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Hongkongstraße: Blaues Leuchten im Quartier

Dauerausstellung. Designer Stefan Kiefer hat das Kunst-am-Bau-Werk „Die Blaue Mauer“ mit 32 gestalteten Fenstern in einer Brandmauer an der Hongkongstraße 7 vollendet
• Interview „5 Fragen an …“: „Blaue Mauer“-Künstler Stefan Kiefer

Wenn man dicht davorsteht, wird man von der ruhigen und zugleich dynamischen Linienführung in eine unbestimmte Ferne getragen, und das Zusammenspiel mit den changierenden kräftigen Blautönen ruft asiatische, japanisch-chinesische Kulturassoziationen wach – oder es erinnert an klassische grafische Dekors von Teeservices. Standort: Hongkongstraße 7, HafenCity. Eine triste Backstein-Brandmauer, davor ein seit Jahren verwaistes Brachgelände, wobei schon seit 2016 die 22 verputzten oberen Fenster mit ihrem irisierenden Blau den Stadtteil beleuchten – je nach Wetterlage mal hell und durch die grafischen Linien beschwingt oder nachdenklich-melancholisch bei Hamburger Schietwetter. Jetzt wurde die Kunst am Bau vom Designer Stefan Kiefer im Auftrag der HafenCity Hamburg GmbH vollendet, und auch die unteren zehn Fensterräume wurden entsprechend gestaltet. Und das Werk hat nun auch ganz offiziell einen Namen: „Die blaue Mauer“. 
Foto oben: „Die Blaue Mauer“-Designer Stefan Kiefer: „Für den Entwurf standen japanische Porzellanschalen mit ihren kräftigen Blautönen und klassischen Mustern Pate.“ © Catrin-Anja Eichinger

Warum so viel Blau? Und warum Japan-ähnliches Teeservice-Muster? „Die Kombination aus der verputzten Wand, die noch für ein paar Jahre nackt und bloß dastehen wird“, so der Designer, Künstler und Musiker Stefan Kiefer, „hat für mich eine Motivlage ergeben, die sich aus der Umgebung speist: der Elbe und den benachbarten asiatischen Straßen wie der Shanghaiallee, Kobe-, Korea- und eben auch hier, der Hongkongstraße. Zusammengenommen ergibt sich daraus was Tolles, was viel attraktiver ist als so eine nackte Wand. Auch deswegen braucht die HafenCity Kunst am Bau.“ (siehe auch Interview „5 Fragen an…“ am Ende dieses Textes). 

Blaue Wandkunst des Designers Stefan Kiefer strahlt von der Hongkongstraße 7 in den Stadtteil: „Ich habe dann den Aspekt des Blauen aufgegriffen und es ,Die Blaue Mauer‘ genannt, weil aus größerer Entfernung das Blau dominiert, während die Muster eher aus der Nähe ihre Wirkung entfalten.“ © Catrin-Anja Eichinger

Sicher haben im Stadtteil Arbeitende, Besucher:innen und Anwohner:innen das Outdoor-Kunstwerk schon mal wahrgenommen und sich gefragt, was die blau schimmernden Fenster denn eigentlich an der schmucklosen Brandwand der Hongkongstraße 7 zu suchen haben. Das Kunst-am-Bau-Projekt der „Blauen Mauer“ wurde von den Hongkong Studios im Auftrag der HafenCity Hamburg GmbH gestaltet und realisiert. Seit sieben Jahren Jahren zieren nun schon die stilisierten japanischen Wellen und Wolken und blumenähnlichen Grafiken einen Teil der südlichen Brandwand des historischen Gebäudes – inspiriert vom sogenannten Ostasienquartier der HafenCity. Die oberen 22 Fenster wurden bereits 2016 aufwendig neu verputzt und farbig gestaltet. Die bisher verbliebenen unteren zehn Fenster vollenden nun dieses weithin sichtbare Kunstwerk. Stefan Kiefer: „Für mich ist es ein harmonisches Werk, eine Kombination aus Linien, Wellen, Blumen oder Wolken. Je nachdem von welcher Entfernung man bei welchem Wetter und Licht auf die Wand mit den Tafelfenstern schaut.“

Macherin und Gründer: Amelie Agius, 34, Designerin und Yogalehrerin sowie geschäftsführende Gesellschafterin, und Vater ­Stefan Kiefer, 65, Inhaber und Kreativdirektor des „Kreativlabors“ Hongkong Studios. © Catrin-Anja Eichinger

 Das sogenannte Hongkong-Quartier bildet das kreative Viertel der HafenCity, in dem Künstler, Architekten, Designer, IT-Unternehmen und -Programmierer sowie andere kreative Unternehmer:innen ihren Sitz haben. Den südlichen Abschluss der Hongkongstraße bildet das vor über hundert Jahren von der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG als „Unterstation Freihafen“ errichtete Gebäude mit der Nummer 7. Vor einigen Jahren erwarb die HafenCity Hamburg GmbH das historische Ensemble der Gebäude Hongkongstraße 1 bis 7, welche in Zeiten des Freihafens überwiegend als Lagerhäuser für Teppiche genutzt wurden. Im Zuge von Sanierungsarbeiten beschloss man 2016, die einst zugebaute und nun eher unansehnliche südliche Fassade mit ihren ehemaligen Fensteröffnungen grafisch zu bespielen. 

