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Selbstverständlich finden auch wir es schade, dass diese vier Bäume nicht, wie ursprünglich vorgesehen, erhalten werden konnten, auch unabhängig von der Frage der Baumschutzverordnung. Aber wir müssen als HafenCity Hamburg GmbH die Entwicklung des Stadtteils und die Realisierung der notwendigen Infrastruktur immer auch gesamthaft im Blick behalten, denn die Bewohner:innen, die Beschäftigten und Besucher:innen der HafenCity erwarten zu Recht auch funktionierende und barrierefrei nutzbare Gehwege, Radwege und Straßenzüge. © Catrin-Anka Eichinger
Mehr Grün wagen?

Die HafenCity Hamburg GmbH erkundet mit Nachbarn und Initiativen neue Grün-Räume in der HafenCity für mehr Biodiversität – und lässt zehn Jahre alte Bäume fällen. Warum?

„Hilfe, unsere Bäume sind weg“, schrieb der HafenCity-Bewohner Winfried Vaassen, der Am Sandtorpark sein Zuhause hat, der HafenCity Zeitung am 13. September 2022. „Ich bin geschockt!!!!“, schilderte der engagierte Anwohner seine Empfindungen, „da machen wir einen Biodiversity-Workshop mit der HafenCity GmbH, überlegen alle, wie wir mehr Grün in die HafenCity bekommen, und dann sägen die einfach die Bäume ab.“ Die Empörung verbeitete sich dann in der Folge des Baumfällens wie ein Lauffeuer in der direkten Nachbarschaft des Quartiers, bei den Anwohner:innen unter anderem der Straßenzüge Am Sandtorpark, Am Dalmannkai, San-Francisco-Straße und Überseeallee. 
Foto oben: Dr. Andreas Kleinau, Chef der HafenCity Hamburg GmbH: „Selbstverständlich finden auch wir es schade, dass diese vier Bäume nicht, wie ursprünglich vorgesehen, erhalten werden konnten, auch unabhängig von der Frage der Baumschutzverordnung. Aber wir müssen als HafenCity Hamburg GmbH die Entwicklung des Stadtteils und die Realisierung der notwendigen Infrastruktur immer auch gesamthaft im Blick behalten, denn die Bewohner:innen, die Beschäftigten und Besucher:innen der HafenCity erwarten zu Recht auch funktionierende und barrierefrei nutzbare Gehwege, Radwege und Straßenzüge. © Catrin-Anja Eichinger

Anwohner-Proteste: Die HafenCity Hamburg GmbH ließ zehn Jahre alte Schnurbäume fällen, damit die Kreuzung Am Sandtorpark/Überseeallee „angehoben“ werden kann. © Winfried Vaassen
Anwohner-Proteste: Die HafenCity Hamburg GmbH ließ zehn Jahre alte Schnurbäume fällen, damit die Kreuzung Am Sandtorpark/Überseeallee „angehoben“ werden kann. © Winfried Vaassen

Will man nun mehr Grün in der HafenCity wagen, oder ist es eventuell nur ein nachhaltiges Feigenblatt? Wir fragten bei der zuständigen HafenCity Hamburg GmbH nach und bekamen nach zwei Tagen als Antwort „ein Informationsschreiben an die besorgten Bürger“ zugeschickt. Dort hieß es neben weiteren Informationen zur aktuellen Baustelle und der „Anhebung“ der Straße zu dem Fällen der Bäume: „Das ursprüngliche Ziel, die Bäume zu erhalten und die notwendige Anhebung der Bänke und Tröge losgelöst von den Bäumen vorzunehmen, konnte technisch leider nicht umgesetzt werden, weil eine zu starke Verwurzelung vorgefunden wurde. Auch ein Herausnehmen der Bäume mit zwischenzeitlichem Aufschulen und eine Wiederpflanzung mussten wir aufgrund der langen Standzeit von mittlerweile fast zehn Jahren verwerfen.“

Eine Sachinformation, die die Gemüter offenbar nicht wirklich beruhigen konnte, erreichten doch die HCH sehr viele E-Mails ebenjener „besorgten Bürger:innen“ (siehe auch Demo-Bericht unten), die sich nicht in ihrem Ärger beruhigen lassen wollten – vor allem darüber, dass man sie nicht vorab informiert hatte, und gerade das stattliche Alter der Bäume im jungen Stadtteil regte auf. 

