E-Lifestyle. Autor Thomas Geiger prüft den Mini-SUV Alfa Romeo Junior auf Herz und Nieren
Opel Mokka, Peugeot 2008, Jeep Avenger, Fiat 600 und jetzt auch noch der Alfa Junior – für den ersten Moment kann man sich ein Gähnen kaum verkneifen angesichts der vielen kleinen SUVs, die uns Stellantis zuletzt mit immer neuem Design und immer gleicher Technik auf die Straßen gespült hat. Doch kaum sitzt man am Steuer des jüngsten Neuzugangs, fühlt man sich plötzlich putzmunter. Denn der Junior, der im September zu Preisen ab 29.500 Euro in den Handel kommt, ist nicht nur der erste neue Alfa seit einer gefühlten Ewigkeit. Sondern es ist auch das aufgeweckteste Auto in der großen Familie der kleinen Stadtgeländewagen und lässt Verwandte wie den Opel Mokka wie kalten Kaffee schmecken.
Foto oben: Alfa-Junior-Drive: „Kaum sitzt man am Steuer des jüngsten Neuzugangs in der Klasse der Mini-SUVs, fühlt man sich plötzlich putzmunter.“ © Alfa Romeo Junior
Die großzügige Dosis italienischen Temperaments und fröhlicher Lebensfreude rührt vor allem von der Topversion Veloce, die zum Jahresende für stolze 48.500 Euro die Modellpalette krönen soll – und da sind die wunderbaren Sportsitze noch gar nicht mit drin, genau wie das Alcantara-Lenkrad und die sportliche Innenausstattung, die nach Schweiß riecht – und nach Adrenalin. Aber dafür schlägt hier das Cuore Sportivo einen entsprechend schnellen Takt. Denn wo sonst bei 156 PS Schluss ist, stehen hier erstmals 280 im Fahrzeugschein. Und damit es tatsächlich flott zur Sache geht, gibt es – ebenfalls eine Premiere in der Familie – neben einem wunderbar strammen Fahrwerk und einer Lenkung so knackig wie ein Sfogliatelle frisch aus dem Forno zum ersten Mal auch ein Torsen-Differenzial an der angetriebenen Vorderachse. Ohne Radschlupf und ohne wimmernde Gummis verteilt es die 345 Nm zwischen dem inneren und äußeren Rad so, dass es selbst beim Kickdown in Kurven nicht in der Lenkung zieht. So beschleunigt der Junior kraftvoll aus jedem Radius heraus und wirkt dabei so belebend wie ein frisch gebrühter Espresso.

Der einzige Haken an der Sache: Die Kraft kommt nicht von einem leidenschaftlichen Turbo oder sonst einem Verbrenner, sondern aus den kühlen Kupferwickeln einer E-Maschine. Das treibt nicht nur den Preis in schwindelnde Höhen und auch das Gewicht, selbst wenn der Alfa mit knapp 1.600 Kilogramm sogar noch zu den leichteren seiner Liga zählt. Sondern das kühlt vor allen Dingen merklich die Leidenschaft herunter. Denn was bringt die schönste italienische Oper, wenn das Spektakel ohne Sound aufgeführt wird. Und nein, das, was da an synthetischer Komposition aus den Boxen flufft, hat mit Motoren-Musik genauso wenig etwas zu tun wie das Gebräu von Starbucks mit Lavazza oder Illy.

