Das neue Quartier Grasbrook wird direkter Elbenachbar der HafenCity. Nix ist beschlossen, nix ist gebaut, aber realistische Visionen von drei Teams aus von Landschafts- und Architekturbüros entwickeln bis April 2020 drei finale Wettbewerbskonzepte.
Plus: Interview mit Juryvorsitzendem Prof. Matthias Sauerbruch
Was für ein faszinierendes Geschenk für Städteplaner, Städtebauer und Landschaftsplaner. Auf 68 Hektar Land- und Wasserflächen sollen auf dem neuen Stadtteil Grasbrook 3.000 neue Wohnungen entstehen, davon ein Drittel öffentlich gefördert, und circa 20 Prozent sind für Baugemeinschaften eingeplant. Darüber hinaus sollen rund 16.000 Arbeitsplätze entstehen. Hamburg wächst – und die HafenCity bekommt auf der anderen Seite der Elbe neue Norderelbe-Nachbarn.
Foto oben:Luftig-leicht, wassernah. Ein Entwurf des Architekturbüros Mandaworks AB (Stockholm) vom Grasbrook am Moldauhafen. © Mandaworks AB, Stockholm
Damit das ökologisch nachhaltig, zukunftsorientiert und mit Bürgerbeteiligung passieren kann, haben sich die Verantwortlichen der HafenCity Hamburg GmbH und der beiden Behörden für Stadtentwicklung und Wohnen sowie Umwelt und Energie dazu entschlossen, das Ausschreibungsverfahren erstmalig auf neue Füße zu stellen.
„Büros mit europaweiter Reputation erfüllen unsere hohen Ansprüche.“
Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH
In einem sogenannten „Wettbewerblichen Dialog Städtebau und Freiraum“ konnten und können sich interessierte Hamburger und besonders Nachbarn von der Veddel einbringen und sechs Architekten- und sechs Landschaftsplanungsbüros präsentierten Anfang Dezember in einer „Bürgerblick“-Veranstaltung im Hamburg Cruise Center HafenCity in einem mehrstündigen Werkstatt-Austausch mit 350 Hamburgern, Kreativen und den Entscheidungsträgern der Stadt ihre zwölf Konzeptideen.
Am daruffolgenden Tag wählte eine 24-köpfige Jury unter Vorsitz des Architekten Prof. Matthias Sauerbruch aus Berlin (siehe Interview rechts) die finalen drei Architekten- und drei Landschaftsplaner-Büros aus, die nun bis April 2020 ihre eigenen Entwürfe auf Grund des Feedbacks von Bürgern und Experten feinjustieren. Neu ist, dass die Jury drei Arbeitsgemeinschaften aus je einem Architektur- und Landschaftsbüro zusammengeführt hat, damit sie ihre jeweils ähnlichen Gedanken und Konzeptideen gemeinsam analysieren und gemeinsam neue Ideen und Lösungen finden – auch für die Kritik von Bürgern und Experten aus der „Bürgerblick“-Werkstatt wie auch den Jurymitgliedern. Der „Wettbewerbliche Dialog“ will von einander unabhängige Architekten und Landschaftsplaner durch die Arbeitsgemeinschaftsidee gezielt herausfordern. Motto: Mach die Besten noch fitter und kreativer.
„Wir freuen uns, dass es bei diesem erstmaligen Bürgerbeteiligungs- und Planungsprozess mit Büros von europaweiter Reputation und unserem hohen internationalen Anspruch zu spannenden Zwischenergebnissen gekommen ist“, so Jürgen Bruns-Berentelg, Chef der HafenCity Hamburg GmbH. Allen ist wichtig, dass noch keine Entscheidungen für Büros oder zum Bauen gefällt wurden.
„Ich freue mich, mit wie viel Kreativität der Standort neu gedacht wird.“
Franz-Josef Höing, Oberbaudirektor von Hamburg
„Alle sind extrem offen und neugierig, wie ein neuer Stadtteil an der Elbe aussehen kann und ich freue mich, mit wie viel Kreativität dieser besondere Standort neu gedacht wird“, bilanziert Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing.
