Unsere Fotografin Catrin-Anja Eichinger nahm das blau-gelbe Elbphilharmonie-Solidaritäts-Foto mit einer Nikon Z6II und einem Nikkor-Z-Objektiv mit Brennweite 135 mm, Blende 7,1 am 26.02.22 um 18:52 auf – vom Kirchturm St. Katharinen. © Catrin-Anja Eichinger
HafenCity trägt blau-gelb

Putins Überfall auf die Ukraine ist das 9/11 Europas. Die Ukrainer befinden sich über Nacht im Krieg und Deutschland liefert Waffen. Bericht und Leitartikel
Plus: Jan Ehlerts „Literatur zur Lage“ in Kriegszeiten

»Den Menschen beistehen«

„Russland hat heute in den frühen Morgenstunden mit militärischen Angriffen auf das gesamte Gebiet der Ukraine begonnen. Die Aggression Russlands ist völkerrechtswidrig und ein Wendepunkt für die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung“, sagte Hamburgs -Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher am Donnerstag, 24. Februar, am Tag des Angriffs. „Wir sind erschüttert und empört über das Vorgehen Putins, das von langer Hand vorbereitet scheint. Hamburg steht in großer Solidarität an der Seite der Menschen in der Ukraine, die durch den Angriff Russlands Unrecht und großes Leid erfahren.“
Foto oben: Unsere Fotografin Catrin-Anja Eichinger nahm das blau-gelbe Elbphilharmonie-Solidaritäts-Foto mit einer Nikon Z6II und einem Nikkor-Z-Objektiv mit Brennweite 135 mm, Blende 7,1 am 26.02.22 um 18:52 auf – vom Kirchturm St. Katharinen. © Catrin-Anja Eichinger

Blumen-Solidarität der Hamburger:innen vor dem Generalkonsulat der Ukraine am Mundsburger  Damm. © www.citynewstv.de
Blumen-Solidarität der Hamburger:innen vor dem Generalkonsulat der Ukraine am Mundsburger Damm. © www.citynewstv.de

Viele Hamburger:innen zeigten vor dem Generalkonsulat der Ukraine ihre Solidarität und legten Blumen nieder oder demonstrierten in der Stadt und vor dem russischen Generalkonsulat. Am Freitagmittag, am Tag nach dem Russland-Überfall, besuchte Tschentscher die Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, Dr. Iryna Tybinka, und überbrachte ihr „die Solidarität der Hamburgerinnen und Hamburger“ und sicherte ihr „die Unterstützung des Senats“ zu. Iryna Tybinka, so die „Süddeutsche Zeitung“, bangt um ihre Familie und Freunde in der Heimat. Sie komme aus der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg), sagte die 44-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. „Meine Mutter bleibt dort, meine Familienangehörigen bleiben dort.“ Es habe leider schon viele Explosionen in der Region gegeben. „Wir sind alle sehr besorgt“, sagte Tybinka.

Bürgermeister Peter Tschentscher und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit haben entschieden, dass bis Ende Februar die Flagge der Ukraine über dem Eingang des Rathauses gehisst wird. „Im Herzen der Stadt setzt Hamburg damit ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der Ukraine.“ Weitere bekannte Hamburger Bauwerke werden in den Landesfarben der Ukraine erleuchtet. Nach Einbruch der Dunkelheit strahlt die Elbphilharmonie in Blau-Gelb und sendet als Hamburgs weltweit bekanntes Wahrzeichen eine klare Botschaft gegen Krieg und Gewalt – wie auch das Kolosseum in Rom und der Eiffelturm in Paris blau-gelb leuchteten. Tschentscher: „Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, den Menschen in der Ukraine beizustehen und konsequent für das Völkerrecht, für Frieden und Freiheit in Europa einzutreten.“ Wolfgang Timpe

Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher überbringt Dr. Iriyna Tybinka, der ­Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, „die Solidarität der Hamburgerinnen und Hamburger“ und sichert ihr „die Unterstützung des Senats“ zu. © picture alliance/dpa | Ulrich Perrey
Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher überbringt Dr. Iriyna Tybinka, der ­Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, „die Solidarität der Hamburgerinnen und Hamburger“ und sichert ihr „die Unterstützung des Senats“ zu. © picture alliance/dpa | Ulrich Perrey

Schockstarre

Leitartikel von Wolfgang Timpe

© Erol Gurian
© Erol Gurian

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Donnerstag, 24. Februar 2022, dem historischen Tag des Überfalls von Russland auf die Ukraine, in einer Rede an die Nation gesprochen: „Heute ist ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein düsterer Tag für Europa.“ Wenn das man reicht. Wie mit einem Katapult schleudert der Autokrat Wladimir Putin die Weltgemeinschaft und ganz besonders die Ukraine und Europa 70 Jahre zurück in die Zeit der Hitler-Verbrechen und des Kalten Krieges. Dass Putin unverhohlen mit Atomschlägen droht, war schon bei der Besetzung der Krim so, jetzt jedoch muss man es als reales Szenario begreifen. Wenn der Präsident Russlands bei der Verkündung und Rechtfertigung seiner Aggression vor Aufregung zittert, kann man erahnen, wie ernst er es tatsächlich meint. Es ist nichts mehr unvorstellbar.

