»Hamburg bleibt stark, erfolgreich und lebenswert!«

Interview. Der SPD-Spitzenkandidat Dr. Peter Tschentscher möchte von den
Hamburger:innen wiedergewählt werden. Hamburgs Erster Bürgermeister über Kühne-Oper und Elbtower, Wohnungsnot und Baustellen sowie Einwanderung und Integration 

Das nenne ich mal Selbstbewusstsein. Blauer Bildrahmen. Supernahaufnahme des Gesichts. Im Brillenglas spiegeln sich in einer Drohnen-Luftaufnahme Hamburg mit Elbe und Elbphilharmonie. Dazu der Slogan: „Hamburg vereint“. Weniger geht nicht – mit viel Wirkung. Die SPD und ihr Spitzenkandidat, Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, werben auf den monumentalen Großplakaten (siehe Seite 24) extrem reduziert mit der Botschaft: Den Mann kennt man, der macht’s, und er hat wie im Wahlkampf anno 2020 immer noch „Die ganze Stadt im Blick“. Und setzt einen prägnanten Chefton in der hochkochenden Wahlkampfdebatte um Zuwanderung, Abschiebung und dichtzumachende Grenzen: Einheit in Vielfalt. Auch im Interview mit der HCZ HafenCity Zeitung zeigt Peter Tschentscher einfache klare Kante. 
Foto oben: Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister und Spitzenkandidat der SPD, zieht in der HCZ Bilanz: „Die rot-grüne Koalition arbeitet konstruktiv zusammen, was gerade in Krisenzeiten wichtig ist und das Vertrauen in die Politik stärkt.“
© Catrin-Anja Eichinger

Herr Bürgermeister, woher kommt die aktuelle Hamburger Zustimmung zu Rot-Grün? In jüngsten Umfragen legt die SPD um zwei Prozentpunkte auf 34 Prozent zu, und Die Grünen sind stabil bei 20 Prozent, während das Bündnis bundesweit dramatisch an Zustimmung verliert. Was ist Ihrem „Tschentscher II“-Senat in den vergangenen fünf Jahren gelungen? Hamburg wird gut regiert. Wir sind in vielen Bereichen führend in Deutschland, wie in der Kindertagesbetreuung, im Wohnungsbau und der Digitalisierung. Auch unsere Wirtschaftsdaten sind besser als in den meisten anderen Ländern oder in Deutschland insgesamt. Die rot-grüne Koalition arbeitet konstruktiv zusammen, was gerade in Krisenzeiten – während der Pandemie und in der Energiepreiskrise – wichtig ist und das Vertrauen in die Politik stärkt. 

Bitte mal „Butter bei die Fische“: Was hat für Sie nicht geklappt in dieser Legislaturperiode? Wir haben zuletzt das Ziel von 10.000 Baugenehmigungen pro Jahr nicht halten können, weil der Wohnungsbau aufgrund hoher Zinsen und Baukosten bundesweit eingebrochen ist. Leider wurde auch der Elbtower von den privaten Investoren nicht so gebaut, wie es der Stadt versprochen wurde. In dem europaweiten Ausschreibungsverfahren hatte sich die Signa-Gruppe von Herrn Benko durchgesetzt, die dann Insolvenz angemeldet hat. Die Stadt hat zwar kein Geld verloren, aber der Zeitplan zur Fertigstellung der HafenCity verschiebt sich damit. Für die Fertigstellung des Elbtowers müssen die privaten Investoren jetzt einen Weg finden. Die Stadt übernimmt für die Fertigstellung keine Risiken oder Kosten. Für alle anderen Signa-Grundstücke oder Immobilien in Hamburg haben sich bereits neue Eigentümer gefunden. Und auch den Wohnungsbau haben wir wieder in Schwung gebracht – mit einem Anstieg der Baugenehmigungen von über 20 Prozent, darunter mehr als 3.000 geförderte So­zialwohnungen.

