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Wahl 2024: Sitzverteilung Bezirksversammlung

Bezirkswahl Hamburg-Mitte. In der Bezirksversammlung zieht vom Erststart weg mit VOLT (5,1 %, 3 Bezirksabgeordnete) eine neue Partei mit Fraktionsstatus ein. SPD und CDU legen zu, die Grünen verlieren mit minus 8,8 % rund 28 % ihrer Wähler:innen gegenüber 2019.
Umfrage: Die HCZ fragte die drei erfolgreich wiedergewählten Spitzenkandidaten von SPD, CDU und FDP, wie sie die Ergebnisse bewerten

Wahl 2024, erfolgreiche Bezirkspolitik – für die Wähler:innen der HafenCity! Hamburgs jüngster wachsender Stadtteil hat die bislang regierende Deutschland-Koalition der vergangenen fünf Jahre aus SPD (21,1 %), CDU (22,7 %) und FDP (13,2 %) bei der Bezirkswahl 2024 mit einer deutlichen Koalitions-Mehrheit von zusammen 57 % wiedergewählt (Grafik 1) – allerdings wurde die Koalition für die neue Bezirksversammlung Hamburg-Mitte abgewählt. Ursache dafür ist die neue Partei VOLT, die jetzt mit 5,1 % (statt der FDP mit 4,8 %) und drei neuen Abgeordneten eine Fraktion in der neuen Bezirksversammlung bildet. Und so stellt die neue Sitzverteilung eine Herausforderung für alle dar, denn keine „klassische“ Koalition erreicht eine Regierungsmehrheit. Neue Ideen sowie neue und wiedergewählte Abgeordnete müssen sich qua Wählerauftrag zu einer Regierung zusammenraufen. Mal sehen, ob bisherige klassische politische Gegner neu aufeinander zugehen können und ob, vielleicht, die drei neuen VOLT-Bezirksabgeordneten, deren Partei für Europa, Gleichberechtigung, soziale Marktwirtschaft, Klima und eine offene Gesellschaft steht, gemeinsam mit dem noch für weitere knapp vier Jahre im Amt befindlichen Bezirksamtschef Ralf Neubauer (SPD) den Bezirk Mitte in eine gute Zukunft führen werden. Die HCZ HafenCity Zeitung hat, wie vor der Bezirkswahl, die drei Spitzenkandidaten Oliver Sträter (SPD), Dr. Gunter M. Böttcher (CDU) und James Robert „Jimmy“ Blum FDP der abgewählten Deutschland-Koalition gefragt, wie es nun weitergehen soll. Die jeweils 7 Fragen und 7 Antworten der drei Wiedergewählten finden Sie weiter unten. 
Grafik oben: Die neue Sitzverteilung in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. © Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2024

Die Regierungskarten werden neu gemischt! Die Bezirkswahlen 2024 in Hamburg-Mitte werden eine neue Bezirks-Regierung hervorbringen. Die FDP konnte zwar ihr Wahlergebnis von 2019 mit 4,8 % wiederholen, verliert aber durch den starken Erstwahl-Auftritt der neuen VOLT-Partei mit drei gewählten Vertreter:innen und 5,1 % ihren Fraktionsstatus. Die Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP in Mitte ist somit Geschichte. Die SPD wird in Hamburg-Mitte mit 28,5 % stärkste Partei (+ 1,5 %), gefolgt von den Grünen mit 21,1 % (- 8,2 %), der CDU mit 15,5 % (+ 3,5 %), und den Linken mit 14,8 % (- 0,8 %) sowie der AfD mit 10,2 % (+ 2,5 %).

