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Schwule Tenöre: »Wann fahr’n wir wieder zu Ikea?«

Event. Mit der Produktion „Operette für zwei schwule Tenöre“ belebt das Schmidtchen ein verstaubtes Genre neu und bietet gesungenes Beziehungs-Entertainment – auch für Heteros

Sie sind ein ungleiches Paar: der Krankenpfleger Jan (Alexander Irrgang) und der Grafiker Tobi (Torben Rose). Das kristallisiert sich in der „Operette für zwei schwule Tenöre“ im Schmidtchen ziemlich schnell heraus. Tobi ist froh, endlich aus der Berliner Schwulenszene raus zu sein, die er zuletzt nur noch als unheimlich oberflächlich empfunden hat. Mit einem Haus auf dem Land mit Garten hat er sich einen Traum verwirklicht. Jetzt stellt er seine eigene Konfitüre her, er zieht Kerzen, er schwärmt von den Dorfbewohnern: „Alle sind per du, alle sind Freunde.“ In seiner heimeligen Welt idealisiert er seine Partnerschaft mit Jan total.
Foto oben: Eine neue schwule Operette im Schmidtchen: Der Regisseur lässt das Pendel nie zu sehr in eine Richtung ausschlagen, er tariert Gags und nachdenkliche Momente stets fein aus. © Morris Mac Matzen

Die HafenCity Zeitung verlost 3x 2 Karten für die neue „Operette für zwei schwule Tenöre“ im Schmidtchen-Theater. Senden Sie uns eine ­E-Mail mit Ihrer Adresse und Ihrer Handynummer unter dem Stichwort „Schwule Tenöre“ an gewinnspiel@hafencityzeitung.com. Der Einsendeschluss ist Freitag, 15. März 2024, 18 Uhr.Der Rechtsweg ist aus­geschlossen. ­Adressen werden nicht an Dritte gegeben, automatisierte Mails nicht berücksichtigt.

Die Krux ist: Das Paar redet ständig aneinander vorbei, irgendwie hört keiner dem anderem so richtig zu oder nimmt dessen Bedürfnisse tatsächlich wahr. Das ist mal witzig, mal berührend. Auf jeden Fall können sich in den preisgekrönten Liedtexten und wohl noch mehr in den Monologen beziehungsweise Dialogen von Johannes Kram, der mit dem Deutschen Musical Theater Preis ausgezeichnet wurde, Heterosexuelle ebenfalls wiederfinden.

Kennengelernt haben sich die beiden ausgerechnet beim Schützenfest. Für Jan, der auf dem Dorf groß geworden ist, ist diese Veranstaltung eigentlich der absolute Horror. Das bringt das Lied „Schützenfest ohne Alkohol“ recht humorvoll auf den Punkt. Rasch zeichnet sich ab, dass Jan genug vom vermeintlich heilen Landidyll hat – es engt ihn total ein. Genau wie die Beziehung mit Tobi. Er seht sich nach mehr (sexueller) Freiheit.

Die zwei Tenöre: Man geht gut gelaunt nach Hause – und kann Ohrwürmer wie „Mein Fetisch ist die Operette“ auf dem Heimweg einfach weitersummen. © Morris Mac Matzen

Die Musik hat Florian Ludewig komponiert. Er trägt einen wesentlichen Teil dazu bei, dass mit beschwingt-fröhlichen Songs wie „Champagner von Aldi“, „Wann fahr’n wir wieder zu Ikea?“ oder „Liebe Grüße aus Berlin“ ein eingestaubtes Genre wiederauflebt: die Operette. Mit eingängig-leichten Melodien, mit Gesang und gesprochenen Texten zwischen den einzelnen Nummern. Gewiss auch mit Klamauk, aber eben doch mit deutlich mehr Tiefgang als zum Beispiel Johann Strauss’ „Die Fledermaus“.

Die zwei Hauptdarsteller sind großartig. Torben Rose verkörpert seine Figur als hoffnungsloser Romantiker mit Hang zum Pathetischen. Er sehnt sich nach Behaglichkeit, nach Verlässlichkeit, vielleicht sogar nach einer gewissen Spießigkeit. Alexander Irrgang betont dagegen eher die Rationalität seines Charakters. Als er die Nase voll hat von dem ganzen bürgerlichen Mief, verschwindet er eines Tages plötzlich – ohne Vorwarnung. Fortan amüsiert er sich in Berlin. Zwischen Sport, Latte macchiato und flüchtigen Abenteuern. Dabei werden in Johannes Krams Inszenierung immer wieder Stereotype und Schwulenklischees auf die Schippe genommen. Dennoch lässt der Regisseur das Pendel nie zu sehr in eine Richtung ausschlagen, er tariert Gags und nachdenkliche Momente stets fein aus.

Wäre es nach dem Publikum gegangen, dann hätte die Vorstellung nach zweieinhalb Stunden noch weiterlaufen können. Es verabschiedet nicht nur die beiden Hauptakteure, sondern auch die Sänger und Tänzer ­Joshua Beck, Steffen Gerstle und Tim Grimme mit begeistertem Applaus. An diesem Abend ist garantiert keiner schlecht gelaunt nach Hause gegangen – im Gegenteil. Man kann Ohrwürmer wie „Mein Fetisch ist die Operette“ auf dem Heimweg einfach weitersummen. Dagmar Leischow

Info
Die „Operette für zwei schwule Tenöre“ läuft im Schmidtchen. Karten und Termine unter www.tivoli.de/programm-tickets/

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