Exklusiv-Gespräch Für den Medienunternehmer Frank Otto, auch Vorstandschef und Gründer der Deutschen Meeresstiftung, stehen die Ozeane und das weltweite Verstehen des Klimawandels im Zentrum seiner Arbeit. Die Meere lassen uns leben
„Wir wissen sehr viel über das Universum, aber fast nichts über die Ozeane. Das steht in einem krassen Missverhältnis.“ Damit sich das ändert und global ein nachhaltiges Verständnis für die Weltmeere und ihren Zusammenhang mit dem Klimawandel wächst, gründete der Medienunternehmer Frank Otto (Viva, OK Radio) 2015 die Deutsche Meeresstiftung zusammen mit seinem Co-Vorstand Frank Schweikert. Der Nonkonfirmist der Hamburger Unternehmerfamilie Otto zeigt beim Klimaschutz klare Kante.
Foto oben: Frank Otto, Medienunternehmer und CEO Deutsche Meeresstiftung: „Für mich ist entscheidend, dass ein Weg in ein anderes Denken, in ein anderes Handeln beschritten wird. Und wenn man dann sieht, dass etwas alltäglich wird und man hier und da mehr Gehör findet, als man es früher hatte, ist das schön. Insofern gibt es gar nicht das eine große Ziel, das ich erreichen oder noch erleben möchte.“ © Catrin-Anja Eichinger
Herr Otto, Sie haben Mitte September die Dauerausstellung „The Science We Need for the Ocean We Want“ eröffnet. Was ist Ihr persönliches Umweltanliegen? Ich glaube, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, wie wichtig die Ozeane für das Leben auf unserem Planeten sind. Ozeane nehmen 70 Prozent der Erdoberfläche ein, Land nur 30 Prozent. Das ist aber nur der Blick von außen auf die Erde. Dass die Ozeane einen riesigen dreidimensionalen Lebensraum darstellen, ist mir persönlich erst klar geworden, als ich mit dem Tauchen angefangen habe. Ich habe einerseits die faszinierende Schönheit gesehen, andererseits viele Schäden. Die Ozeane sind entscheidend für das Klimasystem auf diesem Planeten. Deshalb müssen wir mit dem Ozean deutlich pfleglicher umgehen und ihn dabei unterstützen, dass er seinen Job gut machen kann, damit wir hier auf dieser Erde weiter existieren können. Wir wissen sehr viel über das Universum, aber nichts über die Ozeane. Das steht in einem krassen Missverhältnis.
»Wir müssen den Ozean dabei unterstützen, dass er einen guten Job machen kann.« Frank Otto
Sie haben neben vielen beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten Ihre Vorstandsarbeit für die Deutsche Meeresstiftung als lebenswichtig und die Ozeane als „wichtigsten Faktor“ im Klimawandel bezeichnet. Warum sind die Meere wichtiger als etwa CO2-Emissionen? CO2 ist natürlich auch ein Thema im Meer. Das ist das, was man Übersäuerung nennt. Das CO2 verwandelt sich im Wasser zu Kohlensäure, und die macht das Wasser sauer. Gleichzeitig sind die Meere besonders gute CO2-Speicher. Algen sind zum Beispiel unglaublich geeignet, um CO2 zu speichern – in einem viel höheren Maße als alles Pflanzliche an Land. Es gibt vieles für uns in den Ozeanen zu entdecken, und wir können viel von ihnen lernen. Deshalb ist die Forschung so wichtig. Dass die Vereinten Nationen ihre Dekade bis 2030 den Ozeanen gewidmet haben, hilft uns dabei.
VITA FRANK OTTO ist nach Michael Otto der zweitälteste Sohn von Unternehmer und Multimilliardär Werner Otto, dem Gründer des Otto-Versands. Er machte eine Ausbildung zum Restaurator für Papier und Grafik am Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und studierte Bildende Kunst in Kiel. Seit den 1980er-Jahren ist er ein erfolgreicher Medienunternehmer undPionier auf dem Gebiet des Privatradios (unter anderem OK Radio, Hamburg Zwei) und Privatfernsehens (unter anderem Mitbegründer des Musiksenders Viva und des Regional-TV-Senders Hamburg 1) in Deutschland. Sein Büro der Frank Otto Medien, der FO Medien, hat er in der HafenCity, in der Shanghaiallee.
