E-Lifestyle. HCZ-Autor Thomas Geiger prüft exklusiv die Designlinie des elektrischen Audi TT als Studie Audi Concept C. Ende des Einerleis
BMW schlägt mit der Neuen Klasse gerade ein neues Kapitel auf, und Mercedes sammelt eifrig Lorbeeren für die neue, rein elektrische und hybride Modular Architecture (MMA), die in diesem Jahr ihren Einstand mit dem CLA gegeben hat. Und Audi? Zwar stecken die Herren der Ringe gerade in der „größten Produktoffensive der Geschichte“ und haben in zwei Jahren mehr als zwei Dutzend neue Modelle an den Start gebracht. Doch so richtig rund läuft es bei der ewigen Nummer drei im deutschen Oberhaus trotzdem nicht: Den Start ihres elektrischen Hoffnungsträgers Q6 haben sie verstolpert, das Hin und Her in der Nomenklatur irritiert die Kunden, dem Design fehlt die Finesse, und der „Vorsprung durch Technik“ ist derzeit auch eher eine Bürde aus der Vergangenheit als ein Versprechen für die Zukunft.

Fotos oben: „Clarity“ heißt das neue Rezeptvon Audi-Chef Gernot Döllner: „die Prozesse verschlanken, die Entscheidungen beschleunigen, die Entwicklungszeiten um mindestens ein Viertel verkürzen und vor allem die Autos wieder attraktiver machen“. © Foto 2: Audi AG
„Schluss, aus, vorbei!“, sagt Audi-Chef Gernot Döllner und verspricht einen radikalen Neuanfang. „Wir sind zu langsam, zu kompliziert in unseren Entscheidungen und nicht eindeutig und geradlinig genug bei unserer Produktstrategie“, lautet seine vergleichsweise schonungslose Bestandsaufnahme. Und „Clarity“ heißt sein Rezept dagegen. So nennt Audi den neuen Kurs, der mehr Kultur sein will als Strategie und der die Bayern wieder zurück zum Kern des Geschäfts führen, die Prozesse verschlanken, die Entscheidungen beschleunigen, die Entwicklungszeiten um mindestens ein Viertel verkürzen und vor allem die Autos wieder attraktiver machen soll. Und damit das auch jeder mitbekommt, gibt’s außerdem eine neue, entschlackte Designsprache und zur IAA – mal wieder – ein Showcar, das als Erstes diese Sprache spricht und eine schmerzliche Lücke im Portfolio schließen könnte.
Denn was sich da in mattem Silber als Concept C auf dem Open Space in der Münchner Schickeria-Sonne räkeln wird, hat das Zeug zum elektrischen Erben für die beiden Sportwagen TT und R8 – und leistet sich dafür sogar den Luxus eines elektrischen Targa-Dachs, das sich binnen weniger Sekunden aus dem Heck über das Haupt der Insassen faltet.
Zwar wirkt der gute 4,50 Meter lange Zweisitzer, mit dem auch der neue Designchef Massimo Frascella sein Coming-out hat und offenbar zugleich noch ein paar Ideen aus seiner Jaguar-Zeit und der Arbeit am Type 00 recycelt, tatsächlich so clean und cool wie der TT, wenngleich er etwas organischer und weniger geometrisch daherkommt als das Original vor 20 Jahren. Doch ihre Inspiration haben die Designer von den Rennwagen der Vorkriegsjahre, die zusammen mit Mercedes den Begriff vom Silberpfeil geprägt haben. Von diesen Dienstwagen der Herren Rosemeyer, Carraciola und Co stammen nicht nur die Kühlrippen auf dem fensterlosen Rücken. Sondern an sie erinnert vor allem die dunkle, schlanke, aufrechte Plastik-Plakette, die als „Vertical Frame“ zum neuen Markengesicht werden und den breiten „Single Frame“ ablösen soll, an dem wir uns binnen 20 Jahren so langsam sattgesehen haben. Egal ob E-Modell oder Verbrenner, Sportwagen oder SUV, alle künftigen Audis sollen daran zu erkennen sein, wiederholen die Bayern wie ein Mantra – selbst wenn sie selbst noch nicht so recht wissen, wie das zum Beispiel mit einem deutschen Kennzeichen klappen soll.

Schon außen macht Audi damit einen gewaltigen Sprung. Doch fast noch größer sind die Unterschiede innen – selbst wenn sie auch da eher nach hinten schauen als nach vorn. Denn die Digitalisierung tritt plötzlich wieder so bescheiden auf wie die Bildschirme, die sich nur auf Knopfdruck aus dem Cockpit falten, und nur ganz dezent setzt Audi auf sogenanntes Shytech, bei dem sich Schalter erst bemerkbar machen, wenn man sie wirklich braucht. Stattdessen gibt es jede Menge klassischer Schalter und Taster, die nicht nur gut in der Hand liegen, sondern die sich echt und authentisch anfühlen und den Fingerkuppen beim Bedienen mit zarten Klicks schmeicheln – ein Gefühl, das man in Zeiten der endlosen Sensorleisten fast vergessen hat.
So viel Audi über das Design philosophiert und dabei jede Menge Ballast über Bord wirft, so wenig verraten die Bayern aktuell über die Technik. Und was sie sagen, sorgt zudem für Irritationen. Denn dass ausgerechnet bei der Rückbesinnung auf die alten Stärken der Quattro auf der Strecke bleiben soll und die Studie mit Heck- statt Allradantrieb auf die Bühne rollt, ist ein fataler Fehler. Selbst wenn es der E-Maschine an der Hinterachse sicher nicht an Leistung mangelt.
Dafür steht schon der Partner, mit dem Audi bei dem Sportwagen offenbar gemeinsame Sache macht. Man braucht jedenfalls nicht viel Fantasie, sich ein ähnliches Konzept als Nachfolger des Porsche 718 vorzustellen. Und wenn man schaut, was der PPE-Baukasten von Macan und Q6 aktuell hergibt, darf man von der nächsten Architektur sicher wieder ein bisschen mehr erwarten. 800 Volt sind gesetzt, die Ladeleistung sollte dann über 400 kW liegen, und selbst wenn es mit Rücksicht auf ein Zielgewicht unter 1.700 Kilo nicht für Riesen-Akkus reicht, darf man sicher 400 Kilometer Alltagsreichweite erwarten. Oder besser dürfte?

Denn noch steht weder TT noch R 8 auf dem Blech, der Blickfang firmiert als Concept C und steht in einer langen Reihe von Audi-Appetitanregern, die weiter auf sich warten lassen. Ja, der Herr der Ringe weiß selbst am allerbesten, dass es seiner Mannschaft an Fantasie und Visionen nicht mangelt. Nicht umsonst hat Audi unter dem bisherigen Designchef Marc Lichte in den letzten Jahren mehr Studien gezeigt als jeder andere deutsche Hersteller. Doch an der Umsetzung hat es bislang gehapert, und es ist nicht viel mehr von den Visionen geblieben als schöner Schein und leere Versprechungen.
Auch damit will Döllner Schluss machen: „Ich will nicht der Meister der Ankündigungen sein, sondern ich will, dass Audi endlich wieder liefert.“ Und da könne man ihn schon beim Concept C beim Wort nehmen. „2027 kommt der elektrische Sportwagen ziemlich genau so in Serie.“ Thomas Geiger
Info
Mehr Informationen unter: www.audi.de/de/striveforclarity/