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Klangmanufaktur-Mitgründer Pierre Hellermann und Ex-Künstlerbetreuer bei Steinway & Sons: „Wir hatten die Idee, den Fokus wieder stärker auf das Instrument zu legen.“ © Dagmar Leischow
Flügelhandwerk

Die vier von der Klangmanufaktur kitzeln Neues aus Steinway-Flügeln 

Kann man den Klang eines Steinway-Flügels noch optimieren? „Ja“, sagt Pierre Hellermann. Der Halbfranzose, der nahe der Geltinger Birk aufwuchs, gründete 2016 mit Jan Kittel, Kay Bürger und Oliver Greinus die Klangmanufaktur in Hammerbrook. Kennengelernt haben sich die vier in der Steinway-Fabrik in Bahrenfeld, wo sie in unterschiedlichen Bereichen arbeiteten. Pierre Hellermann zeichnete für die Künstlerbetreuung verantwortlich, Oliver Greinus leitete die Konstruktionsabteilung, Kay Bürger die Reparaturwerkstatt, Jan Kittel war Konzerttechniker. Bei dem Traditionsunternehmen gekündigt haben sie, weil sie sich weiterentwickeln wollten. „Der Flügel rutschte zusehends ins Luxussegment ab“, erinnert sich Pierre Hellermann. „Wir hatten die Idee, den Fokus wieder stärker auf das Instrument zu legen.“ 
Foto oben: Klangmanufaktur-Mitgründer Pierre Hellermann und Ex-Künstlerbetreuer bei Steinway & Sons: „Wir hatten die Idee, den Fokus wieder stärker auf das Instrument zu legen.“ © Dagmar Leischow

Also erstanden sie bei Auktionen in ganz Europa alte Steinway-Flügel, die teilweise über hundert Jahre alt waren. Mit dem Ziel, sie in ihrer Fabriketage in der Wendenstraße zu restaurieren. Dort werden sie entkernt, neu aufgebaut und klanglich optimiert. Das Ergebnis überzeugt selbst professionelle Pianist:innen. Wenn Martha Argerich in Hamburg auftritt, spielt sie meistens den Mietflügel der Hamburger Sinfoniker. Er wurde in der Klangmanufaktur, die inzwischen fast 20 Mitarbeiter:innen hat, generalüberholt. Genau wie der Steinway der Musik- und Kongresshalle Lübeck, den kürzlich der kanadische Pianist Jan Lisie-cki beim Schleswig-Holstein Musik Festival einweihte.

Klavierbauer Stefan Bammann senkt eine Gussplatte in den aufgearbeiteten Steinway-Flügel ab: „Wir erhalten den Klangkörper und verbinden ihn mit moderner Technik.“	 © Dagmar leischow
Klavierbauer Stefan Bammann senkt eine Gussplatte in den aufgearbeiteten Steinway-Flügel ab: „Wir erhalten den Klangkörper und verbinden ihn mit moderner Technik.“ © Dagmar Leischow

Ein Foto dieses Instruments hängt in der Werkstatt. Was auffällt: Einzig der Deckel ist noch mit dem für Steinway typischen glänzenden schwarzen Lack überzogen. Normalerweise wird diese Polyesterbeschichtung komplett entfernt. Alternativ trägt man Holzbeize auf. Meistens in Schwarz, in der Klangmanufaktur stehen allerdings auch braune Flügel. Einer ist bereits fertig und soll demnächst in das Studio eines Pianisten transportiert werden.

Andere Instrumente stecken noch mitten im Transformationsprozess, der drei bis vier Monate dauert. Bei einem Flügel wird der Resonanzboden 0,2 Millimeter dünner gemacht, im Nebenraum lässt ein Klavierbauer gerade eine neue Gussplatte in einen Steinway ein. „Wir erhalten den Klangkörper und verbinden ihn mit moderner Technik“, erläutert Pierre Hellermann. So entsteht ein Instrument, das durchaus mit einem neuen Flügel konkurrieren kann. Es kostet 30 Prozent weniger als ein Steinway, der frisch aus der Bahrenfelder Fabrik kommt.

Ein Schnäppchen sind die restaurierten Flügel trotzdem nicht, man zahlt für ein Instrument -65.000 bis 110.000 Euro. Weil sich das Nachwuchskünstler:innen in der Regel nicht leisten können, hat die Klangmanufaktur ein Mietmodell entwickelt. Ein Investor oder eine Investorin kauft einen Flügel, den die Klangmanufaktur dann vermietet. Die Eigentümer:innen kassieren vier Prozent jährliche Rendite, die Musiker:innen bekommen das Instrument zu einem vernünftigen Preis.

Es gibt auch Interessent:innen, die einen Steinway direkt für sich bestellen. Mit ihnen klären die Mitarbeiter:innen ihre besonderen Wünsche ab, bevor sie sich auf die Suche nach einem passenden Instrument machen. Andere Kunden wie das Mozarteum schicken ihre alten Flügel zur Generalsanierung in die Klangfabrik und fördern somit das Prinzip der Nachhaltigkeit.

Ein weiteres Standbein hat sich die Klangfabrik mit ihren fünf Studios aufgebaut, in denen Pianist:innen rund um die Uhr üben können. Tagsüber ab 10 Euro, abends ab 20 Uhr dann 20 Euro pro Stunde. Somit steht das Team täglich im unmittelbaren Austausch mit Musiker:innen, das findet -Pierre Hellermann immens wichtig: „Wenn uns die Pianist:innen sagen, was gut für sie ist, können wir daraus viel für unsere Arbeit ziehen.“ Dagmar Leischow

INFO www.klangmanufaktur.de

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