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Malte Heyne: »Willy-Brandt-Straße neu denken!«

City Dr. Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, über Innenstadt, HafenCity und die Kammer-Strategie „Hamburg 2040“

So langsam scheinen sich die „Opinion Leader“, die wirklich wichtigen Player, für ein künftiges nachhaltiges Zusammenwachsen von Alt- und Neustadt sowie HafenCity warm zu laufen. Da sprach Dirk Hünerbein, Chefentwickler des Westfield Hamburg-Überseequartiers, beim eigenen Einzelhändler-Event Ende März von der „Innenstadt 3.0“, die er sich für ein gutes Mit- und Nebeneinander zwischen Alster und Elbe wünsche. Und der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, Dr. Malte Heyne, spricht gegenüber der HafenCity Zeitung Klartext beim Kernthema und zur Zukunft eines nachbarschaftlichen kreativen Austauschs: „Wichtig ist, dass überhaupt eine Lösung gefunden wird, um Innenstadt und HafenCity zusammenwachsen zu lassen.“ Mimik und Gestik machen deutlich: Das hätte für ihn schon längst passieren sollen.
Foto oben: Handelskammer-Geschäftsführer Dr. Malte Heyne zu Hamburg im Jahr 2040: „Die drei wichtigsten Meilensteine auf dem Weg dorthin sind Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, eine hohe Lebensqualität und Attraktivität für Fachkräfte sowie exzellente Rahmen­bedingungen für Start-ups und Innovationen.“ © Karin gerdes / Handelskammer Hamburg

Barriere Willy-Brandt-Straße/Brandstwiete (2010, noch mit früherem „Spiegel“-Signet) im Zentrum der „Domachse“, der Verbindung von der Innenstadt in die HafenCity, die jetzt ­„ertüchtigt“ werden soll. Handelskammer-Mann Dr. Malte Heyne zur Zukunft des Rushhour-Highways: „Eine Verengung und Reduzierung der Fahrstreifen halten wir, insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Sperrung der Stein­straße für den motorisierten Individualverkehr, nicht für geeignet. Deshalb fordern wir ein umfassendes Verkehrskonzept für die gesamte Innenstadt.“ © Bernd Nasner

Herr Heyne, was macht eigentlich ein Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg? Auf Basis unserer Standortstrategie „Hamburg 2040: Wie wollen wir künftig leben – und wovon?“ wollen wir als Handelskammer aktiv die Zukunft des Standorts gestalten. Dazu gehört natürlich auch, dass wir bei aktuellen Herausforderungen für unsere 170.000 Mitgliedsunternehmen da sind. Während der Corona-Krise haben wir uns beispielsweise erfolgreich für Wirtschaftshilfen bei der Politik eingesetzt, damit kein vorher gesundes Unternehmen durch Corona unverschuldet in die Insolvenz getrieben wird.
Diese riesige Aufgabe des Standortmanagements übernehme ich gemeinsam mit dem Team aus dem Hauptamt, den 63 Unternehmerinnen und Unternehmern im Handelskammer-Plenum sowie den rund 850 weiteren ehrenamtlich aktiven Mitgliedern in unseren Ausschüssen und Arbeitskreisen. Außerdem sichern 4.500 Prüferinnen und Prüfer die Qualität der Ausbildung. Unser Leitmotto lautet: „Gemeinsam Hamburgs Zukunft gestalten“. 

»Eine Verbindung von HafenCity und Innenstadt ist immer noch essenziell. Hierfür kommen aus unserer Sicht mehrere Möglichkeiten in Betracht, zum Beispiel eine Seilbahn, ein Skywalk, eine Teilüberbauung bzw. Untertunnelung oder auch der Einsatz breiterer attraktiver Fußgängerfurten.« 
Dr. Malte Heyne zur Neuerfindung Innenstadt

Wie würden Sie das seit Herbst 2020 gültige Strategiekon­zept „Hamburg 2040: Wie wollen wir leben – und wovon?“ der Handelskammer auf den Punkt bringen? Unser Ziel ist, dass Hamburg im Jahr 2040 ein innovativer, dynamischer, nachhaltiger und damit wettbewerbsfähiger und lebenswerter Wirtschaftsraum ist. Die drei wichtigsten Meilensteine auf dem Weg dorthin sind Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, eine hohe Lebensqualität und Attraktivität für Fachkräfte sowie exzellente Rahmenbedingungen für Start-ups und Innovationen. 