Der 65-Jährige engagiert sich unter anderem im World Future Council, im Vorstand der Luca-Stiftung sowie als Förderer der ersten Stunde bei Lesen ohne Atomstrom und dem Unternehmen Viva Con Agua. Von 1999 bis 2003 war Frank Otto auch Herausgeber der „Hamburger Morgenpost“. Er engagiert sich vielfältig ehrenamtlich in der Hansestadt und ist Unterstützer des FC St. Pauli. Frank Otto war zweimal verheiratet, hat zwei Kinder aus zweiter Ehe und lebt seit 2022 wieder mit dem Model Nathalie Volk zusammen in Hamburg-Uhlenhorst.
Warum haben so spannende Erkenntnisse, etwa dass Algen so enorme CO2-Speicher sind, es so schwer, die Menschen jenseits eines Fachpublikums zu erreichen? Na ja, wir Menschen haben die Neigung, uns zu fokussieren. Sobald es mehrere Probleme gleichzeitig gibt, schalten wir ab, weil es uns zu viel wird und wir uns schützen wollen. Zurzeit haben wir gleich mehrere Krisen auf einmal. Da muss sich auch die Wissenschaft Gehör verschaffen. Wir tun das, indem wir nicht nur die Probleme benennen, sondern den Leuten auch zeigen, wie schön und faszinierend die Ozeane und ihre Lebewesen sind und dass es sich lohnt, sich mit den Ozeanen zu beschäftigen.
Klima-Hochseesegler und Social-Media-Popstar Boris Herrmann hat gerade seine neue Regattayacht „Malizia Seaexplorer“ im Sandtorhafen getauft, eine Ausstellung mit Hochseebildern seiner Vendée-Globe-Regatta eröffnet und will auf seinen Segeltouren auch weiter Wasserproben aus unerforschten Ecken des Ozeans nehmen, damit die Ozeanografie schlauer über Klimawandel und den Ökozustand der Meere wird. Braucht die Meeresforschung Popstars? Ja, ich glaube, es ist ganz wichtig, Identifikationsfiguren zu haben, die von ihren Reisen, Abenteuern und auch von der Forschung berichten. Das persönliche Erleben ist uns Menschen viel greifbarer, als es abstrakte Statistiken sind, die wir erst mal lesen lernen müssen. Wenn Boris Herrmann von seinen Erlebnissen und Erfahrungen berichtet, ist das authentisch. Er nimmt zum Beispiel auch Wasserproben aus Gegenden des Ozeans, in die Schiffe normalerweise nicht kommen, weil sie nicht auf den internationalen Schifffahrtswegen liegen. Viel bislang Unbekanntes kann so erforscht werden.
Wie ist der Status quo bei unseren Ozeanen? Der Ozean erwärmt sich. Das sehen wir an den Korallen im Great Barrier Reef in Australien, die stark leiden und teils absterben. Das ist schon krass. Die Erwärmung vernichtet Lebensräume, die für die Ozeane wichtig sind, und hat an Land Trockenheit und Dürre zur Folge. Insofern zeigt das Meer schon deutliche Krankheitssymptome. Aber ich habe auch die Erfahrung machen dürfen, dass sich das Meer unglaublich schnell erholen kann, wenn man es in Ruhe lässt und nicht mit unseren menschlichen Angewohnheiten stresst. Wir sehen das am Riff vor Kuba, das sich erholt hat, als die Kubaner nach dem Zerfall der Sowjetunion keine Pestizide mehr ins Land bekamen und deshalb ihre Landwirtschaft umstellen mussten. Heute gilt es als eines der gesündesten Riffe der Welt. Das zeigt, dass man Hoffnung haben kann, wenn wir unser Verhalten ändern und verbessern.
Was ist das Wichtigste, was wir an unserem Lebensstil verändern sollten? Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen, brauchen wir zum Beispiel eine Agrarreform, die sich aber nicht von heute auf morgen umsetzen lässt. Vielen Politikern ist noch gar nicht klar, was sie da bei der Klimakonferenz 2015 beschlossen haben. Wir müssen uns vom Anspruchsdenken „immer schneller, immer billiger, immer mehr“ verabschieden. Sonst werden wir uns zugrunde richten. Jeder muss für sich entscheiden, wo er etwas verändern kann. Aber es muss ein Bewusstsein wachsen: Wie ernähren wir uns? Wie gehen wir mit der Umwelt um? Ist Recycling wirklich so kompliziert?