Die Schockstarre, die Putins Angriff auslöst, ist auch deshalb so tiefgreifend, da er seit Monaten wie auch bei den jüngsten Besuchen von Kanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Macron keinen Zweifel an seinen Zielen gelassen hat. Heute wissen wir, dass es nicht diplomatisches Erpressungs-Marketing zur Durchsetzung von territorialen und machtpolitischen Zielen war, sondern die strategisch-kommunikative Vorbereitung zum Bruch von Völkerrecht und europäischer Friedensordnung. Mit brutaler Klarheit landen das ukrainische Volk, der freiheitliche Westen, die Europäer und die Kinder der friedensbewegten Antiatomkraftbewegung in der blutigen Realität. Es ist Krieg vor den Toren Deutschlands, Kiew ist in etwa so weit von Hamburg entfernt wie Rom oder Nizza. Ein souveräner Staat soll offen vernichtet werden, und die westlichen Freiheitswerte stehen zur kriegerischen Disposition. Wer hätte gedacht, dass der Trumpismus in den USA und der Sturm aufs Weiße Haus heute wie ein Bagatellschaden wirken. Putin hat Europa angezündet, und die menschlichen wie politischen Folgen sind nicht absehbar. Schon jetzt ist es ein rabenschwarzer Tag – für die Ukraine, für Europa, für den freiheitlichen Westen, für alle Menschen.

Literatur zur Lage im März ’22 – #52

Sich einsetzen für den Frieden

Von Jan Ehlert

Aus Solidarität weht die Flagge der Ukraine seit Donnerstag, 24. Februar 2022, dem Überfall Russlands auf die Ukraine, über dem Eingang der Handelskammer Hamburg. © picture alliance/dpa | Marcus Brandt
Aus Solidarität weht die Flagge der Ukraine seit Donnerstag, 24. Februar 2022, dem Überfall Russlands auf die Ukraine, über dem Eingang der Handelskammer Hamburg. © picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Mit großer Sorge blickt der Statthalter Jan Skrzetuski auf die Weltlage. Immer mehr Menschen fliehen aus dem Gebiet der Ukraine in sein Land: „Sie brachten stets Nachrichten von dem Stande der Dinge dort. Steblew war vernichtet, bei Derenhowiez war es zur blutigen Schlacht gekommen. Alle aber erklärten einstimmig, die Ukraine stehe bereits in den Flammen des Aufruhrs.“ 

Diese Szene findet sich in dem Roman „Mit Feuer und Schwert“ des polnischen Literaturnobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz. Er schrieb ihn im Jahre 1884 und erzählt von einer Zeit, die noch länger vergangen ist: der Rebellion der Kosaken im Jahr 1648. Ein historischer Roman – und wie lange haben wir ihn auch genau so lesen können: historisch. Doch plötzlich hat sich die Welt verändert. Der Krieg ist zurück in Europa.

„Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder, du sollst Hasslieder singen, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“
Der Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert 

Entsetzt und ungläubig reiben wir uns die Augen angesichts der Bilder aus Donezk und Kiew. Und die gar nicht so alten Worte des Dichters Günter Eich, die wir auch mit friedensverwöhntem Blick schon als historisch abgetan haben, bekommen einen neuen, bedrohlichen Klang: „Wacht auf, – denn eure Träume sind schlecht! / Bleibt wach, – weil das Entsetzliche näher kommt. / Auch zu dir kommt es, der weitentfernt wohnt / von den Stätten, wo Blut vergossen wird.“

Das Entsetzliche darf aber nicht dazu führen, dass wir unsere Herzen mit Hass füllen. Im Gegenteil: „Die Uniform des Tages ist die Geduld / die Auszeichnung der armselige Stern / der Hoffnung über dem Herzen / […] er wird verliehen / für die Tapferkeit vor dem Freund“, schrieb die Dichterin Ingeborg Bachmann. Und der Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert wurde in seinem noch immer aktuellen Appell „Sag Nein!“ noch deutlicher: „Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder, du sollst Hasslieder singen, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“

Der Krieg ist da, wir haben ihn uns nicht ausgesucht. Und wir können ihn nicht einfach ignorieren, müssen verurteilen, verhandeln, sanktionieren. Aber niemand sollte Wände aufbauen, wo Frieden weiter möglich ist: zu russischen Nachbarn hier in Hamburg, von denen die meisten genauso erschüttert sind wie wir. Der Sänger Billy Joel hat dies in seinem Song „Leningrad“ in seiner Ballade über die Freundschaft zum russischen Zirkusclown Viktor in wunderbare Worte gefasst. 

Die Tradition der Kriege ist lang, leider. Aber das gilt auch für die Tradition der Antikriegslieder und der Friedensbewegung. Sie sollten jetzt Antrieb sein, sich einzusetzen: gegen den Krieg. Und vor allem: für den Frieden. Oder in den Worten des Wandsbeker Dichters Matthias Claudius: „Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre? / Die könnten mich nicht freun! / ’s ist leider Krieg – und ich begehre / Nicht schuld daran zu sein!“

JAN EHLERT lebt in der HafenCity. Seine Passion sind Bücher. Er schreibt monatlich für die HafenCity Zeitung seine Kolumne „Literatur zur Lage“. © Privat

Kolumnist Jan Ehlert zitiert den Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert in Bezug zum Corona-Lockdown: Die Tür schließt sich hinter ihm und nun, so Borchert, „hatte man mich mit dem Wesen allein gelassen, nein, nicht nur allein gelassen, zusammen eingesperrt, vor dem ich am meisten Angst habe: Mit mir selbst“. © Privat

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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