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HHLA-MSC-Deal: »Schubkraft für den Hafen«

Fusion. Die Stadt und ihr Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher überraschen Reeder, Partner und Hafen-Öffentlichkeit mit der strategischen Partnerschaft zwischen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und der weltgrößten Reederei MSC

Im Hamburger Hafen wird derzeit kein Stein – oder besser gesagt: kein Container – auf dem anderen gelassen: Die Stadt holt sich bei ihrem Terminalbetreiber Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) die weltgrößte Reederei MSC Mediterreanean Shipping Com­pany (MSC) an Bord und will mit dieser strategischen Partnerschaft die Zukunft des Hamburger Hafens sichern. Die Ankündigung kommt einem Reederbeben gleich, das es in dieser Ausprägung in der Geschichte des Hamburger Hafens noch nicht gegeben hat. Und es löst Gegenreaktionen von verschiedenen Seiten und heutigen HHLA-Geschäftspartnern aus, die aber den Deal am Ende wohl nicht mehr verhindern werden. Die Zustimmung der rot-grünen Bürgerschaftsmehrheit gilt als sicher.
Foto oben: Hafen-Scoop zur Morgenstunde im Kaisersaal des Rathauses. Dr. Peter Tschentscher (v.r.n.l.; SPD), Hamburgs Erster Bürger­meister und Präsident des Senats, Søren Toft (CEO der MSC Mediterreanean Shipping Company), Dr. Melanie Leonhard (SPD) (Senatorin für Wirtschaft und Innovation), sowie Dr. Andreas Dressel (SPD), Senator für Finanzen, verkünden am Mittwoch, 13. September, um 8.15 Uhr in einer Pressekonferenz das Joint Venture zur Port of Hamburg Beteiligungs SE. Tschen­tscher: „Die MSC-Beteiligung soll unserem Hafen die Schubkraft geben, die er jetzt braucht.“ © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Der in Genf ansässige Reedereikonzern MSC und die Hansestadt unterzeichneten bereits am Mittwoch, 13. September, einen verbindlichen Vorvertrag zur Gründung einer strategischen Partnerschaft, die in einem Joint Venture, in der Port of Hamburg Beteiligungs SE, geführt werden soll. Die Stadt hält dann im künftigen Joint Venture, das gemeinsam geführt werden soll, 50,1 Prozent (gegenüber heute 69 Prozent) und MSC 49,9 Prozent der Anteile.

MSC-CEO Søren Toft zum HHLA-Joint-Venture: „Mit dieser Partnerschaft erweitern wir die Reichweite von MSC und eröffnen Hamburg und Deutschland zugleich weitere Handelspotenziale.“ © HHLA / Thies Rätzke

Die Stadt behält damit das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen, betonte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der Unterzeichnung der Vereinbarung mit MSC. Der Senatschef sprach von einem Meilenstein: „Die MSC-Beteiligung soll unserem Hafen die Schubkraft geben, die er jetzt braucht.“