Die HCZ HafenCity Zeitung hat – wie vor der Wahl – die drei Spitzenkandidaten des Bezirks Hamburg-Mitte, Oliver Sträter (SPD), Dr. Gunter M. Böttcher (CDU) und James Robert „Jimmy“ Blum sieben Fragen zu den Ergebnissen der Bezirkswahl 2024 in Mitte gestellt. Dabei will Oliver Sträter von der SPD „mit aller gebotenen Ruhe Gespräche mit den demokratischen Fraktionen führen“, während Dr. Gunter M. Böttcher „bestmöglich unsere Ziele im Bezirk Hamburg-Mitte wie schon in der Deutschland-Koalition weiter verfolgen“ will. Und Jimmy Blum legt sich für die FDP fest: „Für die HafenCity bleibt der Verkehr und für die City die Stärkung des Handels jeweils ein Top-Thema.“ Lesen Sie mal die vollständigen sieben Antworten auf unsere sieben Fragen:

1.
Mit 62,4 % ist die Bezirkswahlbeteiligung in Hamburg um 4,4 % höher als 2019 – nur Hamburg-Mitte hat wie so oft über 10 % weniger Menschen an die Wahlurnen gebracht. Warum fällt in Mitte das Wählengehen schwerer als in anderen Bezirken?

 

Oliver Sträter, SPD. © SPD Hamburg-Mitte (7)

Oliver Sträter, SPD: Wir sehen seit längerer Zeit eine große Spreizung der Wahlbeteiligung im Bezirk Hamburg-Mitte. Die innerstädtischen Quartiere haben meist eine deutlich höhere Wahlbeteiligung als die Stadtteile außerhalb. Um dem entgegenzuwirken und entsprechend zu mobilisieren, haben wir uns mit vielen Aktionen auf diese weniger „wahlaktiven“ Quartieren konzentriert.

 

 

Dr. Gunter M. Böttcher, CDU. © Marlene Hoberger (7)

Dr. Gunter M. Böttcher: Mein Wahlkreis 1 hat eine Wahlbeteiligung von 66,1% – das ist erfreulicherweise deutlich über dem Mitte-Schnitt. Interessant wird die Analyse, wie viele von den Erstwählern (ab 16 Jahre) wir zur Wahlurne bewegen konnten. Maßnahmen wie die Wahlmotivations-Kampagne der Hamburgischen Bürgerschaft sind die ersten richtigen Schritte in die richtige Richtung. Erfreulicherweise gab es nur wenige ungültige Stimmen, was zeigt das das „komplizierte“ Wahlsystem für die Bürgerinnen und Bürger kein Wahlhindernis war.

 

James Robert „Jimmy“ Blum. © Privat (7)

James Robert „Jimmy“ Blum, FDP: Das macht mich wirklich traurig. Es gibt leider einige Stadtteile in unserem Bezirk, dort erreichen wir die Anwohnenden nur schwer. Gerade dort mehr Präsenz zu zeigen wird in Zukunft wichtig sein.

2. 
Sie sind als Spitzenkandidaten Ihrer Parteien wieder in die Bezirksversammlung gewählt worden. Wie bewerten Sie Ihr persönliches Wahlergebnis und das ihrer Partei?

Oliver Sträter, SPD: Mit dem klaren Auftrag als stärkste Kraft im Bezirk freuen wir uns darauf, unsere Arbeit mit einer starken Fraktion und dem Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer an der Spitze fortzusetzen und Hamburg-Mitte positiv zu gestalten. Wir werden in den kommenden Wochen gezielt nach Partnerschaften suchen, die unseren erfolgreichen Kurs der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam mit uns weiterführen möchten.

Dr. Gunter M. Böttcher: Ich habe mich sehr gefreut, dass ich zum zweiten mal in Folge in meinem Heimat-Wahlkreis das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wiederholt gewinnen konnte. Ich verstehe mich auch als Sprachrohr in die Politik. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger ihre Sorgen, Nöte und Anregungen mit mir teilen, können wir gemeinsam etwas bewegen. Auch das überwältigende Ergebnis der Persönlichkeitsstimmen auf der Bezirks-Gesamtliste hat mich persönlich sehr gefreut. Die CDU-Mitte hat den stärksten Stimmengewinn aller Fraktionen im Bezirk, dazu sind wir wieder die drittstärkste Fraktion geworden. Wir konnten die Wählerinnen und Wähler mit der Kompetenz der CDU für Innere Sicherheit und starke Wirtschaft überzeugen, was für die Bürgerschaftswahl im Februar 2025 ein positives Signal ist.