Es ist nach Boris Herrmann eine Minute vor zwölf fürs Klima, für andere ist es schon viel zu spät. Was sind für Sie realistische Maßstäbe, und welche Prognosen akzeptieren Sie beim Klimawandel? Im Grunde stimmt beides. Wir wissen, dass wir den Klimawandel nicht mehr aufhalten können. Aber wir können jeden Tag etwas dafür tun, diesen Planeten für zukünftige Generationen zu sichern. Es ist so, wie wenn man sich in den Finger schneidet. Wir haben uns verletzt, aber die Wunde heilt ganz schnell. Das, was wir der Natur angetan haben, heilt von selbst, wenn wir endlich damit aufhören, ihr weiter so etwas anzutun. Ein Beispiel ist das Schwarze Meer: Weil es dort nach dem Zusammenbruch des früheren Russland lange keine Wirtschaftskraft gab, also auch keine Industrie-Emissionen ins Meer flossen, konnte sich das Meer zeitweise komplett erholen.
Ihre Deutsche Meeresstiftung begreift sich vor allem als Netzwerk, das unterschiedliche Disziplinen aus Umweltpolitik, Rohstoff- und Energiewirtschaft, aus Wissenschaft und Bildung, Naturschutz und Kultur sowie aus Schifffahrt, Fischerei, Tourismus und Sport miteinander verbinden will. Ist das nicht eine Sisyphosarbeit ohne sichtbare Erfolge? Manche Dinge brauchen halt ein starkes Beharrungsvermögen, sehr viel Überzeugungsarbeit und auch Zeit. Es ist alles miteinander verknüpft. Wenn man die Technologie verändern will, muss man mit der Industrie sprechen und dort Unterstützung suchen. Ich glaube, es ist notwendig, so zu arbeiten, auch weil Menschen so unterschiedliche Zugänge zum Ozean haben. Für den einen ist der Ozean der Ort, wo man Urlaub macht, für den anderen ist es vielleicht etwas Geheimnisvolles. Deshalb ist es wichtig, Menschen auf völlig unterschiedliche Weisen für das Thema zu gewinnen. Die Multimedia-Ausstellung hier auf der „Cap San Diego“ (siehe Bericht auf Seite 17) ist eine Form, aber nicht die einzige.
Sie wollen unter anderem mit der Deutschen Meeresstiftung vom Wissen zum Handeln führen. Was ist seit der Gründung 2015 erreicht worden? Anfangs waren wir Exoten. Heute ist unser Stand auf der Messe „Boot“ in Düsseldorf ein Magnet. Die Leute kommen zu uns und interessieren sich für das Thema Nachhaltigkeit. In unserer Kernzielgruppe, und das sind Leute, die mit und von dem Ozean leben oder auf Inseln und an Küsten Sport oder Urlaub machen, sind wir inzwischen sehr bekannt, und diese Bekanntheit hat auch zu einer besonderen Achtsamkeit geführt. Und natürlich hat es uns geholfen, dass Wassersportler wie Boris Herrmann oder Prominente wie Fürst Albert von Monaco die Deutsche Meeresstiftung unterstützen.
Müssten Sie mit Ihrer Prominenz und Ihrer Umweltkompetenz nicht eigentlich in die Politik? Wäre es nicht schlüssig, dass Sie Ihr Know-how und Ihre Persönlichkeit in die Politik oder in die Arbeit der Vereinten Nationen einbringen? Das tue ich schon an verschiedenen Stellen, und wenn man mich fragt, sage ich auch gerne etwas dazu. Ich gehöre aber nicht zu den Leuten, die, wie die Politiker, anderen auf den Wecker gehen wollen. Aber es gibt schon viele Leute, die mich als einen interessanten Gesprächspartner zu dem Thema sehen und mich ansprechen. Ich habe zum Beispiel interessante Gespräche mit Stadtwerken über nachhaltige Energieerzeugung und solche Dinge. Und ich habe eine Menge Alternativen zu bieten. Wir leben nicht mehr in dem Zeitalter, in dem wir die Leute vom Klimawandel überzeugen müssen. Die, die es bis jetzt nicht begriffen haben, werden es wahrscheinlich nie begreifen. Jetzt müssen wir an Lösungen arbeiten. Und das ist eine mindestens ebenso interessante Aufgabe. Und da gehört viel unterschiedliches Know-how mit an den Tisch, um eine große Vielfalt von Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Denn noch wissen wir nicht, welche Lösungen es sein werden, die uns wirklich den Arsch retten.
