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Dr. Claudia Weise, Quartiesmanagerin nördliches Überseequartier: „Die Lösung besteht daher nicht in der Bereitstellung von Fördergeldern und entspricht auch nicht der üblichen Vorgehensweise. Eigeninitiative ist gefragt.“ ©Thomas Hampel
Bündnis gegen HafenCity

Hier blühende HafenCity, dort marode Innenstadt? So nicht, aber so ähnlich.
Zum Thema „Bündnis für die Innenstadt“ haben wir ein PRO von Heiner Schute (Handelskammer) und ein KONTRA von Dr. Claudia Weise (Quartiersmanagerin nördliches Überseequartier).

Hauptsache lässig. „Liebe Frau Redakteurin, ich würde Sie so gerne auf einen Drink einladen und wir machen ein Tauschgeschäft: Sie zeigen mir, wie ich mit dramatischen Bildern und Schlagzeilen mehr Aufmerksamkeit bekomme, und ich verrate Ihnen, dass es nie ein italienisches Restaurant gab, was geschlossen hat (vielleicht meinen Sie ja die Werbebeklebung?. Und wir reden einfach mal über langweilige Zahlen (z.B. die tatsächliche Mietauslastung) unseres Death Valley. Deal?“ So bittersüß, und natürlich auch wieder mal ernüchtert, postete Gastronom Antonio „Toni“ Fabrizi („Club 20457“, „TONI“) auf Facebook seinen Frust weg. Dass Toni, im Nebenjob auch noch Vorsitzender der Werbegemeinschaft Überseeboulevard, einen Nerv traf, zeigt die Community der HafenCity in ihren Likes und Kommentaren.
Foto oben: Dr. Claudia Weise, Quartiesmanagerin nördliches Überseequartier: „Die Lösung besteht daher nicht in der Bereitstellung von Fördergeldern und entspricht auch nicht der üblichen Vorgehensweise. Eigeninitiative ist gefragt.“ ©Thomas Hampel

Was war passiert? Die „Mopo“ hatte sich – wie im Monat zuvor schon das„Hamburger Abendblatt“ – die HafenCity vorgeknöpft und ein Ladensterben insbesondere auf dem Überseeboulevard ausgemacht. Mal wieder. Denn die sich ständig wiederholenden Oberflächenberichte im Dienste von Vorurteilen wie: In der HafenCity „wohnt ja keiner wirklich“, ist „abends tote Hose“ und steht der „traurigste Weihnachtsmarkt Hamburgs“ kennt man ja schon. Und doch bringen sie die HafenCity-Community am wärmenden Social-Media-Lagerfeuer im Netz zusammen. Die meisten sind nicht nur sauer, sondern auch realistisch.

Anwohner-Antworten auf Antonio Fabrizis Facebook-Post zum HafenCity-Bashing der „Mopo“ am 16. Oktober 2019. ©FB/Screenshot
Anwohner-Antworten auf Antonio Fabrizis Facebook-Post
zum HafenCity-Bashing der „Mopo“ am 16. Oktober 2019. ©FB/Screenshot

Da flötet Taban Behtash, dass die, „die es geschrieben hat, bestimmt aus Pinneberg“ komme. Und Taffy McTaffy postet, dass zwischen 2015 und 2017 in Hamburg 50 Traditionsläden geschlossen“ hätten und zwar aus einem Grund: „Mieten steigen, Unsatz geht zurück. Vielleicht sollte die ,Mopo‘ mal einen Artikel bringen, der die richtigen Schlüsse daraus zieht. In die Richtung argumentiert auch Facebookerin Tanja Antonia Heine: „Es gab schon etliche, die wegen hoher Mieten aufgegeben haben (darunter zwei Blumenläden, eine Boutique, ein thailändisches Kosmetikstudio, eine Eisdiele, etc.) Da war sicher nicht jede Geschäftsidee tragfähig. Es tat mir trotzdem leid in einigen Fällen.“


Wer in der HafenCity lebt weiß, dass natürlich u.a. die Ladenmieten für einen gesunden Gewerbe- und Handwerksmix vom Schuster bis zur preiswerten Schneiderei oder tolle Frittenbude viel zu hoch sind. Und viele mussten auch deswegen ihre Läden schließen, weil sie dem Reichen-Vorurteil aufsaßen und hier das schnelle Geld suchten. Falsche Preise und falsche Konzepte – ja, auch davon gab es einige. Aber auch die waren und sind in der Minderheit. Probleme hin oder her: Von einem Ladensterben zu sprechen wie die „Mopo“ wird der HafenCity nicht gerecht. 

