Interview. Der Elternrat der Schule Campus HafenCity ist sauer. Er protestiert gegen den
neuen Bau der Reederei MSC gegenüber am Ericusfleet. Was wollen die Eltern?
Zuletzt strahlten Elternrat und Schulleitung der weiterführenden Schule Campus HafenCity, weil sie mit nachhaltigem Protest und mit massiver Demounterstützung durch Eltern, betroffene Schüler:innen und HafenCity-Anwohner:innen gegen die HafenCity Hamburg GmbH (HCH) den temporären Standort der heutigen Containerschule auf den Baufeldern 74 und 75 im Lohsepark durchsetzen konnten. Kurze Wege, grüne, ruhige lernorientierte Umgebung, so lange, bis 2027 dann die neue Campusschule im Süden des Parks bezugsfertig sein soll.
Foto oben: Visualisierung der 2027 bezugsfertig geplanten neuen weiterführenden Schule Campus HafenCity am heutigen Containerstandort im Lohsepark. © Visualisierung: haascookzemmrich | STUDIO2050
Doch nun sind der Elternrat der Campusschule HafenCity und ihr Vorsitzender Hans-Christian Kölln schon wieder auf dem Baum, weil die Reederei MSC, der neue Mitgesellschafter der HHLA, gegenüber der Containerschule auf dem Baufeld 73 am Ericusfleet-Ufer seine neue Hauptverwaltung bauen wird. Kölln und die Campusschul-Eltern sehen durch den direkt angrenzenden Tief- und Hochbau für MSC einen geordneten Unterricht durch Baustellen-Verkehre, Lärm-, Staub- und Schadstoff-Emissionen gefährdet. Das Gespräch:
Herr Kölln, der Elternrat der weiterführenden Schule Campus HafenCity, die HafenCity-Familien und ihre Kinder sowie das Netzwerk HafenCity e. V. haben mit nachhaltigem Protest bei der Schulbehörde, der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) und mit Demonstrationen im Quartier erreicht, dass die temporäre Containerschule Campus HafenCity bis zur Fertigstellung ihres Neubaus noch für rund vier Jahre im nördlichen Lohsepark auf den Baufeldern BF 74 und BF 75 bleiben kann. Alle waren glücklich, und nun sind Sie schon wieder auf Zinne und fetzen sich diesmal vor allem mit der HCH. Worüber und warum? Na ja, vorab: Wir „fetzen“ uns nicht, da wir bedauerlicherweise in gar keinem Dialog stehen. Dabei haben wir diesen aktiv mit den Behörden und der Politik gesucht, nachdem wir erfahren haben, dass nun der Neubau der Reederei MSC neben der temporären Schule hochgezogen werden soll. Dass der Senat parallel zu unseren Protesten gegen den ursprünglich geplanten HPA-Bau im Süden von BF 74 und 75 mit MSC über BF 73 im Norden verhandelt hat, finden wir erschreckend. Die Baustraße für MSC wird etwa fünf Meter von den Klassenräumen entfernt liegen, das war dem rot-grünen Senat bewusst.
Die Reederei MSC will ab 2026 gegenüber der temporären Container-Campusschule an der Stockmeyerstraße sein neues Hauptquartier mit rund 17.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche hochziehen. Was stört
Sie denn daran, wenn außerhalb des Lohseparks gegenüber ein Bürogebäude entsteht? Kinder haben ein Recht auf einen Lernort, an dem die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Das bedeutet: 35 Dezibel im Klassenraum, 60 Dezibel auf dem Schulhof. Wenn fünf Meter von den Fenstern der Klassencontainer entfernt die Baumaschinen hin und her fahren, wenn in 18 Metern Entfernung die Beton-Kaimauer abgerissen wird, die Metallspundwände ins Ericusfleet gerammt werden, kann dieser Lärm-Grenzwert gar nicht eingehalten werden. Allein die Motoren der Rammen sind so laut wie ein Rockkonzert. Der rot-grüne Senat schickt also sehenden Auges die Schule in einen massiven Konflikt mit MSC. Für SPD und Grüne haben die Interessen von MSC ganz klar Vorrang vor den Interessen der Kinder. Dabei ist es ohnehin ein Drama, dass die sogenannte Phase Null für die Konzeption des Campus HafenCity 2016 war – und es bis zur Eröffnung des Gebäudes zwölf Jahre dauert. Die HafenCity will doch als Nachbarschaft für Familien ein Vorzeigeprojekt in Europa sein, aber die Entwicklung der weiterführenden Schule im Quartier steht auf der Prioritätenliste offenbar ganz unten.