Bürgermeister Peter Tschentscher zur Flüchtlingsfrage: „Wir befinden uns derzeit auf einem hohen, aber mittlerweile leicht rückläufigen Niveau. Diesen Kurs müssen wir fortsetzen. Vor allem straffällige Flüchtlinge müssen schneller und konsequenter abgeschoben werden. In Hamburg haben wir die Zahl der Rückführungen seit 2022 fast verdoppelt. Flüchtlinge, die nach den Regeln des Asylrechts in Deutschland bleiben dürfen, müssen so schnell wie möglich integriert werden und eine Arbeit aufnehmen.“ © Catrin-Anja Eichinger

Es gibt kaum eine Straße ohne Baustelle. Es gelingt nach wie vor nicht, eine erfolgreiche Baustellen­koordinierung hinzubekommen. Sie selbst ärgern sich auch darüber. Wie soll sich das künftig spürbar bessern? Wir investieren viele Milliarden Euro in die Infrastruktur: in Straßen, Brücken, Hafen, Energie- und Datennetze. Das wurde früher vernachlässigt und führt zu vielen Baustellen im öffentlichen Raum. Wir können den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur aber nicht einstellen, ohne die Zukunft unserer Stadt zu gefährden. Das ist im Bund geschehen, deshalb gibt es so große Probleme mit Autobahnen, Schienen und Stromnetzen. Wir haben die Planung und Koordination der Baustellen bereits neu aufgestellt, müssen es aber noch besser hinbekommen. Dazu setzen wir in Zukunft mehr IT ein und treffen zusätzliche Absprachen mit der Privatwirtschaft. Trotz zahlreicher Baustellen und steigender Einwohnerzahlen hat sich die Stausituation in Hamburg aber verbessert. Der Verkehr fließt nach den aktuellen Untersuchungen besser als vor der Coronapandemie. Im Stau-Index sind wir mittlerweile besser als Berlin, Köln, München, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt, Hannover und sogar Bonn.

Beim Thema Migration und Integration macht Hamburg einiges besser als andere Kommunen. Doch auch hier explodieren wieder, gerade in Hamburg-Mitte, die Aufnahmezahlen und Aufnahmeunterkünfte, während 2024 in Europa im Vergleich zum Vorjahr 38 Prozent weniger Flüchtlinge gekommen sind. Was macht Deutschland falsch, und wie kann Hamburg künftig für eine geregelte stemmbare Zuwanderung und Integration sorgen? Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren die Migration deutlich besser kontrolliert und gesteuert als die vorherigen CDU-geführten Bundesregierungen. Durch Absprachen mit den anderen europäischen Ländern, durch Kontrollen an den deutschen Grenzen und konsequente Rückführungen ist der Anstieg der Flüchtlingszahlen in Hamburg gestoppt worden. Wir befinden uns derzeit auf einem hohen, aber mittlerweile leicht rückläufigen Niveau. Diesen Kurs müssen wir fortsetzen. Vor allem straffällige Flüchtlinge müssen schneller und konsequenter abgeschoben werden. In Hamburg haben wir die Zahl der Rückführungen seit 2022 fast verdoppelt. Flüchtlinge, die nach den Regeln des Asylrechts in Deutschland bleiben dürfen, müssen so schnell wie möglich integriert werden und eine Arbeit aufnehmen. Auch dabei sind wir in Hamburg sehr aktiv und erfolgreich, denn wir brauchen mehr Arbeitskräfte, um die vielen offenen Stellen in den Unternehmen zu besetzen.

Besonders national, aber auch in Hamburg gehen viele Industriearbeitsplätze verloren, und die deutsche Wirtschaft hat Minuswachstum. Wie wollen Sie einen Hamburger Wirtschaftsaufschwung auslösen? Was können Sie und die Hamburger SPD, was andere nicht können? In Hamburg ist die Zahl der Beschäftigten in der Industrie in den vergangenen drei Jahren um über zehn Prozent gewachsen, um fast 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Auch in anderen Branchen stehen wir besser da als andere Länder, etwa im Baugewerbe. Ursache sind die eben schon erwähnten Investitionen in die Infrastruktur, der starke Wohnungsbau und der Bau vieler öffentlicher Gebäude wie Schulen, Hochschulen, Polizei- und Feuerwachen. Während andere Länder ihre Investitionen zurückfahren, nutzen wir unsere Überschüsse im Haushalt für Zukunftsinvestitionen, die zugleich die Wirtschaft ankurbeln. Darüber hinaus haben wir eine erfolgreiche Innovationsförderung. Im europaweiten Vergleich der Regionen ist Hamburg in den letzten Jahren von Platz 45 auf Platz 13 vorgerückt. Die Europäische Kommission bezeichnet Hamburg mittlerweile als „Innovation Leader“ und als dynamischste Innova­tionsregion in Deutschland. 

