Lothar Schubert, Geschäftsführer DC Developments (DCD), hat eine aktuelle Wünschestudie von Stadt- und Landmenschen vorgestellt – erhoben bei 10.000 Bewohner:innen in und um acht deutsche Großstädte herum. Projektentwickler Schubert über Anwohner:innen-Sehnsüchte, Kultur-Vielfalt und die fußläufige 15-Minuten-Stadt
Wie wollen die Menschen leben? In der Stadt oder auf dem Land? Sind die urbanen Lagen stärker gefragt oder die Adressen in den Speckgürteln der Städte oder auf dem Dorf? Wohin geht der Trend und wie wünschen sich die Menschen ihr direktes Umfeld, was erwarten und was vermissen sie? Diesen Fragen geht die Quartierstudie 2022 von DC Developments nach, die seit Pandemie-Beginn jährlich erhoben wird. Wegen der wachsenden Bedeutung der Thematik fragte die Studie auch nach den Bereichen, in denen die Menschen am ehesten auf Nachhaltigkeit achten. Die Ergebnisse liefern den Projekt- und Städteplanern wichtige Anhaltspunkte für zukünftiges Bauen von Quartieren.
Foto oben: Geschäftsführer Lothar Schubert über Kritik an zu wenig Grün auf der Halbinsel Strandkai: „85 Prozent Wasser an drei Seiten sind schon mal ungeheuer viel Natur. Außerdem müssen die Außenanlagen vom Strandkai 24/7 für die Öffentlickeit begeh- und nutzbar sein. Dafür braucht es Platz und Plätze, wo sich auch Menschen versammeln können. Und an der Spitze wird es ein Highlight geben. Da wird ein kleines Amphitheater entstehen, wo Musiker kleine Gigs machen können, und es wird alles grün eingesäumt sein. Also, wenn ich von oben draufschaue, sehe ich auf dem Strandkai attraktive grüne und jede Menge blaue Bereiche – die Elbe. Mehr geht dort nicht.“ © DC Developments – Blick von Am Kaiserkai und der Elbphilharmonie
„Für die Entwicklung eines neuen Quartiers brauchen wir mehr als ein Grundstück, eine Vision für den Standort, eine Baugenehmigung, Eigenkapital, Bauunternehmen und was alles noch. Wir möchten auch wissen, was die Menschen vor Ort benötigen und was sie sich wünschen“, sagt Lothar Schubert, Geschäftsführer DC Developments. Das Fazit: Die Dörfler möchten bestens angebunden und versorgt sein, die Städter wünschen sich sozialen Zusammenhalt, Ruhe und Natur. Wir fragten Projektentwickler Lothar Schubert, was das für ihn als Städteplaner und Projektentwickler bedeutet.
Ihre Quartierstudie 2022 von DC Developments, in der sie 10.000 Menschen in acht deutschen Großstädten – von Hamburg bis München, von Leipzig bis Düsseldorf, nach ihren Wünschen zum Leben in der Großstadt gefragt haben, zeigt eindeutige Ergebnisse: Über alles gesehen wünschen sich die Menschen in urbanen Räumen wesentlich mehr Grün, eine höhere Gastronomie- und Kultur-Vielfalt und bessere Sport-Angebote. Sie als Projektentwickler sehen diese Studie als „Bauanleitung“ für ihre stadtpanerische Quartiersentwicklung. Woher soll das Geld herkommen und was meinen die Befragten mit Natur? Lothar Schubert: Was für eine Natur die Menschen wollen, haben wir nicht gefragt. Aber was wir von den Menschen hören, für die wir Immobilienprojekte entwickeln und bauen, sind ihre Bedürfnisse: „Natur, Natur, Natur!“. Natürlich ist sicher die Vielfalt von Flora, Fauna und Grünflächen gemeint. Und wie hier in Hamburg wie im Quartier HafenCity ist Natur natürlich auch dort, wo Wasser und Land aufeinander treffen, die kilometerlangen Elbufer- und Fleetpromenaden und -Radwege. Das wird mitfinanziert durch Projektkosten (u.a. Grundstückserwerb), Verkaufspreise und Mieteinnahmen wie vor allem auch durch die Erschließung von Außenanlagen durch die jeweilige Stadt – hier ist die HafenCity mit ihren hochwertigen Ufer- und Fleetpromenaden sowie Grünflächenanlagen wie dem Baaken- oder Lohsepark ein wirklicher Vorreiter für zeitgemäße Städteplanung. Städte und Quartiere müssen schon heute und erst recht in Zukunft immer grüner werden. In unseren HafenCity-Projekten, zum Beispiel im südlichen Überseequartier mit unseren 306 Wohneinheiten der „Eleven Decks“ realisieren wir jeweils rund 1.600 Quadratmeter (qm) Grünflächen im Innenhof und noch einmal über 1.600 qm begrünte Dachflächen. Wir planen, wo immer es möglich ist, begehbare und begrünte Dächer. Das ist für uns Stadtentwickler die fünfte Fassade eines Objekts.
