»Es muss sich sofort etwas ändern!«

Magdeburger Brücke. Am 30. Januar verunglückte eine 34-jährige Radfahrerin tödlich an der Kreuzung Überseeallee/Osakaallee, als sie ihren Jungen aus der Kita abholen wollte. Seitdem wird engagiert über Radfahrer-Sicherheit diskutiert – speziell an der Unfallstelle

Was war passiert? Ein Fahrradtrauma, ein Stadtteiltrauma. Immer noch bewegt Wochen nach dem Unglück die Menschen in der Nachbarschaft der tödliche Fahrradunfall an der Magdeburger Brücke vom 30. Januar. Viele fahren eben tagtäglich an der Unfallstelle vorbei, und es geht jetzt auch um nachhaltige Lösungen, die die Radfahrer besser schützen können. Das Trauern um die verstorbene 34-jährige Radfahrerin in der HafenCity, die am 30. Januar an der Kreuzung Überseeallee/Osakaallee von einem rechtsabbiegendem Lkw erfasst wurde, lässt auch Wochen nach der Trauerfeier am Unfallort nur sehr langsam nach. Nicht nur in den Nachbarschaftsgesprächen, sondern auch in den Alltagsgesprächen mit Kunden und Geschäftspartnern aus der HafenCity mit unserer Zeitung kommt nach dem Ende des Dienstlichen zurzeit immer noch die Sprache auf das Unglück. 
Foto oben: Mahnwache vom ADFC Hamburg und Netzwerk HafenCity e. V.: Über 200 Menschen nahmen an der Trauerfeier an der Unfallstelle Überseeallee/Osakaallee teil, bei der Pastor Frank ­Engelbrecht der Familie des Opfers und den Menschen in der HafenCity mit bewegenden Worten Trost spendete: „Wir sind untröstlich.“ © Wolfgang Timpe

Kreuzung Überseeallee/Osakaallee: Heute Abbiege-Chaos und untergeordnete Radspur. Morgen eine breite Radspur? © Wolfgang Timpe

Es fühlen sich unglaublich viele als Nachbarn selbst getroffen, auch weil die HafenCitizens um die Gefährlichkeit des Fahrradfahrens an der Magdeburger Brücke wussten und wissen. Wir hatten als HafenCity Zeitung (HCZ) bei einer der zuständigen Behörden nachgefragt. Dennis Krämer von der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende: „Wir sind tief betroffen vom tragischen Unfall, und unser Mitgefühl gehört den Angehörigen und Freunden/Freundinnen des Unfallopfers. Um es klar zu sagen: Jedes Unfallopfer ist eines zu viel. Derzeit laufen noch die Untersuchungen und Zeugenbefragungen der Straßenverkehrsbehörden der Polizei. Diese sollen dabei helfen, den genauen Unfallhergang und die Umstände des Unfalls zu rekonstruieren. Erst dann lassen sich Erkenntnisse und Rückschlüsse über die Umstände in der HafenCity ziehen. Die Polizei als Straßenverkehrsbehörde wird dazu entsprechend kommunizieren.“ 

Und Pastor Frank Engelbrecht, der die Trauerrede für das Netzwerk HafenCity e.V. bei der Mahnwache am Samstag, 4. Februar, hielt, sagt zur HafenCity Zeitung: „Noch halten wir inne. Aber es kommt die Zeit, und die ist vielleicht bald, da sind wir aufgefordert, uns der Frage zu stellen: Wie wollen wir in unserer Stadt leben? Und zwar so, dass wir solche Mahnwachen nie wieder halten müssen?“

Gut einen Monat ist es her, dass vor allem die betroffene Familie wie auch die große Anteil nehmende HafenCity-Nachbarschaft von dem tödlichen Unfall der Radfahrerin in tiefe Trauer gestürzt wurde. In den vergangenen Wochen haben viele Radfahrer:innen der HafenCity viele gute und einfach umsetzbare Vorschläge gemacht, um die Sicherheit für Radfahrer an der Kreuzung Überseeallee/Osakaallee und auf der Magdeburger Brücke direkt vor der Kreuzung zu erhöhen. Leider sind die Verantwortlichen von Verkehrsbehörde, Polizei und HafenCity Hamburg GmbH noch im Prozess der Unfallforschung wie auch einer möglicherweise neuen Bewertung der Verkehrssituation dort vor Ort. Erst wenn diese wie auch die Abstimmungen zwischen den beteiligten Behörden abgeschlossen seien, so die Verkehrsbehörde Ende Februar gegenüber der HafenCity Zeitung, will man die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge oder auch mögliche Änderungen von Verkehrsführungen informieren.

Fragen, auf die Politik und Polizei ­zügig Antworten ­geben sollten:

1. Warum hat der Kfz-Verkehr auf der Magdeburger Brü-cke jeweils zwei Fahrspuren? Die wahrgenommene Verkehrsdichte im Alltag belegt die Notwendigkeit nicht.

2. Warum haben Radfahrer auf der Brücke lediglich eine schmale Spur nur mit unterbrochenem „Schutzstreifen“, der vom Kfz-Verkehr überfahren werden darf? Weder kann so der vorgeschriebene Sicherheitsabstand der Kfzs von 1,5 Meter zum Radfahrer eingehalten werden, noch „fühlen“ sich Radfahrer auf dem schmalen Streifen sicher. 

3. Macht es Sinn, den Radverkehr an der Ampel Magdeburger Brücke Richtung Westen/Elbphilharmonie vor die Kfz-Spur zu verlegen? An Rad- und Kfz-verkehrsintensiven Kreuzungen in Hamburg passiert das heute schon. Die erwartete Verkehrsdichte zum Westfield Hamburg-Überseequartier – mit Linksabbiegen zum Überseequartier und Rechtsabbiegen in die Osakaallee plus Geradeausverkehr Richtung 25hours Hotel – kann ein solches Vorziehen der Radfahrer an der     Ampel unter Sicherheitsaspekten erforderlich machen. 

4. Warum fahren heute überhaupt Lkws und ein großer Teil des Baufahrzeugeverkehrs fürs Überseequartier über die Magdeburger Brücke in die HafenCity?     Das ist nicht erforderlich, da der meiste Lkw-/Baufahrzeugeverkehr von der Versmannstr./Überseeallee kommend nach rechts in die vierspurigen Straßen wie     Shanghaiallee abbiegen kann – und weiter über Brooktorkai/Osakaallee oder Am Sandtorkai/Am Sandtorpark zur Baustelle Überseequartier kommen kann. 

5. Warum werden auf der Magdeburger Brücke die schwächsten und ungeschütztesten Verkehrsteilnehmer – die Radfahrer – der größten Unfallgefahr     durch Kfz-Verkehr ausgesetzt?

Magdeburger Brücke Richtung Baakenhafen: Heute zwei Kfz-Spuren mit untergeordneter Radspur. Morgen eine breite gesicherte Radspur und eine Kfz-Spur? © Fotos (2): Wolfgang Timpe

So sinnvoll es ist, die gesamte Verkehrssituation in der HafenCity wie auch die Bedarfe des Rad- und des Kfz-Verkehrs und das neue zu erwartende Verkehrsaufkommen am Westfield Hamburg-Überseequartier einzubeziehen, so wichtig ist es heute (!), mit einfachen Mitteln sofort für mehr Sicherheit für die Radfahrer:innen rund um die Unfallstelle zu sorgen.Das kostet wenig, behindert kaum andere Verkehrsteilnehmer und kann temporär und schnell – etwa nur auf der Magdeburger Brücke – umgesetzt werden: Den Kfz-Verkehr auf beiden Seiten jeweils einspurig und daneben, provisorisch abgesichert jeweils durch eine farbige durchgezogene Linie, einen breiten Radweg neben dem Kfz-Verkehr abzutrennen. Wir haben aus Gesprächen und Debatten – auch auf den HCZ-Social-Media-Kanälen von Facebook und Instagram – mal fünf wichtige Fragen an die zuständigen Behörden und die dort Verantwortlichen formuliert (siehe Kasten links). Wir werden zeitnah dort wieder nachfragen. 

Hier noch einmal ein Kurzresümee aller uns erreichten Meinungen von Pedalisten wie Kfz-lern: Es brauche nicht immer gleich eine durchevaluierte, durcherforschte Verstetigung von Rad- und Kfz-Spuren. Das darf dauern. Aber eine temporäre einsichtige Soforthilfe für Radfahrer:innen an dieser Unfallstelle für nachhaltig mehr Sicherheit kann nicht warten. Wie schrieb doch ein User so treffend: „Es muss sich sofort etwas ändern.“

Pastor Frank Engelbrecht, der die Trauerrede für das Netzwerk HafenCity e.V. bei der Mahnwache am Samstag, 4. Februar, hielt, sagt zur HafenCity Zeitung: „Noch halten wir inne. Aber es kommt die Zeit, und die ist vielleicht bald, da sind wir aufgefordert, uns der Frage zu stellen: Wie wollen wir in unserer Stadt leben? Und zwar so, dass wir solche Mahnwachen nie wieder halten müssen?“ © www.citynewstv.de

Vielleicht hilft es ja allen mit der Aufarbeitung Beschäftigten, noch einmal die Worte von Pastor Frank Engelbrecht von St. Katharinen für den Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e. V., dem er als Bürger auch angehört, seine bewegende und tröstende Trauerrede auf die Verstorbene wie für den Vater und das Kind sowie für die Angehörigen und die Menschen aus dem Stadtteil, nachklingen zu lassen: „Ganz herzlichen Dank als Erstes, dass so viele Menschen heute gekommen sind. Ich und wir alle sind überwältigt. Ich glaube, dass es ein ganz wichtiges Zeichen an die Familie ist, für die ich hier auch sprechen darf und für den Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e. V., also für die Nachbarschaft, die Menschen, die hier wohnen und leben und arbeiten und täglich vorbeikommen. Und viele waren auch an dem Tag hier in der Nähe, als es passiert ist. Bei einem so schrecklichen Ereignis fängt man gleich an zu überlegen: Was muss passieren? Was ist der nächste Schritt? Was ist mit dem Verkehr? Darüber müssen wir auch nachdenken, darüber müssen wir uns sehr ernsthaft unterhalten. 

Doch wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, in Notzeiten hier am Ort zu bleiben und erst einmal die Lücke und die Hilflosigkeit anzunehmen und uns gegenseitig zu stärken, um auch gegen das Gewicht dieses Ereignisses einander aufzurichten und – sei es unter Tränen – das Fest des Lebens zu feiern. Und deshalb kommen wir heute vor allem zusammen und teilen die Untröstlichkeit, die seit Montag ihre Kreise zieht: hier im Stadtteil zur Familie und auch in Hamburg und weit darüber hinaus. Wir sind untröstlich über den Tod der Frau. Sie hat sich, 34 Jahre alt, am Montag aufgemacht, um ihr Kind aus der Kita abzuholen – mit dem Fahrrad. So wie sie das immer getan hat. Und um ihn in ihre Arme zu schließen und mitzunehmen nach Hause, zu ihrem Papa und zu seinen geliebten Hotwheel-Autos. Doch dann kam diese Kreuzung und sie mit ihrem Fahrrad unter die Räder eines Lkw und starb noch am Unfallort. Zu früh. Wir sind untröstlich.“ Und mit der Stimme von Pastor Engelbrecht hoffen wir auf gute, sichere Lösungen. Zeitnah. Wolfgang Timpe

Dennis Krämer von der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (Ende Februar gegenüber der HafenCity Zeitung): „Wir sind tief betroffen vom tragischen Unfall, und unser Mitgefühl gehört den Angehörigen und Freunden/Freundinnen des Unfallopfers. Um es klar zu sagen: Jedes Unfallopfer ist eines zu viel. Derzeit laufen noch die Untersuchungen und Zeugenbefragungen der Straßenverkehrsbehörden der Polizei. Diese sollen dabei helfen, den genauen Unfallhergang und die Umstände des Unfalls zu rekonstruieren. Erst dann lassen sich Erkenntnisse und Rückschlüsse über die Umstände in der HafenCity ziehen. Die Polizei als Straßenverkehrsbehörde wird dazu entsprechend kommunizieren.“

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