Seit der Verabschiedung des Papiers sind zwei Jahre vergangen. Was hat sich für Sie schon eingelöst, was sind die wichtigsten Punkte in 2023, und was ist das wichtigste Ziel der kommenden drei Jahre? Wir haben in den vergangenen zwei Jahren die Ziele der Standortstrategie konkretisiert und Konzepte und Impulse für den Hafen, die Innenstadt, die Fachkräftesicherung und Hamburg als Innovations-standort vorgelegt. Darüber hinaus haben wir beispielsweise gemeinsam mit der Universitätsgesellschaft Hamburg eine Zukunftskonferenz veranstaltet, Innovationspartnerschaften mit Dubai und Tel Aviv geschlossen, das Mobilitätsfestival „HEY HAMBURG“ ins Leben gerufen und sind auf dem Weg, als Kammer klimaneutral zu werden.
Unser Fokus 2023 liegt auf dem Thema Nachhaltigkeit. Wir haben eine Studie bei der OECD in Auftrag gegeben, aus der sich konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmerinnen und Unternehmer ergeben. Damit wollen wir unserem ehrgeizigen Ziel, die Hamburger Wirtschaft bis 2040 klimaneutral zu machen, näherkommen und aufzeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und Klimaschutz keine Gegensätze  sind.
In den kommenden Jahren haben wir außerdem angesichts der sich verändernden geopolitischen Beziehungen die Außenwirtschaft fest im Blick – das war vor zwei Jahren in der Form noch gar nicht absehbar. Wir wollen unseren Unternehmen Alternativen aufzeigen und helfen, neue Märkte zu erschließen. Zum Beispiel wird gerade Zentralasien als Einkaufs- und Absatzmarkt, aber auch als Produktionsstandort immer interessanter.

VITA Dr. Malte Heyne ist seit 1. August 2020 Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg (HK Hamburg). Der promovierte Volkswirt wurde vom Plenum der HK Hamburg seinerzeit einstimmig gewählt. Mit „Hamburg 2040: Wie wollen wir leben – und wovon?“ entwickelte die Handelskammer im Herbst 2020 eine neue Standort­strategie unter dem 2020 neu gewählten Präses Prof. Norbert Aust. Malte Heyne war vor seiner Wahl zum Hauptgeschäftsführer sechs Jahre als Geschäftsführer der IHK Nord tätig, des Zusammenschlusses der 13 norddeutschen IHKs. Begonnen hat Heyne 2004 in der Bremer Wirtschaftsförderung mit engen Kontakten zur Kammerorganisation.
2007 wechselte er zur Handels­kammer Hamburg und bearbeitete ein breites Spektrum an Aufgaben – von Wirtschaftspolitik über Infrastruktur mit Hafen, Logistikwirtschaft und Tourismus sowie Personenverkehr bis hin zum Sport. Der 43-Jährige ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in der Metropolregion Hamburg.

Ein Sorgenkind der Hamburger Wirtschaft ist der Hafen, für den die neue Wirtschaftssenatorin Dr. Melanie Leonhard demnächst einen neuen Entwicklungsplan vorstellen wird. Was ist für Sie und die Handelskammer der Big Point für eine prosperierende Zukunft des Hafens? Die Erreichbarkeit des Hafens zu verbessern ist ein wichtiger Baustein, damit er auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibten wird. Das kann Hamburg nicht allein schaffen, sondern das ist eine nationale Aufgabe, die angesichts der nationalen Bedeutung des Hamburger Hafens für die gesamte außenhandelsorientierte deutsche Wirtschaft eminent wichtig ist. Und diese Aufgabe liegt übrigens auch im Interesse unserer Nachbarbundesländer, denn vom Hamburger Hafen aus werden Schleswig-Holstein und Niedersachsen mitversorgt. Ganz zu schweigen von den Arbeitsplätzen und der Wertschöpfung, die der Hafen auch für unsere Nachbarn schafft. Norddeutsche Zusammenarbeit ist also auch hier eine unabdingbare Aufgabe. 