Mit dem SPD-Wahlslogan „Hamburg vereint“ betonen Sie einerseits Ihre Rolle als fürsorg­licher Landesvater, der für alle da sein möchte, und andererseits reagieren Sie damit darauf, dass das Klima in Großstädten und Stadtstaaten wie Hamburg ruppiger und existenziell hart geworden ist und die rechte AfD weiter Zulauf hat. Wie wollen Sie die auseinanderdriftende Stadtgesellschaft ver­söhnen? „Hamburg vereint“ ist die Botschaft der SPD für die kommenden Jahre. In einer Zeit der Krisen und Populisten setzen wir auf gesellschaftlichen Zusammenhalt. 180.000 Hamburgerinnen und Hamburger haben im vergangenen Jahr an einer Großdemonstration gegen rechtsextreme Aktivitäten teilgenommen. In einer internationalen Stadt wie Hamburg, in der Menschen aus über 180 Nationen leben, ist es besonders wichtig, konsequent gegen Antisemitismus, Islamismus und antimuslimische Diskriminierung vorzugehen. Das tun wir mit einer starken Polizei, einem aktiven Verfassungsschutz und wirksamer Präventionsarbeit. Gemeinsam mit der Bundesregierung haben wir die Blaue Moschee geschlossen und ihre bundesweiten Aktivitäten gestoppt. Rechtsstaatlichkeit und Toleranz sind Wesensmerkmale der Demokratie, die wir gegen populistische, rechtsextreme Kräfte verteidigen müssen. „Hamburg vereint“ bedeutet zugleich, dass wir die vielen unterschiedlichen Interessen und Ziele nicht gegeneinander ausspielen, sondern sie miteinander verbinden müssen: Wirtschaft und Umwelt, Familie und Beruf, Sicherheit und Demokratie. So bleibt Hamburg stark, erfolgreich und lebenswert.

Peter Tschentscher auf dem Amerigo-Vespucci-Platz im Baakenhafen: „Rechtsstaatlichkeit und Toleranz sind Wesensmerkmale der Demokratie, die wir gegen populistische, rechts­extreme Kräfte verteidigen müssen. ,Hamburg vereint‘ bedeutet zugleich, dass wir die vielen unterschiedlichen Interessen und Ziele nicht gegeneinander ausspielen, sondern sie ­miteinander verbinden müssen: Wirtschaft und Umwelt, Familie und Beruf, Sicherheit und Demokratie.“ © Senatskanzlei Hamburg

Hamburg ist nach wie vor eine wachsende Stadt, doch das Bauen kommt nicht hinterher. Explodierende Baukosten und extrem teure Baufinanzierungen haben privates Neubauen fast zum Erliegen gebracht. Es fehlen viele Tausend Wohnungen, und parallel dazu steigen die Mieten drastisch. Hamburg baut immerhin ak­tuell noch viele geförderte Wohnungen, doch das reicht bei Weitem nicht. Was hilft in Zukunft? Die Mieten in Hamburg sind in den letzten zehn Jahren deutlich geringer gestiegen als in Berlin, München, Köln, Frankfurt und vielen anderen westdeutschen Großstädten. Das ist das Ergebnis unseres Wohnungsbauprogramms, mit dem seit 2011 über 100.000 neue Wohnungen fertiggestellt wurden, davon 11.000 städtische Wohnungen der SAGA und rund 3.000 in der HafenCity. Die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau sind allerdings schwieriger geworden. Die Hauptgründe haben Sie genannt: teure Finanzierungen und gestiegene Baukosten. Deshalb haben wir über unsere Investitions- und Förderbank sehr günstige Darlehen für geförderte Wohnungen eingeführt, mit einem Zinssatz von ein Prozent. Mit dem neuen „Hamburg-Standard“ vereinfachen wir Vorgaben und Normen im Wohnungsbau und beschleunigen Genehmigungsprozesse. Die Baukosten sollen damit um bis zu einem Drittel sinken. Auch damit werden wir zu einem Vorbild für ganz Deutschland.