Wer ist in Hamburg Ihr wichtigster Gesprächspartner? Der Bürgermeister? Das ist zuallererst Frank Schweikert, mit dem ich zusammen die Deutsche Meeresstiftung gegründet habe und heute zusammen im Vorstand bin. Aber natürlich spreche ich auch mit Peter Tschentscher genauso wie mit Umweltsenator Jens Kerstan. Wir Hamburger können von Glück reden, dass hier immer eine frische Nordseebrise weht, was für den Industriestandort Hamburg und den Luftaustausch wahnsinnig wichtig ist, weil wir sonst eine viel schlechtere Lebensqualität hätten.
Mit der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine mussten fast alle Klima- und Umweltziele der Ampelregierung aufgegeben werden. Kernkraftwerke laufen weiter, Kohle wird wieder reichlich importiert. Frustriert das nicht, und woher nehmen Sie Ihre Energie fürs Umwelt-Engagement? Ich bin nicht frustriert, weil es ja oft in der Politik so ist, dass diejenigen, die für was ganz anderes stehen, die Arbeit machen müssen. Das ist ein bisschen schicksalhaft, und es zeigt, dass man die Themen viel entschlossener anpacken muss, als das bisher getan wurde. Und dass man umsichtig sein muss und Veränderungen registriert und Warnungen hört, auch wenn nur kleine Minderheiten sie aussprechen. Wenn man erkennt, dass etwas wahr ist, ist es egal, wie viele Menschen es erkannt haben. Dann sollte die Politik entsprechende Weichen zu stellen.
Die Frage muss jetzt kommen: Sind Sie ein Grüner oder Roter oder ein Rot-Grüner? Ich war auf dem Gründungsparteitag der Grünen. Ich bin aber nie Mitglied geworden und wollte das auch nicht. Ich sage mal so, Politik ist nicht so meine Leidenschaft, weil ich kein Machtmensch bin.
Wir steuern offenbar zurzeit in eine nachhaltige Wirtschaftskrise mit einer Horrorinflation von bis zu zehn Prozent in Deutschland. Macht Ihnen das Angst? Wenn wir eine Inflation von zehn Prozent bekämen, wären so viele Menschen betroffen, dass man tatsächlich auch mit Unruhen rechnen müsste. Insofern müssen alle Anstrengungen unternommen werden, dass wir uns wieder stabilisieren, und dann die Umwelt und Ressourcenknappheit gleich mitbedenken.
Die Otto-Dynastie steht für besonders erfolgreiches Business- und Stiftungsunternehmertum. Wie kann man mit so viel Vorbild-Familienmitgliedern und Erfolgsmenschen frei und unabhängig aufwachsen? Das ist eine interessante Frage. Ich glaube, nur man selbst kann sich frei und unabhängig machen. Da der Name Otto ja nicht so selten ist, dass er automatisch mit dem Versand in Verbindung gebracht wird, hatte ich viele Jahre, in denen ich gar nicht als ein Spross meines Vaters identifiziert wurde.
Apropos Vater oder Familie: Was ist Ihre schönste und Ihre unerfreuliche Kindheitserinnerung? Zu den unschönen Erlebnissen gehört, dass ich der Generation angehöre, die die Prügelstrafe noch kannte. Und die schönsten Kindheitserlebnisse sind für mich die Reisen, die wir mit der Familie unternommen haben.
Sie sind in den aufmüpfigen 1970er-Jahren groß geworden, und Ihr Vater soll über Ihr Kunststudium bestürzt gewesen sein. Stimmt das, und was hat er von Ihnen erwartet? Ich glaube, jeder Vater dieser Generation hatte die Erwartung, dass ihm die Söhne ins Unternehmen folgen. Aber als er Arbeiten von mir als Kunststudent gesehen hat, war er schon relativ begeistert und hat mich verstanden. Man muss dazu wissen, dass mein Vater selbst einen künstlerischen Berufswunsch hatte. Und zwar wollte er eigentlich Schriftsteller werden. Dem Unternehmertum ist er eher aus der Not in der Nachkriegszeit verfallen, seine Familie ernähren zu müssen. Damit wurde er dann megaerfolgreich.
War Ihr Vater ein klassischer Patriarch? Ich denke, er war ein extrem moderner Mann für seine Zeit. Aber er war eben auch ein sehr bestimmender Unternehmenslenker – wie ein Kapitän auf der Brücke.
