»In der Indie-Disco rauf und runter laufen!«

Elbphilharmonie. Die isländisch-italienische Musikerin Emilíana Torrini tritt am 8. Oktober
im Großen Saal mit neuen Liedern zu leidenschaftlichen Liebesbriefen auf

Es gab eine Phase, in der Emilíana Torrini, die am 8. Oktober im Großen Saal der Elbphilharmonie auftritt, auf dem Weg zum Popstar zu sein schien. 2009 hatte sie mit dem ausgelassenen „Jungle Drum“ einen Nummer-eins-Hit in Deutschland. Doch statt weiterhin auf Ohrwurmmelodien zu setzen, trat die Isländerin danach lieber auf die Bremse. Erst 2013 erschien ihr nächstes Album „Tookah“. Sich so lange rar zu machen, das ist im Mainstream oftmals tödlich. Die Musikerin kriegte die Quittung – ihre Platte, gespickt mit elektronischen Spielereien und folkigen Balladen, versandete auf Platz 51 der deutschen Charts.
Foto oben: Musikerin Emilíana Torrini: „Let’s Keep Dancing“, ein Titel über einen letzten Tanz vor einer Trennung, belegt, dass sich Melancholie durchaus mit flotten karibischen Rhythmen verträgt. © Dean Rogers

Danach verschwand Emilíana Torrini von der Bildfläche, zumindest als Solokünstlerin. Dabei hat sie der Musik gar nicht vollständig den Rücken gekehrt. Sie übernahm für mehrere Kid-Koala-Songs den Gesang oder tat sich mit dem belgischen Colorist Orchestra zusammen. Trotzdem ließ ihr jüngstes Konzeptalbum „Miss Flower“ mehr als zehn Jahre auf sich warten. Dafür gab es ganz unterschiedliche Gründe. Erstens natürlich die Pandemie, zweitens eine gewisse künstlerische Unzufriedenheit, drittens hat sich privat einiges bei der Tochter einer Isländerin und eines Italieners verändert: Sie zog wieder in ihre Heimat, sie heiratete, sie bekam Kinder. Als Mutter wollte sie nicht mehr ständig auf Tournee gehen.

Singer-Songwriterin Emilíana Torrini: Ihre pulsierenden Beats sind zwar in bester Björk-­Manier recht eigenwillig, doch sie lassen einen nicht mehr los. © Dean Rogers

Gemeinhin kommt es aber meistens nicht so, wie man denkt. Man könnte auch sagen: Vielleicht war es Schicksal, dass in der Wohnung der verstorbenen Mutter einer Freundin plötzlich eine große Kiste mit Liebesbriefen auftauchte. Von Männern, von Frauen, viele waren geradezu besessen von Geraldine Flower, die immerhin neun Heiratsanträge bekommen hat. Trotzdem trat sie nie vor den Traualtar.

Dieses Abtauchen in die Tiefen eines anderen Lebens inspirierte Emilíana Torrini zu neuen Songs. Nicht zwingend basiert jedes Lied auf einem einzigen Brief, manchmal ist die gesamte Korrespondenz mit einer bestimmten Person eingeflossen. Das Stück „Lady K“ entspringt jenen Briefen, die ihre große Liebe Geraldine Flower geschrieben hat. Dieser Mann wollte seine Angebetete mit einer angeblichen Affäre mit „Lady K“ eifersüchtig machen, sie war allerdings nur ein Boot. Auf der Klangebene liefert dieses Stück unprätentiösen Trip-Hop. Er driftet nicht etwa ins Verträumte ab, sondern könnte in der Indie-Disco rauf und runter laufen.

Sprechgesang eröffnet das hypnotische „Black Water“. Musikalisch gelingt Emilíana Torrini hier etwas Großartiges. Ihre pulsierenden Beats sind zwar in bester Björk-Manier recht eigenwillig, doch sie lassen einen nicht mehr los. Der Text zitiert aus Briefen eines mutmaßlich amerikanischen Liebhabers. Die malerische Klavierballade „The Golden Threat“ beschwört unstillbare Sehnsucht herauf. Ein Australier kann seine Ex nicht einfach vergessen, obwohl er mit einer anderen Frau im Bett liegt. Diese Geschichte erzählt Emilíana Torrini mit unverkennbarer Wehmut in ihrer Stimme.

„Let’s Keep Dancing“, ein Titel über einen letzten Tanz vor einer Trennung, belegt, dass sich Melancholie durchaus mit flotten karibischen Rhythmen verträgt. Das Instrumentalstück „A Dream through the Floorboards“ erinnert an Erik Satie. Es braucht keinen Gesang und lässt diese wunderbare Platte sanft ausklingen. Eine Seite, die der Musik auch gut steht. Dagmar Leischow

Info
Emilíana Torrini tritt am Dienstag, 8. Oktober, 21 Uhr, im Großen Saal der Elbphilharmonie auf. Karten und weitere Informationen unter www.elbphilharmonie.de

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