Der Impuls kam von Ralf Hellmann und Alexander Judt vom Ingenieurbüro Hellmann, die den Designer und Gründer der benachbarten Hongkong Studios, Stefan Kiefer, baten, dafür ein künstlerisches Konzept zu entwickeln. Ziel war es, die Lage nahe Elbe und Hafen sowie die ostasiatischen Straßennamen der näheren Umgebung im Entwurf zu visualisieren. 

»Ich hätte gerne noch, wie in meinen Entwürfen, am Fuß der Wand große grafische Wellen gemalt, das Fundament auf dem hier alles, dieses Gebäude und die gesamte HafenCity, stehen. Das wurde leider abgelehnt, da man damit assoziieren könne, dass die HafenCity unter Wasser stände. Schade, dass das nicht geklappt hat. ›Der Blauen Mauer‹ schadet das jedoch nicht.«
Stefan Kiefer

Das einzigartige der einfachen grafischen blauen Farbkompositionen von Kiefer entfaltet immer wieder eine neue, ganz eigene Wirkung. Ob man direkt davor steht oder sogar von der entfernten Magdeburger Brücke oder aus den oberen Stockwerken der Gebäude Überseeallee 6 schaut (Bild r.): Es ein öffentliches Stadtteilzeichen, das das Quartier blau erleuchtet – unterschiedlich je nach Lichtverhältnissen oder Wolkenbildung am Hamburger Himmel. 

„Blaue Mauer“-Künstler Stefan Kiefer: „Ich bin megastolz und glücklich, dass wir jetzt diesen 20 Meter hohen Koloss vollendet und ihm mit seinen 32 gestalteten Fenstern zu einer gewissen künstlerischen Leichtigkeit verholfen haben. Darüber freue ich mich als Designer, als Berufskünstler.“ © Catrin-Anja Eichinger

Dass die Vollendung der „Blauen Mauer“ mit dem Wachwechsel in seinen Hongkong Studios zusammenfällt, in denen seine Tochter Amelie Agius, selbst Designerin und Yogalehrerin, als geschäftsführende Gesellschafterin die Hongkong-Studios-Geschäfte mit übernommen hat, ist für Kiefer „ein sehr schöner Zufall“ und klingt mächtig stolz. „Die Blaue Mauer“ ist mal in jedem Fall ein schönes HafenCity-Zeichen. Wolfgang Timpe

INFO: www.hongkongstudios.de

Warum Kunst am Bau? Stefan Kiefer: „Think global, act local.“ Wir sind hier in der HafenCity, haben internationale Straßennamen, und unsere Studios heißen auch Hongkong Studios, weil wir in der Hongkongstraße leben und arbeiten. Und wenn man diese Idee des Zusammenspiels weiterspinnt, das globale „Naming“ aufgreift und künstlerisch in einem Entwurf verarbeitet, kommt man ziemlich schnell auf Wasser, Wolken, Wellen und Himmel und dass darüber nur noch alles frei und: blau ist.“ © Catrin-Anka Eichinger

5 Fragen an …
Stefan Kiefer
über Straßennamen, Elbe, Himmel und asiatische Kultur

1

Herr Kiefer, warum braucht die HafenCity überhaupt Kunst am Bau und warum Ihr Werk, „Die Blaue Mauer“, hier? Weil die verputzte Wand, die noch für ein paar Jahre nackt und bloß dastehen wird, für mich in Kombination mit der Umgebung der Elbe und den benachbarten asiatischen Straßen wie der Shanghai-, Kobe-, Korea- und eben auch hier, der Hongkongstraße eine Motivlage ergeben hat. Zusammengenommen ergibt sich daraus was Tolles, was viel attraktiver ist als so eine nackte Wand. Auch deswegen braucht die HafenCity Kunst am Bau. 

