdem an einem Ort sind, an dem man ihnen helfen mag. Die Fragen stellte Wolfgang Timpe

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Martin Helfrich ist Sprecher  der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration in Hamburg. 

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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