Und nochmal zu den Kosten? Das müssen wir finanzieren, ist unsere Aufgabe als Projektentwickler mit Partnern zu schaffen. Wir sind für die Lösungen der Wohn-, Lebens- und Arbeitsverhältnisse in Quartieren und die Zufriedenheit der Menschen im Stadtteil verantwortlich. Nachhaltigkeit meint nicht nur CO2-Reduktion, sondern sich im Quartier wohlfühlen, sich Zuhause fühlen, wenn man die Wohnung oder den Arbeitsplatz betritt oder im Stadtteil in seiner Freizeit unterwegs ist.
Sie haben sich gewünscht, dass die Grundstücks-, Kauf- und Mietpreise deutlich heruntergehen sollen, auch um für möglichst viele eine hochwertige Lebensqualität zu schaffen. Hamburg und die HafenCity kennen nur eine Richtung: Preise steigen. Ist Ihr Wunsch also realistisch? Die Kosten für das Wohnen innerhalb der nächsten Jahre zu reduzieren und es zu schaffen, größeren Wohnraum anzubieten für denselben Preis, für den ich heute eine kleinere Wohnung habe, sehe ich zurzeit nicht. Im Moment haben wir extrem steigende Bau- und Materialkosten und Lieferkettenprobleme. Es ist herausfordernd. Doch als Projektentwickler ist es unser Job, das heute trotz der Kostenexplosionen zu lösen. Ich sehe großes Potenzial in der „Verlängerung von Wohnraum“, wenn ich zum Beispiel kein eigenes Büro für mein Homeoffice habe, dann sollte das fußläufig, unkompliziert und finanzierbar in der Community im Stadtteil möglich sein – oder auch in hauseigenen öffentlichen Coworking Spaces, PartyRäumen oder Gaming-Salons, die ich nutzen und belegen kann. Das können Hausverwaltungen oder ein Quartiersmanagement organisieren und verwalten – am besten digital, denn auf analogen wegen erreicht man die Generation Z, die Nachfolgegeneration der Generation Y, die „Post-Millennials. Man erweitert seinen Wohnraum bei Bedarf durch öffentlich zugängliche Orte für Feiern, Arbeiten oder was auch immer. Wichtig ist: Ich brauche diese Räume nicht privat vorhalten und jeden Tag bezahlen. Darin sehe ich eine große Chance für das Quartiersleben in der Zukunft.
Das Ergebnis ihrer Studie heißt salopp, dass die Menschen sich für die Stadt immer stärker Dorfqualitäten und sie sich fürs Dorf im Umland stärker Stadtqualitäten wünschen. Warum soll die Stadt, zum Beispiel das Quartier HafenCity ein Dorf werden? Die Menschen wünschen sich das Beste aus beiden Welten. Auf dem Dorf – eine gute Verkehrsanbindung und eine lebendige Umgebung, in der Stadt auch Ruhe, eine intakte Umwelt und freundliche Sozialkontakte. Neue Quartiere sollten das abbilden, was immer mehr Städter wollen, nämlich kleine Systeme, die alles bieten, in sich wie ein Kreislauf funktionieren: die Läden um die Ecke, das Restaurant, die Natur, der Kindergarten und der Arbeitsplatz fußläufig erreichbar. Genau das, was früher für das Dorf stand. Das neue Quartier hat zu je 50 Prozent die DNA von Stadt und Dorf. Urbanität – das war früher eine hohe Bevölkerungsdichte. Heute ist es die Vielfalt an Kultur, Bildung, Arbeit und Wohnen – alles das, was sich Dörfler auch wünschen.
Was ist mit den Stadtmenschen passiert, dass sie Landatmosphäre ersehnen? Ganz einfach: Grün gibt dem Herzen etwas, egal ob beim Wohnen oder Arbeiten. Offenbar wollen die Leute im allumfassenden Sinn Wurzeln schlagen, sich im Quartier Zuhause fühlen und ein Heimatgefühl im Stadtteil entwickeln.
Sie sind mit ihren Luxushochhäusern Fifty9 und dem The Crown auf dem Strandkai dabei. Von außen betrachtet, entsteht dort wenig Grün. Man hat gepflasterte Promenaden und einen kleinen Park in der Spitze und jeweilige Innenhof-Begrünung. Warum wurde dort so wenig sichtbar Natur umgesetzt, wo bleiben da die Grün-Wünsche der Bewohner:innen? Also: Erst einmal ist der Strandkai eine Halbinsel, die zu rund 85 Prozent von Wasser umgeben ist. Nur 15 Prozent der Umrandung dieses Grundstückes ist der Zugang und der Anschluss an die Gebäude und Erdgeschossnutzungen. Da sind doch 85 Prozent Wasser schon mal ungeheuer viel Natur. Außerdem müssen die Außenanlagen vom Strandkai 24/7 für die Öffentlickeit begeh- und nutzbar sein. Dafür braucht es Platz un Plätze, wo sich auch Menschen versammeln können. Und an der Spitze wird es ein Highlight geben. Da wird ein kleines Amphitheater entstehen, wo Musiker kleine Gigs machen können, und es wird alles grün eingesäumt sein. Also, wenn ich von oben draufschaue, sehe ich einen attraktiven grünen und jede Menge blaue Bereiche – die Elbe. Mehr geht dort nicht.
