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„Ihm ging es mehr um den Menschen als um die Mode“, sagt Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe. © Dagmar Leischow
Warmherziger Humanist

Peter Lindbergh (†74), Fotografen-Ikone. Das Museum für Kunst und Gewerbe präsentiert die vom Starfotografen kurz vor seinem Tod selbst kuratierte Ausstellung „Peter Lindbergh: Untold Stories“

Einen bittersüßen Beigeschmack hat die Pressekonferenz anlässlich der Ausstellung „Peter Lindbergh: Untold Stories“ im Museum für Kunst und Gewerbe auf jeden Fall. Eigentlich hätte der weltberühmte Fotograf selber vor den Medienvertretern stehen sollen. Leider verstarb er am 3. September 2019 völlig unerwartet mit 74 Jahren. Darum spricht nun Felix Krämer, Direktor des Kunstpalastes Düsseldorf, ein paar einführende Worte. Er war derjenige, der Peter Lindbergh (†74) überzeugte, für diese momentan in Düsseldorf – wegen der Pandemie wurde dort die Laufzeit verlängert – und Hamburg parallel gezeigte Werkschau erstmals in die Rolle des Kurators zu schlüpfen. Gut 300 Aufnahmen zog Lindbergh für seine Best-of-Präsentation, die aus heutiger Sicht sein Vermächtnis ist, in die engere Wahl. Tatsächlich sind jetzt 140 Fotos aus vier Jahrzehnten vom 20. Juni bis 1. November in der dreiteiligen Ausstellung im Museumskomplex nahe des Hauptbahnhofs zu sehen, teils werden sie zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Foto oben: „Ihm ging es mehr um den Menschen als um die Mode“, sagt Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe. © Dagmar Leischow

Wenn die Besucher die Treppe in den ersten Stock hinaufsteigen, begegnet ihnen in der lichtdurchfluteten Rotunde die monumentale Installation „Manifest“. Für sie wurden 28 Schwarzweißfotos von Carré Otis oder Jessica Chastain auf Blueback-Plakatpapier gedruckt und wie Werbeposter an die Wand angeklebt. Dabei kam es nicht auf eine möglichst makellose Darbietung an. Zum Teil sieht man noch Flecken, Nähte oder Kleisterausbeulungen – das wollte Lindbergh so.

Mit Sicherheit war es Peter Lindberghs Stärke, Nähe zu anderen Menschen aufzubauen – sei es privat oder bei einem Shooting. Naomi Campbell lichtete er 2000 auf Ibiza nahezu ungeschminkt ab. Auch Claudia Schiffer, Christy Turlington, Kate Moss oder Karen Elson standen regelmäßig vor seiner Kamera. © Dagmar Leischow
Mit Sicherheit war es Peter Lindberghs Stärke, Nähe zu anderen Menschen aufzubauen – sei es
privat oder bei einem Shooting. Naomi Campbell lichtete er 2000 auf Ibiza nahezu ungeschminkt ab.
Auch Claudia Schiffer, Christy Turlington, Kate Moss oder Karen Elson standen regelmäßig
vor seiner Kamera. © Dagmar Leischow

Perfektion hat den Wahl-Pariser, der sich vor allem als Modefotograf für Vogue und andere Magazine einen Namen machte, nie interessiert. „Ihm ging es mehr um den Menschen als um die Mode“, sagt Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe. Sie sah in Lindbergh, geboren im heute polnischen Lissa als Peter Brodbeck, aufgewachsen in Duisburg, einen warmherzigen Humanisten. Mit Sicherheit war es seine Stärke, Nähe zu anderen Menschen aufzubauen – sei es privat oder bei einem Shooting. Naomi Campbell lichtete er 2000 auf Ibiza nahezu ungeschminkt ab. Auch Claudia Schiffer, Christy Turlington, Kate Moss oder Karen Elson standen regelmäßig vor seiner Kamera. Einige Aufnahmen von ihnen sind natürlich auch in Hamburg zu sehen, trotzdem rückte Lindbergh seine Supermodel-Fotos nicht in den Fokus der Ausstellung. „Er wählte hauptsächlich Bilder von Menschen aus, die ihm etwas bedeuteten“, erklärt Felix Krämer.

„Peter Lindbergh wählte hauptsächlich Bilder von Menschen aus, die ihm etwas bedeuteten“, erklärt Felix Krämer, Direktor Kunstpalast Düsseldorf. © Dagmar Leischow
„Peter Lindbergh wählte hauptsächlich Bilder von Menschen aus, die ihm etwas bedeuteten“,
erklärt Felix Krämer, Direktor Kunstpalast Düsseldorf. © Dagmar Leischow

So begegnet man im zweiten Teil der Schau zum Beispiel Jeanne Moreau, Uma Thurman, Helen Mirren und immer wieder Nicole Kidman. Die Aufnahmen von ihnen werden paarweise oder in Gruppen gezeigt, meist hängen sie in braunen Holzrahmen hinter nicht entspiegeltem Glas. Es fällt auf, dass einige Frauen Schweißermasken tragen. Lindbergh blendete ihre Gesichter bewusst aus, um zu demonstrieren, worauf es wirklich ankommt: auf die Persönlichkeit in ihrer Komplexität.

So begegnet man im zweiten Teil der Schau zum Beispiel Jeanne Moreau, Uma Thurman, Helen Mirren und immer wieder Nicole Kidman. Die Aufnahmen von ihnen werden paarweise oder in Gruppen gezeigt, meist hängen sie in braunen Holzrahmen hinter nicht entspiegeltem Glas. © Dagmar Leischow
So begegnet man im zweiten Teil der Schau zum Beispiel Jeanne Moreau, Uma Thurman,
Helen Mirren und immer wieder Nicole Kidman. Die Aufnahmen von ihnen werden paarweise oder in Gruppen gezeigt, meist hängen sie in braunen Holzrahmen hinter nicht entspiegeltem Glas. © Dagmar Leischow

Alle Facetten des Menschen faszinierten Lindbergh – auch die bösen Seiten. Mit seinen amerikanischen Freunden diskutierte er regelmäßig über die Todesstrafe, die viele befürworteten. Das gab die Initialzündung für Teil drei der Schau: eine Arbeit namens „Testament“. Durch einen Einwegspiegel filmte Lindbergh den Mörder Elmer Caroll zwei Monate vor dessen Hinrichtung im Mai 2013 ohne Schnitt. 30 Minuten lang betrachtete der zum Tode Verurteilte sein Spiegelbild. Schon die Fotos, die in einem dunklen Raum hängen, erwecken beim Betrachter ein mulmiges Gefühl. Sich den ganzen Film anzusehen, ist eine echte Herausforderung. Der eine empfindet vielleicht Mitleid, der andere Ekel. Auf jeden Fall lässt es niemanden kalt, Elmer Caroll ins Gesicht zu schauen. Dagmar Leischow
Info
Die Ausstellung „Peter Lindbergh: Untold Stories“ läuft vom 20. Juni bis 1. November im Museum für Kunst und Gewerbe. Weitere Informationen unter www.mkg-hamburg.de

Es fällt auf, dass einige Frauen Schweißermasken tragen. Lindbergh blendete ihre Gesichter bewusst aus, um zu demonstrieren, worauf es wirklich ankommt: auf die Persönlichkeit in ihrer Komplexität. © Dagmar Leischow
Es fällt auf, dass einige Frauen Schweißermasken tragen. Lindbergh blendete
ihre Gesichter bewusst aus, um zu demonstrieren, worauf es wirklich ankommt: auf die Persönlichkeit
in ihrer Komplexität. © Dagmar Leischow

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