Viel populäre Aufregung erfahren die konsequenten Umsetzungen des Verkehrs- und Mobilitätswendesenators Dr. Anjes Tjarks hin zur Fahrradstadt Hamburg und einer alternativen nachhaltigen Mobilität. Zuletzt haben Sie als Kammer ihm ein Moratorium zum Stopp der Anwohnerpark-Initiative der Behörde abgerungen. Ist das Kraftfahrzeug eine Kernidentität der Handelskammer? Nein, das kann man so nicht sagen. Genauso, wie wir technologieoffen sind, sind wir auch „Verkehrsträger-offen“. Vonseiten der Handelskammer unterstützen wir den Ausbau des ÖPNV, etwa den Bau der S4 oder die neue U5. Aber für viele Unternehmen ist das Auto noch immer elementar wichtig, um ihren Geschäften nachkommen zu können. Und hierfür müssen Quartiere für alle Verkehrsteilnehmer erreichbar bleiben, und es muss Stellplätze für Kraftfahrzeuge geben.
Aktuell sehen wir beim Thema Bewohnerparken eine Benachteiligung von Gewerbetreibenden. Entscheidend ist daher ein Miteinander von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Unternehmen. Parkraummanagement darf nicht dazu führen, dass Betriebe abwandern. Zumal das dann auch der vom Senat angestrebten Mischnutzung von Leben und Arbeiten in den innenstadtnahen Quartieren entgegenstehen würde. Darauf haben wir hingewiesen und Lösungen vorgeschlagen, wie dieses Miteinander geregelt werden kann.

Malte Heyne zur neuen Lebendigkeit der Innenstadt: „Die stärkere Sichtbarmachung und Nutzbarkeit des Wassers in der Innenstadt bietet sich in Hamburg an, um mehr Leben in die Innenstadt zu bringen.“ © Oliver Vonberg / Handelskammer Hamburg

Welche Mobilität der Zukunft schwebt Ihnen für Hamburg vor? Hamburg steht aufgrund von technologischen und nachfrageseitigen Veränderungen vor einer Mobilitätswende, die einen deutlichen Ausbau des ÖPNV und eine Dekarbonisierung des motorisierten Individualverkehrs erfordert. Der ÖPNV kann jedoch nicht alle Herausforderungen einer Mobilitätswende lösen, insofern müssen wir über ergänzende Lösungen nachdenken. Ich bin überzeugt, dass viele Verkehrsmittel der Zukunft autonom fahren und sich mehr in der Luft bewegen werden. Insgesamt stehen die Verfügbarkeit und die Zuverlässigkeit von Mobilitätslösungen im Vordergrund. Dafür müssen Konzepte für neuartige Verkehrsmittel im Sinne einer Smart City erarbeitet werden. Und wir brauchen gesellschaftlichen Mut und gute politische Rahmenbedingungen für die breite Testung innovativer Mobilitätsprojekte (zum Beispiel urbane Luftmobilität, autonomes Fahren, Quartierslogistik, Smart-City-Loop).

Die Handelskammer, aber auch Sie persönlich, haben die Innenstadt auf der Agenda. Was ist das größte Hindernis in dem gewünschten Prozess einer nachhaltigen Erneuerung der Innenstadt, für die der Senat zuletzt 100 Millionen Euro Investitionen beschlossen hat? Die Vielzahl von Akteuren und Interessen ist eine große Herausforderung – hier ist ein professionelles Transformationsmanagement gefragt. Mit der Berufung der neuen Innenstadtkoordinatorin Elke Pahl-Weber und der Gründung des Runden Tisches Innenstadt, an dem wir mitwirken, wurden dazu erste wichtige Schritte gemacht. Der Weg ist aber noch lang.

Wie realistisch ist das Ziel, die Innenstadt neben einem deutlich moderneren Einzelhandel wieder zu einem lebenswerten Stadtteil nach Geschäftsschluss zu machen? Kann das ohne Wohnen gelingen? Die Erhöhung des Wohnanteils ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein, um die monofunktionale Ausrichtung der Innenstadt aufzubrechen. Wir müssen Treffpunkte und Aufenthaltsorte schaffen, die dann auch aktiv – beispielsweise mit kulturellen Veranstaltungen – bespielt werden müssen. Die stärkere Sichtbarmachung und Nutzbarkeit des Wassers in der Innenstadt bietet sich in Hamburg an, um mehr Leben in die Innenstadt zu bringen. 