James Robert „Jimmy“ Blum, FDP: Ich bin sehr dankbar, dass mir wieder das Vertrauen ausgesprochen wurde. Gegen den Trend haben wir bei der Europawahl 2024 und auch zur Bezirkswahl 2024 nicht unter dem negativen Trend der Ampel gelitten und sogar mehr Stimmen erhalten. Toll!

3.0
Herr Sträter, kommt jetzt eine Rot-Grün-Koalition (SPD 28,5 % | Grüne 21,1 Prozent) oder wollen Sie sich als stärkste Partei wechselnde Mehrheiten suchen?

Oliver Sträter, SPD: Das Wahlergebnis stellt uns nun vor ein paar Herausforderungen. Es reicht weder für die Fortsetzung der bisherigen SPD-CDU-FDP-Koalition, noch für Rot-Grün. Wir werden nun mit aller gebotenen Ruhe Gespräche mit den demokratischen Fraktionen führen.

3.1
Herr Böttcher, ist die CDU Bezirk-Mitte trotz ihrer Zugewinne von 3,5 % jetzt ein zahnloser Tiger?

Dr. Gunter M. Böttcher: Wir nehmen das Wählervotum ernst und stellen uns als drittgrößte Fraktion der Verantwortung, den Bezirk mitzugestalten. Wir werden gerne mit anderen demokratischen Fraktionen ins Gespräch gehen, um bestmöglich unsere Ziele im Bezirk Hamburg-Mitte wie schon in der Deutschland-Koalition weiter zu verfolgen.

3.2
Herr Blum, die FDP erzielt mit 4,8 % ihr Vorjahresergebnis, doch durch den Erfolg der VOLT-Partei mit rund 5,1 %, erlangen die Liberalen in der Bezirksversammlung keinen Fraktions-Status und die Deutschland-Koalition ist damit unmöglich. Sind Sie jetzt als einfacher Bezirksabgeordneter ein Mann ohne Einfluss?

James Robert „Jimmy“ Blum, FDP: Jetzt schauen wir erst einmal, wo die Reise in der Bezirksversammlung hingeht. Stabile Mehrheiten oder eine Koalition mit ausreichender Mehrheit wird schwierig. Egal wie, ich werde weiterhin meine Erfahrung und meine liberalen Werte für Hamburg-Mitte einbringen.

4. 
SPD und CDU legen jeweils insgesamt zu, die FDP stabilisiert sich. Warum können sich die Hamburger Sozialdemokraten vom bundesweiten SPD-Bashing absetzen? Stimmt die These des Hamburger Bürgermeisters Peter Tschentscher doch, dass in Hamburg Konservative SPD wählen – statt zum Beispiel CDU oder FDP? 

Oliver Sträter, SPD: Die SPD in Hamburg und insbesondere In Mitte ist fest in den Stadtteilen verankert. Hier werden Menschen vor Ort für ihre Arbeit in den Stadteilen gewählt. Die Hamburgerinnen und Hamburger können sehr gut zwischen der Bundespolitik und den konkreten Themen in ihrem Umfeld differenzieren. Dies ist uns bei dieser Bezirkswahl zugute gekommen.

Dr. Gunter M. Böttcher: Heute gibt es „den Wähler“ nicht mehr, der auf eine Partei fixiert ist. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden sich zunehmend kurzfristiger anhand aktueller Themen, was die Wahlvorhersagen auch schwieriger macht. Wichtig ist der Inhalt, den die Parteien anbieten und die Glaubwürdigkeit, mit der diese verfolgt werden.

