»In einen sinnlichen Dialog mit der Natur treten«

Kunst. Die Ausstellung »Flowers forever! Blumen in Kunst und Kultur« präsentiert am Alten Wall im Bucerius Kunst Forum Installationen und Malerei zur Weltgeschichte der Blume

Blumen symbolisieren nicht bloß Schönheit, sie stehen auch für Widerstand und Protest – man denke nur an die Nelkenrevolution. Daran erinnert die Ausstellung „Flowers forever! Blumen in Kunst und Kultur“ im Bucerius Kunst Forum, die bis zum 19. Januar 2025 läuft. Zu Beginn der Schau sieht man eine Weltkarte und erfährt: Blumen waren nicht immer überall. Vor allem macht einen staunen, woher manche Arten eigentlich kommen. Geranien waren ursprünglich in Südafrika beheimatet, Tulpen stammen aus Persien, werden aber in erster Linie mit den Niederlanden verbunden.
Foto oben: Rebecca Louise Laws „Blütenkelch“ aus getrockneten Blumen lädt zum Innehalten ein. In dieser Installation können die Besucher:innen in einen sinnlichen Dialog mit der Natur treten. © Rebecca Louise Law: Blütenkelch, 2023, produziert im Auftrag der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München © Rebecca Louise Law / VG Bild-Kunst, Bonn 2024

In Amsterdam wurden Blumen, insbesondere Tulpen, zu Beginn des 17. Jahrhunderts gehandelt wie Aktien. Eine einzige Zwiebel konnte so viel wert sein wie ein ganzes Haus. Bis die Tulpenmanie 1637 diese Spekulationsblase zum Platzen brachte. Dieses Thema griff der Maler Jan Brue­ghel der Jüngere um 1640 mit „Satire auf die Tulpenmanie“ auf. Anstelle von Menschen malte er Affen, die Bedeutung liegt auf der Hand: Wer ohne Sinn und Verstand in Tulpen investiert, macht sich zum Affen.

Kapwani Kiwangas Blumeninstallation „Die Marias“ von 2020 – auf zwei Podesten befinden sich Blüten des Pfauenstrauchs. Kuratorin Franziska Stöhr: „Versklavte Frauen, die sexueller Gewalt ausgesetzt waren, nutzten diese Blume als Verhütungs- und Abtreibungsmittel.“ © Ulrich_Perrey

Unweit von diesem Gemälde hängt Anna Ridlers Videoinstallation „Mosaikvirus“ von 2019. Ihre Arbeit zieht eine Parallele zwischen dem damaligen Tulpenhandel und der Kryptowährung Bitcoin. Bei dieser Künstlerin öffnen und schließen sich die Tulpenblüten entsprechend der Kursentwicklung des Bitcoins 2017/18. Ebenso wenig wie diesem Werk kann man sich  Kapwani Kiwangas „Die Marias“ von 2020 entziehen. Diese Installation steht in einem gelben Raum, grelles Licht beleuchtet ihn unangenehm. Auf zwei Podesten finden sich Blüten des Pfauenstrauchs in unterschiedlichen Stadien. Die Kuratorin Franziska Stöhr erläutert, was es mit ihnen auf sich hat: „Versklavte Frauen, die sexueller Gewalt ausgesetzt waren, nutzten diese Blume als Verhütungs- und Abreibungsmittel.“ Somit wird hier ein dunkler Teil der Geschichte zutage befördert.

Ein echter Hingucker ist Miguel Chevaliers „Extra-Natural“ von 2023, diese interaktive Installa­tion erschafft einen virtuellen Blumengarten. Wenn man an den Pflanzen vorbeigeht, reagieren Sensoren auf die Bewegungen der Besucher:innen. Der franko-mexikanische Künstler verweist darauf, dass das Verhältnis von Natürlichkeit und Künstlichkeit zusehends verschwimmt. „Die Natur ist sehr künstlich geworden“, stellt Franziska Stöhr fest. „Wenn wir so weitermachen, gibt es irgendwann nur noch virtuelle Gärten.“

Einen gesellschaftlichen Bezug haben auch Tracey Bush’ knallige Collagen von 2022, die Namen wie „Löwenzahn“ oder „Hundsrose“ tragen. Weil der durchschnittliche Erwachsene in der westlichen Welt heutzutage mehr als 1.000 Markennamen, aber weniger als zehn einheimische Pflanzen kennt, sammelte die Künstlerin auf den Straßen Londons Verpackungsmaterial. Daraus kreierte sie Blumen.

So bekommt man in „Flowers forever! Blumen in Kunst und Kultur“ unzählige Informationen. Zum Beispiel, dass Blumen im Christentum anfangs verboten waren, während der Lotus im Buddhismus sowohl Buddha als auch dessen Lehre symbolisiert. Abhängig von Religion und Land haben Blumen eben unterschiedliche Bedeutungen. Manchem mag irgendwann der Kopf schwirren. Deshalb lädt Rebecca Louise Laws „Blütenkelch“ aus getrockneten Blumen ganz am Schluss der Ausstellung zum Innehalten ein. In dieser Installation können die Menschen in einen sinnlichen Dialog mit der Natur treten. Das ist einfach eine Wohltat. Dagmar Leischow

Info Die Ausstellung „Flowers forever! Blumen in Kunst und Kultur“ läuft bis zum 19. Januar 2025 im Bucerius Kunst Forum. Weitere Informationen unter www.buceriuskunstforum.de

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