2

Was war Ihre Idee? Namen, die für Orte und Kulturen stehen und mit ihrer Umgebung hier eine Verbindung eingehen. Wie sagt man so treffend: „Think global, act local.“ Wir sind hier in der HafenCity, haben internationale Straßennamen, und unsere Studios heißen auch Hongkong Studios, weil wir in der Hongkongstraße leben und arbeiten. Und wenn man diese Idee des Zusammenspiels weiterspinnt, das globale „Naming“ aufgreift und künstlerisch in einem Entwurf verarbeitet, kommt man ziemlich schnell auf Wasser, Wolken, Wellen und Himmel und dass darüber nur noch alles frei und: blau ist. Und schon drängt sich schnell das intensive Blau von asiatischen Müslischalen in die Assoziationen. Und diese gesamte Motivlage habe ich grafisch aufgenommen und interpretiert, die Kombination von diesen kräftigen Blautönen vom Porzellan mit den asiatischen grafischen Motive. Da wurde für mich ein „Schuh“ daraus, und ich habe es vor sieben Jahren mit den ersten Fenstern begonnen, und jetzt konnte es mit Unterstützung der HafenCity Hamburg vollendet werden. Für mich ist es ein harmonisches Werk, eine Kombination aus Linien, Wellen, Blumen oder Wolken. Je nachdem von welcher Entfernung man bei welchem Wetter und Licht auf die Wand mit den Tafeln schaut. Alles ist immer mit dem jeweiligen Wetter in Bewegung und löst unterschiedliche Stimmungen aus. 

3

Warum eine optisch reduzierte grafische Linienlösung? Die Situation vor sieben Jahren hat mit dazu geführt. Damals war das ganze Gebäude eingerüstet, und wir konnten direkt an die zugemauerten, ehemaligen Fensterflächen heran und haben das dann mit einer Schablonentechnik malen lassen, wobei ich die grafische Vorlage entworfen habe. Wegen der Fernwirkung, die das Werk auch haben sollte, musste ich mich praktisch auf zwei Farben fokussieren. Und das ist dann von Hand mit den Schablonen meiner grafischen Entwürfe direkt auf die Wände gemalt worden. Bei den jüngsten Flächen, die das Werk jetzt vollendet haben, ist ein anderes Verfahren gewählt, sind die Muster digital auf Platten gedruckt worden. Das hält ein paar Jahre, jedoch nicht so lange wie die ursprünglich direkt aufgetragene Fensterkunst oben. Mein Wunsch ist es, wenn in den kommenden Jahren hier auf der Freifläche, wo wir jetzt stehen, ein Gebäude hochgezogen wird, dass die Bauherren die Fenster irgendwie in ihr künftiges Bauwerk integrieren, zumindest die oberen Etagen. Das fände ich echt schön.  

4

Warum heißt Ihr Werk „Blaue Mauer“? Bis vor Kurzem habe ich immer von der „Chinesischen Mauer“ gesprochen. Das ist einfach sachlich falsch, weil die Motive ja japanisch sind und wir zugleich in der Hongkongstraße, was wiederum China ist, zu Hause sind. Ich habe dann den Aspekt des Blauen aufgegriffen und es „Die Blaue Mauer“ genannt, weil aus größerer Entfernung das Blau dominiert, während die Muster eher aus der Nähe ihre Wirkung entfalten. Ich bin megastolz und glücklich, dass wir jetzt diesen 20 Meter hohen Koloss vollendet und ihm mit seinen 32 gestalteten Fenstern zu einer gewissen künstlerischen Leichtigkeit verholfen haben. Darüber freue ich mich als Designer, als Berufskünstler.

5

Was ist Ihr HafenCity-Resümee nach neun Jahren Leben und Arbeiten im Quartier? Das Gute: Es ist ein wachsender Stadtteil, den man mit Spannung ­beäugt, und wann immer man weiter Richtung östliche HafenCity geht, entdeckt man überraschende neue Gebäude, die plötzlich vor einem stehen wie über Nacht aus dem Boden gestampft. Zum Besseren: Ich wünschte mir noch viel mehr Leben auf den Straßen. Und das ist nicht nur eine Frage des Klimas, sondern zuallererst der Konzepte, die Menschen mit interessanten Angeboten und Events noch viel stärker und öfter aus ihren Häusern locken. Wo wir als Hongkong Studios, auch mit unserer Band Hong Kong Five, mithelfen wollen, indem wir zum Beispiel auch beim Nachbarschaftsfest des Netzwerks HafenCity e. V. auftreten. Oder wir sind jetzt gefragt worden, ob wir bei der Einweihung der Neugestaltung der Uferpromenade Kirchenpauerkai Anfang Juni auftreten wollen, was wir sehr gerne machen. Ein Stadtteil lebt von und durch seine gelebte Nachbarschaft. Und so kommuniziert jetzt auch die „Blaue Mauer“ mit den Menschen, dem Quartier und der Natur und dem jeweiligen Tageslicht. Interview: Wolfgang Timpe
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Stefan Kiefer, 65, Designer, Künstler, Musiker, Gründer und Kreativdirektor des „Kreativlabors“ Hongkong Studios. Der frühere „Spiegel“-Titelgrafiker ist auf Sylt geboren und aufgewachsen, verheiratet, und hat fünf Kinder.

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