»Die Innenstadt ist im Umbruch«

City-Mönckebergstraße. Der von Bürgermeister Peter Tschentscher ins Leben gerufene Runde Tisch -Innenstadt hat Ende Februar erste Ergebnisse vorgelegt. Weniger Verkehr, mehr Aufenthaltsqualität
Plus: Leitartikel: Bitte fliegen

Auf Einladung von Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher hat heute die Auftaktsitzung des Runden Tisches Innenstadt stattgefunden. Er bündelt bestehende Projekte, setzt Impulse für innovative Ideen, hilft bei der Umsetzung und nimmt eine Bewertung der Gesamtentwicklung vor. Prof. Elke Pahl-Weber wurde zur Hamburger Innenstadtkoordinatorin ernannt“, hieß es nach der Gründungssitzung im Juni 2022. Und die seinerzeit frisch gekürte Senats-Sonderbeauftragte Stadtentwicklung Innenstadt blickte im vergangenen Sommer nach vorne: „Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe und darauf, zukünftig am gemeinsamen Prozess zur Stärkung der Nutzungsvielfalt in der Hamburger Innenstadt mitzuarbeiten. Eine nachhaltige Entwicklung der Innenstadt kann nur auf Basis eines vertrauensvollen und konstruktiven Zusammenwirkens öffentlicher und privater Akteure gelingen.“ Inzwischen, knapp ein Dreivierteljahr später, präsentiert der Runde Tisch Innenstadt eine erste strategische und konzeptionelle Neugestaltung von Mönckebergstraße und Steinstraße. Zusammengefasstes Motto: Spürbar weniger Busse und Zulieferverkehr und deutlich mehr Aufenthaltsqualität auf der Mönckebergstraße und eine geschützte Fußgängerpassage in der Steinstraße gen HafenCity.
Foto oben: Die Arbeiten zur neu gestalteten Mönckebergstraße, hier mit Blick gen Norden zum neuen erweiterten Hauptbahnhof, sollen 2025 beginnen. Bürgermeister Peter Tschentscher: „Die Innenstadt ist die Visitenkarte Hamburgs und soll als attraktiver Ort des gesellschaftlichen Lebens und des Einzelhandels erhalten bleiben. Dazu muss sich die Innenstadt fortlaufend den Trends und Anforderungen der Zeit anpassen.“ © Visualisierung: moka-studio

Senatorin Karen Pein, Präses der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen: „Gemeinsam mit den unterschiedlichen Innenstadt-Akteuren entwickeln wir die öffentlichen ­Räume ­weiter, denken Plätze, Straßen, Wegeverbindungen neu und überarbeiten bisherige ­Nutzungskonzepte.“ © BSW

Peter Tschentscher: „Die Maßnahmen zur Umgestaltung der Mönckebergstraße und der Steinstraße wurden sorgfältig geplant und finden mit der abschließenden Beratung am Runden Tisch breite Unterstützung. Das ist wichtig, denn die Innenstadt ist die Visitenkarte Hamburgs und soll als attraktiver Ort des gesellschaftlichen Lebens und des Einzelhandels erhalten bleiben. Dazu muss sich die Innenstadt fortlaufend den Trends und Anforderungen der Zeit anpassen.“ 

Noch pointierter und deutlich wettbewerbsorientierter fasste es Karen Pein, die im Dezember 2022 neu ernannte Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, zusammen: „Hamburgs Innenstadt ist im Umbruch. Gemeinsam mit den unterschiedlichen Innenstadt-Akteuren entwickeln wir die öffentlichen Räume weiter, denken Plätze, Straßen, Wegeverbindungen neu und überarbeiten bisherige Nutzungskonzepte. Dieser Wandel ist erforderlich, damit Hamburgs Innenstadt auch in Zukunft ein hochattraktiver Anziehungspunkt für alle Menschen bleibt.“

Hamburgs Erster Bürgermeister und Runder-Tisch-Initiator Dr. Peter Tschentscher zur ­Aufwertung der Innenstadt: „Die Maßnahmen zur Umgestaltung der Mönckebergstraße und der Steinstraße wurden sorgfältig geplant und finden mit der abschließenden Beratung am Runden Tisch breite Unterstützung.“ © Catrin-Anja Eichinger

Der Runde Tisch Innenstadt habe Ende Februar, so die Mitteilung des Senats, die seit 2021 geplante Neugestaltung von Mönckebergstraße und Steinstraße erörtert. Er begrüße die Maßnahmen, die zuvor in unterschiedlichen Gremien mit allen Behörden, Dienststellen, Verkehrsunternehmen und Innenstadt-Akteuren beraten sowie in der Stadtwerkstatt vorgestellt wurden. 

