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Solokünstler, Ex-Take-That-Frontman und Weltstar Robbie Williams: „Irgendwann kommt man an einen Punkt, wo das Ganze nicht mehr so wunderbar ist. Ich glaube, extremen Ruhm übersteht keiner unbeschadet.“ © Leo Baron
Robbie Williams: »Ich war früher naiv!«

Event. HCZ-Autorin Dagmar Leischow traf Popidol Robbie Williams jetzt zum Videointerview. Am 15. November tritt er beim Telekom Street Gig in der Elbphilharmonie auf

Robbie Williams ist offensichtlich ein Langschläfer. Als sein Konterfei beim Video-Interview auf dem Bildschirm erscheint, lümmelt sich der Sänger nachmittags tatsächlich noch im Bett. Mit leicht zerzausten Haaren und freiem Oberkörper. Man sieht seine zahlreichen Tattoos. Unwohl scheint er sich in dieser Situation nicht zu fühlen, im Gegenteil. Er redet vollkommen entspannt über sich und sein Album „XXV“. Mit diesem Werk feiert er seine 25-jährige Solokarriere. Dafür hat er Klassiker wie „No Regrets“, „Come Undone“ oder „Strong“ neu aufgenommen. Mit dem niederländischen Metropole Orkest.
Foto oben: Solokünstler, Ex-Take-That-Frontman und Weltstar Robbie Williams: „Irgendwann kommt man an einen Punkt, wo das Ganze nicht mehr so wunderbar ist. Ich glaube, extremen Ruhm übersteht keiner unbeschadet.“ © Leo Baron

Das Ergebnis ist erwartbar – klassischer Charme, opulente Arrangements. Bei „Angels“, die kommerziell erfolgreichste Robbie-Williams-Single aller Zeiten, schwellen erst die Streicher an, später stößt die Bläsersektion dazu. Von diesem Stück gibt es sogar noch eine zweite Version, zumindest auf der Deluxe Edition. Dabei kam jene Künstliche Intelligenz ins Spiel, mit der 2021 Beethovens 10. Sinfonie vollendet wurde. Die Initialzündung für dieses Projekt, erzählt der Musiker, sei von außen gekommen. Von der Telekom. Er stellt diese Fassung nun in der Elbphilharmonie erstmals live vor.

Fragt man den Künstler nach seinem persönlichen Lieblingssong, dann kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „,Feel‘. Ich bin wirklich stolz auf die Melodie und den Text.“ Deswegen freut sich Robbie Williams über die Popularität des Videos bei YouTube: „Es hat von all meinen Titel die meisten Klicks bekommen, mehr als ,Angels‘.“ 

„XXV“-Album zum 25. Bühnenjubiläum. © Columbia
„XXV“-Album zum 25. Bühnenjubiläum. © Columbia

Kein Wunder: Zeilen, in denen der Musiker offenbart, dass er sich vor sich selbst erschreckt, sind noch immer zutiefst bewegend. Wenn man danach die neue Nummer „Lost“ hört, bleibt der erste Satz „I wake up, terrifying myself again“, auf Deutsch: „Ich wache auf, erschrecke mich selbst wieder“, direkt im Gedächtnis haften. Er scheint eine Fortsetzung von „Feel“ einzuleiten. 

Diese These gefällt dem 48-Jährigen, er strahlt. Auf ihn, meint er, wirke „Lost“ wie eines dieser altmodischen Robbie-Williams-Stücke. Als der junge Musiker Oli Swan, den der Superstar via Instagram entdeckte, ihm die „Lost“-Akkorde schickte, holte die emotionale Atmosphäre Robbie Williams sofort ab: „Da kamen automatisch die traurigsten Momente hoch.“

Tatsache ist: Er weiß nur zu gut, was es bedeutet, aus dem seelischen Gleichgewicht zu geraten. Hat es denn in den vergangenen 25 Jahren viele Augenblicke gegeben, in denen Robbie Williams sich verloren gefühlt hat? Seine Replik fällt entwaffnend ehrlich aus: „Das war die meiste Zeit so. Ich habe nämlich einen sehr geschäftigen Geist, der mich leicht überwältigt. Oft grübele ich: Wie soll ich mit dem umgehen, was gerade in meinem Kopf passiert?“ Wenn ihn diese Gedanken zu überrollen drohten, betäubte er sich früher mit Alkohol und Drogen: „Als ich total verloren war, habe ich mich selbst medikamentiert.“ Funktioniert hat das logischerweise nicht, Robbie Williams glitt in eine Abhängigkeit ab. Doch jetzt ist er abstinent, seit mehr als 20 Jahren. Seine Familie erdet ihn. Die Verantwortung, die er für seine Frau Ayda Field und seine vier Kinder hat.

Das heißt allerdings nicht, dass seine persönlichen Probleme nun vom Tisch wären. Ende Juli hielt Robbie Williams bei der „Night of Discovery“-Gala in St. Tropez eine Rede. Er bekannte sich zu seinen Depressionen, zu seinen Zwangsstörungen, zu seiner Legasthenie, zu seiner Neigung, sich zu isolieren. Er soll sich als Süchtiger geoutet haben, als Alkoholiker. Das dürfte Mut erfordert haben. Hat Robbie Williams seine Angst – auf Fotos von diesem Abend steht ihm seine Nervosität förmlich ins Gesicht geschrieben – überwunden, um sich für psychisch Kranke stark zu machen? Im Gespräch spielt er seinen Einsatz recht bescheiden herunter: „Ich habe einfach den Drang, das auszusprechen, was ich denke. Wenn das den Leuten hilft – großartig!“

Auf jeden Fall hat Robbie Williams mittlerweile begriffen, dass Erfolg, Geld und ein hoher Bekanntheitsgrad nicht automatisch der Schlüssel zum Glück sind. „Diesbezüglich haben die meisten Menschen falsche Vorstellungen, befeuert von ihrer Naivität“, erläutert er. „Ich war früher auch naiv.“ Bis er Anfang der Neunzigerjahre mit Take That in den Pophimmel katapultiert wurde, damals war er noch ein Teenager. Zunächst sei alles faszinierend gewesen, erinnert er sich: „Doch irgendwann kommt man an einen Punkt, wo das Ganze nicht mehr so wunderbar ist. Ich glaube, extremen Ruhm übersteht keiner unbeschadet.“ Dennoch möchte sich Robbie Williams nicht in die Riege der jammernden Popstars einreihen: „Ich hatte sehr viel Glück und liebe meinen Job.“ Dagmar Leischow

INFO

Robbie Williams tritt am 15. November, 20 Uhr, beim Telekom Street Gig in der Elbphilharmonie auf. Weitere Informationen unter magentamusik.de

Am 01. und 02. sowie 24. Februar 2023, gastiert er jeweils 20 Uhr, gastiert er in der Barclays Arena. Tickets und weitere Infos unter www.kj.de

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