Ein weiterer nachhaltiger Trend ist, dass es eine fahrradgerechte Stadt sein soll, im Zweifel ohne Auto mit starkem ÖPNV. Was hat das für Folgen? Die Studie sagt, dass die Menschen sich mehr und mehr eine Infrastruktur im Quartier mit fußläufiger Erreichbarkeit oder mit dem Fahrrad wünschen. Dieser Trend ist auch in jeder Stadtentwicklung zu spüren. In einigen Städten gibt es das schon länger wie etwa in Münster. Da gibt es wie in den Niederlanden ganze Parkhäuser für Fahrräder schon seit 15 Jahren, weil es Studentenstadt ist. Auch in Hamburg ist der Trend zu weniger Auto und mehr Fahrrad unumkehrbar, wo neu gebaut wird. Früher hatten wie 1,5 Tiefgaragenstellplätze pro Objekt, inzwischen sind es nur noch 0,4 – ebenso planen wir zurzeit bis zu 50 Prozent Stellfächen für Fahrräder in den Untergeschossen.
Ist die in der Studie gewünschte Lebensqualität mit Vielfalt, Ruhe und Natur ein echtes Bedürfnis oder nur romantische Sehnsucht? Die allermeisten Menschen sind gerne romantisch und natürlich sind das Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte, die da ausgesprochen werden. Wir als Stadtentwickler sollten das wirklich ernstnehmen. Je mehr wir von diesen Bedürfnissen und Sehnsüchten erfüllen können, desto nachhaltiger ist das, was ich als Stadt zulasse und auch als Projektentwickler dann erstelle. Wir nehmen das sehr ernst.
Es gibt einen Dreiklang an Wünschen aus Gastronomie-, Kultur- und Sportangeboten, dass die stärker und vielfältiger sein sollten. Warum wollen die Menschen da deutliche Besserung? Kultur, Gastronomie und Sport ist vor allem: Freizeit. Und die ist in der Pandemie-Vergangenheit deutlich zu kurz gekommen. Und wenn man etwas nicht machen darf, was immer normal war, dann lernt man es wahrscheinlich besonders wertzuschätzen und möchte es offenbar noch pointierter.
Sie selbst wohnen im grünen Umland. Wie viele Kompromisse müssten Sie eingehen, um mit Ihrer in der Hafencity zu leben?
Als Allererstes, müsste ich meine Frau davon überzeugen, vom Land in die Stadt zu ziehen. Bei mir hielten sich die Kompromisse in Grenzen.
Apropos arbeiten im Quartier. Der Anspruch an Büroräume und -technik wird anspruchsvoller, der Flächenbedarf sinkt tendenziell. Sie haben gesagt, Sie verfolgen als DC Developments das Konzept New Work in New Home. Was heißt das? Es wird so sein, dass nicht mehr alle Büro-Mitarbeiter:innen jede Arbeitsstunde im Büro verbringen. Da ist in den Lockdowns und der Pandemie ein großer Lernprozess gemacht worden. Das Going-business, das praktische Tagesgeschäft, kann man gut über digitale Meetings und vieles andere umsetzen. Was nicht geht: neue Freunde, Bekannte und Geschäftspartner:innen zu gewinnen. Das mag für die digitale Generation Z der unter 29-Jährigen weltweit in virtuellen Communities und Gaming-Räumen gehen. Das Büro wird kein Pflichtort mehr sein. Einen Teil der Woche arbeite ich im Homeoffice, zum Beispiel wenn ich in Ruhe mal Verträge studieren muss und mir darüber Gedanken machen muss. Dann kann ich einfach zu Hause bleiben oder in der Nähe meiner Wohnung die Coworking-Angebote des Quartiers nutzen, und deswegen wird es für 100 Prozent Büro-Mitarbeiter:innen nur noch 100 minus x-Prozent Arbeitsplätze geben, dafür aber eine ganz andere Kultur in Bezug auf Meetings, auf Work-Life-Balance, auf Sport und Workouts geben. Das Büro wird neue Assets erleben. Wir merken das bei unseren Kunden. Wir müssen als Projektentwickler Objekte für die Büronutzer:innen der Zukunft ermöglichen. Wir wollen Räume kreieren, die nicht leerstehen, sondern nachhaltig genutzt werden.
Bitte kein DCD-Projekt ;-)! Wo möchte der Bürger Lothar Schubert, nicht der DC-Developments-Geschäftsführer, in der HafenCity, so wie sie heute ist, wohnen? Ich würde dann in eine Wohnung des innovativen Holzhochhauses „roots“ von Garbe im Baakenhafen ziehen. Die Fragen stellte Wolfgang Timpe
Mehr Informationen zur Civey-Studie von DC Developments im HCZ-Bericht vom 2. Mai.
Mehr Informationen zur Stadtentwicklung und zur HafenCity von Lothar Schubert im großen HCZ-Interview der Januar-Ausgabe.