Anwohner-Demonstration für echte Bürgerbeteiligung, weniger Verkehr und mehr Grün: Die Nachbarschafts-Seele be­ruhigt sich nicht. Das Fällen der Schnurbäume Mitte September Am Sandtorpark hat eine generelle Anti-Stimmung ausgelöst. Vielen reichen die offiziellen Begründungen der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) nicht (siehe auch Interview mit dem HCH-Chef unten), ob eine neue Fahrradspur vom Überseequartier aus oder angeblich gesunkene Siele, ob zu verzweigtes Wurzelwerk oder Infrastruktur-Pflichten gegenüber Investoren. Die Nachbarn und Teilnehmer:innen der Demo am Sonntag, 25. September, auf der Baustelle wünschen sich „authentische Transparenz, frühe Information, grüne Verantwortung und moderne autoarme Verkehrskonzepte“, so ein aufgebrachter Anwohner. Der Bürgerwunsch nach ehrlichem Dialog auf Augenhöhe mit „denen da oben“ nimmt kräftig Fahrt auf. WT © Winfried Vaassen

Die HCH lud aufgrund des fortgesetzten Nachbarschaftsprotestes „zu einer persönlichen Gesprächsrunde“ ein, in der die Anwohner:innen neben dem Baumthema auch ihre Sorgen über mehr Fahrbahnspuren und den dann später gewaltig zunehmenden Lkw- und Pkw-Verkehr zum Überseequartier durch die Straße Am Sandtorpark/Überseeallee Auskunft verlangten. 

Die HafenCity Zeitung fragte beim Chef der HCH, Dr. Andreas Kleinau (siehe unten „5 Fragen an …“), mal nach, ob denn die Beteiligung der Anwohner:innen wie auch mehr Grün wirklich gewollt sind. Wolfgang Timpe

5 Fragen an …

Dr. Andreas Kleinau

über Bürger-Stadtplanung, biodiverse Nachhaltigkeit und berechtigte Gewerbeinteressen

Dr. Andreas Kleinau, Sprecher der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH: „Um das deutlich zu sagen: Die Anzahl der Fahrstreifen ist mit der Sanierung der Straße nicht erhöht worden. Auch diesen Sachverhalt haben wir in einer persönlichen Gesprächsrunde mit den Anwohner:innen anhand von Planungsunterlagen erläutert. Die Sanierung greift die genehmigte Straßenplanung einschließlich genehmigter Höhenpläne auf und setzt diese um. Verbessert wurde lediglich die Radwege-Aufleitung des von Süden kommenden Radfahrstreifens. Das ist die einzige Änderung im Rahmen der Sanierung, die damit den Radverkehr in der HafenCity weiter fördert.“ © Catrin-Anja Eichinger

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Herr Kleinau, in der Straße Am Sandtorpark/Überseeallee wurden zehnjährige Schnurbäume gefällt, da die Straße höher gelegt werden soll. Die Anlieger sind aufgebracht, und viele haben Ihnen in E-Mails Vorwürfe gemacht, dass Sie als Chef der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) Grün vernichten und Lebensqualität für eine „vierspurige Straße“ am Sandtorpark „opfern“ würden. Warum das Fällen der Bäume „über Nacht“ und ohne Kommunikation für die Anlieger-Öffentlichkeit? Wir können die besorgten Fragen der Bewohner:innen sehr gut verstehen und haben sofort mit einem Schreiben an alle Anwohner:innen umfangreich über die Maßnahmen und Hintergründe informiert. Wir haben darüber hinaus die Anwohner:innen kurzfristig zu einer persönlichen Gesprächsrunde eingeladen. Die Notwendigkeit zur Fällung dieser vier Straßenbäume war leider auch für uns unvorhergesehen. Sie war jedoch erforderlich, um die Sanierungsarbeiten an der Straße Überseeallee/Am Sandtorpark durchführen zu können. In diesen Bereichen waren in den letzten Jahren starke Absenkungen – genannt Setzungen – der Oberflächen eingetreten, was abhängig vom Baugrund nicht selten passiert. Die besagten vier Straßenbäume standen in Pflanztrögen in Verbindung mit den Sitzbänken. Das ursprüngliche Ziel war selbstverständlich, die Bäume zu erhalten und die Anhebung der Bänke und Tröge losgelöst von den Bäumen vorzunehmen. Leider konnte dies nicht umgesetzt werden, weil eine zu starke Verwurzelung vorgefunden wurde. Auch ein Herausnehmen der Bäume und eine Wiederpflanzung mussten wir verwerfen. Zu unserem Bedauern mussten wir nach sorgsamer Prüfung der Alternativen kurzfristig entscheiden, die Bäume zu fällen. 

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In einem Schreiben an die Anlieger hat die HCH neben Eil- und Fertigstellungsgründen angeführt, dass die Bäume nicht der Baumschutzordnung unterliegen würden. Tut es Ihnen denn unabhängig vom Gesetz nicht weh, über zehn Jahre alte hier entwickelte Bäume zu fällen? Selbstverständlich finden auch wir es schade, dass diese vier Bäume nicht, wie ursprünglich vorgesehen, erhalten werden konnten, auch unabhängig von der Frage der Baumschutzverordnung. Aber wir müssen als HafenCity Hamburg GmbH die Entwicklung des Stadtteils und die Realisierung der notwendigen Infrastruktur immer auch gesamthaft im Blick behalten, denn die Bewohner:innen, die Beschäftigten und Besucher:innen der HafenCity erwarten zu Recht auch funktionierende und barrierefrei nutzbare Gehwege, Radwege und Straßenzüge. Grundstückseigentümer, deren Gebäude an Straßen anschließen, haben einen Anspruch auf die Herstellung der plangenehmigten Höhen der Straßen, um die Entwässerung und die Gebäudeanschlüsse zu sichern. Folglich haben wir diese auch bei derartigen Absenkungen wiederherzustellen. Die Bäume werden selbstverständlich mit Abschluss der Baumaßnahmen, spätestens im ersten Quartal 2023, in der gleichen Baumart, an derselben Stelle und in vergleichbarer Qualität nachgepflanzt.  