Wir alle, auch die Lehrer:innen und Schüler:innen, leben in der Großstadt, und Kinder wachsen mit Lärm auf. Das war schon immer so. Haben Sie besondere Luxusansprüche, oder sind Sie, Herr Kölln, oder wir als Großstadtgesellschaft zu Routine-Nörglern geworden? Bleiben wir bitte sachlich. Wir nörgeln nicht, sondern fordern ein, dass das eingehalten wird, was das Gesetz vorsieht: nämlich die Grenzwerte für Lärm-Emmissionen. Nicht mehr und nicht weniger. Zudem versuchen wir seit Monaten, in einen konstruktiven Dialog mit Senat und HafenCity Hamburg GmbH zu kommen. Aber die agieren leider immer wieder hinter unserem Rücken: Erst wollten sie die temporäre Schule auf das viel zu laute Baufeld BF 119 an den Elbbrücken schieben und uns die Entscheidung lediglich verkünden. Im Nachhinein musste die HCH zugeben, dass selbst mit riesigen Lärmschutzwänden die gesetzlichen Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Dann hat der Senat heimlich BF 73 der Reederei MSC als Teil des Hafen-Deals gegeben. Auf unsere Briefe an Schulsenatorin, Wirtschaftssenatorin, Stadtentwicklungssenatorin und Finanzsenator haben wir jetzt eine total unbefriedigende Antwort bekommen.
Die Schulsenatorin schreibt an die Initiative Campus HafenCity (der Brief liegt der Red. vor), dass „der Baubeginn frühestens für das Jahr 2026 geplant“ sei. Kann man sich da nicht einigen? Der Brief bestätigt lediglich die uns bekannten Rahmendaten: Baubeginn für 2026 geplant, und es wird alles getan, um den Lärmschutz und Baustellenverkehrsschutz zu gewährleisten. Aber es beinhaltet leider keine Einladung zu einem notwendigen Dialog!
Helfen Sie uns mal. Für die Containerschule beginnt das neue Schuljahr 2024/25 in diesen Sommer am neuen Standort. Der geplante Baubeginn der MSC-Zentrale ist für 2026 in rund zwei Jahren geplant. Warum wissen Sie jetzt schon, dass dann kein geordneter Unterricht stattfinden kann? Wir haben uns kundig gemacht bei Fachleuten vom Bau, welchen Lärm vergleichbare Baustellen verursachen. Von solchen Experten gibt es einige unter den Eltern. Zudem haben wir uns schlau gemacht, wie die Einschränkungen bei anderen Baustellen im Quartier waren. Die Bauaufsicht hat zum Beispiel verfügt, dass nur 2,5 Stunden pro Tag an der Gründung des HCH-Neubaus gearbeitet werden durfte, weil die gesetzlichen Grenzwerte drastisch überschritten wurden. Jeder, der etwas vom Bauen versteht, weiß, dass beim MSC-Bau die Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Es ist erschütternd, dass der rot-grüne Senat das trotzdem ohne Rücksicht auf die Kinder durchprügeln will.
Wir reden erwartungsgemäß über eine rund einjährige temporäre Beeinträchtigung des Campusunterrichts und Baulärmstörungen auf den Außenflächen. Kann man den Konflikt nicht miteinander im Vorfeld des Baubeginns dämpfen? Danke für die Frage, aber die sollten Sie dem Senat stellen! Wir haben versucht, mit den zuständigen Senatorinnen und Senatoren ins Gespräch zu kommen, aber wir werden ignoriert. Das verschärft den Konflikt natürlich, daran ändert der Brief der Schulsenatorin auch nichts. Wir verstehen nicht, warum der rot-grüne Senat MSC unbedingt dieses Grundstück gibt, das auch noch ökologisch und fürs Mikroklima besonders wertvoll ist, wo doch sehr viele andere Grundstücke nicht mal an Hand gegeben sind und die auch weit entfernt liegen von Wohngebäuden oder Schulen. Wie wäre es mit BF 119 an den Elbbrücken? Warum ist für MSC schlecht, was der Senat für die Schule gut genug fand?
Die Hoheit der Stadtplanung liegt demokratisch nun einmal bei der Stadt, dem Senat und der Bürgerschaft oder der Tochterfirma HCH. Was stört Sie am gelebten demokratischen Verfahren? Ich muss mich wiederholen: Es geht nicht um Demokratie, sondern um Gesetze und um das Kindeswohl. Wenn eine Regierung gegen geltendes Recht und damit gegen die gesetzlich festgelegten Rechte von Kindern entscheidet, dann ist das falsch, auch wenn die Regierung an sich aufgrund demokratischer Prozesse ins Amt gekommen ist. Ob eine Regierung rechtmäßig ins Amt gekommen ist und ob sie rechtmäßige Entscheidungen trifft, hat ganz offensichtlich nichts miteinander zu tun.
Gute Stadtplanung entsteht heute mit den Nachbarschaften und privaten Anlegern. War denn zumindest die Schulleitung über den MSC-Bauplan informiert? Nein. So weit ich informiert bin, wurde die Schulleitung ebenso wie wir durch die Presseberichte über das geplante MSC-Gebäude informiert. Auch Schulbau Hamburg, das zur Finanzbehörde gehört, wusste nach meiner Kenntnis von nichts – obwohl der SPD-Finanzsenator mit MSC verhandelt hat.
Noch einmal: Welche konkreten Befürchtungen haben Sie als Elternvertreter? Die Motoren der Maschinen, die für die Gründung gebraucht werden, erzeugen 110 Dezibel und sind gesundheitsschädlich. Die Gründung führt zu Erschütterungen, und die Unterrichtscontainer sind weder für Lärmschutz noch für Erschütterungen konzipiert. Der Baustellenverkehr läuft über die Stockmeyerstraße, die für viele Kinder Schulweg ist. Wir haben schon genug tödliche Verkehrsunfälle in der HafenCity, wir brauchen keine weiteren Risikostraßen.
Aber zwischen den Unterrichtsräumen in den Containern und der MSC-Baustelle liegen doch noch die Stockmeyerstraße und das Baufeld 76. Reicht das nicht als Abstand? Nein, die Stockmeyerstraße wird in dem Abschnitt neben der Schule als Baustraße benötigt, anders ist die MSC-Baustelle nicht anzufahren.
Sie wollen den MSC-Bau auf dem Baufeld 73 am Ericusfleet auch verhindern, weil das biodiverse Ufer zerstört werden soll, was gegen die „Mehr Grün“- und die Klimaschutz-Strategie der Bürgerschaft und der HafenCity ist. Gesetzlich vorgesehene Ausgleichsflächen soll es in Bergedorf und auf dem Grasbrook geben. Warum kämpfen Sie nicht um grüne Ausgleichsflächen für den MSC-Bau in der HafenCity? In der Funktion als Elternrat kümmern wir uns um die Schule. Aber als Eltern haben wir auch die Zukunft unserer Kinder im Blick, und dazu gehört, dass man die Folgen einer Bebauung für Biodiversität und Klima im Blick hat. Ausgleichsflächen für in der HafenCity vernichtete Biodiversität in Bergedorf – das sagt doch alles.
Was machen Sie, wenn Sie erfolglos sein sollten? Gibt es einen Plan B? Einen Plan B brauchen wir nicht. Der Plan A ist, dass Lärmschutzgrenzen eingehalten werden, dass die Verkehrssicherheit gewährleistet ist. Dazu gehört auch, dass wir bei einem Baubeginn für die Einhaltung der Grenzwerte sorgen werden. Zum Glück gibt es unabhängige Abteilungen in den Behörden, deren Aufgabe genau das ist.
Sie sind Unternehmensberater und müssen handwerklich immer auch auf Ausgleich von Interessen achten. Sind Sie privat eher ein Robin Hood als ein Moderator? Robin Hood? Ernsthaft? Ich breche kein Gesetz, sondern, ganz im Gegenteil, ich engagiere mich mit dem Elternrat für die Einhaltung der Lärmgrenzen. Ich verstehe mich als Moderator, aber leider spricht seit zwei Jahren keiner mit uns, daher gibt es wenig zu moderieren. Obwohl viele Politiker, unter anderem der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft, in der Öffentlichkeit betonen, dass alle Beteiligten involviert seien und deren Interessen gehört würden, kann ich nur versichern: Mit uns als Vertreter der Kinder hat niemand gesprochen. Uns stellt man vor vollendete Tatsachen, die wir aus der Presse erfahren. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe
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Hans-Christian Kölln (57) ist Vorsitzender des Elternrats der weiterführenden Schule Campus HafenCity im Lohsepark, Sprecher der Quartiersinitiative Campus HafenCity, eines Zusammenschlusses der Elternräte Campus HafenCity und Katharinenschule sowie des Netzwerks HafenCity e. V., und arbeitet als Unternehmensberater. Kölln ist verheiratet, hat eine Tochter (elf Jahre) und lebt in der HafenCity.