Mit der Verlegung einiger Buslinien in die Steinstraße solle der Verkehr in der Mönckebergstraße beruhigt und die Aufenthaltsqualität für die Besucher:innen der Innenstadt erhöht werden. Um einen reibungslosen Busverkehr sicherzustellen, bleiben auf der Steinstraße die Busspur Richtung Westen sowie der Fahrradstreifen erhalten.

Innenstadtakteurin und Gtundeigentümervertreterin Nicole C. Unger. Sie hatte schon im September 2022 in der HafenCity Zeitung vorgeschlagen: „Man kann die Willy-Brandt-Straße an den zentralen drei bis vier Querungspunkten von der Innenstadt in die HafenCity und umgekehrt jeweils einspurig in beide Richtungen zurückbauen, und die frei werdenden Flächen der Willy-Brandt-Straße sollten dann städtebaulich attraktiv und landschaftsplanerisch grün gestaltet werden. Das könnte schöne urbane Aufenthaltsflächen und -qualitäten ergeben. Die Straße muss dazu einladen, sie zu überqueren.“ © Wolfgang Timpe

Für Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende, werden zwei Effekte erzielt: „Einerseits wird die Mönckebergstraße als zentrale Einkaufsmeile durch die verkehrliche Beruhigung deutlich attraktiver, indem wir sie von einem großen Teil des Busverkehrs entlasten. Das war ein Wunsch, der gerade von den Anliegern vor Ort sehr deutlich formuliert worden ist. Andererseits werten wir die Steinstraße deutlich auf: Sie wird zu einem echten und eigenständigen Aufenthaltsraum werden, der deutlich grüner und über die Busse sehr gut erreichbar sein wird. Damit heben wir die trennende Funktion der Steinstraße auf und verbinden das Kontorhausviertel wieder mit der Innenstadt.“

Ein wichtiger Player der Mönckebergstraße, Geschäftsführer Dietmar Hamm vom Levante-haus, der auch der Repräsentant der Grundeigentümerfamilie Bach ist, wurde offenbar gehört, strebten doch viele eine auto- und busfreie „Mö“ an. Hamm hatte im August 2022 in der HafenCity Zeitung (HCZ) für die Neugestaltung der Mönckebergstraße gemahnt: „Die Mönckebergstraße ist 50 Meter breit und 500 Meter lang. Sie brauchen, um eine solche Straße als Fußgängerzone belebt zu halten, eine hohe 24-Stunden-Grundfrequenz, damit es nicht ,zu luftig‘ wird auf der Straße.“

Visualisierung der neuen Mönckebergstraße Richtung Hauptkirche St. Petri. Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte: „Zu einer lebendigen Innenstadt gehören auch vielfältig bespielte öffentliche Räume. Deshalb wollen wir Sondernutzungen schneller und flexibler ermöglichen.“ © Visualisierung: moka-studio

Und er empfahl wie jetzt auch Bürgermeiser Tschentscher und Stadtentwicklungs-Senatorin Pein in der HCZ eine weitsichtige Selbsterneuerung der City: „Es ist doch besser, wenn in das Herz der Innenstadt investiert wird, um eine neue Nutzungsdurchmischung, neue Konzepte und neue Anlässe zu schaffen, um die Innenstadt aufzusuchen. Diese Veränderungen, die neuen temporären Kulturnutzungen etwa beim Kaufhof-Gebäude mit seiner wunderbaren Fassade oder im Karstadt-Sport-Haus, erlebe ich als äußerst positiv.“

Offenbar geht es zurzeit koordiniert und effizient einer neuen City entgegen. Das ist auch deshalb für Hamburg, die Innenstadt und die HafenCity wünschenswert, weil schon in rund einem Jahr, zu Ostern 2024, das Westfield Hamburg-Überseequartier in der HafenCity eröffnen will, das mit täglich 45.000 Besucher:innen kalkuliert. Der Innenstadt-Wettbewerb kennt keine Ruhephasen.

