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Hemmungslose Parodie

Kunst-Mode. Die Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen zeigt ab 7. Oktober die Ausstellung „Anti-Fashion“ der Fotografin Cindy Sherman

Mode ist ein Thema, das die Künstlerin Cindy Sherman, geboren 1954 in New Jersey, seit fast 50 Jahren intensiv beschäftigt. Obgleich sie zahlreiche Aufträge von Zeitschriften wie „Vogue“ oder „Harper’s Bazaar“ bekam und immer wieder mit namhaften Fashion-Labels zusammenarbeitete, blieb das Verhältnis der Amerikanerin zur Modewelt stets ambivalent. Das zeichnet vom 7. Oktober bis 4. März 2024 die Ausstellung „Anti-Fashion“ in der Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen Hamburg nach. Gezeigt werden Werke aus den frühen Siebzigerjahren bis heute.
Foto oben: Cindy Shermans alternde Fashion-Victims in Balenciaga-Outfits von 2007, die mit allen Mitteln der ewigen Jugend hinterherhecheln. Foto: Cindy Sherman, Untitled #462, 2007/2008; Privatsammlung Europa. © Cindy Sherman; Copyright: © Cindy Sherman , Courtesy the artist and Hauser & Wirth

Was die Bilder der Fotografin, die in New York lebt und arbeitet, so besonders macht: Sie parodieren ganz hemmungslos Modefotografie. Indem sie mit den traditionellen Vorstellungen von Schönheit und Haute Couture brechen. Wenn Cindy Sherman sich selbst für ihre Aufnahmen inszeniert, schlüpft sie gern in Figuren, die nicht unbedingt den Idealen der Werbung und der Hochglanzmagazine entsprechen. Ein Paradebeispiel: die Serie „Cover Girls“ aus den Siebzigern. Für sie verwandelt sich Cindy Sherman in Models, die die Titelblätter von Fashion-Magazinen zieren. Schockierend sind ihre bis ins Groteske bearbeiteten Gesichtszüge.

Cindy Shermans Charaktere sind meilenweit von äußerer Perfektion entfernt. Einige wirken verängstigt, andere überspannt oder gelangweilt, keine scheint wirklich glücklich zu sein. Foto: Cindy Sherman, Untitled #133, 1984; © Courtesy the Artist, Staatsgalerie Stuttgart. Copyright: © Cindy Sherman, Courtesy the artist and Hauser & Wirth

Von äußerer Perfektion sind Cindy Shermans Charaktere also oft meilenweit entfernt – sofern ihr Streben nach Perfektion nicht gerade überhöht dargestellt wird. Einige wirken verängstigt, andere überspannt oder gelangweilt, keine scheint wirklich glücklich zu sein. Man denke nur an die alternden Fashion-Victims in Balenciaga-Outfits von 2007, die mit allen Mitteln der ewigen Jugend hinterherhecheln. Ihre Antlitze sind zwar dank der Schönheitschirurgie vollkommen faltenfrei, doch ihre Mimik ist wie erstarrt. Man ahnt, was diese amerikanischen High-Society-Vertreterinnen für ein Leben führen: Geld spielt für sie zwar keine Rolle, zufrieden sind sie  trotz ihres gekünstelten Lächelns nicht. Vielleicht, weil ihr reicher Ehemann längst eine Affäre mit einer Jüngeren hat?

Nicht weniger beeindruckend ist jene Kampagne, die Cindy Sherman 1993 für Comme des Garçons machte. Besonders ein Foto vergisst man nicht: Eine Frau mit Gesichtspiercings, seltsamen Tattoos und blutunterlaufenen Augen mit Augenringen hält sich ihren Zeigefinger wie eine Pistole an den Kopf. Ohne Zweifel persifliert dieses Werk den Heroin-Chic der Neunzigerjahre. Einen Bogen in die Gegenwart schlägt dagegen die Serie „Project Twirl“ von 2016, für die die Künstlerin Influencerinnen, denen offensichtlich jegliche Gefühlsregungen abhandengekommen sind, verkörpert. Hinter diesen Frauen, die in den sozialen Netzwerken zahlreiche Fans haben, sieht man Großstadt- oder Landschaftsmotive. Die Botschaft ist eindeutig: Hier wird diese „Hier bin ich auch schon gewesen“-Mentalität karikiert.

Für die Serie „Men“ von 2019 und 2020 trägt Cindy Sherman die Männermode von Stella McCartney. Sie präsentiert sich genderfluid. Mal sieht man sie als Landwirt, mal als Aristokrat, einigen Männern stellt sie eine Partnerin, selbstverständlich sie selber, zur Seite. Dabei spielt sie zuweilen mit einer „Twin Peaks“-Ästhetik, angelehnt an David Lynchs Kultserie. So stellt Cindy Sherman Fragen nach (Gender-)Identität, nach Stereotypen, nach dem Umgang mit dem Älterwerden. Immer wieder hinterfragt sie den Selbst­optimierungswahn unserer Gesellschaft. Dagmar Leischow

Info

Die Ausstellung „Anti-Fashion“ wird vom ­7. Oktober 2023 bis 4. März 2024 in der Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen Hamburg gezeigt. Weitere Informationen unter: www.deichtorhallen.de

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