E-Paper . Archiv . Newsletter
Grüner Disput HafenCity: Woran hapert es eigentlich?

Grüner Disput. Das Netzwerk HafenCity e.V. hat in einem Brief an die Fraktionen der Bürgerschaft gefordert, die 38 Umsetzungspunkte des Dialog­verfahrens „Biodiversität – Mehr Grün in der ­HafenCity“ anzugehen

In unerschrockenem Selbstbewusstsein sind die Stadt und ihre Bürgerschaft sowie der rot-grüne Senat und die HafenCity Hamburg GmbH (HCH) bannig stolz auf ihre diversen Beteiligungsverfahren aus Politik, Behörden, Experten, Wissenschaftlern, Vereinen und Initiativen sowie vielen Ehrenamtlichen. Dass in der Praxis viele beteiligt sind und viel Gutes festgehalten wird, konterkariert die Wirklichkeit, in der Politik, Behörden und Senat es dann oft doch so machen, wie sie es ursprünglich vorhatten. Das gilt nicht pauschal, aber gerade Ehrenamtliche, engagierte Anwohner:innen und Vereine sind zunehmend frustriert, dass so wenig Wissen der vor Ort Lebenden genutzt und nach gemeinsamer Beteiligungsarbeit dann auch umgesetzt wird. Das führt immer öfter zu Frustra­tion bei den Ehrenamtlichen und zum Politik-Bashing engagierter Bürger:innen.
Foto oben: Versiegelte Baumscheiben im Lohsepark – das Netzwerk-Schreiben an die Fraktionen: Vereine, Initiativen und Ehrenamtliche „sind von der Umsetzung ausgeschlossen“. © Wolfgang Timpe

So geschah es auch mit dem unter anderem durch die Initiative des Netzwerks HafenCity e. V. (NWHC) entstandenen Auftrag der Bürgerschaft an die HCH, ein Dialogformat zum Thema „Biodiversität – Mehr Grün in der HafenCity“ zu entwickeln. 

Kurz vor Weihnachten hat das Netzwerk HafenCity e. V. in einem Brief an die Fraktionen der Bürgerschaft daran erinnert, dass von einem „überaus erfolgreichen Dialogformat“ und den über 30 Verbesserungspunkten zur Biodibversität in der HafenCity keine einzige Maßnahme umgesetzt worden sei. In dem der Redaktion der HCZ vorliegenden Brief schreibt das NWHC unter anderem an die Abgeordneten, dass sie sich „im Dezember vor zwei Jahren mit Ihren Stimmen dafür eingesetzt haben, dass der Senat das Dialogverfahren Biodiversität durchführt, um Maßnahmen für eine resiliente, biodiverse und zukunftsfähige HafenCity zu entwickeln. Vor einem Jahr, am 23. Dezember 2022, wurde der gemeinsam von Behörden, HCH und Zivilgesellschaft entwickelte Maßnahmenkatalog veröffentlicht. Auch wir, der Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity e. V.“, so steht es im NWHC-Brief des Netzwerk-Vorsitzenden Sebastian Baller weiter, „haben daran mitgewirkt. Und wir sind der Überzeugung: Wir alle können stolz sein – sowohl auf die Ergebnisse des Dialogverfahrens mit vielen guten Ideen für ein nachhaltiges Quartier als auch auf das Verfahren selbst. Denn Politik, Behörden und Zivilgesellschaft haben diese Ergebnisse in vorbildlicher, modellhafter Kooperation und dabei sehr effizient, innovativ und zielorientiert entwickelt.“ Und Arne Platzbecker, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter Hamburg-Mitte, dazu gegenüber der HafenCity Zeitung: „Die Vereine und Initiativen tragen mit ihrem Engagement zu einer positiven Weiterentwicklung der HafenCity bei. Dabei zeigen dieses Verfahren sowie die vorgeschlagenen Maßnahmen, wie fruchtbar solch ein Prozess und wie förderlich die Beteiligung von Bürgern als lokale Experten sein kann.“ 

Bürgerschaftsabgeordneter Arne Platzbecker: „Die gesamte Euphorie dieses bis dato mustergültigen Verfahrens bekommt einen Dämpfer versetzt. Dafür möchte ich mich bei all den engagierten Menschen in der HafenCity entschuldigen.“ © Wolfgang Timpe

So weit, so gut – doch für die Netzwerker:innen leider ohne Konsequenzen: „Aus Anlass dieses Jahrestags möchten wir Sie gerne über den Stand der Dinge informieren und unsere Enttäuschung zum Ausdruck bringen: Es ist bisher keine einzige Maßnahme aus dem Katalog umgesetzt worden. Es ist auch keine Drucksache in die Bürgerschaft eingebracht worden, die über geplante oder bereits vorgenommene Umsetzungen informiert. Dabei war Ihnen diese im August 2023 von der Stadtentwicklungssenatorin angekündigt worden“, so die enttäuschte Bilanz des Nachbarschaftsvereins. 

Auch der Abgeordnete Platzbecker hält fest: „Umso bedauerlicher ist es, dass dieser Prozess trotz des schwungvollen Starts ins Stocken geraten ist. Sicherlich sind die Abstimmungsprozesse zwischen den einzelnen Beteiligten schwierig und brauchen Zeit. Doch damit bekommt die gesamte Euphorie dieses bis dato mustergültigen Verfahrens einen Dämpfer versetzt. Dafür möchte ich mich bei all den engagierten Menschen in der HafenCity entschuldigen. Ich werde mich nun persönlich dafür einsetzen, dafür zu sorgen, dass die versprochene Stellungnahme zur Umsetzung des Maßnahmenkatalogs bis Februar 2024 erscheint, damit mit der Durchführung erster Maßnahmen rechtzeitig im Frühjahr 2024 begonnen werden kann.“ 

BSW-Pressechef André Stark: „Es wird eine neue Druck­sache geben.“ © Felix Amsel | BSW

Zu den fehlenden Umsetzungen sagt André Stark, Pressesprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW): „Das Bürgerschaftliche Ersuchen ,Stadtteil HafenCity: Bürger:innen-Engagement für Steigerung der Biodiversität nutzen‘ wurde am 1. August 2023 mit einem Brief an die Präsidentin der Bürgerschaft beantwortet und anschließend von der Bürgerschaft zur Kenntnis genommen. Inhalte dieser Mitteilung waren eine ausführliche Beschreibung des Dialogformats sowie der im Dialogprozess gemeinsam erarbeitete Maßnahmenkatalog. Dieser Katalog umfasst insgesamt 38 potenzielle Maßnahmenideen im öffentlichen und privaten Raum, die von öffentlicher und zivilgesellschaftlicher Seite geprüft und, wo möglich, umgesetzt werden sollen. Elf Maßnahmen sind der Kategorie ,Quick Win‘, also kurzfristig umsetzbare Maßnahmen, zugeordnet.“

Im Namen der BSW wie auch der beteiligten HCH und der Verwaltung betont BSW-Pressechef Stark, dass „im öffentlichen Raum umgehend erste Schritte zur Steigerung der Biodiversität umgesetzt wurden. So hat die HafenCity Hamburg GmbH nach Abschluss des Dialogformats die Mäh- und Pflege-Intervalle für Rasen- und Wiesenflächen reduziert. Zudem wird an mehreren Orten in der HafenCity Spontanvegetation zugelassen. Das Gemeinschaftshaus Grasbrookpark erhält eine Dach- und eine Fassadenbegrünung sowie Obstbäume in Gebäudenähe. Am Gemeinschaftshaus Baakenpark wurden Nisthilfen installiert, und das Dach wird ebenfalls begrünt.“ 

Kleine gute Biodiversitätsmaßnahmen, die jedoch nichts mit den herausgearbeiteten Maßnahmen des Dialogverfahrens zu tun hätten. Eher ein beliebter „Etikettenschwindel“ (Netzwerk), da die erwähnten Maßnahmen eh vergesehen waren. Im Netzwerk-Brief an die Abgeordneten heißt es weiter: „Zudem konterkarieren die vergangenen Monate den Prozess des dynamischen Zusammenwirkens der beteiligten Akteure. Jedenfalls sind die Bürger:innen, Vereine und Naturschutzverbände, die bei der Erstellung des Katalogs mit hohem Engagement und unentgeltlichem Zeiteinsatz mitgearbeitet haben, vom weiteren Prozess, also der Umsetzung der Maßnahmen, ausgeschlossen worden. Das widerspricht nach unserem Verständnis dem Geist der Kooperation und Kokreation des einstimmig beschlossenen Bürgerschaftsantrags für das Dialogverfahren Biodiversität.“ 

Das will André Stark so nicht stehen lassen: „In die neue Promenade Kirchenpauerkai, einer fast 7.000 Quadratmeter großen Wiesenvegetation mit heimischen Arten, sind 117 Bäume und 58 einheimische Sträucher sowie mit Ansaat versehene Baumscheiben und zwei Sperlingshäuser mit insgesamt 36 Brutkammern integriert. Überdies wurden der Fahrgastunterstand gegenüber der HafenCity Uni mit einem Gründach ausgestattet sowie das Baumpatenschaften-Projekt weiter ausgebaut und neue Baumscheiben mit Ansaat versehen. Auf dem Lohseplatz werden bisher versiegelte Baumscheiben entsiegelt und bepflanzt. Der Einsatz von insektenfreundlichem Licht erfolgt bereits.“ 

Die ehrenamtlichen Teilneh­mer:innen des Dialogverfahrens haben keine Einwände gegen die Maßnahmen zum Beispiel am Kirchenpauerkai, aber das habe nichts mit den Umsetzungspunkten des Dialogverfahrens zu tun. Rede, Gegenrede und: Was nun, Herr Stark? 

„Im Rahmen des Dialogprozesses wurden außerdem Orte in der HafenCity herausgearbeitet, an denen umfangreichere Langfristmaßnahmen umgesetzt werden können. Diese Fokusräume befinden sich derzeit in Abstimmung zwischen der HafenCity Hamburg GmbH, der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sowie dem Bezirksamt Hamburg-Mitte. Dazu wird es eine neue Drucksache geben, um die Bürgerschaft erneut mit dem Thema zu befassen.“ 

Das hilft im Zweifel den sogenannten Quick Wins noch nicht in die Umsetzung. Wann werden die vollständig umgesetzt? Wann kommt die angekündigte Drucksache? Ohne Zieltermine bewegt sich halt wenig. Also: Fragen über Fragen – auch nach dem Austausch zwischen HCZ, Behörde und dem Abgeordnetem Arne Platzbecker. Wir informieren gerne weiter. Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!

Das könnte Ihnen auch gefallen