Prof. Elke Pahl-Weber, Innenstadtkoordinatorin: Um die City „erfolgreich weiterzuent­wickeln und durch die HafenCity zu ergänzen, soll die Innenstadt als Treffpunkt und ­besonderer Einkaufsort für alle gestärkt werden“. © Senatskanzlei Hamburg | Jan-Niklas Pries

Senatorin Peins Vision für die neue City: „Besondere Einkaufsangebote, spannende Kulturereignisse, Wohnen, Arbeiten, Erholung – der Besuch der Innenstadt ist ein Erlebnis. Hier versammeln sich sämtliche Stationen des Alltags auf engem Raum, fußläufig gut vernetzt, schnell erreichbar, mit grünen Plätzen zum Verweilen und Promenaden zum Flanieren. Durch die Aufteilung der Busverkehre gehen wir den nächsten Schritt in Richtung Zukunft. Wir verringern die Barrierewirkung des Verkehrs auf der Mönckebergstraße, werten die Steinstraße auf, binden das Kontorhausviertel fußläufig besser an und erhöhen so die Attraktivität der gesamten Innenstadt.“ Für die neue Hamburger Innenstadtkoordinatorin Prof. Elke Pahl-Weber heißt das: „Ziel der Innenstadtentwicklung ist es, diese als Gemeinschaftswerk aller Akteure mit einem neuen und zukunftsweisenden Mix an Nutzungen zu gestalten. Allen Akteuren ist die Hamburger Innenstadt mit ihrer Wasserbezogenheit, den besonderen Architekturen und öffentlichen Plätzen, ihren Passagen, der Mönckebergstraße, dem Jungfernstieg und dem Neuen Wall, dem Nikolaiquartier sowie den Wallanlagen ein Herzensanliegen. Um das erfolgreich weiterzuentwickeln und durch die HafenCity zu ergänzen, soll die Innenstadt als Treffpunkt und besonderer Einkaufsort für alle gestärkt werden. Mit Kultur- und Wohnangeboten für mehr Lebendigkeit, spannenden Stadträumen mit hoher Aufenthaltsqualität sowie sicherem, attraktivem Fuß- und Radverkehr.“

So soll ein „Teilbereich der Steinstraße zur Kommunaltrasse“ werden. Der Abschnitt zwischen Jakobikirchhof und dem Domplatz bleibe künftig Bussen, Taxi-, Fahrrad- und Lieferverkehren vorbehalten, so die Senatsmitteilung. Dies schaffe „neue Möglichkeiten für die Freiraumgestaltung, die Erhöhung der Aufenthaltsqualität und für eine engere Anbindung des Kontorhausviertels an den Kernbereich der Innenstadt“. Die Umbaumaßnahmen sollen, Stand jetzt, in 2025 beginnen.

Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, möchte als Genehmigungsbehörde schneller und flexibler reagieren: „Wir wollen in einem weiteren Schritt auch mit einer Überprüfung bestehender Regel­werke beginnen.“ © Catrin-Anja Eichinger

Weiter wurde am Runden Tisch besprochen, dass Sondernutzungen im öffentlichen Raum künftig schneller und flexibler möglich sein sollen. Für kleinere Veranstaltungen sei dabei in einem ersten Schritt ein „Fast Track“ geplant, bei dem das Bezirksamt Hamburg-Mitte und die weiteren zu beteiligenden Stellen, wie Polizei und Feuerwehr, künftig innerhalb weniger Tage die entsprechende Genehmigung erteilen.

Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte und mit seiner Behörde für die Umsetzung mitverantwortlich: „Zu einer lebendigen Innenstadt gehören auch vielfältig bespielte öffentliche Räume. Deshalb wollen wir Sondernutzungen schneller und flexibler ermöglichen, zunächst mit einem beschleunigten Verfahren für kleinere Veranstaltungen, aber in einem weiteren Schritt auch mit einer Überprüfung bestehender Regelwerke.“ 

Für die FDP-Opposition gehen die Beschlüsse des Runden Tisches nicht weit genug. Die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Katarina Blume erklärt: „Die Innenstadt im Herzen einer Millionen-Metropole hat nur dann eine Chance, wenn sie zu einem Unikat wird. Sie muss einen unverwechselbaren Charakter haben.“ Der begonnene „Umbruch“ der City kann zu einem nachhaltigem Aufbruch für City und HafenCity werden, wenn man das Hauptproblem angeht: die Verbindung von Innenstadt und HafenCity, eine kreative Lösung für fußläufige Querungen der trennenden achtspurigen Willy-Brandt-Straße, die noch fehlt (siehe auch Leitartikel auf Seite 2). Eine, die es einschätzen kann, ist die Innenstadtakteurin und Gtundeigentümervertreterin Nicole C. Unger. Sie hatte schon im September 2022 in der HafenCity Zeitung vorgeschlagen: „Man kann die Willy-Brandt-Straße an den zentralen drei bis vier Querungspunkten von der Innenstadt in die HafenCity und umgekehrt jeweils einspurig in beide Richtungen zurückbauen, und die frei werdenden Flächen der Willy-Brandt-Straße sollten dann städtebaulich attraktiv und landschaftsplanerisch grün gestaltet werden. Das könnte schöne urbane Aufenthaltsflächen und -qualitäten ergeben. Die Straße muss dazu einladen, sie zu überqueren.“ Das ist doch mal ein Steilpass zur Diskus-sionsgrundlage! Wolfgang Timpe