Hochgejazzte „Mopo“-Zeilen am 16. Oktober haben Antonio 
„Toni“ Fabrizi und andere zu Facebook-Posts animiert. ©FB-Screenshot
Hochgejazzte „Mopo“-Zeilen am 16. Oktober haben
Antonio „Toni“ Fabrizi und andere zu Facebook-Posts animiert. ©FB-Screenshot

Doch nun passierte Ende Oktober echt Überraschendes: Der HafenCity geht‘s erstens gold, zweitens bekommt sie Promenaden und Plätze von der Stadt geschenkt, und drittens sorgt das ab 2022 eröffnende südliche Überseequartier für den Untergang der Innenstadt-Händler an Mönkebergstraße, Neuer Wall und Jungfernstieg – so das „Bündnis für die Innenstadt“ aus u.a. Handelskammer Hamburg oder dem Dehoga Hamburg Hotel- und Gastättenverband. Sie forderten in einer Pressekonferenz eine dreistellige Millionen-Investition der Stadt zur Wettbewerbsfähigkeit der Innenstadt. Wie? Hier blühende HafenCityLandschaft, dort marode Innenstadt? 

Falsche Preise und ­falsche Konzepte –
davon gab es einige in der HafenCity.

Die Handelskammer Hamburg und sechs Verbände haben die Bürgerschaft und den Senat aufgefordert, sich gemeinsam mit der Wirtschaft für eine attraktive, lebendige Innenstadt einzusetzen. 53 Millionen Euro hätten Ladeninhaber und Grundstückseigner seit 2005 in Business Improvement Districts (BID) für das Aufhübschen der Hamburger Innenstadt ausgegeben. 

Jetzt sei die Stadt an der Reihe, die City attraktiver zu machen und deren Zukunft zu sichern, so der Appell der sechs Handelsverbände und der Handelskammer, die ein „Bündnis für die Innenstadt“ geschmiedet haben. Heiner Schote, Leiter der Abteilung Handel der Handelskammer Hamburg: „Viele Unternehmen der City würden „von Bürgerschaft und Senat ein Investitionsprogramm erwarten, damit sich die Innenstadt – von der Binnenalster bis zur Norder-elbe – als attraktive Mitte der Metropolregion präsentiert. (s. Pro-Kommentar r. Seite).

Die Partner, die sich zu dem Bündnis zusammengeschlossen haben, sind die Handelskammer Hamburg, das City Management Hamburg, der Dehoga Hamburg Hotel- und Gaststättenverband, der Handelsverband Nord, der Tourismusverband Hamburg, der Trägerverbund Projekt Innenstadt und der Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels. 

Der Einzelhandel erfahre im Zuge der Digitalisierung einen tiefgreifenden Strukturwandel, begründete Handelskammer-Vizepräses André Mücke den Vorstoß. „Die Innenstadt muss mehr bieten als bisher: Eine hohe städtebauliche Qualität, eine hohe Verweilqualität und ein Einkaufserlebnis, das mit Kultur, mit Events und gastronomischen Angeboten verknüpft wird.“ Das Überseequartier in der HafenCity, das voraussichtlich 2022 eröffnet werde, sei zwar eine neue Attraktion für Hamburg, werde aber auch die Wettbewerbssituation im Einzelhandel nachhaltig verändern. 

Mücke und seine Mitstreiter warnen
vor einer „Zwei-Klassen-Innenstadt“

Mücke und seine Mitstreiter warnten den Senat vor einer „Zwei-Klassen-Innenstadt“ – die schicke, mit öffentlichen Mitteln gepäppelte HafenCity auf der einen Seite, die traditionellen Innenstadtquartiere auf der anderen. Mücke: „Wettbewerb ist gut, aber er muss fair sein.“ Die Stadt solle einen Teil des Geldes für die HafenCity in die Innenstadt stecken. Insgesamt sollten rund 80 bis 100 Millionen Euro investiert werden, unter anderem in die Modernisierung von Plätzen, in mehr Sicherheit und eine Neugestaltung des Hamburger Hauptbahnhofs.

Norbert Aust, Chef des Tourismusverband Hamburg setzt auf Verbindendes: „Alle Quartiere in der Innenstadt müssen untereinander durch ein attraktives Fußwegenetz verbunden werden – in der Nord-Süd-Richtung zwischen dem Kern der Innenstadt und der HafenCity ebenso wie in der Ost-West-Richtung, zum Beispiel zwischen dem Rathausquartier und dem Kontorhausviertel.“ 

Ähnlich wie Norbert Aust sieht es auch Quartiersmanagerin Dr. Claudia Weise vom nördlichen Überseequartier (s. Kontra-Kommentar r.). Sie hält wenig von Schwarz-Weiß-Malen. Man stehe im Wettbewerb, aber es solle doch allen gut und immer besser gehen. Für sie ist die „Konzentration auf den vermeintlichen Konkurrenten ,HafenCity‘ dabei der falsche Ansatz der Innenstadtkaufleute und verschwendet wertvolle Energien“, so Weise. Sie plädiert für „mehr Eigeninitiative“ und kundenbezogenere Konzepte – eben auch in der HafenCity. 

Und nun? Debatte ist gut.  Deshalb lassen wir in einem Pro + Kontra beide Seiten zu Wort kommen Und was denken Sie? Schreiben Sie uns an redaktion@hafencityzeitung.com. Wolfgang Timpe

Pro + Kontra:
Braucht die Innenstadt Subventionen?

PRO: Investitionen von der Stadt!

Von Heine Schute
Die Innenstädte verändern sich. Das gilt für Hamburg genauso wie für andere Metropolen. Der regelmäßige Innenstadtbesuch ist für viele Menschen längst nicht mehr selbstverständlich. Sondern alles, was es zu kaufen gibt, kann man online bestellen. Für die Einzelhändler kommt es darauf an, sich mit ihrem Laden, den Mitarbeitern und mit Sortiment und Service zeitgemäß zu präsentieren. Und sie müssen im Internet präsent sein. Das alles gehört zu den Aufgaben eines erfolgreichen Unternehmens. 

Heiner Schote  ist Dipl.-Geograph und Leiter der Abteilung Handel der 
Handelskammer Hamburg. ©Privat
Heiner Schote ist Dipl.-Geograph und Leiter der Abteilung Handel
der Handelskammer Hamburg. ©Ulrich Perrey

Der Einzelhandel und die Immobilienwirtschaft machen längst viel mehr: In den Business Improvement Districts (BIDs) im Kern der Hamburger Innenstadt investieren sie gemeinsam in die Neugestaltung und Pflege der Straßen und Plätze vor ihrer Haustür. In allen BIDs investieren sie gemeinsam mehr als 53 Millionen Euro – ein in Kontinentaleuropa einmaliges privatwirtschaftliches Engagement. 

Nicht weit entfernt, im Zentrum der HafenCity, baut Unibail Rodamco Westfield derweil mit dem Überseequartier ein neues Stadtquartier. Die Einzelhandelsfläche von 68.000 Quadratmetern, die der Bebauungsplan zulässt, entspricht – gemessen an den Shopping-Flächen in der City – einem Zuwachs um rund 20 Prozent. So wird das Überseequartier zu einer neuen Attraktion für die Metropolregion, die zugleich die Wettbewerbssituation in der Innenstadt nachhaltig verändert. 

Zu Recht fragen sich viele Unternehmer, ob sich die Stadt Hamburg ausreichend für den Kern der Innenstadt engagiert. Denn in der HafenCity entsteht nicht nur das Überseequartier, sondern hier schafft die städtische HafenCity Hamburg GmbH auch hervorragend gestaltete öffentliche Räume: Straßen, Plätze, Parks und Uferbereiche, die europaweit Maßstäbe setzen. Im Kern der Innenstadt kommen die von der Stadt initiierten Projekte wie die Aufwertung des Gerhart-Hauptmann-Platzes dagegen nur langsam voran. Das Erscheinungsbild des Rathausmarkts entspricht nicht dem, was man von einem solchen Platz im Herzen der Stadt erwartet. 

Viele Unternehmen wünschen sich daher, dass sich die Stadt Hamburg stärker als bisher für eine attraktive, lebendige und vielfältige Innenstadt einsetzt, die gut erreichbar ist und eine hohe Aufenthaltsqualität hat. Und sie erwarten von Bürgerschaft und Senat ein Investitionsprogramm, das alles das möglich macht, damit sich die Innenstadt – von der Binnenalster bis zur Norderelbe – als attraktive Mitte der Metropolregion präsentiert. 

Hierfür haben sich die Handelskammer Hamburg, das City Management Hamburg, der Dehoga Hamburg Hotel- und Gaststättenverband e.V., der Handelsverband Nord e.V., der Tourismusverband Hamburg e.V., der Trägerverbund Projekt Innenstadt e.V. und der Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e.V. zum „Bündnis für die Innenstadt“ zusammengeschlossen und zehn zentrale Handlungsfelder benannt. 

KONTRA: Eigeninitiative ist gefragt!

Von Dr. Claudia Weise
City oder HafenCity? Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um eine gemeinsame Vision für Hamburg, „Händler verlangen Investitionen in die City – in dreistelliger Millionenhöhe“, so die Zeitungen. Was aber können die Händler und Eigentümer, die lange Jahre erfolgreich von der boomenden Hamburger Innenstadt profitiert haben, im Gegenzug anbieten?

Dr. Claudia Weise ist Quartiersmanagerin vom nördlichen Überseequartier und Bereichsleiterin für Center- und Quartiersmanagement der BNP Paribas Real Estate Property Management GmbH. ©Privat
Dr. Claudia Weise ist Quartiersmanagerin vom nördlichen Überseequartier und Bereichsleiterin für Center- und Quartiersmanagement der BNP Paribas Real Estate Property Management GmbH. ©Privat

Das Ziel der Städte, Politiker, Projektentwickler, Architekten und auch Einzelhändler sollte immer darin bestehen, lebendige Orte zu schaffen, die für Besucher, Nutzer und Bewohner interessant sind – Orte mit Aufenthaltsqualität, Orte mit Alleinstellungsmerkmalen, Orte mit Anziehungskraft. Deshalb begrüße ich grundsätzlich das Engagement, die Entwicklung der Hamburger Innenstadt weiter voranzutreiben und das Areal ganzheitlich bezüglich der Attraktivität auf ein neues Level zu bringen. 

Stadtentwicklung und Belebung bedeutet allerdings Arbeit – auf allen Seiten. Das gilt für bereits bestehende Strukturen genauso wie für neu entstehende Stadtteile. Der stationäre Einzelhandel trifft überall auf die gleichen Herausforderungen durch das sich wandelnde Konsumentenverhalten und das damit einhergehende Wachstum des Online-Handels. 

Daher ist es unabdingbar, das Angebot entsprechend zu diversifizieren: Sei es durch eine Erhöhung des Anteils der Gastronomie, die Bespielung des öffentlichen Raums mit Events oder die Schaffung von qualitativ hochwertigen Flächen. Konzentration auf den vermeintlichen Konkurrenten „HafenCity“ ist dabei der falsche Ansatz und verschwendet wertvolle Energien. 

Während die Hamburger Innenstadt als bereits etablierter Standort immer ein Begriff war und entsprechend auch Besucher lockte, startete die HafenCity und mit ihr das nördliche Überseequartier bei null. In der HafenCity engagieren sich Mieter, Eigentümer, Quartiersmanagement und Netzwerke für den Erfolg dieses neuen Stadtteils. Alle Mieter und Vermieter investieren neben der Zeit auch sehr viel Geld, jeden Monat aufs Neue, um diesen Teil der Hamburger City attraktiver und noch erfolgreicher zu machen.

Viele öffentliche Flächen werden von privater Hand bespielt, gepflegt und instandgesetzt. Der finanzielle Aufwand von Eigentümern und Mietern ist enorm, Frequenzen und Umsätze sind mit der City noch nicht vergleichbar, täglich wird daran gearbeitet. 

Wenn sich die Stadt, die Eigentümer und die Mieter der innenstädtischen Flächen auf ihre Potenziale fokussieren sowie Synergien untereinander und mit der HafenCity nutzen, wird die Erweiterung der Innenstadt einen Mehrwert für alle Seiten bieten. Die Lösung besteht daher nicht in der Bereitstellung von Fördergeldern und entspricht auch nicht der üblichen Vorgehensweise. Eigeninitiative ist gefragt.

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