Aktuell werden viele Projekte zur Verbersserung der Aufenthaltsqualität von City-Plätzen und zu einer grüneren und autoärmeren Innenstadt realisiert. Alle, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sowie der aktuelle Masterplan Innenstadt, begreifen die City als Innenstadt am Wasser – von der Alster bis zur Elbe mit der HafenCity. Warum spricht keiner neben allen Neuerungen für City und HafenCity über das größte Hindernis des Zusammenwachsens: die Willy-Brandt-Straße? Wir sprechen schon lange und immer wieder von dieser Barriere und haben dazu bereits vor zehn Jahren ein fundiertes Konzept vorgelegt. Wir sind offen für viele Ideen zur Überwindung der Willy-Brandt-Straße. Wichtig ist, dass überhaupt eine Lösung gefunden wird, um Innenstadt und HafenCity zusammenwachsen zu lassen. Um den Verkehr auf der Willy-Brandt-Straße zu entlasten, würde beispielsweise der Bau der A26- Ost eine Entlastung schaffen – als Verbindung zwischen A1 und A7. 

Eine zehn Jahre alte Idee der Handelskammer, den Willy-Brandt-Highway zu untertunneln, wurde als nicht finanzierbar abgelehnt. War man damals zu optimistisch? Wir hatten ein tragfähiges Finanzierungskonzept vorgelegt, das vorsah, die Untertunnelung durch den Verkauf von frei werdenden Flächen zu finanzieren. Eine Verbindung von HafenCity und Innenstadt ist immer noch essenziell. Hierfür kommen aus unserer Sicht mehrere Möglichkeiten in Betracht, zum Beispiel eine Seilbahn, ein Skywalk, eine Teilüberbauung bzw. Untertunnelung oder auch der Einsatz breiterer attraktiver Fußgängerfurten.

Die Grundeigentümervertreterin und Innenstadt­akteurin Nicole C. Unger hat gegenüber der Hafen­City Zeitung vorgeschlagen, den Highway Willy Brandt an vier Stellen einspurig zu verengen und so eine wechselseitige Anbindung von City und HafenCity zu erreichen. Teilen Sie die Grundidee, die Willy-Brandt-Straße neu zu denken? Auf jeden Fall muss die Willy-Brandt-Straße neu gedacht werden. Eine Verengung und Reduzierung der Fahrstreifen halten wir insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Sperrung der Steinstraße für den motorisierten Individualverkehr nicht für geeignet. Deshalb fordern wir ein umfassendes Verkehrskonzept für die gesamte Innenstadt.

Zu Ostern 2024 eröffnet in der HafenCity das Westfield Hamburg-Überseequartier, das unter anderem mit großen Einzelhandels-, Gastronomie- und Kulturflächen täglich 45.000 Menschen an die Elbe locken will. Ist das der Tod des Innenstadt-Einzelhandels? Nein, das glaube ich nicht. Zentral wird auch hier die Frage sein, ob wir es schaffen, die Innenstadt und die HafenCity zu verbinden. Wenn uns dies gelingt, können Innenstadt und HafenCity auch wirklich zusammenwachsen und voneinander profitieren. 

Wie erholt sich der promovierte Volkswirt Malte Heyne von Hamburger Wirtschaftskrisenthemen und Alltagsstress? Meine Familie mit drei Kindern schafft immer schnell Ablenkung. Die drei Jungs und ich sind große Fußballfans, so kicken wir oft zusammen oder schauen Fußball. Highlights sind immer gemeinsame Stadionbesuche. 

Wie würden Sie Ihren aktuellen Gemütszustand beschreiben? Trotz der großen Herausforderungen, vor denen Hamburgs Wirtschaft steht, bin ich grundsätzlich optimistisch und glaube, dass wir gemeinsam unsere Zukunft gestalten können – und sollten. 

In drei Wochen ist Ostern. Worauf freuen Sie sich? Auf eine Woche Urlaub in den Bergen mit meiner Familie. 

Interview: Wolfgang Timpe

INFO Mehr informationen unter Handelskammer Hamburg und zum Zukunftsprogramm „Hamburg 2040: Wie wollen wir leben – und wovon?“

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