James Robert „Jimmy“ Blum, FDP: Ich freue mich über jede Stimme für demokratische Parteien. Wer nun genau die SPD gewählt hat, kann ich nicht sagen. Gegen den Trend haben wir als FDP mehr Stimmen als beim letzten Mal erhalten und somit wieder das beste Ergebnis seit über 50 Jahren. 

5.
Welche politische Umsetzung braucht jetzt Hamburg-Mitte sofort, mit welchem Topthema bewirkt man das Beste – für den Bezirk und für die Innenstadt und HafenCity? 

Oliver Sträter, SPD: Wir wollen natürlich unsere sozialdemokratische Idee von der Weiterentwicklung der Innenstadt fortsetzen. Das können wir allerdings nicht allein und gehen nun auf Partnersuche. Im Übrigen ist unser Bezirk mit dem Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer in sehr guten Händen.

Dr. Gunter M. Böttcher: Wichtig ist, dass die demokratischen Parteien sicherstellen, dass schnell in einer Koalition eine stabile Mehrheit zum Regieren geschaffen wird. Ein Topthema wird die Verbindung der „alten“ City mit der HafenCity bleiben – und mit der kommenden Eröffnung des Westfield Überseequartiers um so dringender werden. Die City muss mit gezielten Maßnahmen, Anreizen und Ideen wieder lebendiger werden. Das funktioniert nicht, wenn man während der Fußball-EM die „gute Stube“ Jungfernstieg den internationalen Gästen als Großbaustelle präsentiert.

James Robert „Jimmy“ Blum, FDP: Mehr neue Wohnungen, mit diesem Thema war ich auch im Wahlkampf unterwegs. Für die HafenCity bleibt der Verkehr und für die City die Stärkung des Handels jeweils ein Top-Thema.

6.
Welche neuen Einsichten hat ihnen der Erfolg neuer Parteien wie BSW national und VOLT im Bezirk Mitte (5,1 % aus dem Stand) beschert?

Oliver Sträter, SPD: Wir werden uns diese Entwicklung genau anschauen. Noch ist es ein wenig zu früh, um hieraus klare Schlüsse zu ziehen. In jedem Fall sind wir gespannt auf eine neue Volt-Fraktion in der Bezirksversammlung und die neuen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen.

Dr. Gunter M. Böttcher: Neuer Wein in alten Schläuchen ist meist keine gute Lösung. Wesentlicher ist, dass es endlich eine politische inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD in einem öffentlichen Diskurs geben muss, die die wahren Ziele offen legt.

James Robert „Jimmy“ Blum, FDP: Beide Erfolge überraschen mich sehr. Das BSW hatte für Europa keine Lösungen und VOLT habe ich im Wahlkampf außer den wirklich markanten Plakaten nicht wahrgenommen. Ich bin gespannt, wer nun von denen mit in der Bezirksversammlung sitzt und freue mich auf die neuen Gesichter.

7.
Wie haben Sie Drei jeweils Ihren persönlichen Erfolg und den ihrer Partei gefeiert – und mit welchem Getränk?

Oliver Sträter, SPD: Selbstverständlich. Mit einem Hamburger Bier.

Dr. Gunter M. Böttcher: Wir als CDU-Mitte haben heute mit allen Kandidatinnen und Kandidaten, Unterstützern und Helfern und ihren Familien gefeiert, mit Blick auf das Hamburger Rathaus, das wir mit Dennis Thering an der Spitze im nächsten Jahr erobern wollen. Mit einem Glas Sekt in der Hand! Und mit meiner Frau Brigitta Martens anstoßend, ohne deren Unterstützung ein solches Ehrenamt gar nicht möglich wäre.

James Robert „Jimmy“ Blum, FDP: Wie immer habe ich mit stillem Wasser gefeiert, so kann ich meinen Erfolg am besten genießen. Prost!

Umfrage: Wolfgang Timpe

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