Im Vergleich zu Ihren Brüdern wirken Sie mit Ihrer Langhaarfrisur als Nonkonformist. Wie lebt es sich damit im hanseatisch steifen Bürgerhaushalt Otto? Also, jeder von uns hat ja seine eigene Familie Und das Hanseatische ist inzwischen bunt geworden. Und es ist ja nicht mehr so, dass nur die Kaufmannschaft die Stadt beherrscht. Wir sind eine Multikulti-Gesellschaft mit unterschiedlichsten Neigungen und einer bewegenden Kultur. Hier ist für jeden Platz, egal wie er tickt.
Sie sind Multimillionär und haben sich zugleich das Image des Rebells und schwarzen Schafs der Otto-Familie auch mit Ihrem Privatleben erworben. Wie lebt es sich als Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Persönlichkeit in Hamburg? Ja, in dieser Wahrnehmung habe ich zwei Persönlichkeiten. Und ich verstehe auch, dass es von außen, je nachdem welche Publikation man sich ansieht, unterschiedliche Blickwinkel auf mich gibt. Aber wenn Leute mich persönlich kennenlernen, stellen sie fest, dass ich eine Person und eine Persönlichkeit bin.
Was ist Luxus für Sie? Zeit. Nicht an Jahren, sondern im Augenblick. Das ist Luxus.
Apropos Zeit: Haben Sie neben den vielen beruflichen Dingen überhaupt ein Privatleben? Ja, aber eben sehr begrenzt. Doch ich achte schon auf meine persönliche Work-Life-Balance und bin heute früh beispielsweise schon um die Alster gelaufen. Ich achte auf mich und mache Dinge für mich, die nötig sind.
Was ist zurzeit Ihr persönlich wichtigstes Ziel? Ich habe immer das Bedürfnis, Dinge zu verändern oder Veränderungen mit anzustoßen. Und das ist ja in vielen Zusammenhängen schon gelungen, und in anderen ist es noch nicht so weit. Für mich ist entscheidend, dass ein Weg in ein anderes Denken, in ein anderes Handeln beschritten wird. Und wenn man dann sieht, dass etwas alltäglich wird und man hier und da mehr Gehör findet, als man es früher hatte, ist das schön. Insofern gibt es gar nicht das eine große Ziel, das ich erreichen oder noch erleben möchte.
Wie ernähren Sie sich und halten sich persönlich fit? Ich achte darauf, wenig Kohlenhydrate zu essen. Da bin ich achtsam. Fit halte ich mich mit Laufen, Fahrradfahren und etwas Krafttraining, was ich jedoch zu selten mache.
Sie haben Ihr Büro der Frank Otto Medien, der FO Medien, in der HafenCity, in der Shanghaiallee, und die Meeresstiftung ist um die Ecke in der Neustadt. Was macht für Sie den Reiz der HafenCity aus? Dass etwas Neues entsteht. Und dass man diesen ganzen Prozess mitverfolgen kann, denn ich bin ja seit Anbeginn dabei, als man noch von den Deichtorhallen bis zum früheren Kaispeicher A gucken konnte, und inzwischen ist dazwischen eine ganze Stadt entstanden. Und ich finde es spannend zu sehen, wie das Leben architektonisch vorgedacht wurde und wie es jetzt von den Menschen, die hier leben, ausgefüllt wird. Und ich kenne viele, die gerne hier leben. Das war am Anfang noch nicht so, hat sich aber geändert, weil auch kulturelles Leben in die HafenCity eingezogen ist. Die HafenCity ist ein Stadtteil in Entwicklung, in einer guten Entwicklung.
Was ist für Sie das Positivste an der HafenCity, und wo muss die HafenCity unbedingt noch mal ein bisschen von anderen Stadtteilen lernen? Oder von anderen Städten in der Welt? Natürlich ist die Lage etwas extrem Positives für die HafenCity. Sie bietet eine spannende Kulisse und ist vielerorts auch aus der Ferne wunderbar zu sehen. Hinzu kommen viele Orte mit Sonnenuntergängen über der Elbe. Das ist traumhaft.
Was fehlt, und worüber ist nicht genügend nachgedacht worden? Ich hätte mir für die HafenCity mehr Grün gewünscht. Der Lohsepark ist die einzige große zusammenhängende Grünfläche. Und ich weiß, wie wichtig Naherholung im Grünen für viele Menschen ist. Aber das kann ja noch kommen.
