Baakenhafen. Das hängende Fassadengrün und das Gewächshaus auf dem Dach symbolisieren grünes Bauen und Wohnen im »we-house«-Projekt. Ein Gespräch mit Projektchef Gerd Hansen
Er ist von der Kreisstadt Husum an der Nordsee in Schleswig-Holstein weg, baute seinen Architektenabschluss mit nachhaltigem Bauen – schon 1984 (!) – und lebt grün und gemeinschaftlich in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart: Gerd Hansen, Inhaber und Geschäftsführer der Archy Nova Projektentwicklungs GmbH. In der HafenCity, im Baakenhafen, baut er jetzt ab April 2024 das ökosoziale Gemeinschaftswohnprojekt „we-house“, das direkt am Baakenpark entsteht. Leger mit hellblauer Jeans, blauem Karohemd und dunkelblauem Wollblouson ausgestattet, strahlt Gerd Hansen mit seinem weiß-grauen Fünftagebart eine seriöse Atmosphäre auf Augenhöhe aus. Der Projektmanager und Architekt lebt ganzheitlich seine berufliche Passion: „Ich bin ,Zwangskaufmann‘ geworden. Aber mein Herz schlägt für Ideen, für die Zahlen habe ich ein tolles Team.“ Das Gespräch:
Foto oben: Autonome Nachhaltigkeit im „we-house“ von Gerd Hansen: „Das Konzept dieser Kreislaufwirtschaft wird bislang nur im ,we-house‘ praktiziert. Das Dachgewächshaus wird mit der Abwärme des Gebäudes beheizt, die Pflanzen werden durch Regenwasser bewässert, und Pestizide werden weder eingesetzt noch benötigt. Transportwege und -kosten entfallen, denn die Lebensmittel vom Dachgarten kommen frisch geerntet direkt auf den Teller. Das reduziert den ökologischen Fußabdruck der Lebensmittelversorgung drastisch.“ © we-house | archy nova Projektentwicklung
Herr Hansen, Sie verantworten als Archy-Nova-Chef das ungewöhnliche Bauprojekt „we-house“ im Baakenhafen, das weithin sichtbar durch ein großes Gewächshaus auf dem Dach auffallen wird. Ist das Öko-PR oder nachhaltiges Wirtschaften? Bei unserem „we-house“ im Baakenhafen handelt es sich definitiv um nachhaltiges Wirtschaften. Es entsteht ein ökologisch-soziales Vorzeigeprojekt, das in vielerlei Hinsicht einen Vorreiter darstellt. Die Vollholz-Außenwände bieten ein Höchstmaß an Behaglichkeit, erfahrungsgemäß wird da nicht jeder Bewohner überhaupt heizen. Für die Betondecken mit hoher Schalldämmung wird außerdem CO₂-reduzierter Zement verwendet, der circa 50 Prozent weniger Treibhausgase verursacht. Abwasser und Wärme werden recycelt, und eine Fotovoltaikanlage liefert Strom. Wir vertreten schon immer einen idealistischen Ansatz, den wir konsequent in all unseren Projekten verfolgen. Das Gewächshaus auf dem Dach ist nicht nur ein optischer Hingucker, sondern ein integraler Bestandteil unseres nachhaltigen Ansatzes, es steht symbolisch für unsere Werte.
Wie ist es zu dem Namen „we-house“ gekommen? Seit den 1990ern entwickeln wir Gemeinschaftswohnhäuser, damals noch als Co-Housing bekannt. Wir haben aus den Erfahrungen gelernt und mit dem „we-house“ die Idee des Co-Housings perfektioniert, um den Bewohnern eine noch höhere Wohn- und Lebensqualität zu bieten. Es geht um eine Sharing-Community, in der für jeden die Lasten minimiert, aber Zeit und Lebensfreude vergrößert werden. Unser erstes realisiertes „we-house“ in Herne ist ein umgebauter Hochbunker, rein elektrisch betrieben mit einer großen Fotovoltaikanlage. Dort lebt die Mehrgenerationen-Gemeinschaft bereits das, was inzwischen auch wissenschaftlich bewiesen ist: Einsamkeit macht nachweislich auf Dauer krank, gute Gesellschaft dagegen führt dazu, nicht nur glücklicher, sondern auch gesünder und länger zu leben.
VITA – Gerd Hansen
ist geschäftsführender Gesellschafter der Archy Nova Projektentwicklung GmbH. Hansen studierte Architektur, erst an der FH Eckernförde, dann an der Uni Stuttgart, und absolvierte auch ein Fulbright-Stipendium an der University of Texas in Austin. Nach dem Abschluss seines Architekturstudiums 1984 gründete er noch im gleichen Jahr Archy Nova. Der 67-Jährige wurde in Husum/Nordsee geboren, ist geschieden, hat drei erwachsene Kinder und wohnt im Ökozentrum Rommelmühle in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart.Das „we-house“ ist als ein unabhängiges Öko-System geplant, in dem sich die Bewohner:innen und die Gastronomie im Erdgeschoss beim eigenen Dachgarten mit Gemüse, Obst und Kräutern bedienen. Was bringt eine solche unabhängige Kreislaufwirtschaft? Das Konzept dieser Kreislaufwirtschaft wird bislang nur im „we-house“ praktiziert. Das Dachgewächshaus wird mit der Abwärme des Gebäudes beheizt, die Pflanzen werden durch Regenwasser bewässert, und Pestizide werden weder eingesetzt noch benötigt. Transportwege und -kosten entfallen, denn die Lebensmittel vom Dachgarten kommen frisch geerntet direkt auf den Teller. Das reduziert den ökologischen Fußabdruck der Lebensmittelversorgung drastisch.
Eine weitere Besonderheit des „we-house“ ist, dass es neben dem grünen Dachgeschoss mit weitläufigen Gartenflächen besonders großzügige Gemeinschaftsflächen geben soll. Welche Idee verbindet sich damit? Es wird einen 60 Quadratmeter großen Gemeinschaftsraum geben, unter anderem mit einer Kinderecke, einer Bar und einer Küche für kleinere oder größere Veranstaltungen. Außerdem ist in der Werkstatt ein Bereich geplant, in dem selten benötigte Dinge wie Grill oder Bohrmaschine ausgeliehen werden können. Auch ein Gästeapartment, in unseren Bauprojekten immer sehr beliebt, steht für bis zu vier Besucher:innen zur Verfügung. Ein Gästezimmer in der eigenen Wohnung wird dadurch eigentlich überflüssig. Es geht uns um Lebensqualität – das soziale Miteinander soll gefördert werden, um mehr Raum für die individuelle Entfaltung zu haben.
Sie haben mit dem um zwei Jahre verspäteten Baubeginn im kommenden April, verursacht durch die Corona-Folgen und die horrenden Baukostensteigerungen, auch Ihr Finanzierungskonzept
überarbeitet. Was zeichnet Ihr besonderes Wohneigentums-Konzept aus? Wir haben die Zeit während der COVID-19-Pandemie dazu genutzt, das „we-house“ im Baakenhafen noch einmal zu optimieren und die Kosten zu reduzieren, ohne bei den ökologischen Aspekten Abstriche zu machen. Unter anderem haben wir die Nutzflächen vergrößern und mehr Wohnungen schaffen können. Das Besondere an unserem Konzept ist die genossenschaftlich orientierte Organisation in Form einer GmbH & Co. KG. Das ermöglicht eine niedrige Einstiegsschwelle, denn es ist nur ein Eigenkapital von etwa einem Viertel des für die HafenCity relativ niedrigen Wohnungspreises erforderlich. Die übrige Finanzierung schließt die Gesellschaft mit den Banken ab. Die künftigen Bewohner werden Miteigentümer der „we-house“ Baakenhafen GmbH & Co. KG, die dauerhaft Eigentümerin des Gebäudes bleibt, und erhalten ein dauerhaftes Wohnrecht. Sie gestalten und entscheiden gemeinsam über alle wichtigen Themen.Warum ist Ihr Miteigentümermodell, eine Art von privatwirtschaftlichem
Genossenschaftsbau, attraktiver als ein klassisches Wohneigentumsmodell? Die GmbH & Co. KG agiert als Bauherrin, dadurch entfallen die Aufschläge für Bauträger und Immobilienmakler. Zur größtmöglichen Kostensicherheit wird mit einem Generalunternehmer zum garantierten Festpreis gebaut. Das ermöglicht uns Kostensicherheit und sehr attraktive Preise, die man sonst in der HafenCity eher nicht zu sehen bekommt. Besonders junge Familien und Menschen, die sich rechtzeitig nach einen Alterswohnsitz umsehen, spricht dieses Konzept an. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bauträgermodellen, die meist wenig Flexibilität und Mitsprache bieten, erlaubt es unser Ansatz, den Miteigentümern einen direkten Einfluss auf ihr Lebensmodell zu nehmen.
Neben den 17 öffentlich geförderten Wohnungen, drei Studierenden-Apartments und zwei ambulant betreuten Wohngemeinschaften verkaufen Sie 30 Wohnungen zu je knapp 9.000 Euro pro
Quadratmeter. Spüren auch Sie die allgemeine Zurückhaltung von Käufer:innen am Immobilienmarkt? Das Interesse am „we-house“ ist erstaunlich groß, mehr als die Hälfte der Wohnungen sind binnen drei Monaten bereits belegt. Die Preise starten übrigens schon bei 8.300 Euro pro Quadratmeter. Trotzdem bieten wir eine einmalige Architektur und Wohnform, und das spiegelt sich in der Nachfrage und in dem Feedback der Interessierten wider. An den Förderwohnungen kann man sich übrigens als Kapitalanleger ab 70.000 Euro beteiligen. Durch die Förderung und die Zuschüsse ist das eine sehr nachhaltige Kapitalanlage, wie wir finden, bei der mit einem hohen Wertzuwachs zu rechnen ist.