Auch im Stadtteil HafenCity verzögern sich viele Bauprojekte, Investoren warten auf bessere Zeiten. Stehen Sie auch deshalb zusammen mit Kultur­senator Carsten Brosda dem Projekt neue Oper auf dem Baakenhöft grundsätzlich positiv gegenüber, weil es immerhin eine „Spende“ von rund 330 Millionen Euro für den eigentlichen Opernbau durch den Milliardär Klaus-Michael Kühne geben soll? Ist er für Sie ein Mutmacher? Die HafenCity hat sich insgesamt hervorragend entwickelt. Die Nachfrage nach Wohn- und Gewerbegrundstücken ist ungebrochen groß. Ich bin regelmäßig zu Gast bei Spatenstichen, Richtfesten und Eröffnungen. Die HafenCity ist einer der attraktivsten urbanen Räume Europas. Eine neue Oper wäre neben der Elbphilharmonie ein weiterer Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft und eine Bereicherung für die Kulturmetropole Hamburg. Wir sprechen sehr ausführlich mit Herrn Kühne über seine Bereitschaft, Hamburg eine neue Oper zu stiften. Bürgerschaftliches Engagement und Mäzenatentum haben in Hamburg schon seit Jahrhunderten vieles ermöglicht, was der Stadt allein nicht möglich gewesen wäre. 

Beim Elbtower hat sich ein Investorenkonsortium um den Hamburger Investor Dieter Becken erfolgreich beim Insolvenzverwalter zum Weiterbau der Elbtower-Ruine beworben. Voraussetzung: Ein solventer Ankermieter für rund 30.000 bis 40.000 Quadratmeter Fläche soll den Weiterbau absichern. Zieht das geplante neue Naturkundemuseum dort ein, und fänden Sie das gut? Der Elbtower muss auf Kosten und Risiko der privaten Investoren zu Ende gebaut werden. Daran beteiligt sich die Stadt weder organisatorisch noch finanziell. Wenn es baulich geht, könnte das Naturkundemuseum, das wir gemeinsam mit der Universität und der Leibniz-Wissenschaftsgesellschaft planen, später in den Elbtower einziehen. Das könnte sogar ein sehr attraktiver Standort für das Institut werden. Diese Option prüfen wir derzeit und entscheiden es, wenn die entsprechenden Zahlen vorliegen und sich die Sache aus Sicht der Stadt auch rechnet.

Wünsche von Peter Tschentscher an die Wähler:innen: „Unsere Demokratie lebt vom ­Mitmachen: Engagieren Sie sich für das Gemeinwesen, und gehen Sie wählen!“ © Catrin-Anja Eichinger

In Hamburg steigt, wie wundervoll, im neuen Haushalt der Kulturetat um elf Prozent. Sind wir auf der Insel der Glück­seligen, oder ist der Senat, wie die Opposition sagt, ein „rücksichtsloser Schuldenmacher“ auf Kosten kommender Generationen? Nein. Nachdem die SPD 2011 die Regierung von der CDU übernommen hat, haben wir den Haushalt in Ordnung gebracht, ein kaufmännisches Haushaltswesen eingeführt und mittlerweile hohe Überschüsse im Gesamthaushalt erzielt. Die CDU hatte zuletzt pro Jahr fast eine Milliarde neue Schulden gemacht und mit der HSH-Nordbank-Insolvenz ein historisch einmaliges Finanzdesaster für die Stadt ausgelöst. Es war der SPD-geführte Senat, der die HSH-Nordbank-Krise bewältigt und mittlerweile viele Milliarden Altschulden getilgt hat. Dadurch sparen wir Zinsen, halten die Schuldenbremse ein, können in großem Umfang investieren und übergeben der kommenden Generation eine intakte Stadt und Vermögen statt Schuldenberge. 

Alle fordern, wie auch wir Medien, immer alles von Politiker:innen. Rollentausch: Jetzt dürfen Sie mal Ihre Wähler:innen fordern. Was wünschen Sie sich? Unsere Demokratie lebt vom Mitmachen: Engagieren Sie sich für das Gemeinwesen, und gehen Sie wählen!
Das Gespräch führte Wolfgang Timpe

Nachrichten von der Hamburger Stadtküste

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