Was würden Sie mit dem Filetstück Baakenhöft machen? Dafür ist bislang von der Hamburger Bürgerschaft ja noch keine Verwendung beschlossen worden – und nach dem Willen der SPD soll das auch in den kommenden fünf Jahren erst einmal so bleiben. Haben Sie eine Idee? Ich könnte mir eine Mischung vorstellen, in der auch Urban Gardening und andere Dinge eine Rolle spielen. In jedem Fall ist der Ort etwas Besonderes. Das temporäre Kreuzfahrtterminal verschwindet ja wieder, und ob das markante Gebäude, das wie eine Baracke wirkt, der Schuppen 29, der Weisheit letzter Schluss ist, ist noch mal eine andere Frage. Der Baakenhöft, dieses Sahnestück, das an drei Seiten von Wasser umgeben ist, braucht am Ende in jedem Fall eine einzigartige Immobilie wie es zurzeit das Lighthouse darstellt. Aber vielleicht wird man schon in der Planung vertikales Grün mitdenken und eine Mischnutzung möglich machen.
Mit dem südlichen Überseequartier und dem neuen Elbtower in der HafenCity entstehen neue riesige Entertainment-, Wohn-, Hotel- und Bürokomplexe, die Hamburg ein neues Gesicht geben werden. Wie finden Sie als inzwischen 65-jähriger Uhlenhorst-Bewohner diese neuen Projekte? Ich finde es gut, weil sie durch ihre Lage unserem Stadtbild nicht abträglich sind und markante Zeichen setzen, ohne dabei zu aufdringlich zu sein. Das finde ich ganz interessant. Es gibt ja noch andere Flächen entlang dieser Blickachsen. Hat noch nie ein Projektentwickler darüber nachgedacht, am Berliner Tor ein Hochhaus zu bauen? Die Genehmigung gibt es bereits, weil wir auf der anderen Seite des Berliner Tors bereits Hochhäuser haben. Ich finde, urbanes Wohnen hat eben auch etwas mit Hochhäusern zu tun. Denn wenn wir darüber nachdenken, energieeffizient oder selbst immer effizienter zu leben, können wir das am besten auf dichtem Raum. Kurze Wege bedeuten, dass man nicht viel Energie aufwenden muss. Insofern ist das für Städte die richtige Lebensweise.
Initiativen wie das Netzwerk HafenCity e. V. fordern Tempo 30 und Rückbau aller vierspurigen Straßen zur radikalen Senkung von Schadstoff- und Lärmemissionen im Quartier. Ist da der Meeresforscher Frank Otto dabei? Dort, wo ich wohne, ist gerade eine Fahrradstraße eingerichtet worden. Das genieße ich sehr. Ich glaube, dass Entschleunigung immer wichtiger wird und wir in Zukunft eine andere Mobilität brauchen. Auch in der HafenCity hat man noch sehr automobil gedacht, obwohl das gar nicht unsere Zukunft ist, sondern Carsharing mit autonomem Fahren und allem, was wir noch an ganz anderen Mobilitätsformen entwickeln werden.
Glauben Sie, dass die HafenCity, dass Hamburg in den nächsten Jahren überflutet werden und direkt an der Nordsee liegen wird? Die HafenCity ist höher gelegt worden. Wenn ich in mein Büro gehe, das ein Altbau ist, dann betrete ich das Gebäude heute im ersten Stock. Man hat hier den Klimawandel und die drohende Gefahr von Sturmfluten mitgedacht. Aber ich weiß auch, dass bei Hochwasser ein paar Straßen überflutet sind. Das ist aber auch sinnvoll, damit das Wasser überhaupt irgendwo hinkann.
Sie haben einen Wunsch ohne Rücksicht auf politische und finanzielle Hürden frei. Was veranlassen Sie sofort? Mein stärkster Wunsch ist, dass die Erderwärmung bis 2030 die 1,5 Grad nicht überschreitet – was von Jahr zu Jahr unwahrscheinlicher wird. Das ist für mich am dringlichsten, weil ich Kinder habe und möchte, dass sie das angenehme Leben leben können, das ich selbst hier genießen darf. Und wir müssen aufhören, die Zukunft zu belasten. Wenn wir Dinge erschaffen, müssen wir sie auch wieder wegräumen. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe