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Überseequartier Nord: »Wir bekommen endlich Schlagkraft!«

Exklusiv. Dr. Claudia Weise, Quartiersmanagerin des nördlichen Überseequartiers
mit Überseeboulevard, muss sich ab Frühjahr 2024 gegen den neuen großen Westfield-Wett­bewerber im Süden behaupten. Wie tickt die Stadtviertelmanagerin und Pferdenärrin?

Je näher der Eröffnungstermin des südlichen Überseequartiers im Frühjahr 2024 rückt, desto motivierter und selbstsicherer wirkt Dr. Claudia Weise, die das Quartiersmanagement sowie den größten Teil der Verwaltung des bisher gebauten Überseequartiers im Norden der HafenCity leitet. Sie ersehnt die täglich bis zu 45.000 Besucher:innen des Westfield Hamburg-Überseequartiers als Frequenz für ihr eigenes Stadtviertelzentrum der HafenCity, den Überseeboulevard samt umliegenden Wohnungen, Büros und Erdgeschossnutzungen. So groß und neu der Wettbewerber im Süden auch sein mag, sie hält an ihrem Markenspruch der vergangenen Jahre fest: „Wir sind ein gewachsenes Quartier, mittendrin und das Herz der HafenCity“, so die Managerin selbstbewusst.
Foto oben: Quartiersmanagerin Dr. Claudia Weise vom nördlichen Überseequartier in der HafenCity: „Das Überseequartier in seiner Gesamtheit verbindet auf einem durchgängigen Boulevard über 750 Meter endlich die Schnittstelle Speicherstadt bis zur Elbe für fußläufiges Erlebnis in einem spannenden Umfeld. Nicht umsonst wurde das Überseequartier als pulsierendes Herzstück der HafenCity zum Handels- und Aufenthaltsmittelpunkt in diesem neuen Stadtteil geplant und umgesetzt. Nun ist es endlich bald so weit, und wir freuen uns riesig.“ © Catrin-Anja Eichinger

Frau Weise, das Leben hält aufregende Schritte für Sie bereit. Erstens kommt der Jahreswechsel, und Sie dürfen sich ohne Zwänge irgendetwas wünschen. Was wäre das? Einerseits wünsche ich mir manchmal mehr Zeit und Muße, andererseits soll das berufliche und private Leben so schön, auch spannend sowie abwechslungsreich bleiben, wie es ist. Dazu gehören Höhen und Tiefen, sonst wüsste man glückliche Momente gar nicht zu schätzen. 

Zweitens eröffnet im Frühjahr 2024 das Westfield Hamburg-Überseequartier – direkt gegenüber Ihrem beruflichen Lebensmittelpunktes, dem Überseeboulevard. Schlafen Sie unruhig wegen dieses übermächtigen neuen Wettbewerbers? Eine meiner Stärken ist ein hervorragender Schlaf, um den mich mein Mann sehr beneidet. Egal wo und wie, es funktioniert auch ausdauernd lange, wenn ich keinen Wecker stelle. Also: Wir haben als Überseequartier seit 2006 viel erlebt und freuen uns sehr auf die Eröffnung im Süden. Statt das ganze Überseequartier wie ursprünglich geplant seit 2012 als Einheit zu erleben, musste das nördliche Überseequartier mehr als elf Jahre darauf warten. Es erfolgte ein jahrelanger Stillstand im Süden, die Teilung der Bereiche und erweiterte Konzeptionen sowie erhebliche Nutzungsänderungen. Die Konzepte von Nord und Süd sind von Anfang an unterschiedlich gewählt: im Norden die Nahversorgung, dazu kleinteiliger individueller persönlicher Einzelhandel, Dienstleistungen und Gastronomie. 

Und das Westfield Hamburg-Überseequartier im Süden soll … dagegen das große Shopping- und Entertainmenterlebnis mit vielen Filialisten und großen Mieternamen bieten, um die erforderlichen Kundenmengen zu erreichen. Zudem sind wir mit unserem gewachsenen nördlichen Teil in der Lage, günstigere Mieten für Individualisten und Freunde des Überseeboulevards anzubieten. Beide Teile des Quartiers haben ihre Berechtigung nebeneinander. Daher fürchten wir uns nicht, sondern bekommen endlich die Schlagkraft, auf die wir gewartet haben. 

Retailmanagerin Dr. Claudia Weise: „Gerne hätten wir gute weitere Mode, Schuhe, eine Apotheke, eine Reinigung, den Schuh- und Schlüsseldienst sowie kreative Mischkonzepte aus der Szene, aber genau diese Branchen expandieren nicht oder nur zu ganz bestimmten Bedingungen, die wir nicht erfüllen können. Aber wir haben tolle individuelle inhabergeführte Läden, die funktionieren und etwas ganz Besonderes sind, so zum Beispiel die Hafenspezerei, das Holzwerk, Stefan Eckert mit Mode, Dogs Gourmet, die Gastronomen Wildes Fräulein und Katzentempel oder den Club 20457.“ © Catrin-Anja Eichinger

Nur Freude? Ja. Das Überseequartier in seiner Gesamtheit verbindet auf einem durchgängigen Boulevard über 750 Meter endlich die Schnittstelle Speicherstadt bis zur Elbe für fußläufiges Erlebnis in einem spannenden Umfeld. Nicht umsonst wurde das Überseequartier als pulsierendes Herzstück der HafenCity zum Handels- und Aufenthaltsmittelpunkt in diesem neuen Stadtteil geplant und umgesetzt. Nun ist es bald so weit, und wir freuen uns riesig.  

Welche Vorteile bietet für Sie das neue südliche Überseequartier? Wir bekommen einen neuen Fokus auf unser Areal und sind überzeugt, dass viele Besucher auch unseren nördlichen Teil neu oder aus einer anderen Perspektive wahrnehmen werden. Ohne den eröffneten südlichen Teil war es in den ganzen Jahren doch eine Herausforderung für die Einzelhändler, hier zu bestehen. Für Shopping im großen Umfang zu wenig Fläche und Angebote sowie als dauerhafte Eventlocation wegen der überwiegenden Wohnungsnutzungen zu viel Krach und Menschenmassen. 

Und welche Nachteile gibt es für das nördliche Überseequartier rund um den Überseeboulevard? Das werden wir noch sehen, denn Analysen vor ein paar Jahren haben für die erste Zeit Umsatzrückgänge in der City und im nördlichen Überseequartier prognostiziert. Wir werden sehr viel dafür tun, dass dieses Szenarium nicht eintritt, und werden weiterhin gut mit Westfield zusammenarbeiten, da wir uns als Einheit mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Stärken verstehen. 

Ist der Überseequartier-Wettbewerb für die Ladengeschäfte in Ihrem nördlichen Quartier eine Bedrohung, oder sorgt er für Lust auf Neues, auf Weiterentwicklung? Wie ist die Stimmung bei Einzelhändlern und Gastronomen in Ihrem Revier? Grundsätzlich warten wir alle auf ein Überseequartier und sind sehr gespannt auf die Umsetzung in der Realität. Natürlich ist auch Unsicherheit bezogen auf die Zukunft dabei. Es ist schon eine ziemlich große, neue Entwicklung von Westfield, die in Deutschland für Aufsehen sorgen wird. Umso schöner, dass wir bald einen durchgehenden „Überseeboulevard“ bis zur Elbe haben. 

Fokussierung bei Reiterin und Pferd: Quartiersmanagerin Claudia Weise beim Geländetraining in ­Wuppertal mit ihrem eigenen Pferd „Solitär“. Den 14-jährigen Hannoveraner hat sie als Fohlen gekauft und selbst ausgebildet. © Privat

Sie sind ja mit Gastronom Antonio Fabrizi, Lutz ­Kneissl von der HafenSpezerei und Fitness-Unternehmer Nils Kuprat im Vorstand der Werbe­gemeinschaft Überseeboulevard e. V. Was wollen Sie Ihren Händlern und Erdgeschossmietern angesichts der neuen Kultur- und Einkaufsmacht gegenüber bieten? Wir müssen unbedingt geschlossen und empathisch als Gemeinschaft auftreten, die die Kunden individuell betreut und mit zuverlässiger Beständigkeit die Community erweitert. Dazu gehören Marktplatzevents, of­fene Kommunikation und Vernetzung von Kunden, Bewohnern und Mietern sowie tolle Produkte zu garantierten Öffnungszeiten – in Verbindung mit Erlebnis im Innen- und Außenbereich. 

Das Überseequartier ist wie alle Innenstadtlagen auch von Leerständen in den Ladengeschäften betroffen. Ist das nicht auch die Chance, ganz neue Anbieter zu finden, die für mehr Vielfalt sorgen könnten? Die Handelslandschaft hat sich leider in den letzten Jahren sehr gewandelt. 2008 waren wir sicher, hier im kleinteiligen Mix die Experten für Fashion, Schuhe, Geschenkartikel, Kunst und Pop-ups mit der Nahversorgung zu kombinieren. Leider konnte bisher in der gesamten HafenCity nicht ein einziges Schuhgeschäft bestehen. Gute Konzepte litten an mangelnder Frequenz und weiteren Angeboten, bedingt durch wenig Bevölkerung, Baulärm, Homeoffice usw. … Diese Entwicklung ist überall in Deutschland zu beobachten. Insolvenzen bekannter Marken, Kaufzurückhaltung, Onlinehandel, fehlende Sonntagsöffnungen machen es den Retailern schwer. Aus Vermietersicht entscheidet man sich dazu noch eher für sichere Mieter wie Banken, Versicherungen und Konzerndienstleister. Kein wirklicher Gewinn für einen kleinen Handelsstandort. Da müssen und werden wir weiter daran arbeiten.

Apropos Mieten. Wahrscheinlich war es noch nie so günstig, Gewerbeflächen zu mieten, oder? Der Markt bestimmt nicht unbedingt die Preise, sondern Baukosten müssen umgelegt werden, die Gebäude sind bewertet und im Forecast über Jahre auf bestimmte Mieten in der Branche festgelegt. Wenn sich eine Vermietung nicht rechnet, ist es häufig besser, zu warten. Die Kriterien zur Entscheidung sind vielfältig, umso besser, sicherer und bekannter ein Mietkonzept ist, umso mehr wird es die Bemühungen geben, diesen Mieter zu bekommen. Das Überseequartier Nord ist seit Jahren für stabile realistische Mieten bekannt, aber Quartiere haben mehr Nebenkosten durch Werbegemeinschaften und das Management. 

Das Profil Ihrer Mieter auf dem und um den Boulevard herum ist mehrheitlich durch Gastronomie, Friseurgeschäfte, Deutsche und Commerzbank sowie den Edeka-Nahversorger geprägt. Was fehlt Ihnen persönlich im Mix der Angebote? Gerne hätten wir gute weitere Mode, Schuhe, eine Apotheke, eine Reinigung, den Schuh- und Schlüsseldienst sowie kreative Mischkonzepte aus der Szene, aber genau diese Branchen expandieren nicht oder nur zu ganz bestimmten Bedingungen, die wir nicht erfüllen können. Aber wir haben tolle individuelle inhabergeführte Läden, die funktionieren und etwas ganz Besonderes sind, so zum Beispiel die Hafenspezerei, das Holzwerk, Stefan Eckert mit Mode, Dogs Gourmet, die Gastronomen Wildes Fräulein und Katzentempel oder den Club 20457.   

Eine Dauersehnsucht der Anwohner:innen erreicht unsere HafenCity Zeitung auch dieses Jahr wieder mit ungebremster Wucht. Die HafenCity ist inzwischen ein junger Familienstadtteil, und alle, ausnahmslos alle Kinder und Eltern wünschen sich wieder die Eisbahn auf dem Überseeboulevard. „Wintergolf ist langweilig und macht keinen Spaß“, lautet das Urteil immer wieder. Kehrt das frühere Winter-Markenzeichen des Überseeboulevards, die Eisbahn, wieder auf den Weihnachtsmarkt 2024 zurück? Unter Nachhaltigkeitsaspekten können wir eine Eislaufbahn nicht mehr verantworten. 250 Quadratmeter verbrauchen in vier Wochen rund 14.000 bis 18.000 Euro Strom, je nach Wetterlage. Zum Vergleich dazu hat unsere gesamte Weihnachtsbeleuchtung im und am Quartier inklusive Tannen, Pegasus und Lichtervorhängen einen Strombedarf von maximal 1.500 Euro für den Zeitraum. Genutzt werden konnte diese kleine Bahn auch nur von den kleinsten Schlittschuhkünstlern und deren Begleitung, für große Sprünge reichte es nicht. Rund 3.500 Personen haben pro Jahr die Bahn besucht. 

Eventmanagerin Claudia Weise: „Wir haben ein völlig anderes Grundkonzept als Westfield. Hauptanteil ist Wohnen, dann Büroflächen, zwei Hotels und etwas kleinteiliger Einzelhandel, Nahversorgung, Gastronomie. Zwei bekannte Bars ermöglichen den Treffpunkt am Abend, Lärm und Stimmung im Außenbereich sind bei uns nicht gewünscht. Bis auf wenige beliebte Events wie Wine & Jazz (Foto) oder die Weihnachtseröffnung mit Show machen wir auch keine Ausnahmen.“ © Catrin-Anja Eichinger

Und warum kam das ­Winterminigolfen? Die Winterminigolfbahn wurde als nachhaltiger Ersatz in liebevoller Einzelanfertigung nur für uns gebaut. Sie ermöglicht Kindern, Jugendlichen und Schulen sowie Kitas kostenloses Vergnügen. So konnte im letzten Jahr das Wintergolfen mit 4.000 Besuchern sogar mehr Erfolg als die Eislaufbahn verbuchen, da sie im Gegensatz zur Eisbahn wirklich alle Altersklassen zum gemeinsamen Spielen zusammenbringt. Zudem wurde das Konzept vom ADAC mit dem Tourismuspreis ausgezeichnet, was für uns eine weitere Bestätigung für das neue Konzept war. In diesem Jahr haben wir als neue Attraktion auf der Wintergolfbahn das „Eislabyrinth“ bauen lassen. 

Und wo bleiben die Sehnsüchte der Kufen-Kids? Wer eislaufen möchte, kann jederzeit die professionellen guten großen Bahnen in der näheren Umgebung nutzen, wir können uns Echteislaufbahnen mit Stromgeneratoren bei uns aktuell nicht mehr vorstellen. Kunststoffbahnen verursachen Mikroplastik und benötigen spezielle Schuhe. Wir haben alle Möglichkeiten lange geprüft, sehr viel positiven Zuspruch für unsere Winterminigolfbahnen bekommen, die wiederverwendbar ohne Strom funktionieren und etwas ganz Besonderes sind. Und wir freuen uns schon, wenn auch dieses Jahr wieder viele Familien gemeinsam winter­minigolfen und zugleich auf Entdeckungstour auf den 13 Bahnen mit ihren vielen Details gehen. 

Frau Weise, Hand aufs Herz, Flanieren und Aufenthaltsqualität sind die Zauberworte für erfolgreiche Boulevards und Einzelhandelszonen. Abends wirkt der Überseeboulevard oft ein wenig trist, auch weil die Einzelhändler und viele Tages­gastronomien geschlossen haben. Wie wollen Sie mehr Leben ins Überseequartier Nord bringen? Besonders im Sommer und Winter bieten wir den Besuchern abwechslungsreiche Außengestaltungen und viele Aktionen, was sich in hohen Besucherzahlen niederschlägt und die Gäste auch in den Abendstunden zum Verweilen einlädt. Die wundervolle Weihnachtsdekoration, die Weihnachtslounge und die Winterminigolfbahn bieten auch after work schöne Stunden im Quartier. Events über das Jahr verteilt auf dem Überseeboulevard und dem Marktplatz sowie unsere Open-Air-Fotoausstellungen tragen ebenso dazu bei. Entscheidend ist darüber hinaus die Verweilqualität durch interessante Geschäfte und gute Aufenthaltsbedingungen im Außenbereich. Daran arbeiten wir stets mit neuen Ideen, die sich in den Gegebenheiten umsetzen lassen.

Das neue Überseequartier wird im ersten Halbjahr 2024 mit einer groß angelegten Kommunikationskampagne starten, die ihm täglich 45.000 Besucher:innen bescheren soll – und die aufgrund der Entertainment- und Abendgastronomie-Angebote auch vor allem abends bleiben sollen. Haben Sie eine Antwort auf die Werbewelle des Überseequartiers? Unsere Antwort ist Partizipation nach unseren Regeln und Bedürfnissen. Wir haben ein völlig anderes Grundkonzept als das Westfield Hamburg-Überseequartier. Hauptanteil ist Wohnen, dann Büroflächen, zwei Hotels und etwas kleinteiliger Einzelhandel, Nahversorgung, Gastronomie. Zwei bekannte Bars ermöglichen den Treffpunkt am Abend, Lärm und Stimmung im Außenbereich sind bei uns nicht gewünscht und für die Mieter nicht zumutbar. Bis auf wenige beliebte Events wie Wine & Jazz oder die Weihnachtseröffnung mit Show machen wir auch keine Ausnahmen. 

»Wir müssen unbedingt geschlossen und empathisch als Gemeinschaft auftreten, die die Kunden individuell betreut und mit zuverlässiger Beständigkeit die Community erweitert. Dazu gehören Marktplatz-Events, offene ­Kommunikation und Vernetzung von Kunden, Bewohnern und Mietern sowie tolle Produkte zu garantierten Öffnungszeiten – in Verbindung mit Erlebnis im Innen- und Außenbereich.« Dr. Claudia Weise über Teambuilding in der Werbegemeinschaft Überseeboulevard e.V. © Catrin-Anja Eichinger

Sie schalten vom Job mit Pferden ab, Sie sind Fan der Jagdreiterei. Was hat das Reiten, was andere Manager-Sportarten wie Joggen oder Fitnessstudio nicht haben? Der tägliche Umgang mit einem großen eigenständigen Lebewesen, die Unkalkulierbarkeit beim Zusammenspiel von Pferd und Mensch, die Freude, wenn das große Pferd etwas gelernt hat und anwendet, Respekt vor den Gefahren mit den Pferden beim Reiten und Fahren. Jeder Tag ist anders, 600 Kilogramm Pferd lassen sich nur freiwillig zum Mitmachen bewegen und suchen eine Person, der sie vertrauen. Die Vielfalt des Pferdesports nutzen wir sehr abwechslungsreich aus. Neben Jagden und Geländespringen werden Dressur und Springparcours geritten, die Pferde gehen sicher an der Kutsche und im Turniersport bis zur schweren Klasse. Die Abwechslung und auch das gewisse Kribbeln, ein erhöhter Adrenalinausstoß bei Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h und hohen Sprüngen, die Zuneigung des Tieres: Es ist die Gesamtheit, die fasziniert. 

Sie betreiben Ihren Sport zusammen mit Ihrem Ehemann. Mehr Glück oder manchmal auch Stress? Mit dem richtigen Partner ein ganz großes Glück, so wie bei uns. Männer und Pferde sind so eine Sache, da war ich am Anfang skeptisch, ob dies bei meinen hohen Ansprüchen bezogen auf die Pferde und den Sport harmoniert. Und das tut es! Sogar den großen Stresstest haben wir diesen Sommer bestanden. Unser ganz junges Pferd wollte nach seinem ersten Ausflug mit dem Anhänger in den Wald dort auf keinen Fall mehr heraufgehen. Mein Mann und ich haben über zwei Stunden im Wald bei Mücken und Hitze zur Abendzeit mit allen uns bekannten Tricks versucht, dieses Pferd zu verladen. Es gingen nicht nur sämtliche Seile, Halfter und Longen kaputt, sondern mein Mann wurde fast getreten, und wir fingen immer wieder mit Hoffnung bei Null an, das Pferd ging auf die Rampe und dann wieder runter. Es wäre völlig normal gewesen, wenn einer von uns oder beide irgendwann die Nerven verloren hätten. Keine Lösung in Sicht, alle Bemühungen erfolglos, der Weg zu Fuß mit Pferd zu weit. Wir blieben ruhig ohne Streit und Vorwürfe, Ausfälle oder Ungeduld gegenüber dem Pferd. Eine echte Ausnahmesituation. Und irgendwann ging der kleine Dreijährige mit knapp 500 Kilogramm und 1,70 Meter Stockmaß dann doch auf den Anhänger. Das Abendbier hatten wir uns wirklich verdient. 

Sie haben eigene Pferde. Verändert das Besitzen das Verhältnis zum Pferd? Es heißt: „Früher hatte ich Zeit und Geld, heute habe ich Pferde.“ Man muss schon sehr idealistisch sein, darf sich nicht ausrechnen, was der Besuch beim Pferd umgerechnet kostet, welche Verpflichtungen entstehen, wie viel Arbeit vor und nach dem Reiten und Kutschefahren ansteht, wie viel Leid ein krankes Pferd verursacht, welche Risiken im Umgang mit einem 600-Kilo-Fluchttier entstehen, sonst sollte die Freizeitbeschäftigung gewechselt werden. 

Wo sehen Sie dann Ihr persönliches Plus? Wenn man am Abend nach einem anstrengenden Tag und Ärger im Job müde und bei Kälte viel zu spät zu den Pferden fährt und sich fragt, was das soll, lassen die wartenden Tiere mit ihrer Freude, dem Wiehern nach einer Möhre und Aufzeigen der Befindlichkeiten alles andere in den Hintergrund treten. Volle Konzentration in der Natur und dabei Sport treiben. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. 

Wenn Sie heute noch einmal wählen könnten, würden Sie dann wieder in die Immobilienmanagementbranche gehen? Auf jeden Fall. Hier kann sich jeder „austoben“. Der nüchterne Kalkulator in der Projektentwicklung genauso wie der kreative Architekt, es finden sich authentisch laute Bausteuerer, dann gibt es verrückte Vermieter, aber auch konservative Vermietungsmanager für Filialisten. Der nervenstarke Property-Manager findet seinen Platz bei dem Wohnungsmanagement, mehr Auftritt erfordert es gegenüber Büromietern. Um Ideen für Gastronomie und Entertainment umzusetzen, zu vermieten und zu managen gehört auch Fantasie dazu. Die Liste ist unendlich.

Und woran hängt Ihre persönliche Leidenschaft? Am schönsten ist das Produkt selbst, die Immobilie. Egal an welchem Prozess man beteiligt war, das Haus, Center oder Quartier birgt so viel Identifizierungspotenzial, besteht so lange in dieser Welt und weckt viele Erinnerungen an der eigenen Beteiligung. Ich habe 30 Jahre lang an so vielen großen Centern und Quartieren mitgewirkt, dass es in regelmäßigen Abständen für mich normal ist, die Standorte zu besuchen, mich über Fortschritte zu freuen und zurückzublicken. 

Wovon träumen Sie? Ganz stark wünsche und träume ich von Zufriedenheit und Gesundheit von Menschen und Tieren, die ich liebe, und außerdem, dass dieser Traum auch für möglichst viele Menschen auf dieser Welt in Erfüllung geht. 

Verlängern Sie doch mal bitte den Satz: Wirklich vollständig glücklich bin ich, wenn … meine Pferde im schnellen Galopp bei der Jagd hinter den Hunden sicher über die festen Hindernisse fliegen, die Luft nach Herbst riecht, der Wald bunt ist, der Matsch hochspritzt und zum Halali neben Schweiß, Dreck und Adrenalin alle heil den Tag feiern. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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