Unter den auserwählten Büros findet sich das Who is Who der europäischen Architekten- und Landschaftsplaner-Szene. Die drei ausgewählten Planungsteams aus den Bereichen Städtebau (Architekten) und Freiraum (Landschaftsplaner) sind: die Elbphilharmonie-Planer Herzog & de Meuron aus Basel mit VOGT Landschaftsarchitekten aus Zürich; ADEPT ApS aus Kopenhagen mit Studio Vulkan Landschaftsarchitektur aus Zürich; sowie das Büro Mandaworks AB aus Stockholm mit Karres en Brands RB aus Hilversum.
Markennamen innovativer Stadtteilkonzepte, die Oberbaudirektor Höings Wunsch erfüllen könnten. „Wir wollen mutig sein und uns nicht zu früh auf ein Konzept festlegen.“
Wolfgang Timpe
INFO
• Vom 4. bis 10. Dezember 2019 läuft eine Online-Beteiligung für interessierte Bürger, bei der die sechs Entwürfe kommentiert werden können: www.hamburg.de/grasbrook
• Bis zum 5. Januar 2020 werden zudem alle Modelle im Infocenter Kesselhaus (Am Sandtorkai 30, Di bis So 10-18 Uhr) ausgestellt.
• Am 25. Januar 2020 findet die nächste öffentliche Veranstaltung im Cruise Center HafenCity statt. Infos auf www.grasbrook.de
3 Fragen an …
Prof. Matthias Sauerbruch
über Teambuilding, Städtebau und Landschaftsplanung
1
Herr Sauerbruch, es wurden zwölf Konzeptideen für den neuen Stadtteil Grasbrook vorgestellt und die Jury unter Ihrem Vorsitz hat sechs Büros ausgewählt, die die Arbeit vorantreiben sollen. Was ist Ihr handwerklicher Eindruck? Die Kollegen haben uns zwölf super ausgearbeitete Entwürfe und ihre Ideen dazu präsentiert. Die jetzt getroffene Auswahl von drei Landschaftsplaner- und drei Architekten-Büros ist vielversprechend, weil jeder Entwurf für sich ausgesprochen ungewöhnlich ist. ich verspreche mir jede Menge neuer weiterer überraschender Ideen dadurch, dass wir jeweils ein Landschaftslaner- mit einem Architektenteam zusammengebracht haben. Das ist ein komplett neuer, einzigartiger Prozess. Das ist europaweit eine ganz neue Herangehensweise an Stadtplanung, Städtebau und Landschaftsplanung. Einfach spannend. Gemessen an den Ergebnissen der ersten Runde hat sich bestätigt, dass das ein hoffnungsvolles neues Verfahren ist. Ich bin begeistert vom Stand der Dinge und freue mich auf das, was noch kommt.
2
Es gibt zwei Linien: Eine schirmt die Ostseite von Grasbrook und Veddel Richtung Bahnstrecke und Verkehrslärm mit hohen Häusern ab; in anderen haben das Grüne, das Wasser und öffentliche Orte Vorfahrt. Wie sehen Sie es? Wir haben jetzt drei Teams zusammengebunden, die jeweils ähnlich denken und daraus ihre Konzepte verfolgen. Der Hauptunterschied ist einerseits die Konzentration aufs Wasser Richtung Moldau- und Saalehafen und andererseits eine Konzentration aufs Land, indem noch einmal eine große Freifläche auf dem Land geschaffen wird. Diese Positionen bleiben erhalten in den jeweiligen Teams, doch es sollen die wesentlichen Anmerkungen der Bürger wie auch der Jurymitglieder zu neuen Ideen führen.
3
Stimmt mein Eindruck, dass Herzog & de Meuron als einzige radikal neue Flächen auf dem Grasbrook schaffen? Sie setzen die vorhandenen Wasserflächen nicht für öffentliche Räume ein, sondern sie eröffnen neue Räume mit neu gestalteten Wasser- und Parkräumen. Das ist ein deutlicher Unterschied zu anderen. Der Grasbrook hat ein unglaubliches Potenzial. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe
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Prof. Matthias Sauerbruch ist deutscher Architekt, Stadtplaner und Hochschullehrer. Der 63-Jährige gründete 1989 das Büro Sauerbruch Hutton für Architektur, Städtebau und Gestaltung in London, Sitz heute Berlin. Sauerbruch ist Vorsitzender des Preisgerichts für den Wettbewerblichen Dialog Städtebau und Freiraum für den neuen Stadtteil Grasbrook.