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Sie engagieren sich doch selbst aktiv persönlich, nicht nur als HCH-Chef, in dem Dialogformat „Mehr Grün für die HafenCity“. Hätten Sie die Entscheidung zum Fällen nicht aufschieben und neu checken lassen können? Innerstädtisches Grün und die Förderung der Biodiversität in der HafenCity sind uns als HafenCity Hamburg GmbH und auch mir persönlich ein großes Anliegen. Im Dialogprozess haben Bewohner:innen der HafenCity, lokale Initiativen und Verbände sowie Vertreter:innen aus der Verwaltung in drei Workshops gemeinsam über hundert Ideen entwickelt, aus denen nun konkrete Empfehlungen für einen Maßnahmenkatalog erarbeitet wurden, die die Biodiversität in der HafenCity potenziell steigern können. Die kreativen Empfehlungen reichen von der Erhöhung der Spontanvegetation und schwimmenden Grüninseln bis hin zum Pflanzen eines kleinen Urwaldes (eines sogenannten Miyawaki-Waldes). Die Verantwortung zur Prüfung, Finanzierung und Umsetzung der Empfehlungen liegt dann bei der Politik. Aber ich bin auch dafür verantwortlich, dass die HafenCity Hamburg GmbH ihre vertraglichen Verpflichtungen einhält, und muss dann, wenn einen die Fachleute über die Alternativen aufklären, auch die Entscheidung treffen. Ich bin überzeugt, dass auch eine Verschiebung nicht zu vertretbaren Ergebnissen geführt hätte. So weit vertraue ich da schon meinen Kolleginnen und Kollegen. 

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Neben dem Höherlegen der Straße soll sie auch als Verbindung zum südlichen Überseequartier nicht mehr als zwei-, sondern als mehrspurige Straße ausgebaut werden, zur Verkehrsertüchtigung für die Zufahrten zum Westfield Überseequartier-Hamburg. Gilt hier eventuell die Formel „Wer zahlt, schafft an“? Um das deutlich zu sagen: Die Anzahl der Fahrstreifen ist mit der Sanierung der Straße nicht erhöht worden. Auch diesen Sachverhalt haben wir in einer persönlichen Gesprächsrunde mit den Anwohner:innen anhand von Planungsunterlagen erläutert. Die Sanierung greift die genehmigte Straßenplanung einschließlich genehmigter Höhenpläne auf und setzt diese um. Verbessert wurde lediglich die Radwege-Aufleitung des von Süden kommenden Radfahrstreifens. Das ist die einzige Änderung im Rahmen der Sanierung, die damit den Radverkehr in der HafenCity weiter fördert.

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Manche sagen, ach, die HafenCity-Luxus-Bewohner:innen mit ihren Problemen und den dauernden Wünschen nach gesenkten Lärm- und Schadstoffemissionen, die sollen sich mal nicht so wichtig nehmen. Muss die HCH nicht überall da, wo man die Dinge noch beeinflussen kann, den Wunsch der Anlieger nach einem hochwertigen und grünen nachhaltigen Wohnen neu überprüfen? Wir bauen Stadt immer für die Menschen und natürlich auch im Dialog mit den Bewohner:innen vor Ort. Dafür sprechen schon allein die vielen Veranstaltungen und Workshops, die wir seit Beginn der HafenCity-Entwicklung für den intensiven Austausch mit den Bewohner:innen organisiert haben. Viele nachbarschaftliche Angebote, die heute das Leben in der HafenCity bereichern, wie zum Beispiel der temporäre Fußballplatz, basieren auf der Initiative von engagierten Bewohner:innen, die wir als HafenCity Hamburg GmbH gefördert und ermöglicht haben. Und seien Sie versichert, dass wir als verantwortliche Stadtentwicklungsgesellschaft nicht einfach bei dem ursprünglich „Geplanten“ stehen bleiben. Nachhaltige Stadtentwicklung ist ein stetiger Lernprozess im Dialog aller Akteurinnen. Die wachsende Vielfalt an sozialen Wohnkonzepten mit einem hohen Anteil an gefördertem Wohnungsbau oder die hohen Anforderungen an das nachhaltige Bauen durch das Umweltzeichen HafenCity mögen zwei Beispiele sein.
Interview: Wolfgang Timpe

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Dr. Andreas Kleinau (56) ist Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH (HCH).

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