Zwischenruf

Ja, hallo! Ein Sturm im Wasserglas? Alle, aber auch alle, waren auf dem Protestbaum, als die Senatskanzlei am 13. September um 7.05 Uhr zur Pressekonferenz um 8.15 Uhr einlud, um die börsenverpflichtende Ad-hoc-Meldung der Fusion der HHLA mit der Großreederei MSC bekanntzugeben. Ein klassischer Scoop von dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD), Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), der HHLA und dem CEO Søren Toft vom neuen Miteigner MSC, der künftig 49,9 Prozent an der HHLA halten wird. Die gnadenlose Verschwiegenheit hat geklappt, der Börsenkurs der HHLA-Aktie sprang von rund zehn Euro im August auf zeitweise mehr als 17 Euro nach Bekanntwerden. Den Deal hatte niemand auf der Rechnung, und so beschwerten sich Hapag-Lloyd-Mitgesellschafter Klaus-Michael Kühne, Gesellschafter ­Thomas Eckelmann vom HHLA-Wettbewerber Eurokai fühlte sich übergangen, und Hapag-Lloyd-CEO Rolf Habben Jansen fühlte sich brüskiert, drohte mit weniger Ladung für den Hafen.
Was ist das unternehmerische Ziel dieser Fusion? Mehr Containerladungen (mindestens eine Million Container) pro Jahr im Hamburger Hafen. Ein neu erstarkter Player im Hafen, der den Wettbewerb unter den Reedereien fördern und im Containerbusiness mithelfen soll, neues Wachstum zu generieren.
Die Stadt wollte zudem Herrin im Hause HHLA bleiben, die Mitarbeiter:innen bestmöglich schützen und kein ewiges Wettbewerbsverfahren mit der Kartellbehörde riskieren (was bei Hapag-Lloyd, Eurokai und Investor Kühne zu erwarten war). 
Alles gut? Im Prinzip ja. Abwarten, wie sich das „gemeinsame Führen“ entwickelt, und ob sich die MSC-Versprechen mit neuer Deutschlandzentrale in der HafenCity und 700 neuen Arbeitsplätzen sowie Container-umschlag einlösen. Die Chance: Wächst der Hafen, geht es allen Beteiligten und der Stadt besser. Das haben nach ersten Echtschmerzen nun auch offenbar die Protestreeder begriffen. Stand heute: Neuer Schwung im Hafen, den der Senat seit Jahren vernachlässigt hat. 1:0 für die nun nicht mehr neue Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard. 
Und der veritable Protest der ver.di- und HHLA-Mitarbeiter:in­nen am 19. September auf dem St. Annen-Platz vor der HHLA-Zentrale in der HafenCity? Verständlich. Wehret den Anfängen hat sich für Arbeitnehmer:innen schon häufig gelohnt. Freiwillig rücken Unternehmen selten Mitbestimmungsrechte raus. Wie heißt es so profan und treffend: Veränderung ist notwendig, damit es gut bleibt und zukunftsfähig wird. Endlich rückt der Hafen als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige und Marketing-Leuchtturm Hamburgs in den Business-Fokus.

Wolfgang Timpe

In der HafenCity soll eine neue Deutschlandzentrale entstehen, auch die Kreuzfahrtsparte MSC Cruises soll hier einen neuen Heimathafen bekommen. Die Stadt stelle dafür ein Grundstück zur Verfügung, heißt es. Mit zusätzlich 700 Arbeitsplätzen werde sich die Mitarbeiterzahl von MSC in Hamburg mehr als verdoppeln. 

MSC-Chef Søren Toft nannte das angestrebte Joint Venture eine „sehr wichtige und strategische Zusammenarbeit“. Er sagte zu: Ab 2031 werde die Reederei mindestens eine Million Container (TEU) in der Hansestadt umschlagen. 

Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD), die den Deal wesentlich vorangetrieben hatte, sprach von einem „herausragenden Versprechen für die Zukunft des Hamburger Hafens“. Und: „Die HHLA bleibt in der Hamburger Konzernfamilie“, betonte die Wirtschaftssenatorin. Die Stadt halte weiter die Mehrheit, „aber mit einem starken Partner“. Zudem blieben Grund und Boden im Hafen vollständig im Besitz der Stadt.

Mit der überraschenden Partnerschaft reagiert der Senat auf die seit 15 Jahren andauernde Stagnation an den Hamburger Kais. Die MSC Mediterranean Shipping Company schwimmt hingegen auf einer Erfolgswelle. Das Familienunternehmen ist – in etwa gleichrangig mit der dänischen Maersk-Reederei – die Nummer eins im globalen Containergeschäft (760 Frachter, weitere 90 Neubauten sind bestellt) und hält Beteiligungen an mehr als 70 Terminals. Zudem zählt das Tochterunternehmen MSC Cruises mit einer Flotte von 22 Luxuslinern zu den Großen im Kreuzfahrtgeschäft.