Und selbst wer sich an den Sound of Silence tatsächlich gewöhnt hat, der stöhnt über einen Akku, der mit gerade mal 54 kWh nur für etwa 350 Kilometer reichen wird und beim Laden eher zum Café Lungo zwingt, als zum Espresso zu verführen. Denn mehr als 11 kW am Wechsel- und magere 100 kW am Gleichstrom sind nicht drin.
Zwar positioniert sich Alfa mit dem Veloce geschickt am oberen Ende des Marktes, dort wo Mini mit seinem JCW zu Hause ist und man heute Fiesta ST oder Polo GTI vermisst. Doch das Volumen müssen – genau wie bei Corsa & Co – zwei bodenständigere Motorvarianten mit spürbar weniger Kraft und Koffein machen. Den elektrischen Einstieg übernimmt die altbekannte 156-PS-Maschine aus dem Stellantis-Regal, mit der das Spitzentempo dann von 200 auf 150 km/h sinkt und sich der Sprintwert von 5,9 auf 9,0 Sekunden verlängert. Die etwa 60 Kilometer mehr Normreichweite sind da nur ein schwacher Trost.

Und weil keine der Marken aus dem Universum des Carlos Tavares „all in“ geht bei der E-Mobilität, gibt’s den Junior auch mit einem für Alfa womöglich gar zu vernünftigen Benziner, der als Dreizylinder mit 1,2 Liter Hubraum vorfährt und, so viel Zeitgeist muss dann schon sein, von einem Hybridbaustein unterstützt wird. So steigt die Leistung auf 136 PS, der Verbrauch sinkt auf 5,2 Liter, und zum Preisvorteil von 10.000 Euro gibt’s mit 206 km/h und 8,9 Sekunden von null auf hundert auch noch die besseren Fahrleistungen. Für einen Kleinwagen mag das in Ordnung sein, aber das von Alfa beschworene Herzrasen bleibt da aus.
Wo wir gerade am Meckern sind: Die Sache mit dem Herzrasen klappt – ganz anders als bei Autos wie einem 156, einem 164 oder auch einer Giulia – mit dem Design des 4,17 Meter langen Fünftürers ebenfalls nur eingeschränkt. Zwar kann man dem Wagen eine gewisse Eigenständigkeit kaum absprechen, selbst wenn das Heck mit dem hervorstehenden Leuchtenbogen gefährlich an den Kia EV6 erinnert.
Doch braucht es schon einen markentypisch roten Lack, um ihn auf Anhieb als Alfa zu erkennen. Und ein bisschen mehr Glanz und Gloria würden auch nicht schaden, wenn man es ernst nehmen würde mit der italienischen Eleganz: Dort, wo früher mal das legendäre Scudetto im strahlenden Glanz am Grill prangte, gibt es jetzt ein Logo als Laubsägearbeit im schwarzen Plastik, und drinnen wird die Freude über die Alcantara-Bezüge an den direkten Kontaktflächen vom großzügigen Kunststoffeinsatz drumherum schnell wieder getrübt. Von den mühsam ins runde Cockpit gezimmerten viereckigen Bildschirmen und den ewig gleichen Stellantis-Schaltern auf dem Mitteltunnel ganz zu schweigen.
Nicht falsch verstehen: Das funktioniert alles tadellos, passt ins Segment und ist sicher auch dem hohen Preis der Elektromobilität geschuldet. Und mit der Kunststoffschale fürs Ladekabel unter der ansonsten mit Technik prall gefüllten Fronthaube haben die Italiener endlich eine halbwegs taugliche Alternative zum Frunk gefunden, wie man sie – simply clever – von Skoda erwartet hätte.
Aber mit wenig Chic und Charme und fast ohne Finesse beim Ambiente will der Junior nicht recht zu jener „Bella Figura“ passen, die sie uns in Mailand so gerne präsentieren. Das wissen sie offenbar auch bei Alfa Romeo und haben deshalb – so zumindest kann der geneigte Journalist im Beipackzettel nachlesen – „proaktiv und im Sinne gegenseitigen Verständnisses“ auf „Anregung eines italienischen Regierungsbeamten“ den ursprünglich geplanten Namen „Milano“ aufgegeben und das in Polen produzierte Konzernkind unverfänglich Junior genannt – auch weil sich Junioren nicht um Konventionen scheren müssen, sondern ihren eigenen Weg gehen wollen. Thomas Geiger
Mehr Infos unter www.alfaromeo.de/modelle/junior