Leitartikel

Bitte fliegen

Von Wolfgang Timpe, Herausgeber und Chefredakteur der HafenCity Zeitung

HCZ-Herausgeber Wolfgang Timpe: Lassen Sie uns die neu gelebte Solidarität so vieler in den künftigen Nach-Coronavirus-Alltag mit hinübernehmen. Lassen Sie uns bewusster, einfach neu mit erneuerten Werten leben. © Erol Gurian
HCZ-Herausgeber Wolfgang Timpe © Erol Gurian

Manche geflügelten Wahrheiten wie der Filmtitel „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“ von 1974 sind wie ein guter Bordeaux, der im Alter immer wertvoller wird und berauschende Gewinn-, Geschmacks- und Trinkerlebnisse bescheren kann. Von solch positiven Rauschzuständen träumen zurzeit die Grundeigentümer, Einzelhändler, Gastronomen und Kulturveranstalter wie auch die Politiker und Stadtplaner der Freien und Hansestadt: für die Innenstadt. 

Die jüngste Botschaft war eindrucksvoll: Erster Bürgermeister, Stadtentwicklungssenatorin, neue Innenstadtkoordinatorin, Verkehrssenator und Bezirkschef-Mitte symbolisierten Tatendrang für die City und berichteten von der jüngsten Offensive mit neuen grünen Stadtplanungen mit Aufenthaltsqualitäten wie jetzt am Jacobikirchhof mit Mönckeberg- und Steinstraße (Seite 14). Dazu kommen wie bekannt demnächst ein autofreier Burchardplatz, das neue Quartier Rathausstraße oder der neue Hopfenmarkt, die auch grüner und schöner  werden und zum Bleiben und Wohlfühlen einladen sollen. Die City ist im Umbruch. Das ist gut so. Jedoch: „Nur“ ein Jacobikirchhof reicht für die Mächtigsten der Stadt nicht.

Um den großen Sprung in eine wirklich neue Ära der Hamburger Innenstadt zu machen, die von der Alster bis zur HafenCity an der Elbe reicht (!), hilft die aktuelle Stadtplanungskosmetik im kleinen City-Hygge-Garten nicht. Alle aktuellen Maßnahmen, nein, führen natürlich nicht zum Tod der Innenstadt, packen aber eben auch das Hauptübel einer radikalen Erneuerung nicht an der Wurzel: den achtspurigen Highway Willy Brandt, der das Zusammenwachsen der sich neu findenden City und der neu entstehenden HafenCity brutal verhindert. 

Mehr Bordeaux, mehr Mut, mehr Ideen-Wahnsinn, möchte man für die Lösung dieses gordischen Innenstadt-Knotens Willy-Brandt-Straße den Verantwortlichen zurufen. Es braucht eine Zeitenwende in den Prioritäten der City-Ziele. Erst strategisch das Hauptproblem lösen, dann fallen alle Folgeschritte leichter und können erfolgreicher sein. Warum so grundsätzlich? Auch, weil in nur einem Jahr das Westfield Hamburg-Überseequartier eröffnen will und mit täglich 45.000 neugierigen Menschen aus Hamburg, Umland und Norddeutschland für seine Erlebnis-, Shopping- und Gastro-Stadt in der Stadt plant. Es droht noch größeres Jammern von Einzelhändlern und anderen Innenstadt-Akteuren. 

Als Fan einer Millionenmetropole mit einem lebendigen urbanen Zentrum direkt an Alsterwasser und Elbeufer möchte man wie im Brausespot ausrufen: „Die Innenstadt verleiht Flügel!“ Macht’s mal, habt mehr Mumm in den Knochen und geht das Willy-Brandt-Thema in erfolgreicher Unternehmer-Manier strategisch Top-down an: Erst den Willy-Highway verlangsamen und an wichtigen Stellen durchlässig fürs Großstadt-Flanieren machen. Keinen Mittelweg bitte, sondern radikal das Unmögliche denken. Erst mal mental den heutigen Hamburger Willy in Rente schicken. Bodenhaftung kommt später.

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