Mit dem Slogan „Kein Verkauf von Stadteigentum! Unser Hafen – nicht euer Casino!“ demonstrierten eine Woche nach dem HHLA-MSC-Deal Hunderte von HHLA-Mitarbeiter:innen und Gewerkschaftsmitgliedern von ver.di vor dem „Rathaus“ des Hafens, dem Hauptsitz der Hamburger Hafen und Logistik AG, auf dem St. Annen-Platz in der HafenCity. © Frank Bründel | www.citynewstv.de

Die HHLA wiederum steht für 75 Prozent des Umschlags im größten deutschen Seehafen, betreibt an der Elbe unter anderem die Containerterminals Altenwerder, Burchardkai und Tollerort. 

Seit Veröffentlichung des Deals rumort es im Hamburger Hafen. Eine regelrechte Kampfansage machte Milliardär Klaus-Michael Kühne, indem er ein Konkurrenz­angebot an die HHLA-Aktionäre zunächst nicht ausschloss. Kühne, dem 30 Prozent an der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd gehören, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Ich kann Hapag-Lloyd nur dringend raten, selbst und sofort ein Übernahmeangebot für 49,9 Prozent der HHLA-Aktien abzugeben.“

Sollte dies nicht geschehen, erwäge er, mit seiner Kühne Holding AG kurzfristig ein entsprechendes Gegenangebot abzugeben – was er inzwischen wieder zurückzog. 

Auch der Hauptaktionär des Eurokai-Konzerns, Thomas Eckelmann, plant, ein Gegenangebot abzugeben. „Dieser Deal wäre eine Katastrophe für den Hamburger Hafen. Deshalb erwäge ich für die Eurokai-Gruppe, dem Senat ein Gegenangebot zu MSC zu unterbreiten. Zu den gleichen Konditionen“, sagte Eckelmann dem „Hamburger Abendblatt“.

Ebenfalls „verschnupft“ reagierte die Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd auf den Deal. Wie ihr Chef Rolf Habben Jansen der Deutschen Presse-Agentur sagte, erwäge Hapag-Lloyd einen Abzug von Ladung aus dem Hamburger Hafen. Derzeit wickele Hapag-Lloyd das für Zentraleuropa gedachte Volumen fast vollständig über Hamburg ab. „Ich könnte mir auch ein Szenario vorstellen, in dem das nur 70 oder 80 Prozent sind“, so Habben ­Jansen. 

Die Kritik der Reederei Hapag-Lloyd konterte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD): „Ehe jetzt Legendenbildung zu den vorherigen Gesprächen einsetzt: Hapag-Lloyd hat leider die städtische Mehrheit bei der HHLA-Group nicht akzeptiert und Eurogate nicht die volle Mitbestimmung der HHLA-Beschäftigten in der Hafenkooperation“, postete Dressel auf der Plattform X, vormals Twitter.

Und Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Malte Heyne sieht dagegen in dem HHLA-Deal einen möglichen „entscheidenden Befreiungsschlag“ für den kriselnden Hafen. 

Auch die oppositionelle CDU begrüßte den Schritt grundsätzlich und sprach von einem „Rettungsring“. Die CDU will dennoch eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses der Bürgerschaft beantragen. „Der Paukenschlag von SPD und Grünen sorgt für immer mehr Kritik von führenden Akteuren aus dem Hamburger Hafen“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Vor allem stehe die Frage im Raum, welchen Nutzen der Einstieg von MSC bei der HHLA tatsächlich habe. Zudem gehe es um die Frage, wie ein Einstieg in die nationale Hafenstrategie passe oder welche Gespräche es mit anderen potenziellen Investoren gegeben habe, sagte Thering. 

Der Fraktionschef sprach in einer Mitteilung von „Ungereimtheiten und offenen Fragen“, auf die der rot-grüne Senat dringend Antworten geben müsse. Wolfgang Timpe

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