Interview. Der Finanz- und Einkaufsvorstand Mark Frese von Hapag-Lloyd spricht mit HCZ-Redakteur Jimmy Blum über den MSC-Deal, die Zukunft des Hafens und das Leben
Kennen Sie Mark Frese? Nein? Das macht überhaupt nichts. Wirklich erfolgreiche Hamburger setzen gerne auf ganz stilles Understatement und auf faktische Businesserfolge. Und davon hat der CFO/CPO im Vortsand von Hamburgs größter Reederei Hapag-Lloyd AG, die Jahr für Jahr an die Stadt Milliardendividenden abliefert, jede Menge. Lesen Sie mal, warum er sich „nicht von Emotionen leiten lässt“:
Foto oben: Hapag-Lloyd-Finanzvorstand Mark Frese zum Deal zwischen der HHLA und der Schweizer Reederei MSC, die 49,9 Prozent an der HHLA erwirbt: „Auch wenn wir eine andere Lösung bevorzugt hätten, agieren wir rational und lassen uns grundsätzlich nicht von Emotionen leiten. Kurzum: Wir blicken nach vorne und werden den Ausbau unseres eigenen Geschäfts und unseres Terminalportfolios unter der Marke Hanseatic Global Terminals weiter vorantreiben.“ © Hapag-LLoyd
Herr Frese, Sie sind bei Hapag-Lloyd, Hamburgs Reederei-Flaggschiff und der fünftgrößten Containerreederei der Welt, im Vorstand für Finanzen und Einkauf verantwortlich. Was macht ein CFO/CPO außer Budgetplanung und Controlling noch so im Unternehmen? Der CFO, der Finanzvorstand, verantwortet die Finanzstrategie- und -planung des Unternehmens, unterstützt strategische Entscheidungen durch fundierte Finanzanalysen und sorgt dafür, dass darunterliegende Maßnahmen unter finanziellen Gesichtspunkten bestmöglich umgesetzt werden. Er kümmert sich um eine gute finanzielle Ausstattung des Unternehmens, leitet Investitionsentscheidungen ab und überwacht die Steuerung des Unternehmens, das Controlling, das Risikomanagement sowie die Finanzberichterstattung.
Darüber hinaus verantworte ich in meiner zweiten Rolle als Chief Procurement Officer (CPO) den Einkauf. Hier geht es insbesondere darum, kontinuierliche Verbesserungen zu erzielen und dadurch Einsparungen zu realisieren.
Sie waren vorher Controller, Projektmanager und Finanzvorstand bei der Metro, unter anderem mit den Marken Media-Markt und Saturn. Was unterscheidet das Finanzbusiness eines Einzelhändlers von einer Reederei? Der wesentliche Unterschied zwischen dem Geschäft einer globalen Containerrederei und dem eines internationalen Retailers ist die deutlich stärkere Volatilität des Containerbusiness. Darüber hinaus sind die Anforderungen einer so anlagenintensiven Branche wie unserer grundlegend andere. Diese Sachverhalte erzeugen komplexere Herausforderungen an die Finanzierungstätigkeit, die Finanzierungsinstrumente und ihre Fristigkeiten.
Was muss einen CEO auszeichnen, damit Sie zu ihm in den Vorstand gehen? Ein Vorstand ist ein Gremium, das in Gänze über alle Mitglieder schlüssig zusammengesetzt sein muss. Da geht es um einen guten Mix von Kompetenzen, aber insbesondere auch um Leadership, Leidenschaft für das Mandat und um eine erstklassige wie vertrauenvolle Zusammenarbeit aller Vorstandsmitglieder untereinander, damit die Unternehmensziele entlang der strategischen Agenda bestmöglich umgesetzt werden können. Mit seiner Fähigkeit, strategisch langfristig die Zukunft zu planen und trotzdem kurzfristig flexibel auf Markt und Kunden zu reagieren, sind wir mit Rolf Habben Jansen als CEO herausragend besetzt. Dieser CEO ist ein wesentlicher Grund, warum ich überhaupt in Hamburg bin.
Was sind Ihre drei wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale? Nahbar und familiär, ruhig und analytisch, neugierig und interessiert, um nur die Schokoladenseiten zu nennen (lacht).
Was ist Hapag-Lloyd für Sie? Ein unfassbar spannendes, global agierendes Unternehmen in einer dynamischen Branche mit ganz tollen Kolleginnen und Kollegen, einer beeindruckenden Geschichte und einer darauf basierenden, starken Unternehmenskultur. Jeder Tag ist anders – und das bereitet mir besonders viel Freude.
Hapag-Lloyd ist für den 13,9-Prozent-Gesellschafter, den Großaktionär Freie und Hansestadt Hamburg, der größte milliardenschwere Dividendenzahler. Wie empfinden Sie den HHLA-Deal mit dem gewünschten neuen 49,9-Prozent-Gesellschafter, der Reederei MSC aus der Schweiz? Wir hatten der Stadt eine eigene Idee vorgestellt, insofern waren wir natürlich zunächst einmal sehr überrascht über diese Vereinbarung. Aber auch wenn wir eine andere Lösung bevorzugt hätten, agieren wir rational und lassen uns grundsätzlich nicht von Emotionen leiten. Kurzum: Wir blicken nach vorne und werden den Ausbau unseres eigenen Geschäfts und unseres Terminalportfolios unter der Marke Hanseatic Global Terminals weiter vorantreiben.
Warum waren die Hapag-Lloyd-Gespräche mit der Stadt über eine HHLA-Beteiligung erfolglos? Waren Sie zu knauserig? Für uns war entscheidend, bei einer derart bedeutenden Investition auch die Kontrolle über die strategischen Weichenstellungen zur Zukunftssicherung des Geschäftserfolgs am Standort Hamburg zu haben. Deshalb kam eine Minderheitsbeteiligung für uns nicht infrage.
Was hat der MSC-Deal für Folgen für das Verhältnis von Hapag-Lloyd und Hamburger Hafen? Wir werden auch künftig sehr eng mit dem Hamburger Hafen zusammenarbeiten. Der Hamburger Hafen ist unser Heimathafen und für uns immer noch der wichtigste Hafen. Von zwölf Millionen Containern, die wir pro Jahr transportieren, geht jeder sechste über den Hamburger Hafen – also rund zwei Millionen Container. Insgesamt werden wir bei Hapag-Lloyd künftig aber etwa zehn Prozent weniger Ladung über Hamburg abwickeln, da einige für unsere Dienste künftig auch Bremerhaven und Wilhelmshaven anlaufen.
Sind Sie vom Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und den Wirtschafts- und Finanzsenatoren Dr. Melanie Leonhard und Dr. Andreas Dressel, den Verhandlungsführer:innen, persönlich enttäuscht? Nein, in keiner Weise. Eine stärkere Einbindung aller Beteiligten und der Öffentlichkeit wäre aber sicherlich hilfreich gewesen, um diese Entscheidung besser nachvollziehen zu können.
Bleibt Hamburg Ihr Heimathafen? Ja natürlich, das gilt unverändert.
Sie können ohne Hindernisse sofort und frei entscheiden. Was wäre Ihre erste Maßnahme im Hamburger Hafen? An den geografischen Standortnachteilen kann man leider nichts ändern – die waren allerdings auch schon immer da. Insofern gilt es, die Effizienz in der Containerabwicklung zu steigern, auch damit man im Vergleich zu anderen internationalen Häfen wie Rotterdam oder Antwerpen nicht noch weiter abfällt. Eine verstärkte Zusammenarbeit der norddeutschen Hafenstandorte im Rahmen einer deutschen Hafenstrategie wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls wünschenswert gewesen.
Und was wäre Ihr Wunsch für Hamburg? Hamburg gefällt mir sehr gut, wie es ist. Auf die ein oder andere Baustelle könnte ich jedoch im Straßenverkehr sehr gut verzichten.
Und was würden Sie in der HafenCity umgehend ändern? Die Entwicklung der HafenCity ist schon sehr beeindruckend. Um ein neues Quartier mit Leben zu füllen, hilft es allerdings nicht besonders, wenn viele Immobilien reine Spekulationsobjekte sind. Es muss bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Auch ein wenig mehr Grün wäre schön.
Kennen Sie den jüngsten Stadtteil? Pro und Contra? Die HafenCity: jung, überraschend, lebendig – zu wohlhabend.
Welches ist Ihr Lieblingsort in Hamburg? Mein Balkon in der HafenCity mit Blick auf das Wasser.
Sie sind verheirat, haben vier erwachsene Kinder und sind gerade, sorry!, 60 geworden. Was für einen Lebensplan haben Sie nach Ihrem Vorstandsjob Finanzen und Einkauf? Da mein aktueller Vertrag noch bis Ende 2027 läuft, konzentriere ich mich zurzeit ehrlicherweise auf meine heutige Aufgabe als Finanz- und Einkaufsvorstand. Aber natürlich wird meine Familie auch weiterhin eine ganz besondere Rolle in meiner Lebensplanung spielen.
Was war das schönste Geburtstagsgeschenk? Meine ganze Familie bei mir zu haben!
Genießen Sie später Ihre Freizeit, oder wechseln Sie dann in den Hapag-Lloyd-Aufsichtsrat? Man wechselt ja nicht einfach so in einen Aufsichtsrat, sondern muss als Arbeitgebervertreter nominiert und durch die Hauptversammlung gewählt werden. Die Frage stellt sich nicht, weder für mich noch für unsere Anteilseigner.
Wie halten Sie sich fit? Täglich morgens und abends 30 Minuten Krafttraining und Gymnastik.
Was bedeutet Glück für Sie persönlich? Das tun zu können, was ich gerade am liebsten tun möchte.
Wo verbringen Sie eigentlich gern Ihre großen Sommerferien? Genau dort, wo ich dieses persönliche Glück finde. Das Gespräch führte Jimmy Blum