Das Gebäude hat nicht nur eine auffällig begrünte Fassade, sondern setzt auch auf neue Mobilitätskonzepte, indem es für 54 Wohneinheiten lediglich 18 Stellplätze vorsieht und ansonsten hauseigene E-Autos und E-Lastenräder zur Verfügung stellt. Wie soll das funktionieren? Der Dachwald sorgt nicht nur für ein besseres Klima, sondern ist auch für die Bewohner ein absolutes Highlight; von dort oben hat man einen Ausblick über den Baakenhafen und die Stadt hinweg. Das Mobilitätskonzept wurde ja von der HafenCity initiiert, weil die Stadt autofreier werden soll. Eine gute Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Carsharing und guten Fahrradwegen ist am „we-house“-Baakenhafen vorhanden. Wir stellen unseren Bewohnern zusätzliche Elektroautos und Lastenpedelecs. Wir konnten feststellen, dass etwa zwei Drittel unserer Kommanditisten gar kein eigenes Auto besitzen oder es aufgeben wollen.
Was ist das Konzept des Restaurants im Erdgeschoss mit seinen 80 Plätzen? Und kann es von Nachbarn und Besucher:innen der HafenCity genutzt werden? Das Restaurant wird den Schwerpunkt auf vegetarische und vegane Gerichte legen und nicht nur den Bewohnern des Gebäudes, sondern auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein – jeder ist herzlich willkommen. Obst, Gemüse und Kräuter, die auf dem Dach angebaut werden, kommen per Aufzug direkt ins Restaurant und werden frisch verarbeitet. Weitere Zutaten und Getränke werden von regionalen Erzeugern stammen. Die Bewohner des „we-house“ können im Restaurant zu ermäßigten Preisen essen, was ihnen Zeit und auch Arbeit erspart, da Kochen und Aufräumen entfallen. Dieses Angebot ist ein Bestandteil unseres Gemeinschaftskonzepts, das darauf abzielt, dass die Bewohner ebenso nachhaltig wie zufrieden miteinander leben, sozusagen in einem modernen Dorf, aber ohne dessen Begrenzungen.
Der Name „we-house“ transportiert eine Gemeinschaftsidee. Warum sehen Sie in dem Wir die Zukunft des Bauens? Unsere Vision ist es, durch das „we-house“ eine gesündere und nachhaltige Lebensweise zu ermöglichen. Gemeinschaft hat nicht nur sozialen Mehrwert, sondern verringert auch den Ressourcenverbrauch. Das ist es, was wir in Zukunft brauchen.
Ihr Projektentwicklungs-Unternehmen Archy Nova sitzt in Stuttgart, und in der Yokohamastraße am Lohsepark ist Ihr Hamburg-Büro. Was hat die HafenCity, was die schwäbische Metropole nicht hat? Hamburg, und gerade die HafenCity, hat eine ganz andere Atmosphäre als Stuttgart. Wir erleben hier eine andere Weltoffenheit, die sich auch in der Mentalität der Bewohner und Behörden widerspiegelt. Die Arbeit in Hamburg macht viel Spaß, denn die Zusammenarbeit ist weniger kompliziert und läuft reibungsloser ab. Deshalb wollen wir unseren Standort in Hamburg weiter ausbauen, um weitere Projekte zu starten.
Sind Sie eigentlich eher Architekt und Lebensraumplaner oder ein BWL-Projektentwickler? Na ja, ich habe Architektur studiert und mich damals schon auf ökologisches Bauen konzentriert. Nach dem Studium habe ich dann gleich die Archy Nova gegründet, weil ich so meine eigenen Vorstellungen von nachhaltigem Bauen realisieren konnte. So bin ich „Zwangskaufmann“ geworden. Aber mein Herz schlägt für die Ideen, für die Zahlen habe ich ein tolles Team.
Wie wohnen Sie zurzeit? Könnten Sie sich vorstellen, in die HafenCity in das „we-house“ einzuziehen? Wir entwickeln alle unsere Projekte so, dass wir immer selbst gerne einziehen würden. Ich finde das „we-house“ im Baakenhafen grandios, und da ich ursprünglich aus Husum komme, hängt mein Herz sowieso an Hamburg und dem Norden. Aber ich lebe bereits in einer Co-Housing-Anlage von Archy Nova aus den 1990er-Jahren mit mehr als 100 Menschen in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart. Dort sind meine Freunde, und meine beiden Söhne sind mit ihren Familien wieder dorthin gezogen, was ein großes Glück für mich darstellt. Deswegen bleibe ich dort. Das Gespräch führte Wolfgang Timpe
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